Vergabepraxis & -recht.

Aktuelle Urteile zu Dienstleistungen
Online seit heute
VPRRS 2025, 0081
VK Sachsen, Beschluss vom 21.01.2025 - 1/SVK/022-24
1. Ein öffentlicher Auftraggeber darf sich grundsätzlich auf die Angaben der Bieter und die von ihnen in ihren Angeboten abgegebenen Leistungsversprechen verlassen. Nur wenn sich Zweifel ergeben, die das Leistungsversprechen eines Bieters als nicht plausibel erscheinen lassen, und Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Bieter die vom Auftraggeber vorgegebenen Anforderungen möglicherweise nicht erfüllen kann, ist de Auftraggeber verpflichtet, Aufklärung zu verlangen und die ausreichende Leistungsfähigkeit des Bieters durch Einholung weiterer Informationen zu prüfen.*)
2. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet es, dass ein Auftraggeber regelmäßig jede Auskunft, die er einem anfragenden Bieter erteilt, auch allen anderen Bietern erteilt. Andernfalls läuft der Auftraggeber Gefahr, gegen das Gebot der Gleichbehandlung und Chancengleichheit aller Bieter zu verstoßen. Ein Auftraggeber darf eine Bieterfrage allenfalls im Einzelfall individuell beantworten, wenn es sich nicht um eine zusätzliche sachdienliche Information handelt.*)
3. Der Umstand, dass ein Bieter selbst eine Bieterfrage gestellt hat und als einziger eine Antwort erhalten hat, lässt eine Rechtsverletzung nicht entfallen. Denn es kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass dieser Bieter durch die Berücksichtigung der ihm erteilten Antwort auf seine Bieterfrage einen Wettbewerbsnachteil erlitten hat, während andere Bieter, denen die Antwort nicht bekannt war, die Vorgabe nicht beachtet haben und dadurch günstiger anbieten konnten bzw. einen Wettbewerbsvorteil erlangen.*)
4. Eine Preisprüfung ist durchzuführen, wenn der Preisabstand zum nächsthöheren Angebot 20% oder mehr beträgt. Dabei ist auf die Differenz des Gesamtpreises und nicht auf einzelne Preispositionen abzustellen.*)
5. Über die Kosten des Eilverfahrens (Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung) wird im Hauptsacheverfahren entschieden. Es löst gesonderte Vergabekammergebühren aus, über die getrennt und unabhängig davon zu entscheiden ist, wer die Kosten in der Hauptsache trägt. Dabei ist anerkannt, dass die Kostenlast für das Eilverfahren und den Nachprüfungsantrag in der Hauptsache unterschiedliche Beteiligte treffen kann.*)
6. Für die Kosten des Eilverfahrens nach § 169 Abs. 2 Satz 1 GWB (Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung) gelten die gleichen Grundsätze wie für die Kosten des Nachprüfungsverfahrens in der Hauptsache. Die Frage der Verteilung der Kosten des Eilverfahrens richtet sich daher konkret nach den §§ 182 Abs. 3 Satz 1 GWB analog, der bestimmt, dass soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, er die Kosten zu tragen hat.*)

Online seit 9. April
VPRRS 2025, 0076
VK Niedersachsen, Beschluss vom 28.11.2024 - VgK-25/2024
1. Insbesondere bei abstrakten Wertungskriterien ist die Wertungsentscheidung eingehend und nachvollziehbar zu dokumentieren (hier verneint).
2. Die Wertungsentscheidung ist vom Auftraggeber selbst zu treffen. Der Einsatz sachkundiger Personen (z. B. Nutzer) kann im Einzelfall geboten sein.

Online seit 27. März
VPRRS 2025, 0069
OLG Jena, Beschluss vom 19.02.2025 - Verg 10/24
1. Für die Vergleichbarkeit erforderlich, aber auch ausreichend ist die Vorlage solcher Referenzleistungen, die der ausgeschriebenen Leistung soweit ähneln, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Fachkunde und Leistungsfähigkeit des Bieters auch für die ausgeschriebene Leistung ermöglichen.
2. Die referenzierte Leistung muss im Zeitpunkt der Abgabe nicht vollständig erbracht sein. Bei mehrjährigen Dienstleistungsaufträgen, deren "passgenauer" Ablauf letztlich zufällig ist, kann der gewünschte Nachweis auch dadurch erbracht werden, dass die Leistungserbringung bereits seit längerer Zeit erfolgt.
3. Dass der Referenzauftrag auf einer festgestellt rechtswidrigen Vergabe beruht, ist irrelevant.
4. Sofern der öffentliche Auftraggeber aufgrund anderweitiger gesicherter Erkenntnisse zu der beanstandungsfreien Feststellung gelangt, das Angebot eines Bieters sei nicht ungewöhnlich oder unangemessen niedrig, darf er auf eine Aufklärung verzichten.
5. Dokumentationsmängel können durch geeigneten Vortrag infolge einer Rüge oder im Nachprüfungsverfahren geheilt werden.

Online seit 26. März
VPRRS 2025, 0067
VK Bund, Beschluss vom 03.07.2024 - VK 2-55/24
1. Für Grundlagen des Vergabeverfahrens, also Vorgaben bereits aus den Vergabeunterlagen, gilt eine an die bloße Erkennbarkeit anknüpfende, vorgezogene Rügeobliegenheit.
2. Bei der Erkennbarkeit ist abzustellen auf eine verobjektivierte Perspektive eines mit üblicher Sorgfalt agierenden Bieters. Es kommt allein darauf an, dass die den Verstoß begründenden Tatsachen bei laienhafter Bewertung vor Ablauf der Angebotsfrist gegenüber dem Auftraggeber hätten dargelegt werden können.
3. Es gehört zum allgemeinen Bieterwissen, dass Bewertungskriterien, die nicht zum Auftragsgegenstand passen, bzw. unklare Bewertungsmaßstäbe keine gleichmäßige Bewertung bzw. keine belastbare Konzepterstellung und damit keine vergleichbaren Angebote ermöglichen.
4. Für die Bewertung der Wirtschaftlichkeit der Angebote steht dem Auftraggeber ein von den Nachprüfungsinstanzen nur begrenzt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Beurteilungsfehler ergeben sich, wenn der Auftraggeber bei seiner Bewertung die vorgegebenen Bewertungsmaßstäbe nicht eingehalten hat, von einem unzureichend ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist oder seine Bewertung willkürlich ist bzw. nicht auf sachgemäßen Erwägungen beruht.

Online seit 25. März
VPRRS 2025, 0065
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.03.2025 - 13 B 102/25
1. Verwaltungsrechtsschutz ist grundsätzlich nachgängiger Rechtsschutz. Vorbeugender (vorläufiger) Rechtsschutz, der zur Sicherung des eigenen Bewerbungsverfahrensanspruchs darauf gerichtet ist, in einem Auswahlverfahren für die Vergabe von Rettungsdienstleistungen die Zuschlagserteilung an den ausgewählten Mitbewerber einstweilen zu verhindern, setzt voraus, dass dem Betroffenen bei dem Verweis auf nachträglichen Rechtsschutz unzumutbare Nachteile etwa in Form einer wirtschaftlichen Existenzgefährdung oder der Schaffung irreversibler Zustände drohen.*)
2. Die Vergabe eines öffentlichen Auftrags an einen Mitbewerber berührt grundsätzlich nicht den Schutzbereich der Berufsfreiheit des erfolglosen Bewerbers aus Art. 12 Abs. 1 GG (i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG). Diese schützt einen Gewerbetreibenden weder davor, dass ihm durch staatliche Maßnahmen Konkurrenz erwächst, noch bietet sie Schutz gegen eine bloß faktische Benachteiligung durch Vereitelung künftiger Erwerbschancen. Als Eingriff in ein subjektives Recht kommt nur die Beeinträchtigung des sog. Bewerbungsverfahrensanspruchs, also des Rechts aus Art. 3 Abs. 1 GG auf eine verfahrenskonforme Auswahlentscheidung, in Betracht.*)
3. Dem hier allein geschützten Bewerbungsverfahrensanspruch wird ausreichend Rechnung getragen, wenn für die ausschreibende Stelle im öffentlich-rechtlichen Vertrag mit dem ausgewählten Bewerber eine außerordentliche Kündigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund für den Fall eingeräumt ist, dass gesetzliche, gerichtliche oder aufsichtsbehördliche Maßnahmen dem Vertrag die rechtliche oder tatsächliche Grundlage ganz oder teilweise entziehen. § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB, wonach ein wirksam erteilter Zuschlag nicht aufgehoben werden kann, ist im rettungsrechtlichen Auswahlverfahren nicht anwendbar, wenn die Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB greift. Anstelle des Vergaberechts finden § 13 RettG-NW und prozessual die Verwaltungsgerichtsordnung und die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsprozessrechts Anwendung. Eine § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB entsprechende Regelung kennt der Verwaltungsprozess nicht.*)

Online seit 20. März
VPRRS 2025, 0063
VG Schwerin, Beschluss vom 17.02.2025 - 3 B 3547/24
1. Jede staatliche Stelle hat bei ihrem Handeln, unabhängig von der Handlungsform und dem betroffenen Lebensbereich, die in dem Gleichheitssatz niedergelegte Gerechtigkeitsvorstellung zu beachten. Dieses Handeln ist anders als die in freiheitlicher Selbstbestimmung erfolgende Tätigkeit eines Privaten stets dem Gemeinwohl verpflichtet. Eine willkürliche Ungleichbehandlung kann dem Gemeinwohl nicht dienen.
2. Der staatlichen Stelle, die einen öffentlichen Auftrag vergibt, ist es verwehrt, das Verfahren oder die Kriterien der Vergabe willkürlich zu bestimmen.
3. Die tatsächliche Vergabepraxis kann zu einer Selbstbindung der Verwaltung führen. Aufgrund dieser Selbstbindung kann den Verdingungsordnungen als den verwaltungsinternen Regelungen über Verfahren und Kriterien der Vergabe eine mittelbare Außenwirkung zukommen.
4. Jeder Mitbewerber muss eine faire Chance erhalten, nach Maßgabe der für den spezifischen Auftrag wesentlichen Kriterien und des vorgesehenen Verfahrens berücksichtigt zu werden. Eine Abweichung von solchen Vorgaben kann eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG bedeuten. Insofern verfügt jeder Mitbewerber über ein subjektives Recht, für das effektiver Rechtsschutz gewährleistet werden muss.

Online seit 19. März
VPRRS 2025, 0062
VG Lüneburg, Urteil vom 29.01.2025 - 6 A 55/24
Im niedersächsischen Rettungsdienstrecht findet die Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB keine Anwendung.
