Vergabepraxis & -recht.
Hervorzuhebende Urteile in allen Sachgebieten
In den letzten 30 Tagen wurden folgende wichtige Entscheidungen im Volltext bei vpr-online eingestellt
Online seit 25. September
VPRRS 2024, 0188VK Bund, Beschluss vom 31.07.2024 - VK 1-56/24
1. Damit die Wertung angebotener Lösungsansätze nachvollziehbar und nachprüfbar ist, muss gerade dann, wenn und soweit ein Wertungsergebnis sich nicht gleichsam zwangsläufig aus dem alleinigen "Abhaken" der ausgeschriebenen Vorgaben erschöpft, die Wertungsbegründung umso ausführlicher und konkreter sein. Je offener ein Wertungsschema ist, desto eingehender sind die Wertungsentscheidung und die wertungsrelevanten Überlegungen vom Auftraggeber zu dokumentieren.
2. Ein öffentlicher Auftraggeber ist weitestgehend darin frei, anhand welcher Methode er das für ihn wirtschaftlichste Angebot ermittelt (sog. Leistungsbestimmungsrecht). Die rechtlichen Grenzen hat ein Aufraggeber erst dann überschritten, wenn seine Wertungsmethode keine wettbewerbsoffene, willkürfreie und nachprüfbare Zuschlagserteilung ermöglicht.
3. Der Antrag auf weitere Akteneinsicht in die für den Bieter bisher geschwärzten Inhalte der Dokumentation der Wertungsentscheidung ist mangels Entscheidungserheblichkeit abzulehnen, wenn bereits aufgrund der bekannten Akteninhalte feststeht, dass diese Dokumentation nicht vergaberechtskonform erfolgt ist. Gleiches gilt für den Antrag auf Durchführung eines "in-camera"-Verfahrens.
VolltextOnline seit 24. September
VPRRS 2024, 0185VK Berlin, Beschluss vom 16.11.2023 - VK B 1-7/22
1. Eignungskriterien dürfen ausschließlich die Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung, die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit sowie die technische und berufliche Leistungsfähigkeit betreffen, wobei die Eignungskriterien vom öffentlichen Auftraggeber im Einzelnen festzulegen und in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen sind. Für ungeschriebene Eignungskriterien (hier: "Fachkunde") ist neben den normierten Ausschlusstatbeständen der §§ 123, 124 GWB kein Raum.
2. Der öffentliche Auftraggeber verstößt gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze, indem er die Eignungsprüfung des Bieters mit der Prüfung der Angebotskalkulation vermengt und Kalkulationsfehler im Angebot der Antragstellerin zur Grundlage der Entscheidung über die Eignung der Antragstellerin im selben Verfahren macht.
3. ...
VolltextOnline seit 23. September
VPRRS 2024, 0186VK Bund, Beschluss vom 07.08.2024 - VK 2-63/24
1. In der Leistungsbeschreibung darf grundsätzlich nicht auf bestimmte Produkte eines Herstellers verwiesen werden. Die Bezugnahme auf ein Referenzprodukt ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn der Auftragsgegenstand andernfalls nicht hinreichend genau und allgemeinverständlich beschrieben werden kann, wobei in diesem Ausnahmefall der Zusatz "oder gleichwertig" erforderlich ist (hier verneint).
2. Maßstab für die Zulässigkeit der Benennung eines Leitfabrikats ist nicht, welches Produkt der Auftraggeber für vorzugswürdig hält. Die Vorschrift stellt vielmehr darauf ab, ob das gewünschte Produkt ohne Verweis auf das Leitfabrikat nicht hinreichend genau beschrieben werden kann.
3. Für eine produktspezifische Ausschreibung muss ein besonders belastbarer sachlicher Grund in dem Sinne gegeben sein, dass es keine vernünftige Alternative bzw. keine vernünftige Alternativlösung gibt.
4. Ein Verstoß gegen das Gebot der Produktneutralität liegt auch dann vor, wenn man die Vorgabe des Leitprodukts für zulässig hält, der Auftraggeber sich aber nicht hinreichend mit den wettbewerblichen Auswirkungen seiner Vorgaben beschäftigt.
VolltextOnline seit 18. September
VPRRS 2024, 0182VG Magdeburg, Urteil vom 09.07.2024 - 3 A 159/22
1. Sind die Fördervoraussetzungen zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, hat sich das Verwaltungsgericht bei der Rechtmäßigkeitsprüfung darauf zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder ggf. ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt.
2. Entscheidend ist allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz gebunden ist.
3. Der öffentliche Auftraggeber verstößt gegen die Zuwendungsbedingungen, wenn er auch Angebote solcher Bieter wertet, die nicht sämtliche der geforderten Umsatzzahlen mitgeteilt oder keine vollständige Verpflichtungserklärung zur Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen abgegeben haben. Selbiges gilt für denjenigen, der sich nach Vorlage einer abgelaufenen Unbedenklichkeitsbescheinigung der Berufsgenossenschaft unter Verstoß gegen das Nachforderungsverbot eine aktuelle Bescheinigung nachreichen lässt.
4. Das bestehende Ermessen kann mit Rücksicht auf die haushaltsrechtlichen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Haushaltsführung in der Regel nur durch die (teilweise) Aufhebung des Zuwendungsbescheides fehlerfrei ausgeübt werden kann (sog. intendiertes Ermessen).
VolltextOnline seit 17. September
VPRRS 2024, 0181VK Bund, Beschluss vom 25.04.2024 - VK 1-30/24
1. Bei der Eignungsprüfung trifft der öffentliche Auftraggeber die Prognoseentscheidung, ob der Bewerber in der Lage sein wird, den Auftrag ausschreibungskonform zu erbringen. Dabei steht ihm ein Beurteilungsspielraum zu, der im Nachprüfungsverfahren nur eingeschränkt überprüft werden kann.
2. Technische Planungsleistungen weisen eine personenbezogene Komponente auf, da deren erfolgreiche Ausführung von den Fähigkeiten der für die Planung eingesetzten Personen mitbestimmt wird.
3. Bei komplexen Planungsleistungen ist es nicht beurteilungsfehlerhaft, wenn der Auftraggeber zu dem Ergebnis kommt, dass die Übernahme einzelner Personen (hier: der vorgesehenen Projektleiter), die für ein anderes Unternehmen an vergleichbaren Projekten mitgearbeitet haben, nicht hinreichend die Eignung des Bieters für die ordnungsgemäße Ausführung des Auftrags belegt. Denn damit können die betriebsorganisatorischen Fähigkeiten und Kapazitäten eines Unternehmens, die für die Erfüllung komplexer Planungsaufgaben ebenfalls und unabhängig von einzelnen Personen erforderlich sind, nicht gleichgesetzt werden.
VolltextOnline seit 16. September
VPRRS 2024, 0179OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.03.2023 - Verg 24/22
1. Die Angebotswertung hat anhand der vom Auftraggeber bekannt gemachten Zuschlags- und Unterkriterien einschließlich deren Gewichtung zu erfolgen.
2. Es steht dem öffentlichen Auftraggeber frei, ein Ausschlusskriterium für den Fall zu formulieren, dass von den Bietern eine bestimmte Mindestpunktzahl nicht erreicht wird. Der Inhalt eines solchen Ausschlusskriteriums muss - ebenso wie die Vergabeunterlagen insgesamt - hinreichend klar und eindeutig formuliert sein.
3. Die Zuschlagsentscheidung muss im Vergabenachprüfungsverfahren überprüfbar sein. Die Nachprüfungsinstanzen müssen anhand der Dokumentation der Wertungsentscheidung die Einhaltung der Bewertungsgrundsätze nachvollziehen können und daraufhin kontrollieren, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten, von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen wurde, keine sachwidrigen Erwägungen in die Entscheidung eingeflossen sind und allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet wurden.
4. Vor allem dann, wenn der Auftraggeber sich eines aus Preis und qualitativen Aspekten zusammengesetzten Kriterienkatalogs bedient, bei dem die Angebote hinsichtlich der Qualitätskriterien mittels eines Benotungssystems bewertet werden und die Bewertungsmethode des Preises nur enge Kompensationsmöglichkeiten für qualitative Abzüge erwarten lässt, muss der Auftraggeber seine für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so eingehend dokumentieren, dass nachvollziehbar ist, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Benotung eingegangen sind.
VolltextOnline seit 9. September
VPRRS 2024, 0175VK Südbayern, Beschluss vom 04.04.2024 - 3194.Z3-3_01-23-68
1. Im Streitfall über die Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB muss die Vergabestelle den Nachweis der Tatbestandsvoraussetzungen des Ausschlussgrunds führen, nämlich dass eine erhebliche oder fortdauernde Schlechtleistung zur Kündigung oder einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat. Es genügt nicht, dass der Auftraggeber gekündigt hat, es muss vielmehr mit hinreichender Sicherheit feststehen, dass dies auch zu Recht erfolgt ist.*)
2. Im Nachprüfungsverfahren gilt der insbesondere in § 167 GWB verankerte Beschleunigungsgrundsatz. Die Vergabekammer bzw. der -senat ist daher nicht gehalten, die Rechtmäßigkeit der streitigen Kündigung selbst im Wege einer vollumfänglichen Inzidentprüfung mit unter Umständen langwieriger Beweisaufnahme wie in einem Bauprozess zu klären. Vielmehr hat die Vergabekammer anhand des Vorbringens der Beteiligten und der eingereichten Unterlagen zu prüfen, ob der öffentliche Auftraggeber den Nachweis der Tatbestandsvoraussetzungen des Ausschlussgrunds auch mit hinreichender Sicherheit führen kann.*)
3. Einem Unternehmen kann sein Verhalten bei Erfüllung eines öffentlichen Auftrags als Mitglied einer Bietergemeinschaft, an die ein Auftrag vergeben wurde, im Rahmen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB zugerechnet werden, wenn ihm ein individueller Beitrag zu den während der Vertragsausführung auftretenden Mängeln zugerechnet werden kann und dieses individuelle Verhalten fehlerhaft oder fahrlässig war.*)
4. Hat ein Auftragnehmer mit rechtlichen Schritten gedroht oder solche unternommen, die er zu diesem Zeitpunkt aufgrund einer noch ungeklärten Rechtslage für zulässig halten konnte, so ist bei der Prognoseentscheidung im Rahmen einer Ausschlussentscheidung vom öffentlichen Auftraggeber zu Gunsten des Auftragnehmers zu prüfen und zu berücksichtigen, ob dieser einer vertretbaren Rechtsauffassung folgte.*)
VolltextOnline seit 5. September
VPRRS 2024, 0173OLG Celle, Beschluss vom 27.08.2024 - 13 Verg 3/24
Wenn eine gemeinnützige GmbH, die ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie betreibt, Erlöse aus Krankenhausleistungen, Wahlleistungen und ambulanten Leistungen erzielt, handelt es sich nicht um eine öffentliche Finanzierung i.S.d. § 99 Nr. 2 a GWB, sondern um Entgelte für spezifische Gegenleistungen für die Behandlung von Patienten.*)
VolltextOnline seit 4. September
VPRRS 2024, 0172OLG Rostock, Beschluss vom 18.07.2024 - 17 Verg 1/24
1. Das Absehen von der Losaufteilung kommt nur dann in Betracht, wenn sich der Auftraggeber im Einzelnen mit dem grundsätzlichen Gebot der Fachlosvergabe einerseits und den im konkreten Fall dagegen sprechenden Gründen auseinandersetzt und sodann eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Belange trifft, als deren Ergebnis die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden technischen und wirtschaftlichen Gründe überwiegen müssen. Objektiv zwingender Gründe für die zusammenfassende Vergabe bedarf es demgegenüber nicht.*)
2. Bei der Prognose der Vor- und Nachteile der Losvergabe, deren Gewichtung und der Abwägung steht dem Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum zu.*)
3. Bei der Abwägung der für und gegen die Losaufteilung sprechenden Gründe sind die typischen Vor- und Nachteile mit der vom Gesetzgeber vorgegebenen Gewichtung zu berücksichtigen und um die im Einzelfall bestehenden Besonderheiten zu ergänzen.*)
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