Vergabepraxis & -recht.
Aktuelle Urteile zu Dienstleistungen
Online seit gestern
VPRRS 2025, 0013OLG Jena, Beschluss vom 02.10.2024 - Verg 5/24
1. Öffentliche Auftraggeber können unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn das Unternehmen in Bezug auf die Ausschlussgründe oder Eignungskriterien eine schwerwiegende Täuschung begangen hat.
2. Es spricht einiges dafür, dass § 124 Abs. 1 Nr. 8 GWB als Ausschlussgrund nur bei Falschangaben bzw. unvollständigen Angaben im laufenden Vergabeverfahren zur Anwendung kommt, nicht hingegen bei Falschangaben bzw. unvollständigen Angaben aus vorangegangenen Vergabeverfahren desselben Auftraggebers oder anderer öffentlicher Auftraggeber. Eine schwerwiegende Täuschung des öffentlichen Auftraggebers in einem früheren Vergabeverfahren kann unter dem Gesichtspunkt der nachweislich schweren Verfehlung in späteren Vergabeverfahren Berücksichtigung finden und einen fakultativen Ausschlussgrund darstellen.
3. Selbstreinigungsmaßnahmen können auch nach dem Zeitpunkt der Eignungsprüfung - noch im laufenden Nachprüfungsverfahren - zu berücksichtigen sein.
4. Der öffentliche Auftraggeber hat einen Beurteilungsspielraum bei der Frage, ob die Selbstreinigungsmaßnahmen des Unternehmens ausreichend sind. Dem Auftraggeber kommt auch bei dieser Prognose ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu.
VolltextOnline seit 13. Januar
VPRRS 2025, 0010VK Bund, Beschluss vom 06.11.2024 - VK 2-87/24
1. Ungenaue Angaben im Angebot des Bieters stellen eine Abweichung von Vergabeunterlagen dar und führen jedenfalls dann zum Angebotsausschluss, wenn es sich um individuelle Formulierungen des Bieters handelt und nicht um dessen Allgemeine Geschäftsbedingungen (Anschluss an OLG Düsseldorf, IBR 2020, 255).
2. Ein Bieter kann sein Angebot auch von einem anderen als seinem eigenen E-Mail-Account hochladen und den Nutzer dieses Accounts als Boten einsetzen. Etwas anderes gilt, wenn die Bieter nach den Vergabeunterlagen dazu verpflichtet sind, einen eigenen E-Mail-Account zu nutzen.
VolltextOnline seit 10. Januar
VPRRS 2025, 0005OLG Brandenburg, Beschluss vom 12.11.2024 - 19 Verg 2/24
1. Abzugrenzen ist die Dienstleistungskonzession vom Dienstleistungsauftrag danach, dass bei der Konzession das Betriebsrisiko für die Verwertung der Dienstleistungen auf den Konzessionsnehmer übergeht (hier bejaht für Betrieb eines Reha-Zentrums).
2. Für das Merkmal der Aufsicht über die Leitung nach § 99 Nr. 2 b GWB kommt es darauf an, ob eine Verbindung der Vergabestelle mit der öffentlichen Hand besteht, die Letzterer eine Einflussnahme auf Entscheidungen der Vergabestelle in Bezug auf öffentliche Aufträge ermöglicht, und ob diese Verbindung der Verbindung gleichwertig ist, die besteht, wenn eines der beiden anderen alternativen Merkmale erfüllt ist, nämlich die Finanzierung überwiegend durch die öffentliche Hand erfolgt oder mehr als die Hälfte der Mitglieder des Leitungsorgans der Vergabestelle durch die öffentliche Hand ernannt wird (hier bejaht für Betreiber eines Reha-Zentrums).
VolltextOnline seit 9. Januar
VPRRS 2025, 0006OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.02.2023 - Verg 6/22
1. Der öffentliche Auftraggeber ist bei der Beschaffungsentscheidung für ein bestimmtes Produkt, eine Herkunft, ein Verfahren oder dergleichen im rechtlichen Ansatz ungebunden und weitestgehend frei. Dabei kann der öffentliche Auftraggeber eine seinen Bedürfnissen entsprechende Qualität bestimmen, die die abgegebenen Angebote gewährleisten müssen, und eine Untergrenze festlegen, die diese einhalten müssen.
2. Zuschlagskriterien müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen. Der Gegenstand des Auftrags bildet die äußere Grenze für die Wahl und die Heranziehung der Kriterien für die wirtschaftliche Bewertung der Angebote.
3. Über die Grenzen des Inhalts eines an dem eindeutig bestimmten und bekanntgemachten Gegenstand des Auftrags orientierten Angebots darf ein Zuschlagskriterium nicht hinausgehen. Auch soweit der Auftragnehmer nicht zu einem bestimmten Leistungserfolg verpflichtet werden soll, sondern nur zu einer Tätigkeit in bestimmter Qualität, darf der öffentliche Auftraggeber daher keine Konzepte verlangen und bewerten, die auf vom konkreten Auftrag losgelöste "Fähigkeiten" des Unternehmens zielen.
VolltextOnline seit 8. Januar
VPRRS 2025, 0007OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.09.2022 - Verg 16/22
1. An Rügen ist zwar ein großzügiger Maßstab anzulegen. Reine Vermutungen zu eventuellen Vergabeverstößen reichen indes nicht aus. Auch bei Vergabeverstöße, die sich ausschließlich in der Sphäre der Vergabestelle abspielen, ist ein Mindestmaß an Substantiierung einzuhalten. Eine willkürliche, aufs Geratewohl oder ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung ist unzulässig und unbeachtlich.
2. Werden dem Antragsteller während des Nachprüfungsverfahrens weitere mögliche Vergaberechtsverstöße bekannt, kann er diese zum Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens machen, sofern die Rüge des erst im Vergabenachprüfungsverfahren bekannt gewordenen Vergaberechtsverstoßes im Übrigen zulässig, insbesondere nicht präkludiert ist. Das gilt auch dann, wenn das Nachprüfungsverfahren zunächst unzulässig war, weil es aufgrund eines nicht, nicht unverzüglich oder inhaltlich unzureichend gerügten Verstoßes eingeleitet worden ist.
3. Ist das Angebot des Bieters nicht das zweit-, sondern das dritt- oder schlechter platzierte, bedarf die Feststellung einer Verschlechterung der Zuschlagschancen demzufolge einer über die Vergaberechtswidrigkeit der Auswahl des erstplatzierten Bieters hinausgehender Darlegung.
4. Im Rahmen des geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes ist die Vergabekammer grundsätzlich auch zum Aufgreifen nicht geltend gemachter, sich aufdrängender Vergaberechtsfehler befugt, soweit der Nachprüfungsantrag zulässig ist. Insbesondere muss der Antragsteller seine Rügeobliegenheit erfüllt haben. Präkludierte Verstöße dürfen von Amts wegen nicht aufgegriffen werden.
5. Der Anspruch auf Akteneinsicht im Nachprüfungsverfahren hat eine rein dienende, zum zulässigen Verfahrensgegenstand akzessorische Funktion. Von daher besteht er dann nicht, wenn der Nachprüfungsantrag zweifelsfrei unzulässig ist oder wenn der Bieter ins Blaue hinein Fehler oder mögliche Verstöße in der Hoffnung rügt, mithilfe von Akteneinsicht zusätzliche Informationen zur Untermauerung substanzloser Mutmaßungen zu erhalten.
VolltextOnline seit 7. Januar
VPRRS 2025, 0004VK Südbayern, Beschluss vom 06.08.2024 - 3194.Z3-3_01-24-26
1. Gibt ein öffentlicher Auftraggeber im Rahmen der Erstellung von Konzepten vor, dass das einzureichende Konzept bestimmten Formvorgaben zu entsprechen habe (Seitenanzahl, Schriftart, Schriftgröße und Zeilenabstand), hat er sich im Rahmen der Konzeptbewertung auch damit auseinanderzusetzen, ob die Ausführungen in den eingereichten Konzepten den formellen Vorgaben entsprechen oder nicht und dies entsprechend zu dokumentieren.*)
2. Hat der öffentliche Auftraggeber bei der Konzepterstellung Formvorgaben zu Seitenanzahl, Schriftgröße, Zeilenabstand und Schriftart aufgestellt, kann sowohl eine Überschreitung der Seitenvorgabe als auch eine Nichtbeachtung der Vorgaben zur Schriftgröße, Zeilenabstand und Schriftart dazu führen, dass die Bieter mehr Informationen in ihrem Konzept unterbringen, als wenn sie sich an die Vorgaben gehalten hätten. Daher hat sich der öffentliche Auftraggeber im Rahmen der Konzeptbewertung damit auseinanderzusetzen, wie er derartige Verstöße im Rahmen der Konzeptbewertung berücksichtigt, um eine transparente und gleichbehandelnde Bewertung der Konzepte sicherstellen zu können.*)
3. Wenn formelle Vorgaben, die bei der Konzepterstellung zu beachten sind und daran angeknüpfte Sanktionsmöglichkeiten unklar sind, leidet die Ausschreibung an einem schwerwiegenden Mangel, der eine Rückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor Bekanntmachung der Ausschreibung bedingen kann.*)
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