Vergabepraxis & -recht.
Aktuelle Urteile zu Dienstleistungen
Online seit heute
VPRRS 2024, 0216OLG Karlsruhe, Beschluss vom 20.09.2024 - 15 Verg 9/24
1. Im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb prüft der öffentliche Auftraggeber die Eignung der am vorgeschalteten Wettbewerb teilnehmenden Unternehmen, bevor er sie zum Verhandlungsverfahren zulässt. Mit der positiven Eignungsprüfung wird - anders als im offenen Verfahren - ein Vertrauenstatbestand für die zum Verhandlungsverfahren zugelassenen Unternehmen begründet.
2. Die zum Verhandlungsverfahren zugelassenen Unternehmen müssen nicht damit rechnen, der ihnen durch die Erstellung der Angebote und Teilnahme am Wettbewerb entstandene Aufwand könnte dadurch nachträglich nutzlos werden, dass der Auftraggeber ihre Eignung auf gleichbleibender tatsächlicher Grundlage später nochmals abweichend beurteilt.
3. Der öffentliche Auftraggeber ist berechtigt, die Vergabeunterlagen im laufenden Vergabeverfahren zu ändern, sei es zur Korrektur von Vergaberechtsverstößen oder aus Gründen der Zweckmäßigkeit, sofern dies nur in einem transparenten Verfahren und diskriminierungsfrei geschieht. Die Änderungsbefugnis des Auftraggebers bezieht sich auf alle Bestandteile der Vergabeunterlagen, so die Leistungsbeschreibung, Zuschlagskriterien, Unterkriterien und Gewichtungen.
4. Der maßgeblichen Stufen des Vergabeverfahrens sind fortlaufend zu dokumentieren. Insbesondere ist die Wertungsentscheidung des Auftraggebers so zu dokumentieren, dass sie inhaltlich nachzuvollziehen ist.
5. Ein Bieter kann sich nur dann auf eine fehlende oder unzureichende Dokumentation stützen, wenn sich die diesbezüglichen Mängel auf seine Rechtsstellung im Vergabeverfahren nachteilig ausgewirkt haben. Die Dokumentation ist kein Selbstzweck.
VolltextOnline seit 31. Oktober
VPRRS 2024, 0215VK Bund, Beschluss vom 03.07.2024 - VK 2-47/24
1. Der Auftraggeber hat für die Entscheidung der Frage, ob der Preis eines Angebotes ungewöhnlich niedrig erscheint, grundsätzlich einen Einschätzungs- bzw. Beurteilungsspielraum, der von ihm pflichtgemäß und damit fehlerfrei auszuüben ist.
2. Die Aufgreifschwelle für die Einleitung einer Preisprüfung ist erreicht, wenn sich einzelne Angebote erheblich von anderen Angeboten oder von der Kostenschätzung des Auftraggebers absetzen. Das ist im Regelfall bei einem Abstand von mindestens 20% des betroffenen zum nächstgünstigeren Angebot gegeben.
3. Ein Auftraggeber darf auch unabhängig vom Vorliegen eines ungewöhnlich niedrigen Preises jederzeit in eine Preisaufklärung eintreten, wenn wegen des Preisabstands Anlass hierfür gegeben ist. Somit kann er auch das teuerste Angebot in die Aufklärung einbeziehen, um eine plausible Einschätzung der Marktüblichkeit der eingegangenen Angebote vornehmen zu können.
VolltextOnline seit 28. Oktober
VPRRS 2024, 0209VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 18.01.2024 - 1 VK 6/23
Industrie- und Handelskammern sind mangels Staatsnähe keine öffentlichen Auftraggeber i. S. des § 99 Nr. 2 GWB (Anschluss an VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 08.05.2007 - 3 VK 4/07, IBRRS 2010, 0506 = VPRRS 2010, 0068).
VolltextOnline seit 22. Oktober
VPRRS 2024, 0207VK Niedersachsen, Beschluss vom 25.06.2024 - VgK-12/2024
1. Ein Vertrag über den Betrieb einer Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete ist kein Bauauftrag, sondern ein Dienstleistungsauftrag.
2. Nicht die Vergabekammer, sondern nur die Vergabestelle ist Herrin des Vergabeverfahrens. Es ist nicht Aufgabe der Vergabekammer, dem Bieter hier vor oder anstelle der Antragsgegnerin die Eignung abzusprechen. Die Vergabekammer würde mit einer solchen Entscheidung in den Beurteilungsspielraum der öffentlichen Auftraggeberin eingreifen.
3. Weicht der öffentliche Auftraggeber von der gesetzlichen Zielvorstellung einer Kombination aus Eignungs- und Zuschlagskriterien ab, weil es ihm vor allem auf ein besonders wirtschaftlich ausgerichtetes Angebot ankommt, indem er § 122 Abs. 1 GWB nur schwach inhaltlich abarbeitet, führt das nicht zu einer Verletzung der Rechte des Konkurrenten.
4. Eine Vergabe im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb ist bei für die Allgemeinheit unverzichtbaren Leistungen auch dann möglich, wenn die Dringlichkeit auf Versäumnisse der Vergabestelle zurückzuführen sind. Der Aspekt der Zurechenbarkeit und Vorhersehbarkeit tritt hinter die Notwendigkeit der Kontinuität der Leistungserbringung zurück, wenn bedeutende Rechtsgüter, wie etwa Leib und Leben oder hohe Vermögenswerte, unmittelbar gefährdet sind.
5. Der Zeitraum für die Dringlichkeitsbeauftragung darf als ultima ratio nur soweit bemessen werden, wie es erforderlich ist, die von der Antragsgegnerin beabsichtigte Vergabe in einem ordnungsgemäßen, förmlichen Vergabeverfahren durchführen (im Regelfall maximal 12 Monate).
6. Die Unwirksamkeit der Vertrags muss nicht zwingend rückwirkend erklärt werden. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Unwirksamkeit von Anfang an unverhältnismäßig wäre.
VolltextOnline seit 18. Oktober
VPRRS 2024, 0206EuGH, Urteil vom 04.10.2024 - Rs. C-175/23
Art. 143 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der jeder Verstoß gegen die Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge eine "Unregelmäßigkeit" i.S.v. Art. 2 Nr. 36 dieser Verordnung darstellt, die automatisch zur Anwendung einer finanziellen Berichtigung führt, deren Höhe auf der Grundlage einer zuvor festgelegten Skala der Pauschalsätze für die Berichtigung bestimmt wird.
VolltextOnline seit 16. Oktober
VPRRS 2024, 0203OLG Celle, Urteil vom 27.08.2024 - 13 U 5/23 (Kart)
Zu den Grundsätzen, die für die Nachprüfung der Entscheidung der Gemeinde in einem Wasserkonzessionsvergabeverfahren gelten.*)
VolltextVPRRS 2024, 0202
VK Niedersachsen, Beschluss vom 08.08.2024 - VgK-14/2024
1. Ein öffentlicher Auftraggeber, der eine Sektorentätigkeit ausübt, kann bei der Vergabe eines öffentlichen Auftrags zwischen dem offenem Verfahren, dem nicht offenem Verfahren mit Bekanntmachung und dem Verhandlungsverfahren mit Bekanntmachung wählen.
2. Entscheidend für die Anwendbarkeit der SektVO ist allein, ob der verfahrensgegenständliche Auftrag dem Bereich der Sektorentätigkeit des Auftraggebers zuzuordnen ist.
3. Zum Sektorenbereich Verkehr gehört u. a. das Erbringen von Verkehrsleistungen, die Bereitstellung oder das Betreiben von Infrastruktureinrichtungen zur Versorgung der Allgemeinheit per Eisenbahn-, automatischen Systemen, Straßenbahn, Bus oder Seilbahn.
4. ...
VolltextOnline seit 14. Oktober
VPRRS 2024, 0191VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16.09.2024 - 3 VK LSA 25/24
1. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 TVergG-SA gilt dieses Gesetz für öffentliche Aufträge i.S.d. §§ 103 bis 105 GWB, deren geschätzter Auftragswert die Schwellenwerte nach § 106 Abs. 2 GWB nicht erreicht, so dass grundsätzlich auch Konzessionen in den Anwendungsbereich des Tariftreue- und Vergabegesetz Sachsen-Anhalt fallen.
2. Mangels konkreter Anwendungsvorschrift in der UVgO ist jedoch hinsichtlich der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen kein Nachprüfungsverfahren eröffnet.
3. Auch im Unterschwellennachprüfungsverfahren gilt: Ohne rechtzeitige Rüge ist der Antragsteller mit Einwendungen, die er bis zur Angebotsabgabe hätte geltend machen können, ausgeschlossen.
VolltextOnline seit 9. Oktober
VPRRS 2024, 0198EuGH, Urteil vom 26.09.2024 - Rs. C-403/23
1. Art. 47 Abs. 3 und Art. 48 Abs. 4 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.03.2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge in Verbindung mit dem allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die es den ursprünglichen Mitgliedern einer Bietergemeinschaft verwehrt, aus dieser Bietergemeinschaft auszutreten, wenn die Gültigkeitsdauer des von dieser Bietergemeinschaft eingereichten Angebots abgelaufen ist und der öffentliche Auftraggeber um die Verlängerung der Gültigkeit der bei ihm eingereichten Angebote ersucht, sofern zum einen erwiesen ist, dass die übrigen Mitglieder dieser Bietergemeinschaft die von dem Auftraggeber festgelegten Anforderungen erfüllen, und zum anderen, dass ihre weitere Teilnahme an diesem Verfahren nicht zu einer Beeinträchtigung der Wettbewerbssituation der übrigen Bieter führt.*)
2. Die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung sowie das Transparenzgebot, wie sie in Art. 2 und im zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18 niedergelegt sind, sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die die automatische Einbehaltung der von einem Bieter gestellten vorläufigen Kaution als Folge seines Ausschlusses von einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsvertrags vorsieht, auch wenn er den betreffenden Zuschlag nicht erhalten hat.*)
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