Vergabepraxis & -recht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
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VPRRS 2023, 0163VK Sachsen, Beschluss vom 07.07.2023 - 1/SVK/012-23
1. Bei zweistufigen Rahmenvereinbarungen mit mehreren Unternehmen und sogenannten Miniwettbewerb haben beteiligte Unternehmen bei Verstößen im Zusammenhang mit der Vergabe der Einzelaufträge grundsätzlich die Möglichkeit, Primärrechtsschutz bei der Vergabekammer in Anspruch zu nehmen.*)
2. Dies bedeutet, dass nicht nur bei der Vergabe der Rahmenvereinbarung selbst, sondern auch bei der späteren Vergabe der Einzelaufträge durch einen Miniwettbewerb aufgrund einer Rahmenvereinbarung der Rechtsweg zu den Vergabekammern eröffnet sein kann.*)
3. Es ist im streitigen Sachverhalt möglich, dass sich die Konzessionsgeberin des Instruments einer Rahmenvereinbarung bedient, um damit Einzelkonzessionen zu vergeben, obwohl dies so in der KonzVgV nicht vorgesehen ist.*)
4. Bedient sich der Konzessionsgeber des Instruments der Rahmenvereinbarung, sind die in den Vorschriften des § 21 VgV dafür normierten Anforderungen analog anzuwenden sowie die Grundsätze der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Transparenz einzuhalten.*)
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VPRRS 2022, 0171VK Südbayern, Beschluss vom 30.05.2022 - 3194.Z3-3_01-21-61
1. Ein öffentlicher Auftraggeber ist nicht verpflichtet im Vergabeverfahren zu überprüfen, ob die Bieter ihre mit dem Angebot verbindlich eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen auch einhalten werden; vielmehr darf er sich grundsätzlich auch ohne Überprüfung auf die Leistungsversprechen der Bieter verlassen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.01.2020 - Verg 20/19, VPRRS 2020, 0082).*)
2. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn der Antragsgegner den Auftragsgegenstand in den Vergabeunterlagen in weiten Teilen funktional über zu lösende Aufgaben beschrieben hat.*)
3. Hat sich ein Bieter allerdings auf eine Ausführungsvariante festgelegt und bringt ein Mitbewerber gegen diese Art der Ausführung konkrete, substantiierte und auf den Einzelfall bezogene Einwände vor, die das Leistungsversprechen dieses Bieters als zweifelhaft erscheinen lassen, muss der öffentliche Auftraggeber bereit und in der Lage sein, das Leistungsversprechen des Bieters effektiv zu verifizieren.*)
4. Der öffentliche Auftraggeber ist in der Wahl seiner Überprüfungsmittel grundsätzlich frei und nicht auf eine bestimmte Methode oder bestimmte Mittel der fachlichen Prüfung festgelegt. Das vom Auftraggeber gewählte Mittel zur Überprüfung muss jedoch geeignet und die Mittelauswahl frei von sachwidrigen Erwägungen getroffen worden sein (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.01.2020 - Verg 20/19, VPRRS 2020, 0082).*)
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VPRRS 2020, 0139KG, Beschluss vom 26.03.2019 - Verg 16/16
1. Das Gebot des § 97 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 GWB, Leistungen getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben, schränkt das Leistungsbestimmungsrecht des öffentlichen Auftraggebers bei der Vergabe öffentlicher Aufträge ein. Diese Einschränkung greift aber erst und nur, wenn eine getrennte Beschaffung der ausgeschriebenen Leistungen (hier: Verpflegungsleistungen für Flüchtlingsheim) nach Art oder Fachgebiet überhaupt sinnvoll möglich ist, woran es fehlen kann, wenn die nachgefragte Leistung nach ihrem Gegenstand gerade voraussetzt, dass sie aus einer Hand erbracht wird.
2. Die Feststellung, ob wirtschaftliche oder technische Anforderungen eine einheitliche Vergabe erfordern, setzt voraus, dass die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden technischen und wirtschaftlichen Gründe die für das Gebot der Losaufteilung sprechenden Gründe überwiegen (hier verneint).
3. Weil eine getrennte Beschaffung regelmäßig aufwendiger ist als eine zusammengefasste, kann der mit einer getrennten Beschaffung verbundene Ausschreibungs-, Prüfungs- und Koordinierungsaufwand das Absehen von einer getrennten Ausschreibung der Leistungen nicht rechtfertigen.
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VPRRS 2018, 0212VK Südbayern, Beschluss vom 05.06.2018 - Z3-3-3194-1-12-04/18
1. Für die wirksame Bekanntmachung der Eignungskriterien gem. § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB und der Unterlagen zum Nachweis der Eignung gem. § 48 Abs. 1 VgV reicht es nicht aus, wenn lediglich auf eine Internetseite verwiesen wird, wo der Bieter sich die entsprechenden Unterlagen aus zahlreichen dort gespeicherten Vergabeverfahren möglicherweise heraussuchen kann.*)
2. Eine solche Verlinkung führt zudem zu einem Verstoß gegen die Verpflichtung zur direkten Bereitstellung der Unterlagen nach § 41 Abs. 1 VgV.*)
3. Sind aufgrund eines Bekanntmachungsdefizits keine Mindestanforderungen an die Eignung wirksam ins Verfahren eingeführt, besteht nur dann die Verpflichtung der Vergabestelle, das Verfahren aufzuheben, wenn ansonsten der Zuschlag auf das Angebot eines ungeeigneten Bieters droht.*)
4. Der Grundsatz der Gleichbehandlung erfordert, dass ein öffentlicher Auftraggeber grundsätzlich jede zusätzliche sachdienliche Auskunft, die er einem anfragenden Bieter gibt, auch allen anderen Bietern erteilt. Ausnahmen hiervon kommen nur in Betracht, wenn die Frage offensichtlich ein individuelles Missverständnis eines bestimmten Bieters betrifft, oder die allseitige Beantwortung der Frage Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse verletzen oder die Identität des Bieters preisgeben würde.*)
VolltextVPRRS 2018, 0052
VK Bund, Beschluss vom 06.11.2017 - VK 1-113/17
Das dem öffentlichen Auftraggeber zustehende Leistungsbestimmungsrecht umfasst auch die Entscheidung, für eine ausgeschriebene Beratungsleistung ausschließlich festangestellte Pflegeberater einzusetzen.
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VPRRS 2016, 0457VK Sachsen, Beschluss vom 13.05.2016 - 1/SVK/004-16
1. Nimmt ein Bieter in einer vom Auftraggeber vorgefertigten Tabelle handschriftliche Ergänzungen mit Querverweisen auf andere Spalten vor, statt in den Tabellenspalten die entsprechenden Zahlenwerte an der geforderten Stelle anzugeben, stellt dies eine Änderung der Vertragsunterlagen gemäß § 19 EG Abs. 3 d VOL/A 2009 dar. Auch in Kalkulationstabellen dürfen Erläuterungen oder Zusätze wie "in Position... enthalten" nicht in den Vertragsunterlagen angebracht werden.*)
2. Der den Ausschluss eines Angebots rechtfertigende Mangel kann dann nicht im Wege eines Aufklärungsgesprächs nach § 18 EG Satz 1 VOL/A 2009 beseitigt werden, wenn hierzu die Änderung des Angebots notwendig wäre.*)
VolltextVPRRS 2016, 0254
VK Bund, Beschluss vom 21.06.2016 - VK 2-45/16
1. Eine gesetzliche Krankenkasse ist als öffentlicher Auftraggeber dazu verpflichtet, öffentliche Aufträge im Wettbewerb zu vergeben. Dabei ist vorrangig ein offenes Verfahren durchzuführen, wenn kein begründeter Ausnahmefall vorliegt.
2. Bei der Beantwortung der Frage, ob es "zweckmäßig" im Sinne des § 127 Abs. 1 SGB V ist, medizinische Hilfsmittel einschließlich der Erbringung damit in Zusammenhang stehender Serviceleistungen in einem wettbewerblichen Vergabeverfahren zu beschaffen, steht dem Auftraggeber eine Einschätzungsprärogative zu, die von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüft werden kann.
3. Begehrt ein Bieter das Unterlassen der Durchführung eines Vergabeverfahrens, fehlt es ihm an einer Verletzung in eigenen Rechten. Denn die Frage, ob und inwieweit der Auftraggeber (hier: aus sozialrechtlichen Gründen) berechtigt oder nicht berechtigt ist, einen Bedarf im Wege einer vergaberechtlichen Ausschreibung zu decken, ist dem Vergabeverfahren vorgelagert und nicht in diesem zu prüfen.
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VPRRS 2014, 0601VK Nordbayern, Beschluss vom 31.07.2014 - 21.VK-3194-25/14
1. Zur (fehlenden) Öffentlichen-Auftraggeber-Eigenschaft einer Kreisvereinigung der Lebenshilfe e.V.*)
2. Erhält ein ASt trotz des ausdrücklichen Hinweises der Vergabekammer zur Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrages seinen Antrag in vollem Umfang aufrecht, kann ein Verschulden der VSt nach § 128 Abs. 3 Satz 3 GWB nur hinsichtlich der Hälfte der Kosten gesehen werden, die auch bei Antragsrücknahme entstanden wären, da der ASt durch eine Rücknahme des Antrages nach Hinweis auf dessen Unzulässigkeit die anfallenden Verfahrenskosten aufgrund der gesetzlichen Kostenfolge des § 128 Abs. 3 Satz 4 GWB auf die Hälfte hätte reduzieren können.*)
VolltextVPRRS 2014, 0354
OLG Koblenz, Beschluss vom 04.02.2014 - 1 Verg 7/13
1. Das Bestimmungsrecht des Auftraggebers umfasst auch die Wahl der Vergütungsform, für die die VOL/A keine Vorgaben macht.*)
2. Es gibt keine vergaberechtliche Norm und kein Grundprinzip des Vergaberechts, das es einem Auftraggeber, der auf Dauer angelegte Leistungen zugunsten Dritter in Auftrag geben und diese mit Zeitpauschalen vergüten will, grundsätzlich verböte, eine gesonderte Vergütung für eine nicht in eine weitere Leistungserbringung einmündende Erstberatung auszuschließen.*)
3. Nach der ersatzlosen Streichung des Verbots der Überbürdung eines ungewöhnlichen Wagnisses aus der VOL/A kommt die Annahme eines Vergaberechtsverstoßes nur in Betracht, wenn eine kalkulationsrelevante Vorgabe des Auftraggebers für die Bieter unzumutbar ist.*)
4. Die Festlegung einer Kostenobergrenze durch den Auftraggeber ist grundsätzlich zulässig.*)
5. Fehlt es an einem Beschaffungswillen des Ausschreibenden und ist die Ausschreibung inhaltlich so gestaltet, dass ein eine Verpflichtung zur Erbringung einer Leistung begründender Zuschlag überhaupt nicht erteilt werden kann, liegt eine Ausschreibung für vergabefremde Zwecke vor, die auch dann unzulässig ist, wenn keiner der in § 2 Abs. 3 VOL/A ausdrücklich genannten Fälle vorliegt.*)
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VPRRS 2012, 0368VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15.07.2012 - 2 VK LSA 11/10
1. Geht ein Auftraggeber aufgrund einer Vielzahl von Mängeln bei der bisherigen Leistungserbringung durch den Auftragnehmer davon aus, dass derselbe nicht die Gewähr dafür bietet, die Leistung künftig ordnungsgemäß zu erbringen, so ist der Ausschluss dieses Bieters im neuen Vergabeverfahren für dieselbe Leistung nicht vergaberechtswidrig. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Mängel als schwere Verfehlungen i.S. des § 7 Nr. 5 c) VOL/A anzusehen sind.
2. Zwar kann sich die Vergabekammer nach eigenem Ermessen auf das beschränken, was von den Beteiligten vorgebracht wird oder ihr sonst bekannt sein muss, jedoch erforscht sie den Sachverhalt grundsätzlich von Amts wegen. Dabei hat das Interesse an einer umfassenden Sachverhaltsaufklärung und einer materiell richtigen Entscheidung Vorrang vor dem Interesse an einer Beschleunigung des Verfahrens.
VolltextVPRRS 2012, 0116
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.02.2012 - Verg 2/12
Bei der Ausgestaltung des Auskunfts- und Prüfungsrecht des § 59 GWB hat die Vergabekammer einen weiten, nur auf die Einhaltung seiner Grenzen kontrollierbaren Ermessensspielraum, in den das Beschwerdegericht nicht in der Weise eingreifen kann, dass es der Vergabekammer die Durchführung bestimmter Ermittlungen vorgibt oder untersagt. Zur Annahme der Erforderlichkeit eines Auskunftverlangens genügt, wenn ein vertretbares Ermittlungskonzept vorliegt. Dies liegt vor, wenn von den Ergebnissen des Auskunftverlangens die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags abhängt.
VolltextVPRRS 2012, 0092
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.12.2011 - Verg 79/11
1. Dem Vergaberecht unterliegen nicht nur Liefer- und Dienstleistungsverträge als solche, sondern auch Rahmenvereinbarungen hierüber.
2. Das EU-Recht schreibt nicht vor, dass Aufträge zwingend in Form - dem Vergaberecht unterliegender - "öffentlicher Aufträge" zu vergeben sind, wenn eine rechtmäßige Alternative wie z.B. Dienstleistungskonzession besteht.
3. § 73c Abs. 3 S. 3 SGB V stellt eine vergaberechtliche Sondervorschrift dar. Der nationale Gesetzgeber ist im Rahmen der Richtlinie 2004/18/EG sowie der Grundfreiheiten des AEUV durchaus berechtigt, bereichsspezifisches Vergaberecht zu schaffen, welches den allgemeinen Regeln (u.a. der VOL/A und der VOF) vorgehen kann. Aus diesem Grunde ist das Vorliegen dieser Vorschriften im Vergabenachprüfungsverfahren zu prüfen.
VolltextVPRRS 2012, 0055
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.12.2011 - Verg 77/11
1. § 73c SGB V geht grundsätzlich den allgemeinen Vorschriften des nationalen Vergaberechts vor.
2. Eine Ausschreibung ist nach Art. 35 Abs. 2 der Richtlinie 2004/18/EG bei nichtprioritären Dienstleistungen, wie es medizinische Dienstleistungen darstellen, nicht erforderlich. Eine öffentliche Auschreibung ist jedoch gem. § 73c Abs. 3 SGB V ausnahmslos durchzuführen.
3. Unbefristete Verträge über nichtprioritäre freiberufliche Leistungen sind aus wettbewerblichen Gründen unzulässig.
VolltextOnline seit 2011
VPRRS 2011, 0415OLG Brandenburg, Beschluss vom 21.06.2011 - Verg W 9/11
1. Ein Krankenhaus, das die Koordinierung der Versorgung seiner Patienten mit Heil- und Hilfsmitteln im Rahmen des Entlassungsmanagements ausschreibt, beschafft sich damit eine Dienstleistung, nicht die Heil- und Hilfsmittelversorgung selbst.*)
2. Erhält der Auftragnehmer, der Hersteller und Lieferant von Hilfsmitteln ist, für die Dienstleistung kein Entgelt, sondern auf eigenes Risiko die Möglichkeit, durch die Übernahme der Koordinierung beratend auf die von den Patienten vorzunehmende Auswahl des Hilfsmittelversorgers Einfluss zu nehmen, handelt es sich bei dem zu vergebenden Auftrag um eine Dienstleistungskonzession, für die der Rechtsweg zu der Vergabekammer und dem Vergabesenat nicht eröffnet ist.*)
VolltextVPRRS 2011, 0375
VK Brandenburg, Beschluss vom 13.05.2011 - VK 12/11
1. Eine Dienstleistungskonzession liegt vor, wenn es sich um einen Dienstleistungsauftrag handelt, dem Auftragnehmer das Recht zur Nutzung dieser Dienstleistung übertragen wird und der Auftragnehmer sein Entgelt von Dritten erhält und in irgendeiner Art und Weise ein wirtschaftliches Risiko trägt.
2. Der Abschluss eines Kooperationsvertrags zur Verbesserung des Entlassungsmanagements/ Einsatz von Hilfsmittelkoordinatoren stellt keinen öffentlichen Auftrag im Sinne des § 99 Abs. 1, 4 GWB dar; vielmehr ist die Leistungserbringung Dienstleistungskonzession einzuordnen.
3. Der Abschluss eines Vertrags über eine Dienstleistungskonzession unterliegt nicht dem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren.
VolltextVPRRS 2011, 0295
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.08.2011 - Verg 6/11
1. Gesetzliche Krankenkassen stellen öffentliche Auftraggeber i.S.d. § 98 Nr. 2 GWB dar. Sie werden - jedenfalls mittelbar - mit den Beiträgen der Versicherten und Arbeitgeber zur gesetzlichen Krankenversicherung durch den Bund finanziert und unterliegen einer engmaschigen staatlichen Rechtsaufsicht.
2. Bei dem zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und dem Hausärzteverband X abgeschlossene Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung (HzV-Vertrag) handelt es sich um einen entgeltlichen öffentlichen Dienstleistungsauftrag im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB. Danach sind öffentliche Aufträge entgeltliche Verträge von öffentlichen Auftraggebern mit Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen, die Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen, d.h. den synallagmatischen Austausch von Leistungen zum Gegenstand haben. Zwar wird aufgrund des Sachleistungsprinzips die hausärztliche Leistung stets gegenüber Dritten, den Versicherten, und nicht gegenüber den Krankenkassen als Auftraggeber erbracht, so dass der unmittelbare Nutznießer der Leistungserbringung nicht die Krankenkassen, sondern die Versicherten sind. Dieses sozialrechtlich vorgegebene Dreiecksverhältnis der Leistungsbeziehungen schließt die Annahme eines entgeltlichen Vertrages i.S.d. § 99 Abs. 1 GWB aber nicht aus. Insoweit genügt es vielmehr, dass ein öffentlicher Auftraggeber als Nachfrager am Markt in Erscheinung tritt und die Leistungen vergütet, auch wenn er sie nicht selbst erhält. Dass die konkrete Auswahlentscheidung durch den Versicherten selbst getroffen wird und der Vertragsschluss zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern grundsätzlich keine Gewähr dafür bietet, dass Versicherte die Leistung überhaupt in Anspruch nehmen, rechtfertigt keine andere Bewertung.
3. Die Feststellung einer mindestens nicht ausschließbaren Beeinträchtigung der Auftragschancen des Antragstellers ist neben einer Rechtsverletzung für den Erfolg des Nachprüfungsantrags unerlässlich. Droht wegen einer Rechtsverletzung kein Schaden, mithin keine Beeinträchtigung der Aussichten auf den Erhalt des Auftrags, sind die Vergabenachprüfungsinstanzen nicht berechtigt, in das Vergabeverfahren einzugreifen.
4. Die Entscheidung der gesetzlichen Krankenkassen - der Antragsgegnerinnen - die Verwaltungs- und insbesondere die Abrechnungsaufgaben nicht einer privatrechtlich organisierten Abrechnungsstelle - und damit nicht der Antragstellerin - sondern der örtlich zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung - der Beigeladenen zu 5 - zu übertragen, stellt einen sozialrechtlich vorausgesetzten und datenschutzrechtlich unbedenklichen Abrechnungsweg.
VolltextVPRRS 2011, 0280
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.07.2011 - 1 VK 37/11
1. Lediglich der pauschale Hinweis, dass ein Bieter auf Grund seiner Branchen- und Marktkenntnis ein Wertungsergebnis anzweifelt, ersetzt noch nicht den Vortrag konkreter Umstände.
2. Ein Nachprüfungsantrag hat zeitlich nach der Erklärung der Rüge zu erfolgen. Nur ausnahmsweise kann auf diese Reihenfolge oder die Rüge insgesamt verzichtet werden.
3. Einen Bieterschutz im Rechtssinn entfaltet § 19 EG Abs. 6 Satz 2 VOL/A 2009 nur dann, wenn das an den Auftraggeber gerichtete Gebot, wettbewerbsbeschränkende und unlautere Verhaltensweisen zu bekämpfen, den Ausschluss des als unangemessen niedrig gerügten Preisangebots fordert.
VolltextVPRRS 2011, 0217
VG Gelsenkirchen, Urteil vom 04.04.2011 - 11 K 4198/09
Vergabe an Generalunternehmer stellt Verstoß gegen VOB/A-Vergaberichtlinien dar.*)
VolltextVPRRS 2011, 0103
OLG München, Beschluss vom 10.03.2011 - Verg 1/11
1. Bei den Fristen des § 101b Abs. 2 Satz 1 GWB handelt es sich um formelle Ausschlussfristen, auf welche die Vorschriften über materiellrechtliche Verjährungsfristen nicht analog anzuwenden sind.*)
2. Zur Ausschreibungspflicht von nuklearmedizinischen Kooperationsverträgen zwischen Krankenhaus und Ärzten.*)
VolltextOnline seit 2010
VPRRS 2010, 0381OLG Naumburg, Beschluss vom 12.07.2010 - 1 Verg 9/10
1. Erledigt sich das Verfahren vor der Vergabekammer ohne Entscheidung zur Sache, hat der Antragsteller die durch die Tätigkeit der Vergabekammer entstandenen Kosten zu tragen und es findet eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten nicht statt. Auf die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrages kommt es für diese Kostenentscheidung nicht an (BGH, Beschluss vom 09.12.2003 - X ZB 14/03, NZBau 2004, 285 f.).*)
2. In einem solchen Fall kann der Antragsteller die Erstattung seiner Auslagen vor der Vergabekammer allenfalls im Rahmen eines Fortsetzungsfeststellungsantrages gemäß § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB erreichen.*)
VolltextVPRRS 2010, 0229
EuGH, Urteil vom 15.07.2010 - Rs. C-271/08
Rahmenverträge über die betriebliche Altersvorsorge von Beschäftigten in Kommunen und kommunalen Betrieben müssen europaweit ausgeschrieben werden, wenn das Entgeltumwandlungsvolumen über vier Jahre den Schwellenwert in Höhe von 193.000 Euro übersteigt.
VolltextVPRRS 2010, 0057
VK Hessen, Beschluss vom 05.11.2009 - 69d-VK-39/2009
1. Eine Rüge setzt voraus, dass der Auftraggeber erkennen kann, dass der Bieter einen Vergaberechtsverstoß unmittelbar beanstanden und nicht nur eine bloße Frage stellen oder eine Bitte um Klarstellung äußern will.*)
2. Rügen dürfen nicht unter die Bedingung gestellt werden, dass der Auftraggeber zunächst Fragen beantwortet oder aus der Sicht des Bieters vorhandene offene Punkte klärt. Der Bieter darf die Rüge nicht unter eine Bedingung stellen.*)
3. Bei der Ausschreibung von medizinischen Hilfsmitteln im Wege einer Rahmenvereinbarung verletzt eine Leistungsbeschreibung nicht § 8 Nr. 1 Abs. 1 und 3 VOL/A, wenn der Bedarf auf der Grundlage der Fallzahlen aus einem kürzlich zurückliegenden Zeitraum ermittelt wird. Der Auftraggeberin, einer Krankenkasse, ist eine genauere Ermittlung nicht möglich, weil diese von objektiven und subjektiven Faktoren, nämlich der Erkrankungsfälle und der ärztlichen Verordnungen, abhängt, die zum Zeitpunkt der Bekanntmachung nicht absehbar sind und auf die sie selbst keinen Einfluss hat.*)
VolltextOnline seit 2009
VPRRS 2009, 0372VK Hessen, Beschluss vom 31.10.2008 - 69d-VK-47/2008
1. Zu den Voraussetzungen des Erkennens eines "Verstoßes gegen Vergabevorschriften" im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB.*)
2. Gesetzliche Krankenkassen sind öffentliche Auftraggeber.*)
3. Ausreichend für eine positive Kenntnis eines Rechtsverstoßes im Rahmen einer Rüge gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist, dass der Antragsteller um einen Sachverhalt weiß, der einen Schluss auf einen Vergaberechtsverstoß erlaubt und es nach vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Verhalten der Vergabestelle als fehlerhaft zu beanstanden. Der Sachverhalt muss bei vernünftiger Würdigung einen Mangel des Vergabeverfahrens darstellen können. Für eine insoweit erforderliche rechtliche Wertung bedarf es lediglich einer "Parallelwertung in der Laiensphäre".*)
VolltextVPRRS 2009, 0291
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.01.2009 - 1 VK 65/08
1. Die Tatsache, dass Kirchenbezirke Gesellschafter der Alleingesellschafterin eines Bieters sind, führt nicht dazu, dass eine staatliche Trägerschaft vorliegt. Denn die Kirchenbezirke sind trotz ihrer Sonderrechte nicht als Teil des Staates zu qualifizieren. Sie sind vom Staat zu trennen und sind selbst keine öffentlichen Einrichtungen.*)
2. Kostenvorteile, die ein Bieter rechtmäßig nutzen darf, z.B. Steuervorteile, dürfen bei der Angebotskalkulation berücksichtigt werden und führen nicht dazu, dass der Bieter als "ähnliche Einrichtung" i.S.d. § 7 Nr. 6 VOL/A anzusehen ist.*)
3. Wird von einem Bieter verlangt, eine tatsächlich unmögliche Leistung anzubieten, berührt dies nicht die Angebotskalkulation. Denn eine unmögliche Leistung kann nicht kalkuliert werden und wirkt sich nicht auf den Angebotspreis aus. Es liegt dann kein gewöhnliches Wagnis nach § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A vor.*)
VolltextVPRRS 2009, 0211
VK Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2009 - VK 5/09
1. Gesetzliche Krankenkassen sind öffentliche Auftraggeber.
2. In der Regel sind mindestens 3 bis 5 Tage las Rügefrist einzuräumen.
3. Die Verletzung des Prinzips des Wettbewerbs setzt nicht die ausdrückliche Verständigung zwischen zwei Unternehmen in einem Ausschreibungsverfahren darüber, wer welche Leistung zu welchem Preis anbietet, voraus. Sie ist in aller Regel schon dann verwirklicht, wenn ein Angebot in Kenntnis der Bedingungen eines Konkurrenzangebotes erstellt wird.
VolltextVPRRS 2009, 0170
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.02.2009 - Verg 66/08
Eine Mischkalkulation im Angebot des Bieters stellt nicht grundsätzlich eine unzutreffende Preisangabe dar.
VolltextVPRRS 2009, 0107
OLG München, Beschluss vom 16.04.2009 - Verg 3/09
Erkennt ein Bieter anhand der Leistungsbeschreibung, dass ein Konzept zur Übernahme der Patienten- und Mitarbeiterversorgung eines Universitätsklinikums ohne Kenntnis des vorhandenen Personalbestandes vorgelegt werden soll, hat er die Rüge, die Ausschreibung von "fiktiven" Angeboten verstoße gegen § 613a BGB und sei vergaberechtswidrig, spätestens bis zur Abgabe seines Angebotes zu erheben.*)
VolltextVPRRS 2009, 0104
VK Nordbayern, Beschluss vom 28.01.2009 - 21.VK-3194-63/08
1. Ohne das Vorliegen überdurchschnittlicher Schwierigkeiten ist von einer Regelrügefrist von einem bis drei Tagen auszugehen. Die Beanstandung einer Vorabinformation nach § 13 VgV als unzureichend muss sogar noch am Tage ihres Zugangs, spätestens jedoch am Folgetag erfolgen; andernfalls ist sie nicht mehr unverzüglich.
2. Aus dem Umstand, dass der antragstellende Bieter nähere Informationen zur Begründung der Vergabeentscheidung fordert, kann die Vergabestelle keinesfalls entnehmen, dass der Bieter die Vergabeentscheidung an sich als falsch angreifen will.
3. Die bloße Vermutung, eine Rüge werde erfolglos sein, oder die Überzeugung, der Auftraggeber habe bereits "unvermeidbare Tatsachen" mitgeteilt und damit zum Ausdruck gebracht, jeder Widerspruch sei von vornherein sinnlos, macht die Rüge nicht entbehrlich. Allein die Tatsache, dass ein Auftraggeber z. B. mit der Vorabinformation das Ergebnis eines Entscheidungsfindungsprozesses mitgeteilt hat, rechtfertigt nicht den Schluss auf eine Unabänderlichkeit dieser Entscheidung. Dies gilt auch dann, wenn der Auftraggeber im Nachprüfungsverfahren seine Vergabeentscheidung verteidigt.
VolltextVPRRS 2009, 0048
VK Brandenburg, Beschluss vom 12.06.2008 - VK 12/08
1. Ein drohender Schaden und damit eine Antragsbefugnis fehlt, wenn sich ein Unternehmen nicht an einer europaweiten Ausschreibung und - nach Aufhebung dieser Ausschreibung - auch nicht an einem Verfahren nach § 127 Abs. 2 SGB V beteiligt.
2. Soweit die Anwendbarkeit der Regelungen des SGB V, insbesondere des § 127 Abs. 2 SGB V bei Vertragsschlüssen im Oberschwellenbereich, unter Hinweis auf die Vorrangigkeit der Vorschriften des dem EU-Recht entstammenden GWB in Frage gestellt wird, ist dies ebenso wenig im Rahmen der Zulässigkeit zu prüfen, wie die damit verknüpfte Frage der Zweckmäßigkeit einer Auftragsvergabe nach § 127 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB V.
VolltextOnline seit 2008
VPRRS 2008, 0370Generalanwalt beim EuGH, Schlussanträge vom 16.12.2008 - Rs. C-300/07
1. Gesetzliche Krankenkassen sind öffentliche Auftraggeber im Sinne des Vergaberechts.
2. Die Zurverfügungstellung von Waren, die in ihrer Form individuell nach den Erfordernissen des jeweiligen Kunden hergestellt und angepasst sowie über deren Nutzung die jeweiligen Kunden individuell zu beraten sind, ist nach dem Wert der jeweiligen Leistungen als "Lieferaufträge" oder als "Dienstleistungsaufträge" einzustufen, wobei dies eine vom vorlegenden Gericht zu entscheidende Tatsachenfrage ist.*)
3. Für den Fall, dass die Zurverfügungstellung von Waren als "Dienstleistung" einzustufen ist, ist Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2004/18/EG - in Abgrenzung zu einer Rahmenvereinbarung im Sinne des Art. 1 Abs. 5 der Richtlinie - dahin auszulegen, dass eine Zurverfügungstellung von Waren in der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Form nicht als "Dienstleistungskonzession" zu verstehen ist.*)
VolltextVPRRS 2008, 0367
OLG Brandenburg, Beschluss vom 25.08.2008 - Verg W 12/08
Wird der Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde zurückgewiesen, ist weder ein Rechtsmittel gegeben noch ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung statthaft.*)
VolltextVPRRS 2008, 0312
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.04.2008 - Verg 15/08
§ 127 SGB V lässt Zusammenschlüsse auf Nachfrager- wie auf Bieterseite, mithin Konzentrationen, ausdrücklich zu. Auf spezifische Belange des Mittelstandsschutzes nach GWB und VOL/A ist danach keine Rücksicht zu nehmen.
VolltextVPRRS 2008, 0260
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15.01.2008 - VK 2 LVwA LSA-28/07
1. Ein Fortsetzungsfeststellungsantrag ist ein statthafter Rechtsbehelf, wenn zwischen Eingang des Nachprüfungsantrags bei der Vergabekammer und dessen Zustellung bei der Vergabestelle der Zuschlag erteilt wurde.*)
2. Es sind Unzulänglichkeiten in den Verdingungsunterlagen, die bereits bei Abfassung des Angebots bekannt waren, unverzüglich nach Kenntnis zu rügen.*)
VolltextOnline seit 2007
VPRRS 2007, 0293VK Brandenburg, Beschluss vom 23.07.2007 - 1 VK 26/07
Gesetzliche Krankenkassen sind keine öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 GWB.
VolltextVPRRS 2007, 0242
VK Brandenburg, Beschluss vom 13.03.2007 - 1 VK 7/07
1. Ist eine Mitteilung nach § 13 VgV für den Bieter erkennbar offensichtlich unvollständig, muss der Bieter dies noch am selben Tage oder jedenfalls am Folgetag rügen und vom Auftraggeber die für erforderlich gehaltene nähere Begründung nachfordern.
2. Die Rüge muss eine Sachverhaltsdarstellung enthalten, aus der sich die konkrete Möglichkeit einer Rechtsverletzung zum Nachteil eines Bieters ergibt.
3. Trägt ein Bieter vor, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Bieter seien keine zulässigen Zuschlagskriterien und bei der funktionalen und ästhetischen Qualität der Textilien sei nicht erkennbar, worauf sich der Auftraggeber dabei stützt, muss er diese vermeintlichen Fehler spätestens bis zur Abgabe seines Angebotes rügen.
4. Eine Rüge ist dann entbehrlich, wenn ein Unternehmen erst im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens Kenntnis von weiteren Vergaberechtsverstößen erhält.
5. Die fehlende Angabe der Zuschlagskriterien (Bewertungsmatrix) führt nicht automatisch zur Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens. Aus der unterbliebenen Angabe von Wertungskriterien entgegen § 9 a VOL/A folgt nach allgemeiner Auffassung nur, dass die Vergabestelle bei der Entscheidung über die Auftragsvergabe solche Kriterien nicht berücksichtigen darf, sondern ausschließlich der niedrigste Preis entscheidend ist.
6. Sind Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens ausschließlich die Beanstandungen, die ein Antragsteller gegen die Vorgehensweise der Auftraggeberin im Hinblick auf die Zuschlagskriterien, die Anforderungen an abzugebende Angebote sowie die Wertungsentscheidung erhoben hat, kann ein sich aktiv beteiligender Beigeladener keine Erstattung seiner notwendigen Aufwendungen verlangen.
VolltextVPRRS 2007, 0081
VK Saarland, Beschluss vom 19.01.2007 - 3 VK 05/2006
1. Eine Bieterin ist mit ihren im Vergabenachprüfungsverfahren behaupteten Vergabeverstößen präkludiert, wenn sie es mangels rechtzeitiger, zu ihren Lasten gehender Kenntnisnahme von der Ausschreibung versäumt hat, diese Verfahrensverstöße gegenüber dem Auftraggeber (rechtzeitig i.S. von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB) zu rügen. Die Unkenntnis bzw. nicht rechtzeitige Kenntnisnahme von der Ausschreibung geht insbesondere dann zu Lasten der Antragstellerin, wenn sie nach einer Bekanntmachung im EU-Bekanntmachungsblatt bzw. in einer einschlägigen Fachzeitschrift Ausschau gehalten hat, obwohl Vergabekammer und OLG in ihren Entscheidungen im Zusammenhang mit dem bezüglich der gleichen Auftragsvergabe vorangegangenen Vergabeverfahren eine derartige Bekanntmachungspflicht des Auftraggebers ausdrücklich verneint hatten und lediglich eine überregionale deutschlandweite Bekanntmachung gefordert hatten.*)
2. Der Antragstellerin fehlt es an der für die Zulässigkeit ihres Nachprüfungsantrags erforderlichen Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB, wenn die behaupteten Vergabeverstöße „falsche Bekanntmachung und falsche Wahl der Vergabeart“ nicht ursächlich sein können für den ihr möglicherweise durch eine Nichtteilnahme entstandenen Schaden. Das ist dann der Fall, wenn die von ihr beanstandete verfahrensrechtliche Schlechterstellung nicht auf die vom Auftraggeber gewählte Verfahrensart zurückzuführen ist, sondern auf die Tatsache, dass sie es verabsäumt hat, dafür Sorge zu tragen, (rechtzeitig) von der Veröffentlichung der in Rede stehenden Auftragsvergabe in den in Frage kommenden Publikationsorganen Kenntnis zu nehmen.*)
3. Bei Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht der Antragstellerin grundsätzlich kein Recht auf Akteneinsicht zu, wenn es einer Akteneinsicht nicht bedurfte, um die Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags zu beurteilen.*)
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VPRRS 2006, 0462OLG Saarbrücken, Beschluss vom 20.09.2006 - 1 Verg 3/06
Die zumindest im Wettbewerb mit freiberuflich Tätigen zu erbringende Dienstleistung der laborärztlichen Untersuchung kann - trotz weitgehender Offenheit von Lösungsweg und Arbeitsergebnis im Einzelfall - so genau beschrieben werden, dass sie einer öffentlichen Ausschreibung zugänglich ist. Der Ausschluss des § 5 Satz 2 VgV findet unter diesen Voraussetzungen keine Anwendung; stattdessen muss die Vergabe laborärztlicher Untersuchungen gem. § 3 VOL/A öffentlich ausgeschrieben werden.*)
VolltextVPRRS 2006, 0294
VK Saarland, Beschluss vom 19.05.2006 - 3 VK 03/2006
1. Ein Antrag auf Einleitung eines Vergabenachprüfungsverfahrens ist statthaft, auch wenn mit ihm nicht die Art und Weise der Einleitung oder Durchführung eines geregelten Vergabeverfahrens gerügt wird, sondern beanstandet wird, dass ein nach Maßgabe des § 97 Abs. 1 GWB geregeltes Vergabeverfahren bislang nicht stattgefunden hat (vorbeugender vergaberechtlicher Rechtschutz). Da § 107 GWB wesentlich auf die materiellen Vergabevorschriften und deren Missachtung abstellt, wird es als ausreichend betrachtet, wenn überhaupt ein Verfahren in Frage steht, an dem ein öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 GWB und mindestens ein außen stehender Dritter (Unternehmen) beteiligt ist. Eine Nachprüfbarkeit ist lediglich dann nicht gegeben, wenn Handlungen betroffen sind, die eine bloße Vorstudie des Marktes darstellen oder die rein vorbereitend sind und sich im Rahmen der internen Überlegung des öffentlichen Auftraggebers im Hinblick auf die Vergabe eines öffentlichen Auftrags abspielen.*)
2. Die Einkategorisierung von freiberuflichen Dienstleistungen als "nachrangige Dienstleistungen" im Sinne des Anhangs II Teil B, der sogenannten Dienstleistungsrichtlinie, der für die insoweit umgesetzten nationalen Verdingungsordnungen (VOF und VOL/A) als Anhang I Teil B gleichlautend ist, entzieht diese Dienstleistungen nicht im Sinne eines Automatismus dem Vergaberegime des GWB. Die nur begrenzte Unterwerfung der in Teil B des Anhangs II bzw. I aufgeführten Dienstleistungsaufträge unter die strengeren, auf EG-Richtlinien basierenden Vergabevorschriften, gründet auf der Erwägung, dass es sich dabei um Dienstleistungen handelt, bei welchen derzeit kaum Potential für eine grenzüberschreitende Auftragsvergabe besteht. Die Nachprüfungskompetenz als solche der Vergabekammer hängt jedoch nicht davon ab, ob und welche Paragraphen des Abschnitts 2 der VOL/A oder der VOF bei dem betreffenden Vergabeverfahren eingehalten werden müssen.*)
3. Ein Antragsteller, der ein Nachprüfungsverfahren mit dem Vorwurf der Wahl des falschen Vergabeverfahrens und daraus resultierend der unterlassenen Vergabebekanntmachung begründet, ist antragsbefugt, wenn er vorträgt, dieser Mangel sei ursächlich für seine Nichtteilnahme am Wettbewerb gewesen. Der in § 107 Abs. 2 GWB vorausgesetzten Darlegungslast eines subjektiven Interesses bzw. einer Verletzung in eigenen Rechten ist mit einem solchen Vortrag entsprochen, da eine fehlende Vergabebekanntmachung - zumindest abstrakt gesehen - den am Markt tätigen Unternehmen die Möglichkeit einer Wettbewerbsteilnahme entzieht.*)
4. Für die Anwendbarkeit der VOF muss es sich um geistigschöpferische Dienstleistungen handeln, die so beschaffen sind, dass vertragliche Spezifikationen nicht hinreichend genau festgelegt werden können, um den Auftrag durch die Wahl des besten Angebotes in Übereinstimmung mit den Vorschriften über das offene oder nicht offene Verfahren vergeben zu können. Das geistigschöpferische Element der Dienstleistung muss sozusagen nach einer individuellen Erbringung rufen. In der Regel haben diese Dienstleistungen eine planerische, kreative oder gutachterliche Tätigkeit zum Gegenstand.*)
VolltextVPRRS 2006, 0169
VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 17.03.2006 - VK-SH 02/06
1. Eine Rüge innerhalb von vier Tagen nach Kenntnisnahme vom vermeintlichen Vergaberechtsverstoß kann noch unverzüglich im Sinne von § 107 Abs. 3 GWB sein.*)
2. Fügt ein Bieter seinem Angebot entgegen der ausdrücklichen Maßgabe der Verdingungsunterlagen den (unterschriebenen) Angebotsvordruck nicht bei, ist das Angebot wegen Ermessensreduzierung auf Null gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a) VOL/A zwingend auszuschließen.*)
3. Die (ausdrückliche) Weigerung eines Bieters, die AGB des Auftraggebers, die VOL/B, die Mindestbedingungen der Leistungsbeschreibung und die Besonderen Vertragsbedingungen anzuerkennen, stellt eine unzulässige Änderung der Verdingungsunterlagen dar, die zum zwingenden Ausschluss des Angebotes gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d) VOL/A führt.*)
4. Nebenangebote bzw. Änderungsvorschläge sind dann nicht zuzulassen, wenn von verbindlichen Festlegungen in den Verdingungsunterlagen abgewichen wird. Mindestanforderungen der Leistungsbeschreibung, die AGB des Auftraggebers und die VOL/B sind auch im Rahmen eines Nebenangebotes nicht disponibel.*)
5. Die Entscheidung über einen Nachprüfungsantrag ist von der Wertungsfähigkeit der Antragstellerofferte abhängig zu machen, ohne die Angebote der übrigen Bieter in den Blick zu nehmen.*)
6. Ein berechtigtes Interesse des Antragstellers, sich trotz eines offensichtlich unbegründeten Nachprüfungsantrags gemäß § 111 Abs. 1 GWB über die Angebote der anderen Bieter und die Unterlagen der Vergabestelle zu informieren, liegt nicht vor.*)
7. Auf eine mündliche Verhandlung kann gemäß § 112 Abs. 1 Satz 3 Alt. 3 GWB verzichtet werden, wenn sich die Unbegründetheit des Nachprüfungsantrags für die Vergabekammer unmittelbar durch Einsicht in das Angebot des Antragstellers ergibt, von einer mündlichen Verhandlung keine neuen Erkenntnisse zu erwarten wären, die zu einer anderen Bewertung führen können, und nach dem Vorbringen des Antragstellers für diesen unter keinem Gesichtspunkt Erfolgsaussichten bestehen.*)
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VPRRS 2005, 0623EuGH, Urteil vom 27.10.2005 - Rs. C-234/03
Artikel 49 EG steht dem entgegen, dass ein öffentlicher Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen für einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag zur Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen in Form häuslicher Atemtherapien und anderer Techniken der Ventilationsunterstützung zum einen eine Zulassungsvoraussetzung vorsieht, wonach der Bieter bei der Abgabe des Angebots über einen öffentlich zugänglichen Geschäftsraum in der Hauptstadt der Provinz, in der die Dienstleistung erbracht werden soll, verfügen muss, und zum anderen Kriterien für die Bewertung der Angebote, wonach zusätzliche Punkte dafür vergeben werden, dass bei der Abgabe des Angebots Produktions-, Wartungs- und Sauerstoffabfüllanlagen, die höchstens 1 000 Kilometer von dieser Provinz entfernt sind, oder öffentlich zugängliche Geschäftsräume in anderen, näher bezeichneten Orten dieser Provinz vorhanden sind, und bei Punktgleichheit mehrerer Angebote das Unternehmen bevorzugt wird, das die betreffenden Dienstleistungen bereits zuvor erbracht hat, sofern diese Anforderungen in diskriminierender Weise angewandt werden, nicht aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind, nicht geeignet sind, die Erreichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, oder über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist; dies zu prüfen ist Sache des nationalen Gerichts.*)
VPRRS 2005, 0533
VK Brandenburg, Beschluss vom 26.08.2005 - 1 VK 47/05
1. Stellt der Auftraggeber Bedingungen auf, die ein unverbindliches Angebot im Vorfeld der Verhandlungsphase erfüllen muss, so muss er auch hierbei streng den Gleichbehandlungsgrundsatz beachten. Anforderungen, die nur vage formuliert sind oder in den Verhandlungsgesprächen noch ohne weiteres abgeändert werden können, können den Ausschluss eines Bewerbers nicht rechtfertigen.
2. An seine im Teilnahmewettbewerb getroffene Entscheidung, dass ein Bieter für geeignet gehalten wird, ist der Auftraggeber auch in der Verhandlungsphase gebunden.
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