Vergabepraxis & -recht.

Volltexturteile nach Sachgebieten
5417 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2002
VPRRS 2002, 0276
OLG Dresden, Beschluss vom 03.12.2002 - WVerg 15/02
1. Eine "Aufhebung der Aufhebung" im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren ist auch nach der Entscheidung des EuGH vom 18.06.2002 (Rs. C-92/00 - "Hospital Ingenieure") nicht generell möglich.
2. In richtlinienkonformer Auslegung des deutschen Vergabenachprüfungsrecht sind Entscheidungen über die Aufhebung einer Ausschreibung lediglich dahin nachprüfbar, ob sie gegen materielles Gemeinschaftsrecht oder entsprechende deutsche Umsetzungsvorschriften verstoßen. Wird lediglich ein Verstoß gegen deutsches Vergaberecht geltend gemacht, ist eine Aufhebungsentscheidung nach wie vor nicht anfechtbar.
3. Der Senat sieht sich an einer entsprechenden Entscheidung allerdings durch den Beschluss des OLG Hamburg vom 04.11.2002 (1 Verg 3/02) gehindert und legt das Verfahren daher dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vor.

VPRRS 2002, 0275

VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 05.08.2002 - 1 S 379/01
1. Eine kommunalaufsichtsrechtliche Beanstandungsverfügung kann auch dann erlassen werden, wenn die beanstandete Verhaltensweise der Gemeinde nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (hier: Auftragsvergabe nach rechtswidrigem Vergabeverfahren).*)
2. Im Hinblick auf die Gleichbehandlung aller Teilnehmer am Vergabeverfahren sind die Vergabegrundsätze streng auszulegen, um von vornherein Missverständnisse auszuschließen.*)
3. Reduziert der öffentliche Auftraggeber nach Rücksprache mit dem Bieter einen Einheitspreis, so dass diesem als günstigstem Bieter der Zuschlag erteilt wird, handelt es sich auch dann um eine nach § 24 Nr. 3 VOB/A unzulässige Preisänderung, wenn an anderer Stelle der Leistungsbeschreibung für dieselbe Position ein anderer Einheitspreis genannt wird.*)

VPRRS 2002, 0274

OLG Dresden, Beschluss vom 06.06.2002 - WVerg 0005/02
1. Ein einheitlich abgegebenes Nebenangebot kann, auch wenn es technisch in voneinander unabhängige Teile aufgegliedert werden kann und dies der Vergabestelle erkennbar war, jedenfalls dann nicht teilweise gewertet werden, wenn der Bieter sein Einverständnis hierzu nicht mit dem Angebot zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht hat.*)
2. Ob ein unangemessen hoher oder niedriger Preis i.S.d. § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A vorliegt, bestimmt sich grundsätzlich nicht nach einzelnen Einheitspreisen, sondern anhand des Gesamtpreises des Angebots. Insoweit ist der prozentuale Abstand des umstrittenen Angebots zu dem des nächstplazierten Bieters für sich allein nicht erheblich, weil er nichts dazu besagt, ob der angebotene Preis im Verhältnis zur angebotenen Leistung unangemessen ist.*)
3. Die Aufhebung einer Ausschreibung (§ 25 VOB/A) liegt im Ermessen der Vergabestelle; ein Anspruch eines Bieters auf Aufhebung kann sich daher nur ergeben, wenn dieses Ermessen mit dem Ergebnis auf Null reduziert wäre, dass nur eine Aufhebung ermessensfehlerfrei wäre.*)

VPRRS 2002, 0273

BGH, Urteil vom 05.11.2002 - X ZR 232/00
Bei Geltung der VOB/A ist der Ausschreibende auch dann, wenn kein Aufhebungsgrund nach § 26 Nr. 1 besteht, nicht schlechthin gezwungen, einen der Ausschreibung entsprechenden Auftrag zu erteilen.*)

VPRRS 2002, 0271

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.10.2002 - 1 VK 50/02
1. Schaltet ein öffentlicher Auftraggeber für die Angebotswertung ein Ingenieurbüro ein, so muss er sich erkennbar und nachvollziehbar mit dessen Vergabevorschlag auseinandersetzen, wenn er diesen übernehmen will.
2. Ist dies nicht zu erkennen, so liegt ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 97 Abs. 1 GWB vor.
3. Die Einbeziehung eines Nebenangebots in die Wertung nach § 25 Nr. 5 VOB/A setzt grundsätzlich voraus, dass sich der Auftraggeber ein klares Bild über die im Rahmen des Nebenangebots vorgesehene Ausführung machen kann. Bei der Auslegung von Nebenangeboten ist auf den Empfängerhorizont des Auftraggebers abzustellen. Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächliche Gleichwertigkeit von Nebenangeboten liegt beim Bieter.
4. Die Zulassung von technischen Nebenangeboten ohne die Abgabe von Hauptangeboten führt nicht dazu, dass diese Nebenangebote einer Überprüfung der Gleichwertigkeit entzogen wären. Hinsichtlich der Gleichwertigkeit ist dann in erster Linie auf die sonstige allgemeine Leistungsbeschreibung abzustellen.

VPRRS 2002, 0270

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.11.2002 - 1 VK 54/02
1. Zur Frage, wann ein Teillos vorliegt.
2. Zur Bestimmung des Schwellenwertes.

VPRRS 2002, 0269

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.10.2002 - 1 VK 51/02
1. Nebenangebote dürfen – auch wenn sie grundsätzlich zugelassen sind – nicht gewertet werden, wenn sie von bindenden Vorgaben des Leistungsverzeichnises abweichen.
2. Sind zum Zwecke einer Hangsicherung zwei Stützmauern bindend im Leistungsverzeichnis vorgegeben, ist ein Nebenangebot, das statt einer der Stützmauern eine Böschung vorsieht, unzulässig.

VPRRS 2002, 0266

VK Nordbayern, Beschluss vom 13.11.2002 - 320.VK-3194-35/02
Ein Angebot ist gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchstabe b i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A wegen fehlender Angaben im Formblatt "Tariftreue- und Nachunternehmererklärung" auszuschließen.

VPRRS 2002, 0265

OLG Hamburg, Beschluss vom 04.11.2002 - 1 Verg 3/02
1. Nach der Entscheidung des EuGH vom 18. Juni 2002 (Rs. C-92/00 - "Hospital Ingenieure") besteht entgegen der früheren deutschen Praxis grundsätzlich die Möglichkeit, die Aufhebung eines VOL/A-Vergabeverfahrens der Nachprüfung zu unterziehen.
2. Die Nachprüfung ist nach der EuGH-Entscheidung dahin möglich, ob Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht oder gegen einzelstaatliche Vorschriften vorliegen, die dieses Recht umsetzen.
3. Diese einzelstaatlichen Vorschriften müssen richtlinienkonform, insbesondere im Hinblick auf die Richtlinien 89/665/EWG und 92/50/EWG, ausgelegt werden.
4. Das Verlangen nach einer Tariftreueerklärung im Angebot verstößt gegen den freien Wettbewerb und ist daher unzulässig (wie BGH, Az. KVR 23/98, Vorlage an das BVerfG).
5. Eine grundsätzlich unzulässige Mitwirkung eines Mitarbeiters eines Bewerbers ist auch dann anzunehmen, wenn der Mitarbeiter an der Fassung der Ausschreibung nur im Vorfeld beratend mitwirkt, die Ausschreibung als solche aber nicht mitbeschließt und auch im weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens nichts mitentscheidet.
6. Eine Aufhebung des Vergabeverfahrens ist auch aus Gründen zulässig, die der vergebende Stelle bereits im Zeitpunkt der Ausschreibung bekannt sind. Die anders lautende Rechtsprechung des BGH (zuletzt Urteil vom 08.09.1998 - X ZR 48/97) ist überholt durch die Anerkennung eines Primärrechtsschutzes gegen die Aufhebungsentscheidung.
7. Eine Divergenzvorlage an den BGH nach § 124 Abs. 2 GWB ist nur dann geboten, wenn die Entscheidung, von der abgewichen werden soll, ihrerseits in einem Vergabenachprüfungsverfahren ergangen ist.

VPRRS 2002, 0264

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.10.2002 - 1 VK 53/02
1. Ein Sondervorschlag, der einer Genehmigung bedarf, ist zulässig und wertbar dann, wenn die Vergabestelle nach einer sachgerechten Prognose von der Erteilung der Genehmigung ausgehen darf.
2. Das Rechtsschutzbedürfnis im Vergabenachprüfungsverfahren der Antragstellerin entfällt nicht deshalb, weil sie der Zuschlags- und Bindefristverlängerung zunächst nicht zugestimmt hat.

VPRRS 2002, 0263

OLG Stuttgart, Beschluss vom 12.08.2002 - 2 Verg 9/02
Der EU-Ausschreibung im Offenen Verfahren folgt nicht zwingend die Zulässigkeit des Nachprüfungsverfahrens, sondern nur dann, wenn die Schwellenwerte tatsächlich überschritten sind.

VPRRS 2002, 0262

VK Nordbayern, Beschluss vom 11.11.2002 - 320.VK-3194-34/02
1. Fordert die VSt Angaben zu Art und Umfang der durch Nachunternehmer auszuführenden Leistungen, so ist ein Angebot mit der Erklärung "Wird im Auftragsfalle nachgereicht" im "Einheitlichen Verdingungsmuster zu den Nachunternehmerleistungen - EVM NU" auszuschließen (§ 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A).*)
2. Das Fehlen geforderter Angaben und Erklärungen führt dann zum Ausschluss des Angebots, wenn die Ergänzung der fehlenden Angaben die Wettbewerbsstellung des betreffenden Bieters ändern würde. Die Art und der Umfang eines beabsichtigten Nachunternehmereinsatzes ist eine kalkulationserhebliche Erklärung, die sich auf die Wettbewerbsstellung auswirkt. Wegen dieser Preiswirksamkeit ist bereits im Angebot die Art und der Umfang des beabsichtigten Nachunternehmereinsatzes eindeutig zu erklären.*)

VPRRS 2002, 0261

VK Köln, Beschluss vom 18.07.2002 - VK VOB 8/02
Verwendet ein Bieter bei der Adressierung eines Angebots neben dem vom öffentlichen Auftraggeber vorgegebenen Klebekennzettel eigene Adressaufkleber oder die eines Expressdienstes, trägt er selbst das Risiko, wenn das Paket zwar rechtzeitig in der Dienststelle ankommt, aber durch die Verwirrung wegen der unterschiedlichen Adressaufkleber nicht ins Submissionszimmer gelangt.

VPRRS 2002, 0260

OLG Jena, Beschluss vom 21.11.2002 - 6 Verg 7/02
1. Nach § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A darf der Auftraggeber nach Öffnung der Angebote bis zur Zuschlagserteilung mit einem Bieter unter anderem zu dem Zweck verhandeln, um sich über das Angebot selbst zu unterrichten. Verweigert ein Bieter die geforderten Aufklärungen und Angaben, so kann sein Angebot nach § 24 Nr. 2 VOB/A unberücksichtigt bleiben. Voraussetzung dafür, ein Angebot gem. § 24 Nr. 2 VOB/A unberücksichtigt zu lassen, ist das Vorliegen von Aufklärungsbedarf, so dass der Auftraggeber für eine ordnungsgemäße Wertung des Angebots auf die vom aufgeforderten Bieter nachgereichten Angaben bzw. Unterlagen angewiesen ist.*)
2. Der Auftraggeber kann einem gem. § 24 Nr. 1 VOB/A zur Nachinformation aufgeforderten Bieter eine Ausschlussfrist setzen, nach deren Ablauf er die Voraussetzungen des § 24 Nr. 2 VOB/A bejaht. Sinn und Zweck des § 24 Nr. 1 VOB/A fordern, dem Auftraggeber ein solches Recht einzuräumen, denn der Aufklärungsbedarf im Sinne von § 24 Nr. 1 VOB/A resultiert aus Angebotslücken, welche der Bieter ohne Verletzung des Nachverhandlungsverbots durch ergänzende Unterrichtung des Auftraggebers schließen kann und während der Auftraggeber sie hinnehmen muss, ohne das Angebot sofort ausschließen zu können.*)
3. Aus dem Grundsatz des vollständigen und sofort wertungsfähigen Angebots (vgl. § 23 Nr. 2 VOB/A. § 23 Nr. 2 VOL/A) folgt ebenso wie aus dem Gleichbehandlungssatz, dass die öffentlichen Auftraggeber prinzipiell davon ausgehen können, die Bewertung der eröffneten Angebote werde nicht durch nachinformationsbedingte Verzögerungen hinausgeschoben werden, so dass der Auftraggeber den für die Beschaffung ingesamt vorgesehenen Zeitrahmen mit dieser Vorgabe bestimmen kann. Ergibt sich programmwidrig zusätzlicher Aufklärungsbedarf, so ist es sachgerecht und vergaberechtlich unbedenklich, eine so bewirkte Verschiebung des Beschaffungsrahmens durch Fristsetzung entweder ganz zu vermeiden oder auf ein mit dem Beschaffungsbedarf vereinbares Maß zu beschränken. Im Interesse eines zügigen und strukturierten weiteren Verfahrensablaufs muss es daher für den Auftraggeber möglich sein, den Bietern, soweit Aufklärungsbedarf besteht, hierfür entsprechende Fristen auch als Ausschlussfirst zu setzen (vgl. OLG Düsseldorf VergabeR 2002, 169, 170 für das Verhandlungsverfahren) mit der Folge, dass grundsätzlich eine verspätete Information als verweigerte Information behandelt wird, so dass das im Sinne von § 24 Nr. 1 VOB/A lückenhafte Angebot dem Wertungsausschluss unterfällt.*)
4. Die Folge, dass die nach Ablauf einer vom Auftraggeber gesetzten Angebotsergänzungsfrist der Vergabestelle übergebene Unterlagen nicht zur Kenntnis genommen werden, erfordert, dass die Vergabestelle, wenn sie in einem Fall des § 24 Nr. 1 VOB/A zum Mittel der Ausschlussfrist greift, den Charakter dieser Frist als Ausschlussfrist für den Bieter eindeutig erkennbar macht. Dazu braucht sich die Vergabestelle zwar nicht des Ausdrucks „Ausschlussfrist" zu bedienen, sie muss aber unmissverständlich darauf hinweisen oder sonst zu erkennen geben, dass es sich dabei um die letzte und abschließende Möglichkeit zur Vorlage der Unterlagen handelt.*)

VPRRS 2002, 0258

BayObLG, Beschluss vom 03.07.2002 - Verg 13/02
Bestimmungen in den Verdingungsordnungen, wonach der Zuschlag nicht auf ein so genanntes Unterangebot erteilt werden darf, können drittschützenden Charakter haben.*)

VPRRS 2002, 0257

BayObLG, Beschluss vom 24.09.2002 - Verg 16/02
1. Sind Kriterien für die Vergabe einer Architektenleistung weder in der Bekanntmachung noch in der Aufforderung zur Angebotsabgabe enthalten, kann eine Wertung der Angebote nicht erfolgen.
2. Eine frühere Architektenleistung ist mit der ausgeschriebenen Leistung vergleichbar, wenn sie dieser ähnelt; sie muss nicht ein gegenständlich identisches Objekt betreffen.

VPRRS 2002, 0256

VK Berlin, Beschluss vom 05.11.2002 - VK-B2-51/02
Trotz der Entscheidung des EuGH vom 18.06.2002 (IBR 2002, 430) ist ein Nachprüfungsantrag nach deutschem Recht unzulässig, mit dem eine bereits erfolgte Aufhebung angegriffen werden soll. Ein Bieter kann dann nur noch versuchen, bei den ordentlichen Gerichten Schadensersatzansprüche durchzusetzen.

VPRRS 2002, 0255

OLG Brandenburg, Beschluss vom 20.08.2002 - Verg W 6/02
Bieter müssen grundsätzlich die Gleichwertigkeit von Nebenangeboten mit dem Angebot so nachweisen, dass die Gleichwertigkeit belegt ist. Es besteht keine umfassende Prüfungspflicht des Auftraggebers bei nachgereichten Unterlagen.

VPRRS 2002, 0254

BayObLG, Beschluss vom 21.08.2002 - Verg 21/02
1. Es stellt eine Angebotsänderung dar, wenn ein Bieter die Zustimmung zu einer Verlängerung der Bindefrist mit dem Angebot eines Preisnachlasses verbindet.
2. Die Einräumung eines Preisnachlasses für den Fall, dass der Bieter nicht ohnehin zum Zug kommt, ist mit dem vergaberechtlichen Wettbewerbsprinzip unvereinbar.

VPRRS 2002, 0253

BayObLG, Beschluss vom 28.08.2002 - Verg 20/02
1. Bei Art und Umfang eines beabsichtigten Nachunternehmereinsatzes handelt es sich um eine kalkulationserhebliche Erklärung, die sich auf die Wettbewerbsstellung auswirkt.
2. Ein Angebot, das keine oder nur unvollständige Angaben der für den Nachunternehmereinsatz vorgesehenen Leistungen enthält, ist in seiner Gesamtheit auszuschließen.

VPRRS 2002, 0252

OLG Brandenburg, Beschluss vom 20.08.2002 - Verg W 4/02
1. Einzelne Bauabschnitte einer Entlastungsstraße sind Einzelaufträge und nicht Lose eines Gesamtbauwerkes, wenn zwischen ihnen kein zwingender technischer und praktischer Zusammenhang besteht, das heißt jeder Bauabschnitt für sich in verkehrstechnischer Hinsicht eine sachgerechte Nutzung durch den Verkehrsteilnehmer ermöglicht.
2. Bei der Ermittlung des Schwellenwertes ist in diesem Fall auf den Wert des einzelnen Bauabschnitts abzustellen; eine Zusammenrechnung des Wertes der Bauabschnitte erfolgt nicht.

VPRRS 2002, 0251

OLG Celle, Urteil vom 29.12.2000 - 7 U 249/96
Wird für eine funktional ausgeschriebene Schmutzwasserkanalisation der Baugrund mit Bodenklasse 3 bis 5 angegeben, muss der Unternehmer auch eine Tonlinse einkalkulieren.

VPRRS 2002, 0249

VK Bund, Beschluss vom 17.10.2002 - VK 2-72/02
1. Nach § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist ein Antrag unzulässig, soweit der Antragsteller den gerügten Verstoß bereits im Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht unverzüglich gerügt hat.
2. Die Rügeobliegenheit besteht nur für die dem Antragsteller bekannten Vergabefehler.
3. Als Unverzüglich im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB kann ein Zeitraum von 1 Woche regelmäßig nicht angesehen werden. Eine Zeitspanne von zwei Wochen - wie sie von den Gerichten bei der Auslegung des Begriffs genannt wird - ist als Obergrenze anzusehen und kann daher nur für besonders schwierig gelagerte Fälle gelten.

VPRRS 2002, 0248

OLG Bremen, Beschluss vom 20.07.2000 - Verg 1/00
1. Da § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOB/A, im Gegensatz zu den Sätzen 2 und 3, als Sollvorschrift formuliert ist, ist der Ausschluß eines Angebots, das geforderte Erklärungen nicht enthält, nicht zwingend. Entscheidend ist, ob die fehlende Erklärung notwendig ist, um sachgerecht und ordnungsgemäß werten zu können.
2. Die fehlende Angabe zum Fabrikat eines Beschichtungsmaterials kann den Ausschluß des Angebotes nicht rechtfertigen. Es handelt sich dabei nur um eine zusätzliche Angabe „über das Angebot selbst“ bzw. „über die geplante Art der Durchführung„, die - falls überhaupt erforderlich - in einer Verhandlung nach § 24 Nr. 1 VOB/A ergänzt werden kann.
3. Die Vergabestelle hat die Eignung der Bieter (§ 25 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A) dahingehend zu prüfen, ob der Bieter sich überhaupt gewerbsmäßig mit der Ausführung von Leistungen der ausgeschriebenen Art befaßt (§§ 8 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A, 97 Abs. 4 GWB). Daraus ergibt sich aber nicht das Verbot der Vergabe an einen Generalunternehmer (Boesen, § 97 GWB, Rdnr. 60). Dieser muß allerdings wesentliche Teile der ausgeschriebenen Leistung selbst erbringt.
4. Ein Angebot ist nicht deshalb auszuschließen, weil innerhalb der Zuschlagsfrist benannte Nachunternehmer ausgetauscht wurden. Dies stellt kein unzulässiges Nachangebot dar.

VPRRS 2002, 0244

OLG Bremen, Beschluss vom 22.10.2001 - Verg 2/01
1. Die durch eine Ausschreibung ermöglichte wahlweise Abgabe von Angeboten für einzelne Fachlose und/oder für in Vergabeeinheiten zusammengefasste Gruppen von Einzellosen enthält keinen Verstoß gegen das Transparanzgebot (§ 9 Nr. 1 VOB/A).
2. Zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots.
3. Zur Frage der fehlenden Anerkennung der Vertragsbedingungen durch das Anschreiben eines Bieters.

VPRRS 2002, 0240

OLG Koblenz, Beschluss vom 11.09.2000 - 1 Verg 1/99
Gibt es, wie im Regelfall, mangels Zuschlags noch keine "Auftragssumme", so bemisst sich der Streitwert nach § 12 a GKG auch nicht nach dem von der Vergabestelle nach § 1 a VOB/A ermittelten Auftrags-Schätzwert; maßgebend ist dann der Preis des Angebots, auf das der Antrag stellende Bieter die Zuschlagserteilung begehrt.*)

VPRRS 2002, 0239

OLG Koblenz, Beschluss vom 06.07.2000 - 1 Verg 1/99
Die für den Schwellenwert vorzunehmende Schätzung des Auftragswertes hat nach objektiven Kriterien zu erfolgen. Die nach dem Submissionsergebnis vorliegenden Angebotspreise der Bieter sind für diese Schätzung ohne Bedeutung und geben keinen Anlass, eine ordnungsgemäß vorgenommene Schätzung in Frage zu stellen.*)

VPRRS 2002, 0238

OLG Koblenz, Beschluss vom 16.12.1999 - 1 Verg 1/99
1. Zur Höhe des Schwellenwerts nach § 100 Abs.1 GWB bei öffentlichen Bauaufträgen.*)
2. Erfolgsaussicht im Sinne von § 118 Abs.1 Satz 3 GWB.*)

VPRRS 2002, 0235

OLG Koblenz, Beschluss vom 31.05.2001 - 1 Verg 7/00
Auch wenn sich das Nachprüfungsverfahren im engeren Sinne durch Zuschlagserteilung kraft Gesetzes erledigt, tritt eine Streitwertreduzierung auf das Kosteninteresse erst durch entsprechende Antragstellung in der mündlichen Verhandlung ein.*)

VPRRS 2002, 0234

OLG Koblenz, Beschluss vom 08.02.2001 - 1 Verg 5/00
1. Das Interesse in Sinne des § 107 Abs. 2 S. 1 GWB ergibt sich nicht allein daraus, das ein Unternehmen die Nachprüfung des Vergabeverfahrens mit dem Ziel der Zuschlagserteilung beantragt. Mindestvoraussetzung ist vielmehr, dass sich der Antragsteller entweder an dem der ( beabsichtigten ) Auftragsvergabe vorausgehenden Wettbewerb beteiligt hat oder darlegt, gerade daran durch den behaupteten Verstoß gegen Vorschriften des Vergaberechts gehindert gewesen zu sein.*)
2. Hat die Vergabestelle die Gesamtleistung in mehrere Fachlose aufgeteilt und sich die Einzellosvergabe an verschiedene Bieter vorbehalten, kann das alle Lose umfassende Angebot einer die "Gesamtvergabe" anstrebenden vertikalen Bietergemeinschaft nicht dahin ausgelegt werden, dass sie daneben auch Einzellose anbieten wollte.*)
3. Für eine mit der Entscheidung in der Hauptsache verbundene Streitwertfestsetzung durch die Vergabekammer gibt es weder eine Rechtsgrundlage noch ein Bedürfnis.*)

VPRRS 2002, 0231

OLG Naumburg, Beschluss vom 28.09.2001 - 1 Verg 6/01
(ohne amtlichen Leitsatz)

VPRRS 2002, 0230

OLG Koblenz, Beschluss vom 05.09.2002 - 1 Verg 2/02
1. Im Falle gemeinsamer Ausschreibung durch in verschiedenen Bundesländern ansässige Auftraggeber ist die Vergabekammer eines jeden in Frage kommenden Landes zuständig.*)
2. Im Falle einer Auftragsvergabe im Offenen Verfahren unterfallen der Bekanntmachung (§ 17 Nr. 1 VOL/A) vorausgehende Entscheidungen der Vergabestelle (hier: Erstellung der Leistungsbeschreibung) nicht dem Anwendungsbereich des § 16 VgV.*)
3. Die Bescheidung einer Rüge ist in aller Regel eine Entscheidung i. S. d. § 16 VgV.*)
4. Der Verstoß gegen § 16 VgV ist ein Verfahrensfehler, der von der Vergabestelle auch noch nach Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens dadurch geheilt werden kann, dass sie die betroffene Entscheidung unter Ausschluss als voreingenommen geltender Personen überprüft.*)
5. Es kann dahinstehen, ob § 15 Abs. 2 AEG durch §§ 97 ff. GWB verdrängt wird. Auch wenn § 15 Abs. 2 AEG weiterhin anwendbar wäre, beschränkte sich das Ermessen der Aufgabenträger auf die Frage, ob sie ausschreiben. Mit der Entscheidung für eine Ausschreibung unterwerfen sie sich dem Vergaberechtsregime.*)
6. Die Ausschreibung von Verkehrsdienstsleistungen ist ausschließlich an den Vorschriften des nationalen Vergaberechts i. V. m. den EWG-Richtlinien für das öffentliche Beschaffungswesen zu messen. Ein Recht der als Auftragnehmer in Frage kommenden Verkehrsunternehmen, auf die Beschaffenheit künftig zu erbringender Verkehrsdienstleistungen bereits im Vergabeverfahren durch unternehmerische Gestaltungsfreiheit Einfluss zu nehmen, ist weder geltendem noch geplantem europäischen Recht zu entnehmen.*)
7. Es ist nicht Aufgabe der Vergabekammern und -senate, den tatsächlichen oder vermeintlichen Bedarf einer Vergabestelle zu ermitteln oder zu überprüfen. Es gehört ebenso wenig zu ihren Aufgaben, darüber zu befinden, ob Ausschreibungsmodalitäten zweckmäßig sind oder gar darüber zu spekulieren, ob eine andere inhaltliche Gestaltung der Vergabeunterlagen zu erheblichen Kosteneinsparungen führen könnte.*)
8. Weil es auf dem neuen Markt des Schienenpersonennahverkehrs mit zahlreichen "Newcomern" als potentiellen Bietern weder verkehrsübliche Bezeichnungen noch normierte technische Spezifikationen gibt, mit deren Hilfe die komplexen Leistungen nach Art, Beschaffenheit und Umfang hinreichend beschreibbar wären, ist gegen eine detaillierte konstruktive Leistungsbeschreibung (§ 8 Nr. 2 Abs. 1 lit. b VOL/A) nichts einzuwenden.*)
9. §§ 17 Nr. 3 Abs. 5, 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. g VOL/A setzen ungeschrieben, weil selbstverständlich, das Recht der Vergabestelle voraus, allein darüber zu entscheiden, ob sie Nebenangebote/Änderungsvorschläge zulassen will oder nicht.*)
10. Eine Vergabestelle verstößt nicht allein deshalb gegen den in § 97 Abs. 2 GWB normierten Gleichbehandlungsgrundsatz, weil sie auf "ererbte" Wettbewerbsnachteile (hier: Personalkostenstruktur) eines ehemaligen Staatsunternehmens keine Rücksicht nimmt, sondern die Ausschreibung innerhalb der vom Vergaberecht gezogenen Grenzen nach ihren Vorstellungen gestaltet.*)

VPRRS 2002, 0229

OLG Koblenz, Beschluss vom 22.04.2002 - 1 Verg 1/02
1. Es ist ein dem Beteiligten zuzurechnendes, einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entgegenstehendes Organisationsverschulden des Verfahrensbevollmächtigten, wenn er die Telefax-Nummer des Oberlandesgerichts durch eine Kanzleibedienstete bei der Auskunft der Telekom erfragen lässt und das am letzten Tag der Rechtsmittelfrist per Telefax übersandte Beschwerdeschreiben das Oberlandesgericht nicht erreicht, weil die angegebene Nummer unrichtig ist.*)
2. Die Verwerfung der sofortigen Beschwerde als unzulässig kann als Prozessentscheidung ohne mündliche Verhandlung erfolgen.*)

VPRRS 2002, 0228

OLG Koblenz, Beschluss vom 05.09.2002 - 1 Verg 4/02
1. Entsprechend § 9 Nr. 1 VOB/A müssen Nebenangebote so eindeutig und erschöpfend beschrieben sein, dass der Auftraggeber sich ein klares Bild über die angebotene Ausführung der Leistung machen kann. Wesentlicher Wertungsbestandteil ist die Frage der Gleichwertigkeit der im Nebenangebot enthaltenen Ausführung mit der ausgeschriebenen Hauptleistung. Auch sie muss soweit dargelegt werden, dass der Auftraggeber sie ohne besondere Schwierigkeit prüfen kann. Weicht das Nebenangebot in technischer Hinsicht vom Hauptangebot ab, ist es Aufgabe des Bieters, die Gleichwertigkeit durch entsprechende Unterlagen wie Prüfzeugnisse, Gutachten, Qualitätszertifikate etc. nachzuweisen.*)
2. Dabei ist die Darlegung der Gleichwertigkeit nicht auf die Feststellung einer abstrakt-generellen Eignung der alternativ angebotenen technischen Lösung zur Durchführung des Bauvorhabens zu beschränken. Maßgeblich ist die Gesamtschau aller wertbildender Kriterien, zu denen neben dem technischen Wert und dem Preis insbesondere auch die Betriebs- und Folgekosten gehören.*)
3. Eigene Nachforschungen obliegen dem Auftraggeber nur im Rahmen der verfügbaren Erkenntnisquellen und innerhalb der zeitlichen Grenzen der Zuschlags- und Angebotsfrist.*)

VPRRS 2002, 0227

OLG Celle, Beschluss vom 08.11.2001 - 13 Verg 12/01
1. Ob ein Bieter auszuschließen ist, weil er in seinem Angebot unzutreffende oder unvollständige Angaben gemacht hat, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.*)
2. Bei der Feststellung, ob ein unangemessen niedriges Angebot vorliegt, ist grundsätzlich auf den Preis des Gesamtangebots abzustellen, auf Einzelpositionen ausnahmsweise dann, wenn diese einen gewichtigen Teil des Gesamtangebots ausmachen.*)

VPRRS 2002, 0224

VK Nordbayern, Beschluss vom 28.10.2002 - 320.VK-3194-33/02
1. Die Aufhebung einer Aufhebung ist rechtssystematisch ausgeschlossen, es sei denn, die Aufhebung erfolgte rechtsmissbräuchlich (§ 114 Abs. 2 Satz 2 GWB).*)
2. Auch die Entscheidung des EuGH zur Rechtslage in Österreich (Urteil vom 18.06.2002, Rs. C-92/00, Hospital Ingenieure.) führt nicht zu einer anderen Beurteilung, da Entscheidungen des EuGH nicht unmittelbar geltendes Recht sind und der deutsche Gesetzgeber erst zur Umsetzung tätig werden muss.*)
3. Der Nachprüfungsantrag ist auch nicht als Feststellungsantrag gem. § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB zulässig, wenn die Antragstellung nach der Aufhebung des Vergabeverfahrens erfolgt.*)

VPRRS 2002, 0223

OLG Naumburg, Urteil vom 07.08.2002 - 5 U 40/02
Öffentliche Auftraggeber sind berechtigt, einen als Sicherheit einbehaltenen Betrag auf ein als Verwahrungsgeldkonto geführtes Eigenkonto zu nehmen. Das Konto kann im Rahmen der eigenen Verwaltung der Haushaltsmittel geführt werden.*)
Das gilt jedenfalls dann, wenn der öffentliche Auftraggeber nicht insolvenzfähig ist.*)

VPRRS 2002, 0222

OLG Celle, Beschluss vom 14.11.2002 - 13 Verg 8/02
Der nach § 2 Nr. 4 VgV maßgebliche Gesamtauftragswert errechnet sich aus der Summe aller für die Erstellung der baulichen Anlage erforderlichen Leistungen ohne Umsatzsteuer; nicht zum Gesamtauftragswert gehören u.a. die Baunebenkosten.*)

VPRRS 2002, 0218

OLG Schleswig, Urteil vom 27.08.2002 - 3 U 44/01
Derjenige Unternehmer, der die Leistungen eines Pauschalpreisvertrages selbst beschreibt, trägt auch die Beweislast für den Umfang der zu erbringenden Leistungen.*)

VPRRS 2002, 0217

VK Brandenburg, Beschluss vom 09.04.2001 - 2 VK 18/01
Auch bei der Veräußerung eines Geschäftsanteils (hier: einer kommunalen Eigengesellschaft) kann es sich um einen Beschaffungsvorgang handeln, bei dem die Vergabevorschriften einzuhalten sind.

VPRRS 2002, 0215

VK Brandenburg, Beschluss vom 12.02.2002 - 2 VK 123/01
Für den Zweck der Ermittlung des Schwellenwerts eines Brückenneubaus bleiben die Kosten für den Neubau einer Ortsumgehung unberücksichtigt.

VPRRS 2002, 0213

VK Brandenburg, Beschluss vom 01.02.2002 - 2 VK 119/01
(ohne amtlichen Leitsatz)

VPRRS 2002, 0212

VK Brandenburg, Beschluss vom 24.01.2002 - 2 VK 114/01
1. Aus § 9 Nr. 3 Abs. 4 VOB/A ergibt sich, dass bei Stoffen und Bauteilen, für die DIN-Normen bestehen, die Beschreibung der DIN-Güte- und Maßbestimmungen entsprechen muss.
2. § 21 Nr. 2 VOB/A bestimmt, dass eine Leistung, die von den vorgesehenen technischen Spezifikationen abweicht, angeboten werden darf, wenn sie mit dem geforderten Schutzniveau in Bezug auf Sicherheit, Gesundheit und Gebrauchstauglichkeit gleichwertig ist.
3. Der durch die Konformitätserklärung und die CE-Kennzeichnung dokumentierte Sicherheitsstandard ist gleichwertig mit dem GS-Prüfzeichen, das vom Prüf- und Zertifizierungsinstitut des Verbandes Deutscher Elektrotechniker (VDE) vergeben wird, denn die Bedeutung der Europäischen Normen entspricht den DIN-Normen in ihrem Verhältnis zu den anerkannten Regeln der Technik.

VPRRS 2002, 0306

OLG Celle, Urteil vom 30.05.2002 - 13 U 266/01
1. Mit der Abgabe eines Angebots kommt zwischen dem Bieter und dem öffentlichen Auftraggeber ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis zustande, das zu gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichtet und auf beiden Seiten Sorgfaltspflichten begründet, deren schuldhafte Verletzung Schadensersatzansprüche begründen kann.
2. Zu den den Auftraggeber treffenden Sorgfaltspflichten gehört die Einhaltung der Vergabevorschriften der VOB/A.
3. Der öffentliche Auftraggeber verletzt seine Sorgfaltspflicht, wenn er eine öffentliche Ausschreibung aufhebt, obwohl die Voraussetzungen für eine solche Aufhebung gemäß § 26 Nr. 1 VOB/A nicht vorliegen.

VPRRS 2002, 0207

VK Brandenburg, Beschluss vom 13.06.2000 - 2 VK 10/00
Ein Billigkeitsgrund, der die Gebührenermäßigung bis auf ein Zehntel rechtfertigt (§ 128 Abs. 2 S. 2 GWB) kann darin bestehen, dass die Antragsrücknahme in einem sehr frühen Verfahrensstadium - hier: vor der Zustellung des Nachprüfungsantrags an die Vergabestelle - erfolgt.

VPRRS 2002, 0205

VK Sachsen, Beschluss vom 04.10.2002 - 1/SVK/085-02
1. Bei der Frage der Unverzüglichkeit der Rüge nach § 107 Abs. 3 S. 1 GWB ist der gute Glaube an die Richtigkeit des Bekanntmachungstextes mit zu berücksichtigen. Ein Zeitverzug ist vom Antragsteller unverschuldet, wenn in der Bekanntmachung fälschlicherweise als Nachprüfinstanz die VOB-/VOL-Stelle anstelle der Vergabekammer benannt ist. Dieser Fehler und die damit verbundene Verzögerung kann dem Antragsteller nicht angelastet werden.*)
2. Dem Bieter ist nicht deswegen die Eignung abzusprechen, weil er Arbeiten, auf die sein Betrieb nicht eingerichtet ist, zu nicht mehr als 50 % an Nachunternehmer überträgt und Nachunternehmerleistungen bereits im Angebot verbindlich auflistet.*)
3. Für die Beurteilung der Eignung hat der Auftraggeber zu prüfen, ob der Bieter berechtigt ist, die angebotene Leistung auszuführen und für diese Tätigkeit in der Handwerksrolle eingetragen ist.*)

VPRRS 2002, 0204

VK Sachsen, Beschluss vom 01.10.2002 - 1/SVK/084-02
1. Das Erkennen eines Vergaberechtsverstoßes im Sinne des § 107 Abs. 3 S. 1 GWB setzt neben der Kenntnis der entscheidungsrelevanten Tatsachen auch die zumindest laienhafte Wertung voraus, dass es sich um ein rechtlich zu beanstandendes Vergabeverfahren handelt. Dabei knüpft die Rügeobliegenheit des § 107 Abs. 3 S. 1 GWB grundsätzlich an einen Vergaberechtsverstoß des Auftraggebers an, was sich aus dem Wortlaut des § 97 Abs. 7 GWB ableiten lässt. Rechtsverstöße, die dem Antragsteller infolge einfacher oder grober Fahrlässigkeit unbekannt sind oder von ihm nicht als solche erkannt werden, werden nach dem klaren Wortlaut des § 107 Abs. 3 S. 1 GWB im Gegensatz zu § 107 Abs. 3 S. 2 GWB nicht erfasst. Nicht Mutmaßungen oder ein Verdacht in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht, der Auftraggeber könnte einen Vergaberechtsverstoß begangen haben, sondern erst das tatsächliche Erkennen eines Vergaberechtsverstoßes löst die Rügeobliegenheit des § 107 Abs. 3 S. 1 GWB aus.*)
2. Handelt es sich bei dem behaupteten Vergaberechtsverstoß um eine angeblich fehlerhafte Bewertung eines nach § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A unangemessen niedrigen Angebots durch den Auftraggeber wird ein Erkennen dieses Vergaberechtverstoßes nach § 107 Abs. 3 S. 1 GWB vor einer Akteneinsicht in den Vergabevermerk des Auftraggebers grundsätzlich nicht vorliegen können.*)
3. Es gibt keine gesetzliche Frist, die nach erfolgter Rüge beim Auftraggeber bis zu einem Antrag bei der Vergabekammer einzuhalten wäre. Eine Ausnahme kann sich lediglich aus Verwirkungsgesichtspunkten ergeben.*)
4. § 25 Nr. 3 S. 1 VOB/A ist aufgrund seines klaren Wortlautes als drittschützende Norm im Sinne des § 97 Abs. 7 GWB anzusehen.*)
5. Maßgeblich für die Beurteilung, ob ein Missverhältnis zwischen geforderter Leistung und angebotenem Preis besteht, ist immer das Angebot als solches mit seinem für die Bauleistung geforderten Gesamtpreis, d. h. außer Betracht bleibt, ob etwa Preise für einzelne Positionen in einem Missverhältnis zur entsprechenden Einzelleistung stehen. Ist bei gewichtigen Einzelpositionen oder einzelnen in sich geschlossenen Teilen des Angebots ein Missverhältnis zwischen Leistung und Preis festzustellen, kommt es darauf an, ob an anderer Stelle des Angebots ein entsprechender Ausgleich geschaffen ist und damit das Angebot insgesamt kein Missverhältnis zwischen Leistung und Preis aufweist.*)
6. Die Notwendigkeit einer Überprüfung auf ein unangemessen niedriges Angebot im Sinne des § 25 Nr. 3 Abs. 1 und 2 VOB/A ergibt sich grundsätzlich bei einer Abweichung im Angebotspreis des Mindestbietenden von mehr als 10 % zum nächsthöheren Bieter, wobei auch die eigene Kostenschätzung des Auftraggebers in die Betrachtung eingestellt werden muss. Ein noch so beträchtlicher Preisunterschied zwischen dem preislich günstigsten und den nachfolgenden Angeboten reicht für sich genommen für die Annahme eines im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrigen Preises nicht aus, weil ansonsten preiskartellrechtliche Zusammenschlüsse und Absprachen der überhöht anbietenden zweit-, dritt- und viertplatzierten Unternehmen immer zu einem Ausschluss des Mindestbieters führen würden, obwohl dieser als einziger tatsächlich zu angemessenen Marktpreisen angeboten hätte.*)
7. Hält der Auftraggeber ein Mindestangebot nach Prüfung für unangemessen niedrig, muss der betroffene Bieter individuelle und nachprüfbare Sonderkonditionen (nachgewiesene Einsparungen, Bezugspreise, Rabatte, abgeschriebene Maschinen und Geräte) nach schriftlicher Aufforderung plausibel benennen, um den Vorwurf eines unangemessen niedrigen Angebotes zu entkräften. Diese nachgewiesenen Vorteile sind beim Bieter im Wege einer fiktiven "Internen Addition zum Angebotspreis" zu berücksichtigen. Liegt der abschließende - fiktive - Angebotspreis unter Beachtung nur der glaubwürdigen Einsparpotenziale unterhalb von 10 % zum Nächstbieter, so kann von einem angemessenen Preis ausgegangen werden. Macht der Bieter dem gegenüber keine, nur pauschale oder keine plausiblen Erklärungen für sein Niedrigstangebot, so ist sein Angebot auszuschließen. Lediglich allgemein gehaltene Angaben zur Angemessenheit des Angebotes ("Synergieeffekte", "positive Erfahrungen vergangener Bauvorhaben, "eigenes, erhöhtes Nachfragevolumen") sind dabei zu pauschal und unkonkret, um als anerkennenswerte wettbewerblich begründete Rechtfertigungen akzeptiert werden zu können. Der Ausschluss des Angebotes ist - auch angesichts des klaren Wortlauts des § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A - ohne Ermessen unumgänglich, wenn der Bieter die Unangemessenheit des Preises nicht aufklären kann oder in Verkennung der rechtlichen Erfordernisse (§§ 25 Nr. 3 Abs. 1 und 2, 24 Nr. 2, 2 Nr. 1 S. 1 VOB/A) nicht aufklären will.*)
8. Fordert ein Bieter aufgrund zeitlich bedingter, geänderter, technischer und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen für die Zustimmung zur Zuschlags- und Bindefristverlängerung als Bedingung einen schon jetzt anzuerkennenden Pauschalnachtrag, führt dies nach Ablauf der bisherigen Zuschlags- und Bindefrist zum Entfallen der Bindung des Submissionsangebotes und zum Ausschluss des abgeänderten Angebotes nach §§ 24, 25 Nr. 1 lit a VOB/A.*)
9. Gibt der Bieter an der vom Auftraggeber nach § 21 Nr. 4 VOB/A in den Verdingungsunterlagen bezeichneten Stelle anstelle eines vorgedruckten prozentualen Nachlasses einen absoluten Pauschalnachlass an, so ist sein Angebot (insoweit) auszuschließen.*)
10. Hat der Bieter den Pauschalnachlass zusätzlich auch noch im Angebotsschreiben angeboten, so ist dieser ebenso nicht wertbar, da die §§ 25 Nr. 5 S. 2, 21 Nr. 4 VOB/A vorsehen, dass Nachlässe nicht zu werten sind, wenn sie nicht an der vom Auftraggeber bezeichneten Stelle aufgeführt sind. Eine sog. teleologische Reduktion dieses zwingenden Wertungsausschlusses - wie von der Rechtsprechung teilweise erwogen - ist angesichts des klaren Wortlauts nicht möglich.*)
11. Allein die Tatsache der vorläufigen Insolvenz oder der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Mitglieds einer anbietenden Dreier-Bietergemeinschaft nach § 8 Nr. 5 lit. a VOB/A führt nicht zur zwingenden Nichtberücksichtigung des Bieters wegen mangelnder Eignung, sondern ermöglicht lediglich einen ermessengebundenen Ausschlussgrund.*)
12. Die Vergabekammer kann den Auftraggeber ausnahmsweise gemäß § 114 Abs. 1 S. 1 GWB zur Zuschlagserteilung an den Antragsteller verpflichten, wenn dieser preislich an erster Stelle liegt und das zweite Zuschlagskriterium "Qualität" keinerlei Differenzierungspotenzial hinsichtlich der Angebote mehr bietet.*)
13. Unterliegt der Antragsteller lediglich mit einem von mehreren behaupteten Vergaberechtsverstößen obsiegt er aber hinsichtlich der beantragten Maßnahmen der Vergabekammer vollständig, ist eine einheitliche, für den Auftraggeber negative, Kostenentscheidung veranlasst.*)

VPRRS 2002, 0203

VK Sachsen, Beschluss vom 13.09.2002 - 1/SVK/082-02
1. Die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung über das Vermögen eines Mitglieds einer Dreier-Bietergemeinschaft nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO (Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts ohne gleichzeitige Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots) beeinträchtigt die Antragsbefugnis der verbleibenden Zweier-Bietergemeinschaft gemäß § 107 Abs. 2 GWB nicht, wenn schon im Vorfeld der Insolvenz in einem ARGE-Vertrag festgelegt worden war, dass ein Unternehmen bei einer vorläufigen Insolvenz durch empfangsbedürftige Kündigung aus der Bietergemeinschaft ausscheidet. Dies gilt erst recht, wenn das Insolvenzverfahren noch gar nicht eröffnet wurde. Zudem stellt selbst die Insolvenz eines Bieters nach § 8 Nr. 5 Abs. 1 lit. a VOB/A lediglich einen fakultativen Ausschlussgrund dar, den der Auftraggeber im Rahmen der Eignungsprüfung ermessensgebunden beachten kann, aber nicht muss.*)
2. Gibt ein Bieter an der vom Auftraggeber dafür vorgesehen Stelle anstatt eines vorgedruckten prozentualen Nachlasses einen absoluten Pauschalnachlass an, so ist sein Angebot (insoweit) auszuschließen.*)
3. Hat der Bieter den Pauschalnachlass zusätzlich auch noch im Angebotsschreiben angeboten, so ist dieser ebenso nicht wertbar, da die §§ 25 Nr. 5 S. 2, 21 Nr. 4 VOB/A vorsehen, dass Nachlässe nicht zu werten sind, wenn sie nicht (in korrekter, den Ausschreibungsbedingungen entsprechenden, Form) an der vom Auftraggeber bezeichneten Stelle aufgeführt sind. Eine sog. teleologische Reduktion dieses zwingenden Wertungsausschlusses - wie von der Rechtsprechung teilweise erwogen - ist angesichts des klaren Wortlauts nicht möglich.*)

VPRRS 2002, 0202

VK Nordbayern, Beschluss vom 14.06.2002 - 320.VK-3194-16/02
Das Angebot eines Bieters ist bei Änderungen an den Verdingungsunterlagen auszuschließen.

VPRRS 2002, 0201

VK Nordbayern, Beschluss vom 21.05.2002 - 320.VK-3194-13/02
1. Entspricht ein Angebot nicht der Bedingung in den Verdingungsunterlagen, die Leistung im eigenen Betrieb auszuführen, so ist es gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b VOB/A von der Wertung auszuschließen.*)
2. Beabsichtigt ein Bieter, die Arbeiten komplett an Nachunternehmen weiterzuvergeben, ist seine Eignung in Zweifel zu ziehen.*)
