Vergabepraxis & -recht.

Volltexturteile nach Sachgebieten
5420 Entscheidungen insgesamt
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VPRRS 2019, 0094
OLG München, Beschluss vom 25.03.2019 - Verg 10/18
1. a) Das Absehen vom Regelfall der Losvergabe erfordert eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Belange, wobei der Auftraggeber wegen der dabei anzustellenden prognostischen Überlegungen einen Beurteilungsspielraum hat, der im Nachprüfungsverfahren (nur) der rechtlichen Kontrolle unterliegt (im Anschluss an OLG Frankfurt, IBR 2018, 461 = VPR 2018, 181; OLG Düsseldorf, IBR 2012, 533).*)
b) Die Beschaffungsautonomie ist kein Freibrief für eine Gesamtvergabe, allerdings können sich aus dem korrekt ausgewählten Auftragsgegenstand Belange ergeben, die der Auftraggeber bei der Abwägung für oder gegen eine Losvergabe berücksichtigen kann.*)
c) Konkrete projektbezogene Besonderheiten wie z.B. ein hohes Risikopotential des Objekts können eine Gesamtvergabe rechtfertigen (hier: Sicherheitstechnik für eine JVA).*)
2. Zur Problematik einer "wesentlichen Änderung" der Vergabeunterlagen, die eine Verlängerung der Angebotsfrist erfordert.*)

VPRRS 2019, 0108

VK Bund, Beschluss vom 12.03.2019 - VK 1-7/19
1. Der öffentliche Auftraggeber soll erst dann ausschreiben, wenn alle Vergabeunterlagen fertig gestellt sind und innerhalb der angegebenen Fristen mit der Ausführung begonnen werden kann.
2. Eine Voraussetzung der Ausschreibungsreife ist, dass die rechtlichen und tatsächlichen Anforderungen an den Beginn der Leistungsausführung gegeben sind. Der Auftraggeber muss vor der Ausschreibung alle privat- und öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen, dass mit den ausgeschriebenen Leistungen innerhalb der angegebenen Fristen begonnen werden kann.
3. Vergabereife ist gegeben, wenn die Ausschreibung aufgrund eines vollziehbaren Planfeststellungsbeschlusses durchgeführt werden darf. Auf etwaige eingelegte Rechtsbehelfe, über die instanzenabschließend noch nicht entschieden worden ist, kommt es nicht an. Im Vergabenachprüfungsverfahren ist kein "In-sich"-Prozess über die Rechtmäßigkeit von Planfeststellungsentscheidungen zu führen.

VPRRS 2019, 0087

OLG Karlsruhe, Urteil vom 01.06.2016 - 13 U 176/11
1. Geht aus der Ausschreibung nicht eindeutig hervor, ob die LV-Position "Betonstahl" nicht nur die Lieferung, sondern auch den Einbau umfasst, und will der Bieter die Verlegung des Betonstahls erkennbar nicht anbieten, gehört Einbau des Stahls nicht zum vertraglich vereinbarten Leistungsumfang.
2. Fordert der Auftraggeber den Auftragnehmer auf, die Verlegearbeiten auf jeden Fall zu erbringen, liegt darin die Anordnung zur Ausführung einer zusätzlichen Leistung, die besonders zu vergüten ist.

VPRRS 2019, 0096

VK Bund, Beschluss vom 11.03.2019 - VK 1-5/19
1. Die Baubeschreibung und die sonstigen Vergabeunterlagen müssen für die Angebotserstellung der Bieter einschließlich der Erstellung des Bauzeitenplans hinreichend klare und verständliche Vorgaben enthalten.
3. Ein einzureichender Bauzeitenplan ist nicht etwa deshalb unverbindlich, weil die Baubeschreibung den Hinweis enthält, dass nach Auftragserteilung ein Startgespräch zur Abstimmung des Bauzeitenplans stattfindet.
3. Die Bieter müssen die zugrundeliegenden Verwaltungsentscheidungen und den Planfeststellungsbeschluss samt der Änderungsbeschlüsse nicht gegenlesen. Keinesfalls dürfen sie hieraus - ohne weitere Nachfragen beim Auftraggeber - etwa die Unverbindlichkeit der Baubeschreibung ableiten.
4. Wenn der Bieter nicht das anbietet, was der öffentliche Auftraggeber nachgefragt hat, liegt eine unzulässige Änderung an den Vergabeunterlagen vor.

VPRRS 2019, 0084

VK Berlin, Beschluss vom 22.02.2019 - VK B 1-33/18
1. Der öffentliche Auftraggeber ist verpflichtet, die Wertung der Angebote nachvollziehbar zu dokumentieren.
2. Insbesondere im Rahmen einer Qualitätswertung von Konzepten hat der Auftraggeber seine für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so eingehend zu dokumentieren, dass nachvollziehbar ist, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Bewertung eingegangen sind.
3. Eine Dokumentation ist unzureichend, wenn die zu den Unterkriterien im Ergebnis vergebenen prozentualen Werte weder mit den zu den Konzeptunterunterpunkten vergebenen Werten noch insgesamt mit vom Auftraggeber aufgestellten Bewertungsvorgaben zusammen passen.

VPRRS 2019, 0086

VK Bund, Beschluss vom 11.02.2019 - VK 2-2/19
1. Auch im Verhandlungsverfahren gilt der Grundsatz des Geheimwettbewerbs. Der Auftraggeber ist nicht berechtigt, die angebotenen Preise an Wettbewerber mitzuteilen, solange diese darauf noch durch Änderung der eigenen Gebote reagieren könnten.
2. Die Bieter haben einen Anspruch auf den Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse, also auch des Angebotspreises, durch den Auftraggeber. Ein Angebot in Kenntnis des Angebotes eines Mitbieters ist jedenfalls dann vom Vergabeverfahren auszuschließen, wenn durch die Information das Angebot beeinflusst wurde.
3. Der Zuschlag ist nicht auf das preiswerteste, sondern auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen.
4. Der öffentliche Auftraggeber darf die Zuschlagskriterien und deren Wertung nach seinem Beschaffungsbedarf ausrichten.
5. Die Umrechnung eines Preises in Wertungspunkte weist Schwächen auf und kann zu Unschärfen und unerwarteten Ergebnissen führen. Die Grenze des Zulässigen ist aber erst überschritten, wenn sich gerade die Heranziehung der gewählten Preisumrechnungsmethode im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände als mit dem gesetzlichen Leitbild des Vergabewettbewerbs unvereinbar erweist.

VPRRS 2019, 0073

OLG Hamburg, Beschluss vom 11.02.2019 - 1 Verg 3/15
Eine unter kommunaler Mehrheitsbeteiligung geführte Wohnbaugesellschaft ist, soweit sie Bauaufträge erteilt, kein öffentlicher Auftraggeber, wenn sie ihre Aufgaben mit Gewinnerzielungsabsicht und daher gewerblich wahrnimmt.

VPRRS 2019, 0036

VK Südbayern, Beschluss vom 21.01.2019 - Z3-3-3194-1-38-11/18
Zuschlagskriterien müssen klar und eindeutig formuliert sein, so dass alle durchschnittlich fachkundigen Bieter bei der Anwendung der üblichen Sorgfalt ihre genaue Bedeutung verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können.

VPRRS 2019, 0061

VK Berlin, Beschluss vom 14.01.2019 - VK B 2-31/18
Auch eine geringfügige Überschreitung einer als bindende Vorgabe im Planungswettbewerb definierten Baukostenobergrenze rechtfertigt die Nichtzulassung einer Wettbewerbsarbeit.

VPRRS 2019, 0062

VK Sachsen, Beschluss vom 17.01.2019 - 1/SVK/033-18
1. Hat ein Unternehmen mit dem Ziel der Erlangung primären Vergaberechtsschutzes die Aufhebung des Vergabeverfahrens zum Gegenstand einer Nachprüfung gemacht, ist die Vergabekammer bei Vorliegen eines Feststellungsinteresses des Unternehmens auf dessen Antrag hin zur Feststellung der durch die Aufhebung eingetretenen Rechtsverletzung befugt, auch wenn sich herausstellt, dass die Aufhebung wirksam war und daher eine Anordnung auf Fortsetzung des Vergabeverfahrens nicht ergehen kann.*)
2. Es bleibt dem Auftraggeber grundsätzlich unbenommen, von einem Beschaffungsvorhaben auch dann Abstand zu nehmen, wenn dafür kein in den Vergabe- und Vertragsordnungen anerkannter Aufhebungsgrund vorliegt. Dies folgt daraus, dass die Bieter zwar einen Anspruch darauf haben, dass der Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält (§ 97 Abs. 7 GWB), aber nicht darauf, dass er den Auftrag auch erteilt und demgemäß die Vergabestelle das Vergabeverfahren mit der Erteilung des Zuschlags abschließt.*)
3. Die Verpflichtung des Auftraggebers zur Aufhebung der Aufhebung eines Vergabeverfahrens kann nur erfolgen, wenn der öffentliche Auftraggeber die Vergabe des Auftrags weiterhin beabsichtigt und ihm auch keine sachlichen Gründe für eine Aufhebung zur Seite stehen.*)
4. Eine wesentliche Änderung der Vergabeunterlagen nach § 17 EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A 2016 liegt nur dann vor, wenn eine ganz entscheidende Abänderung der bisherigen Absicht zur Leistungserbringung erforderlich wird. Die Auftragsvergabe auf der Grundlage der bisherigen Vergabeunterlagen muss für den Auftraggeber oder die Bieter unzumutbar geworden sein.*)
5. Die Gründe, welche eine Aufhebung rechtfertigen sollen, dürfen dem Auftraggeber nicht zurechenbar sein. Dabei kann ein schuldhaft herbeigeführter Aufhebungsgrund jedoch durchaus ein sachlicher Grund für eine - dann allerdings (jedenfalls wirksame) schadensersatzpflichtige - Aufhebung sein. Der pauschale und nicht weiter untersetzte Vortrag, dass Mehrkosten zu befürchten sind, führt nicht zur Annahme eines schwer wiegenden Grunds im Sinne des § 17 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2016, der zur rechtmäßigen Aufhebung berechtigt.*)

VPRRS 2019, 0046

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.08.2018 - Verg 30/18
1. Die Regelung des § 127 Abs. 1 Satz 1 und 6 SGB V ist - soweit es die Ausschreibung vorgelagerter Zweckmäßigkeitserwägungen betrifft - keine vergaberechtliche Vorschrift und entfaltet daher im Vergabeverfahren keinen Bieterschutz (Bestätigung des Senatsbeschlusses vom 27.06.2018, VPR 2018, 242).
2. Die Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals können leistungsbezogene Kriterien sein, die als Mindestanforderung an die Leistung im Rahmen der Leistungsbeschreibung oder aber als qualitative Zuschlagskriterien berücksichtigt werden können.
3. Die Anforderung des öffentlichen Auftraggebers, "Pflegeexperten Stoma, Kontinenz und Wunde" einzusetzen, ist ein leistungsbezogenes Kriterium.

VPRRS 2019, 0058

OLG Naumburg, Urteil vom 30.03.2016 - 12 U 97/15
1. Die Abgabe eines Nebenangebots ermöglicht es dem Auftragnehmer, seine Auftragschancen mithilfe technisch oder wirtschaftlich besserer Lösungen als den vom Auftraggeber vorgesehenen zu verbessern.
2. Das Risiko eines Nebenangebots liegt für den Auftragnehmer darin, dass für die Planung, technische Gestaltung, Kalkulation und praktische Ausführung die volle Verantwortung übernommen wird.

VPRRS 2019, 0054

OLG München, Urteil vom 12.02.2019 - 9 U 728/18 Bau
1. Der Bieter und spätere Auftragnehmer kann auch ungewöhnliche und nicht kalkulierbare Risiken übernehmen. Es gibt keinen Erfahrungssatz, wonach regelmäßig nur kalkulierbare Verpflichtungen eingegangen werden (Anschluss an BGH, IBR 1996, 487).
2. In der Übernahme der Planungsverantwortung liegt insbesondere dann kein ungewöhnliches Wagnis, wenn der Auftragnehmer im Vergabeverfahren unmissverständlich und eindeutig darauf hingewiesen wurde, dass er das Risiko etwaiger Planungsfehler zu tragen hat.
3. Ungewöhnliche Wagnisse sind bereits im Vergabeverfahren geltend zu machen. Ein Bieter kann nicht ein sich aus den Vergabeunterlagen ausdrücklich ergebendes Risiko hinnehmen und im Anschluss an das Vergabeverfahren als Auftragnehmer zivilrechtliche Auseinandersetzungen wegen des übertragenen Risikos führen.
4. Mehrkosten in Höhe von 4,2% des Bauvolumens führen nicht zu einer Störung der Geschäftsgrundlage.
5. Dem Auftragnehmer kann das sog. Baugrundrisiko im Rahmen eines Konzessionsvertrags auch durch eine Allgemeine Geschäftsbedingung wirksam übertragen werden.

VPRRS 2019, 0052

VK Bund, Beschluss vom 22.01.2019 - VK 1-109/18
1. Reicht der Bieter eine gültige qualifizierte Unbedenklichkeitsbescheinigung ein, deren Gültigkeitszeitraum kurz nach Vorlage abläuft, ist ihm eine angemessene Frist zur Erneuerung der Bescheinigung zu gewähren.
2. Eine vom Auftraggeber über die Weihnachtsfeiertage sowie den Jahreswechsel gesetzte Frist für die Vorlage von Referenzen muss angemessen bemessen sein (hier verneint).

VPRRS 2019, 0045

VK Lüneburg, Beschluss vom 01.11.2017 - VgK-30/2017
1. Leitproduktvorgaben sind mit dem Zusatz "oder gleichwertig" ("o. glw.") zu versehen. Der Bieter gibt also ein ordnungsgemäßes Angebot ab, wenn er sich in diesem Rahmen hält, ohne dass dabei schon von Änderungsvorschlägen oder Nebenangeboten gesprochen werden kann.
2. Gleichwertig sind Erzeugnisse oder Verfahren, wenn sie die Qualität der verlangten Erzeugnisse oder Verfahren nach allgemeiner Anerkennung der betreffenden technischen Fachkreise hinsichtlich ihrer Tauglichkeit und Mängelfreiheit, ausgerichtet nach dem zum Ausdruck gekommenen Auftraggeberwillen, uneingeschränkt erreichen.
3. Ob Gleichwertigkeit vorliegt, hat der betreffende Bieter gegebenenfalls darzulegen und auch nachzuweisen. Als geeignetes Mittel für einen Gleichwertigkeitsnachweis kann eine technische Beschreibung des Herstellers oder ein Prüfbericht einer Konformitätsbewertungsstelle gelten.

VPRRS 2019, 0043

VK Lüneburg, Beschluss vom 01.09.2017 - VgK-25/2017
1. Ein zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits erteilter, wirksamer Zuschlag kann von der Vergabekammer nicht aufgehoben werden.
2. Ob ein Zuschlag wirksam erteilt war, hängt davon ab, ob das Vorabinformationsschreiben den inhaltlichen Anforderungen des § 134 GWB genügte, um die Wartefrist bis zum Zuschlag in Gang zu setzen.
3. Die Informationspflicht dient dazu, den unterlegenen Bieter in die Lage zu versetzen, zu verstehen, warum sein Angebot - im Verhältnis zum Angebot des erfolgreichen Bieters - nicht bezuschlagt wurde.
4. Diese Informationspflicht ist erfüllt, wenn die Begründung sich nicht formelhaft darauf beschränkt, dass das finale Angebot des unterlegenen Bieters nicht berücksichtigt werden konnte, sondern ausdrücklich auf die entscheidenden Wertungskriterien Bezug nimmt, wie z. B. durch die Formulierung "Ihr Angebot konnte wirtschaftlich hinsichtlich des Angebotspreises und der Bieterpräsentation nicht überzeugen".

VPRRS 2019, 0040

VK Lüneburg, Beschluss vom 26.01.2018 - VgK-40/2017
1. Wollen oder können die Bieter die Leistung nicht nach Maßgabe der Vergabeunterlagen anbieten, können sie Änderungsvorschläge oder Nebenangebote unterbreiten, sofern dies nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurden. Weicht der Bieter dagegen in seinem Angebot von den Vorgaben der Vergabeunterlagen ab, führt dies zum zwingenden Ausschluss.
2. Es ist die originäre Pflicht des Bieters, ein eindeutiges, unmissverständliches und damit einer ordnungsgemäßen Wertung zugängliches Angebot abzugeben.
3. Der öffentliche Auftraggeber darf im offenen Verfahren von den Bietern nur Aufklärung über das Angebot oder deren Eignung verlangen. Verhandlungen, insbesondere über Änderungen der Angebote und Preise, sind in jedem Fall unzulässig.
4. Es ist dem Auftraggeber gestattet, sich über den tatsächlichen "Angebotswillen" des Bieters zu unterrichten.

VPRRS 2019, 0037

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.06.2018 - Verg 36/17
1. Schließen der öffentliche Auftraggeber, der Bestbieter und der antragstellende Mitbewerber vor der Vergabekammer bzw. dem Vergabesenat einen Vergleich, wonach das Vergabeverfahren zurückversetzt wird und die Beteiligten sich darüber einig sind, dass die Eignung des Bestbieters nicht mehr bezweifelt wird, ist der Mitbewerber hieran gebunden.
2. Sofern der Vergleich nicht unwirksam ist, kann ein Ausschluss des Angebots des Bestbieters mangels Eignung vom Mitbewerber nicht mehr geltend gemacht werden.
3. Haben sich die Verfahrensbeteiligten darauf geeinigt, dass die Bieter die Möglichkeit erhalten, ihre abgegebenen und anschließend verbindlich verhandelten Angebote zu überarbeiten und sodann ein letztes Angebot abzugeben, schließt dies die Möglichkeit aus, zusätzlich ein gänzlich neues, bisher nicht verhandeltes Hauptangebot abzugeben.

VPRRS 2019, 0038

VK Südbayern, Beschluss vom 08.08.2018 - Z3-3-3194-1-21-06/18
1. Die Rügetatbestände des § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB können nur innerhalb eines bereits begonnenen Vergabeverfahrens greifen.*)
2. Bei europaweiten Vergaben im offenen Verfahren beginnt das Verfahren grundsätzlich mit der Absendung der Auftragsbekanntmachung an das Amt für Veröffentlichungen der europäischen Union (siehe auch § 3 Abs. 3 VgV).*)
3. Die Rügetatbestände des § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB sind - solange die Vorschriften des § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB restriktiv ausgelegt werden und den Primärrechtsschutz i.S.d. effet utile nicht übermäßig einschränken - mit den unionsrechtlichen Vorgaben der Rechtsmittelrichtlinie vereinbar (vgl. Art. 1 Abs. 4 und Erwägungsgrund 3 der Richtlinie 2007/66/EG). Dabei dürften die Regelungen in § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB das absolute Maximum der europarechtlich noch zulässigen Erschwerung des Rechtsschutzes darstellen.*)
4. Der Gesetzgeber hat in § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB den Fristbeginn an eine innere Tatsache beim Antragsteller geknüpft. Dieser auf das Bewusstsein des konkreten Antragstellers abstellende Maßstab stellt eine hohe Hürde für die Feststellung einer frühzeitigen, zur Obliegenheitsverletzung führenden Kenntnis dar.*)
5. Die Ausschlussgründe des § 124 Abs. 1 GWB können nach dem klaren Wortlaut der Norm ("zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens") ebenfalls nur innerhalb eines bereits begonnenen Vergabeverfahrens greifen. Anders als unter der vor dem 18.04.2016 geltenden Rechtslage (vgl. § 19 EG Abs. 3 VOL/A 2009 bzw. § 16 EG Abs. 1 VOB/A a.F.) können nach § 124 Abs. 1 GWB nicht nur Angebote, sondern Unternehmen ausgeschlossen werden. Dies steht im Einklang mit Art. 57 der Richtlinie 2014/24/EU, der durchgängig von Wirtschaftsteilnehmern spricht. Ein Ausschluss eines Unternehmens nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB ist daher im Grundsatz zu einem Zeitpunkt nach Einleitung eines Vergabeverfahrens möglich, an dem es - wie hier - noch kein Angebot abgegeben hat.*)

VPRRS 2019, 0031

OLG Schleswig, Beschluss vom 22.01.2019 - 54 Verg 3/18
1. Auch im Bereich der Sektorenverordnung führt eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen zum Angebotsausschluss.
2. Eine Abweichung von den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses im Rahmen eines Nebenangebots stellt keine Änderung der Vergabeunterlagen dar, wenn bestimmte Anforderungen für das Hauptangebot nicht zugleich auch als Mindestkriterien für Nebenangebote gelten.
3. Zur Frage, ob ein Nebenangebot zu einer gleichwertigen Leistung führt, kann keine "objektiv" richtige Beurteilung verlangt werden. Maßgeblich ist die ex-ante-Sicht der Vergabestelle, die auf der Grundlage des sachlichen Gehalts eines Nebenangebots (auch) prognostisch darüber zu befinden hat, ob eine anforderungsgerechte Ausführung zu erwarten ist.
4. Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der (Vergabe-)Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, sind spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe zu rügen.
5. Eine die Rügeobliegenheit auslösende Erkennbarkeit ist gegeben, wenn Verstöße gegen vergaberechtliche Vorschriften von einem fachkundigen Bieter bei üblicher Sorgfalt und üblichen Kenntnissen erkannt werden können. Das ist der Fall, wenn die in Gestalt der (Auftrags-) Bekanntmachung oder der Vergabeunterlagen vermittelte Tatsachengrundlage schon bei laienhafter rechtlicher Bewertung, also ohne Bemühung besonderen Rechtsrats, auf einen Vergaberechtsverstoß hindeutet.
6. Eine Grenze findet die Rügeobliegenheit erst bei rechtlich komplexen und durch die Rechtsprechung noch nicht vollständig geklärten Fragen. Dazu gehören das Vergabekriterium "Bauzeitverkürzung", die Nichtangabe von Mindestkriterien für (zugelassene) Nebenangebote und zum sog. "Punktesystems" (Umrechnung des Preises in Punkte) nicht.

VPRRS 2019, 0028

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.11.2018 - Verg 31/18
1. Mängel der Dokumentation im Vergabevermerk (hier: fehlerhafte Datumsbezeichnung und keine gemeinsame Angebotsöffnung) führen nicht generell und unabhängig von ihrem Gewicht und Stellenwert zu einer Wiederholung der betroffenen Abschnitte des Vergabeverfahrens.
2. Eine Wiederholung ist nur in solchen Fällen erforderlich, in denen zu besorgen ist, dass die Berücksichtigung der nachgeschobenen Dokumentation nicht ausreichen könnte, um eine wettbewerbskonforme Auftragserteilung zu gewährleisten. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Gefahr von Manipulationen besteht (hier verneint).
3. Der öffentliche Auftraggeber kann sich bei der Angebotsöffnung von einem Mitarbeiter oder einem externen Berater wie etwa einem Rechtsanwalt vertreten lassen.
4. Nachgeforderte Unterlagen sind vom Bewerber oder Bieter nach Aufforderung durch den öffentlichen Auftraggeber innerhalb einer von diesem festzulegenden angemessenen Frist vorzulegen. Im Regelfall ist eine Frist von sechs Kalendertagen angemessen.
5. Auf eine zu kurz bemessene Frist kann ein Angebotsausschluss nicht gestützt werden.
6. Erfährt der öffentliche Auftraggeber, dass sich der Geschäftsführer eines Bieterunternehmens wegen Untreue und Steuerhinterziehung über einen Zeitraum von mindestens zwei Monaten in Untersuchungshaft befunden hat, muss er die Eignungsprüfung wiederholen.
VPRRS 2019, 0030

VK Nordbayern, Beschluss vom 26.09.2018 - RMF-SG21-3194-3-23
1. Ein Angebot stellt eine empfangsbedürftige Willenserklärung dar, die nach den §§ 133, 157 BGB so auszulegen ist, wie sie ein verständiger Auftraggeber in der konkreten Situation nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. Davon ausgehend sind Aufklärungsmaßnahmen über das Angebot selbst unzulässig, wenn der objektive Erklärungsgehalt des Angebots im Wege der Auslegung eindeutig ermittelt werden kann.*)
2. Die Abänderung eines Angebotes im Rahmen der Aufklärung ist im konkreten Fall unzulässig, wenn das Angebot eindeutig war und zudem die Umplanung dem Grunde nach kostenrelevant ist, weil eine Sonderanfertigung notwendig ist.*)
3. Bei der Auslegung der Vergabeunterlagen ist der objektive Empfängerhorizont des entsprechenden Bieterkreises maßgeblich.*)

VPRRS 2019, 0029

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.05.2018 - Verg 3/18
1. Bei der Wahl der Preisumrechnungsmethode kommt dem öffentlichen Auftraggeber grundsätzlich ein Bestimmungsrecht zu.
2. Die gewählte Preisumrechnungsmethode kann nur beanstandet werden, wenn sich gerade ihre Heranziehung im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände als mit dem gesetzlichen Leitbild des Vergabewettbewerbs unvereinbar erweist. Dies ist beim umgekehrten Dreisatz ausgehend vom günstigsten Bieterpreis nicht der Fall.
3. Eine Umrechnung von Preisen in Preispunkte, bei der die Abstufung der Preispunkte nicht exakt äquivalent zu den Preisabständen erfolgt, ist nicht vergaberechtswidrig. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Abweichungen der prozentualen Abstände beim Preis einerseits und den Punkten andererseits geringfügig sind und erst mit zunehmendem Abstand vom jeweiligen Bestangebot zunehmen.
4. Mängel der Dokumentation können im Vergabenachprüfungsverfahren geheilt werden.

VPRRS 2019, 0024

VK Lüneburg, Beschluss vom 11.12.2018 - VgK-50/2018
1. Will der Auftraggeber nicht nur reine Bauleistungen nach einer vorher bereits erarbeiteten Planung erbringen lassen, sondern aufgrund der Komplexität des Projekts die Planung, Finanzierung und Ausführung der Bauleistung gemeinsam vergeben, ist das Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb als Verfahrensart zulässig.
2. Elektronisch eingereichte Teilnahmeanträge sind auch bei einer EU-weiten Vergabe von Bauleistungen so zu verschlüsseln, dass ein vorfristiger Zugriff auf die empfangenen Daten nicht möglich ist.
3. Der öffentliche Auftraggeber ist verpflichtet, Angebote, die nicht ordnungsgemäß verschlüsselt übermittelt worden sind, auszuschließen.
4. Eine Vergabesoftware, die für die Kommunikation und die Abgabe eines Teilnahmeantrags jeweils unterschiedliche Eingabefelder vorsieht, leitet den Bewerber ausreichend deutlich auf das von ihm auszuwählende Eingabefeld für Teilnahmeanträge hin. Weder der öffentliche Auftraggeber noch der Anbieter eines E-Vergabesystems muss in den Ausschreibungsunterlagen mehr erklären, als in den Vergabeverordnungen beschrieben ist.

VPRRS 2019, 0025

LG Köln, Urteil vom 22.10.2018 - 18 O 33/18
1. Die Bestrafung des Auftragnehmers ist nicht Aufgabe des Zivilrechts. Ist ausgeschlossen, dass dem Auftraggeber aufgrund eines Verstoßes des Auftragnehmers gegen Vorschriften des Tariftreue- und Vergabegesetzes ein Schaden entsteht, kann ein solches Fehlverhalten nicht mit einer Vertragsstrafe belegt werden.
2. Die Kumulierung einzelner Vertragsstrafen ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur wirksam, wenn sie eine vertretbare Höhe aufweisen und betragsmäßig angemessen nach oben begrenzt werden (hier verneint).
3. Eine verschuldensunabhängige Vertragsstrafenregelung benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen und ist unwirksam.
4. Gerichtskosten sind erst ab Eingang des Kostenfestsetzungsantrags zu verzinsen (Anschluss an OLG München, Urteil vom 30.11.2016 - 7 U 2038/16, IBRRS 2016, 3475).

VPRRS 2019, 0023

VK Lüneburg, Beschluss vom 02.11.2018 - VgK-40/2018
1. Auf Angebote, deren Preise im offenbaren Missverhältnis zur Leistung stehen, darf der Zuschlag nicht erteilt werden, wenn der Auftraggeber die Höhe des angebotenen Preises nicht zufriedenstellend aufklären kann.
2. Stellt der Auftraggeber fest, dass der Angebotspreis ungewöhnlich niedrig ist, weil die für den Bieter geltenden umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften nicht eingehalten werden, darf das Angebot nicht bezuschlagt werden.
3. Im Liefer- und Dienstleistungsbereich muss der Auftraggeber ab einem Preisabstand von 20% Anlass zu Zweifeln an der Angemessenheit des Preises haben.
4. Hat der Auftraggeber weder die Vorlage einer DIN EN ISO-Zertifizierung gefordert noch in sonstiger Weise auf die positive Berücksichtigung lediglich dieser Zertifizierung hingewiesen, darf er bei der Wertung des Angebots eines nicht nach DIN EN ISO zertifizierten Bieters keinen Punkteabzug vornehmen.
5. Der öffentliche Auftraggeber ist nicht gehindert, sich bei der Vorbereitung und Durchführung eines Vergabeverfahrens ganz oder teilweise der Hilfe Dritter zu bedienen, die über einen qualifizierten Sachverstand verfügen.
6. Nicht zulässig ist es hingegen, die Verantwortung für die Vergabe an externe Dritte vollständig zu übertragen. Der Auftraggeber hat das Handeln der eingeschalteten Stelle zu begleiten, zu überwachen und gegebenenfalls zu korrigieren. Die Mitwirkung am Vergabeverfahren darf sich nicht auf ein bloßes "Abnicken" beschränken.

VPRRS 2019, 0022

VK Lüneburg, Beschluss vom 02.08.2018 - VgK-29/2018
1. Der öffentliche Auftraggeber ist verpflichtet, das Vergabeverfahren von Anbeginn fortlaufend so zu dokumentieren, dass die einzelnen Stufen des Verfahrens, die einzelnen Maßnahmen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen festgehalten werden.
2. Es sind grundsätzlich alle Entscheidungsschritte fortlaufend zu dokumentieren. Die Dokumentationspflicht erstreckt sich dabei sowohl auf den formalen Verfahrensablauf als auch auf die Maßnahmen, Feststellungen und Begründungen der einzelnen Entscheidungen.
3. Die Dokumentation muss nicht notwendigerweise in einem zusammenhängenden Vergabevermerk erfolgen. Es ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass das Verfahren lückenlos dokumentiert wird, wobei der Vermerk aus mehreren Teilen bestehen kann.

VPRRS 2019, 0019

VK Rheinland, Beschluss vom 12.11.2018 - VK K 42/18
1. Zur Abgrenzung zwischen Liefer- und Dienstleistungen sowie Bauleistungen bei Elektroinstallationsarbeiten.*)
2. Das Leistungsbestimmungsrecht des öffentlichen Auftraggebers wird durch die restriktiv anzuwendenden Voraussetzungen für eine produktspezifische Ausschreibung begrenzt. Die Vergabestelle muss sich bei ihrer Entscheidung mit den Produkten anderer Hersteller sowie alternativer technischer Lösungen, die den Wettbewerb weniger einschränken, auseinandersetzen. Ihre Abwägung hat sie in der Vergabeakte zu dokumentieren.*)
3. Werden technische Gründe zum Verzicht auf die losweise Vergabe herangezogen, müssen sich diese aus den Erfordernissen des Beschaffungsgegenstands ergeben. Eine produktspezifische Ausschreibung kann den Verzicht auf eine losweise Vergabe nicht rechtfertigen.*)

VPRRS 2019, 0016

VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 13.12.2018 - 3 VK 9/18
1. Dienen Konzessionen hauptsächlich dazu, dem Auftraggeber die Bereitstellung oder den Betrieb öffentlicher Kommunikationsnetze oder die Bereitstellung eines oder mehrerer elektronischer Kommunikationsdienste für die Öffentlichkeit zu ermöglichen, sind sie vergaberechtsfrei.
2. Konzessionen sind entgeltliche Verträge, mit denen ein oder mehrere Unternehmen mit der Erbringung von Bau- oder Dienstleistungen betraut werden, wobei die Gegenleistung normiert ist. Bei Bauleistungen besteht die Gegenleistung im Recht zur Nutzung des Bauwerks oder diesem Recht zuzüglich einer Zahlung, bei Dienstleistungen besteht sie entweder allein in dem Recht zur Verwertung der Dienstleistungen oder in diesem Recht zuzüglich einer Zahlung.
3. Die Frage, ob eine staatliche Zuwendung der Einordnung eines Auftrags als Konzession entgegensteht, ist im Einzelfall in einer wertenden Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der jeweils herrschenden Marktgegebenheiten zu beantworten.
4. Geht der Auftragnehmer mit dem Bau und dem Betrieb des Breitbandkabelnetzes ein Risiko ein, das durch die Zahlung eines staatlichen Zuschusses nicht ausgeglichen wird, weil der Zuwendungsgeber sie nur einmalig mit Rücksicht auf die Versorgung in einem strukturschwachen Gebiet gewährt, liegt eine Konzession vor.

VPRRS 2019, 0011

VK Sachsen, Beschluss vom 21.08.2018 - 1/SVK/016-18
1. Die Aufhebung eines einzelnen Loses eines auf mehrere Lose aufgeteilten Gesamtauftrags über Entsorgungsdienstleistungen aus wirtschaftlichen Gründen ist grundsätzlich möglich. Dabei kann eine Unwirtschaftlichkeit i.S.d. § 63 Abs. 1 Nr. 3 VgV auch dann bejaht werden, wenn lediglich das aufgehobene/aufzuhebende Einzellos ein unwirtschaftliches Ergebnis ausweist. Nicht erforderlich ist, dass das Gesamtergebnis den geschätzten Gesamtauftragswert für die Leistung deutlich übersteigt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn eine losspezifische Kostenschätzung vorliegt. Für eine gesamtbetrachtende Sichtweise gibt die Gesetzessystematik des § 63 Abs. 1 Satz 1 VgV insgesamt keinen Anlass.*)
2. Der rechtlichen Möglichkeit, ein Vergabeverfahren ganz oder teilweise aufzuheben steht nicht entgegen, dass der Auftraggeber im gebührengebundenen Bereich agiert. Auch der Umstand, dass die Entgelte, die der Auftraggeber an ein zukünftiges Entsorgungsunternehmen vergüten wird, als Kosten für in Anspruch genommene Fremdleistungen nach dem Sächsischen KAG ohne Weiteres gebührenfähig sind (§ 11 Abs. 2 Nr. 3 SächsKAG) führt nicht dazu, dass dem Auftraggeber die Aufhebung einzelner Lose verwehrt wäre.*)
3. Bei einer auf eine Kostenschätzung gestützten Aufhebung einzelner Lose eines Entsorgungsauftrags ist bei Überprüfung der rechtlichen Belastbarkeit der Kostenschätzung zu bedenken, dass die zu beschaffende Dienstleistung "funktionale Elemente", enthält, bei der die preisbildenden Faktoren vorrangig durch Personal- und Fahrzeugkosten bestimmt werden. Insoweit kann für eine solche Beschaffung keine formale Deckungsgleichheit zwischen Angebotsstruktur und Kostenschätzung verlangt werden. Ausreichend ist, dass die wesentlichen Kalkulationsansätze wie Lohnkosten, Anschaffungskosten, Abfallmengen, Betriebskosten, Zuschläge, Gewinn und Gemeinkosten vergleichbar sind.*)
4. In einem offenen Verfahren besteht keine Pflicht, vor Aufhebung einer Ausschreibung aus wirtschaftlichen Gründen zuvor ein unangemessen hoch erscheinendes Angebot aufzuklären. Zum einen sieht § 60 VgV nur eine Pflicht zur Aufklärung von Angebotspreisen vor, die unangemessen niedrig erscheinen, zum anderen ist in einem offenen Verfahren eine Verhandlung, insbesondere über Änderungen der Angebote oder Preise, ohnedies unzulässig.*)
5. Die einem öffentlichen Auftraggeber unzweifelhaft obliegende Darlegungs- und Beweislast für die Rechtmäßigkeit der Kostenschätzung darf nicht so ausgelegt werden, dass ihm zunehmend strengere Anforderungen auferlegt werden, schon im Vorfeld der Ausschreibung eine immer detailliertere und tiefer gehende Kostenschätzung aufzustellen. Andernfalls wird jede Kostenschätzung regelmäßig an einen Punkt kommen, an dem der Auftraggeber später in ein Herleitungs- und Rechtfertigungsproblem gerät. Es darf nicht vergessen werden, dass eine Kostenschätzung vorrangig der Planung und Kalkulation des Vorhabens dient sowie als Entscheidungsgrundlage für die Genehmigungsgremien des öffentlichen Auftraggebers.*)
6. Es ist öffentlichen Auftraggebern untersagt, die Vergabebedingungen so zu gestalten, dass sich faktisch nur Unternehmen um den Auftrag bewerben können, die entweder bereits ortsansässig sind oder mit einem ortsansässigen Unternehmen zusammenarbeiten. Auch ist es den sich um öffentliche Aufträge bewerbenden Entsorgungsfachbetrieben weder zumutbar, noch ist es objektiv erforderlich, dass sie bereits im Stadium der Angebotsabgabe stets eine den ausgeschriebenen Auftrag abdeckende logistische Reserve vorweisen können. Es genügt, dass der Bieter in der Lage ist, sich bis zur Auftragserteilung die erforderlichen Mittel zu beschaffen. Ansonsten wären die Bieter in Unkenntnis darüber, ob sie den Auftrag erhalten, zu Investitionen gezwungen, die sich für den Fall, dass sie den Auftrag nicht erhalten, als wirtschaftlich unsinnig erweisen.*)

Online seit 2018
IBRRS 2018, 4054
OLG München, Urteil vom 27.02.2018 - 9 U 3595/16 Bau
1. Der Auftragnehmer ist dafür verantwortlich, dass das Werk nicht mit Fehlern behaftet ist, die seine Tauglichkeit aufheben oder mindern.
2. Inwieweit ein Mangel des Werks vorliegt, hängt nicht davon ab, ob der Auftragnehmer aufgrund der ihm zugänglichen fachlichen Informationen darauf vertrauen konnte, dass die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit durch seine Leistung erfüllt wird. Die davon abweichende Leistung ist auch dann mangelhaft, wenn ihn kein Verschulden trifft, etwa weil die Ausführung den für diese Zeit anerkannten Regeln der Technik entspricht.
3. Wird der Auftragnehmer mit dem Bau eines Autobahnabschnitts beauftragt, schuldet er die Errichtung eines rissfreien Gewerks, das ein jahrelanges, sanierungsfreies, problemloses Befahren der beauftragten Streckenabschnitte ermöglicht.
4. Verlangt der Auftraggeber nach Abnahme der Leistung die Beseitigung eines Mangels und muss er sich dabei an deren Kosten beteiligen, kann der nachbesserungsbereite Auftragnehmer vorweg weder Zahlung noch Zusage eines Kostenzuschusses verlangen, sondern lediglich Sicherheitsleistung in angemessener Höhe.
5. Der Auftragnehmer kann die Mängelbeseitigung verweigern, wenn einem objektiv geringen Interesse des Auftraggebers an einer mangelfreien Vertragsleistung ein ganz erheblicher und deshalb vergleichsweise unangemessener Aufwand gegenübersteht.
6. Birgt die Mangelhaftigkeit eines Straßenbelags das Risiko einer nachhaltigen Funktionsbeeinträchtigung, besteht grundsätzlich ein objektiv berechtigtes Interesse des Auftraggebers an der Mängelbeseitigung.
7. Erreicht knapp die Hälfte des Straßenbelags deutlich vor dem Ende der üblichen Nutzungsdauer den sog. Warnwert, ist die Nachbesserung des gesamten Straßenbelags nicht unverhältnismäßig.

VPRRS 2018, 0383

VK Berlin, Beschluss vom 30.11.2018 - VK B 2-25/18
1. Reicht der Bieter Referenzen ein, obwohl sie nach der Auftragsbekanntmachung erst "innerhalb von sechs Kalendertagen nach Aufforderung vorzulegen" sind, hat er sich an den eingereichten Unterlagen festhalten zu lassen.
2. Dem Auftraggeber kann nicht zugemutet werden, aus einer denkbaren Fülle eingereichter Unterlagen diejenigen herauszusuchen, die aus Sicht des Bieters erheblich für das konkrete Vergabeverfahren sein sollen und insofern Motivforschung zu betreiben.
3. Spiegelbildlich zur Bindung der Bieter an bereits eingereichte Unterlagen ist der Auftraggeber nicht berechtigt, diese erneut vom Bieter zu verlangen und gegebenenfalls einen Ausschluss auf eine unterbliebene Vorlage zu stützen.
4. Liegen Unterlagen physisch vor, fehlen sie nicht. Demzufolge scheidet eine Nachforderung aus, wenn eingereichte Referenzen nicht mit der ausgeschriebenen Leistung vergleichbar sind.

VPRRS 2018, 0385

VK Bund, Beschluss vom 16.11.2018 - VK 1-99/18
1. Eine Handwerkskammer ist zwar eine juristische Person des öffentlichen Rechts, aber kein öffentlicher Auftraggeber.
2. Eine Handwerkskammer wird auch nicht dadurch zum öffentlichen Auftraggeber, dass in der Auftragsbekanntmachung die Vergabekammern des Bundes als „Zuständige Stellen für Rechtsbehelfs-/Nachprüfungsverfahren“ genannt werden.
3. Für die Beantwortung der Frage, ob eine Baumaßnahme zu mehr als 50% aus öffentlichen Mitteln subventioniert wird, kommt es nicht auf eine umfassende Betrachtung des Gesamtvorhabens an, sondern nur auf die vom jeweiligen Einzellos umfassten Positionen.

VPRRS 2018, 0384

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28.09.2018 - 3 VK LSA 54/18
1. Sind schriftliche Angebote zugelassen, ist für die Öffnung und Verlesung der Angebote ein Eröffnungstermin abzuhalten. Bis zu diesem Termin sind die zugegangenen Angebote auf dem Umschlag mit Eingangsvermerk zu versehen und unter Verschluss zu halten.
2. Alle schriftlich zugegangenen Angebote sind schon beim Eingang auf dem ungeöffneten Umschlag durch Eingangsvermerk mit Datum, Uhrzeit und Namenszeichen zu kennzeichnen. Nur Angebote, die bis zum Ablauf der Angebotsfrist eingegangen sind, werden zur Eröffnung zugelassen.
3. Im Eröffnungstermin werden die Angebote geöffnet und in allen wesentlichen Teilen gekennzeichnet. Kennzeichnung bedeutet, dass alle wesentlichen Angebotsbestandteile, die zum Zeitpunkt der Angebotseröffnung vorliegen, entweder einheitlich gekennzeichnet oder aber verbunden werden müssen.
4. Die Kennzeichnung hat im Eröffnungstermin vor dem Verlesen der Einzelheiten zu erfolgen.

VPRRS 2018, 0330

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 08.10.2018 - 3 VK LSA 57/18
1. Unternehmen müssen für Teilleistungen, für die sie nicht präqualifiziert sind, zwingend einen Nachunternehmer benennen.
2. Die Urkalkulation darf zur Überprüfung, ob Nachunternehmerleistungen kalkuliert wurden, auch schon zur Vorbereitung eines Aufklärungsgesprächs vom öffentlichen Auftraggeber geöffnet werden.
3. Nachunternehmererklärungen sind wettbewerbsrelevant und können nach der VOB/A 2016 nicht nachgefordert werden.

VPRRS 2018, 0378

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.09.2018 - 3 VK LSA 56/18
1. Geforderte Fabrikats-, Produkt- und Typangaben sind integraler Angebotsbestandteil. Das Fehlen geforderter Fabrikatsangaben ist nicht heilbar und führt zum zwingenden Ausschluss des Angebots.
2. Hat der Auftraggeber sich die Vorlage von Erklärungen oder Nachweisen vorbehalten und reicht der Bieter diese auf Anforderung nicht innerhalb einer angemessenen Frist vor, ist sein Angebot auszuschließen.
3. Erscheint das Angebot eines Bieters ungewöhnlich niedrig, ist eine Preisprüfung durchzuführen und diese zu dokumentieren. Die Aussage des Bieters, er habe sein Angebot auskömmlich kalkuliert, ist hierfür nicht ausreichend.

VPRRS 2018, 0375

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25.09.2018 - 3 VK LSA 53/18
1. Erscheint ein Angebotspreis unangemessen niedrig und ist anhand der vorliegenden Unterlagen über die Preisermittlung die Angemessenheit nicht zu beurteilen, ist vom Bieter Aufklärung über die Ermittlung der Preise für die Gesamtleistung oder für Teilleistungen zu verlangen.
2. Weicht ein (Neben-)Angebot um mehr als 10% vom nächsthöheren Angebot ab, ist eine Aufklärung über die Auskömmlichkeit des Angebots zwingend erforderlich.
3. Die Angemessenheit des Angebotspreises ist anhand gesicherter Tatsachengrundlage durch eine einzelfallbezogene Betrachtung des Preis-Leistungs-Verhältnisses zu ermitteln.
4. Ein Unterkostenangebot ist nicht per se unzulässig. Ist die Angebotsaufklärung in sich schlüssig und nachvollziehbar dokumentiert, darf der Auftraggeber den Zuschlag auch auf ein ungewöhnlich niedriges Angebot erteilen, solange die Prognose gerechtfertigt ist, dass der Bieter auch zu diesem Preis zuverlässig und vertragsgerecht wird leisten können.

VPRRS 2018, 0379

VK Bund, Beschluss vom 09.11.2018 - VK 1-101/18
1. Ein eingetragener Verein des bürgerlichen Rechts der Planungsleistungen für ein Schulungs- und Dokumentationszentrum vergibt, ist ein öffentlicher Auftraggeber, wenn das Vorhaben zu mehr als 50% staatlich subventioniert wird.
2. Ein einzelnes Mitglied einer Bietergemeinschaft ist antragsbefugt, wenn es von der Bietergemeinschaft zur "Prozeßführung" ermächtigt wurde. Dieses vertretungsbefugte Mitglied kann im Namen und in Vollmacht der Bietergemeinschaft ein Nachprüfungsverfahren einleiten.
3. Verlangt ein öffentlicher Auftraggeber, dass die Bieter bestimmte Eignungsanforderungen zu erfüllen haben, müssen diese eindeutig formuliert werden. Etwaige Zweifel oder Widersprüchlichkeiten gehen zu Lasten des Auftraggebers.
4. Ein Bieter darf nicht mangels Eignung von der Wertung ausgeschlossen werden, wenn die Eignungsanforderungen mehrdeutig sind.
5. Vorgaben an vorzulegende Referenzen müssen bei an Planungswettbewerben anschließenden Verhandlungsverfahren bereits in der Wettbewerbsbekanntmachung gestellt werden.

VPRRS 2018, 0376

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25.09.2018 - 3 VK LSA 58/18
1. Die Grundsätze von Transparenz und Gleichbehandlung erfordern Angebote, die in jeder Hinsicht vergleichbar sind.*)
2. Eine solche Vergleichbarkeit ist jedoch nur bei Angeboten mit völlig identischen Vertragsgrundlagen gegeben. Dabei ist die Leistung eindeutig und erschöpfend zu beschreiben, so dass alle Unternehmen die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können.*)
3. Eine Änderung von Mengenangaben des Leistungsverzeichnisses - auch durch den Auftraggeber - stellt eine Änderung der Vergabeunterlagen dar.*)

VPRRS 2018, 0373

OLG München, Urteil vom 28.06.2018 - 29 U 2644/17 Kart
Die Haftung eines Mitkartellanten für einen Kartellverstoß setzt nicht zwingend voraus, dass die einzelnen Beschaffungsvorgänge Gegenstand (neuerlicher) ausdrücklicher Absprachen unter direkter Beteiligung des in Anspruch genommenen Mitkartellanten gewesen sind.*)

VPRRS 2018, 0374

VK Düsseldorf, Beschluss vom 19.04.2007 - VK-010/07
1. Nach der gesetzlichen Regelung des § 17 a Nr. 3 Abs. 1 i.V.m. § 17 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A muss bei europaweiter Ausschreibung die Bekanntmachung alle verlangten Nachweise für die Beurteilung der Eignung des Bieters (§ 17 Nr. 1 Abs. 2 Buchstabe s VOB/A) enthalten. Stellt die Vergabestelle in den Verdingungsunterlagen unterschiedliche Anforderungen an Eignungsnachweise als in der Vergabebekanntmachung auf, so ist auf den Inhalt der EUweiten Bekanntmachung abzustellen.*)
2. Wenn es sich bei den fehlenden bzw. unvollständigen Nachweisen bei allen Bietern um Eignungsnachweise handelt, welche auf der 2. Stufe zu prüfen sind, sind die Mängel vergleichbar. Die vorgelegten Angebote sind nach § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A zwingend vom weiteren Verfahren auszuschließen.*)

VPRRS 2018, 0367

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 05.09.2018 - 3 VK LSA 52/18
1. Soweit der öffentliche Auftraggeber zur Prüfung der Eignung der Bieter die Vorlage von Referenzen, die über den Inhalt der Präqualifikation hinausgehen, für notwendig erachtet, hat er dies in den Vergabeunterlagen ausdrücklich zu verlangen. Die nachträgliche Forderung von auftragsspezifischen Eignungsnachweisen ist unzulässig.*)
2. Legt der öffentliche Auftraggeber bei der Prüfung und Wertung der Angebote zwischen den einzelnen Bietern einen abweichenden bzw. strengeren Maßstab an, verstößt er mit dieser Vorgehensweise gegen den allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung.*)

VPRRS 2018, 0366

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 12.09.2018 - 3 VK LSA 49/18
1. Eine Ausschreibung kann nur dann kostenneutral aufgehoben werden, wenn der Auftraggeber den Aufhebungsgrund nicht zu verantworten hat.
2. Der Auftraggeber muss alle rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen für das Vergabeverfahren schaffen. Hierzu gehört eine hinreichend gesicherte Finanzierung.
3. Eine gesicherte Finanzierung für ein Bauvorhaben setzt voraus, dass hinreichende Mittel für das Projekt im Haushalts- oder Wirtschaftsplan als Ausgaben veranschlagt worden sind.
4. Wird ein Vergabeverfahren eingeleitet, ohne dass die Voraussetzungen einer gesicherten Finanzierung gegeben sind, ist eine sanktionslose Aufhebung nicht gerechtfertigt, wenn die fehlende Finanzierung bei sorgfältig durchgeführter Ermittlung des Kostenbedarfs vor der Ausschreibung der Vergabestelle hätte bekannt sein müssen.

VPRRS 2018, 0360

LSG Hamburg, Beschluss vom 25.09.2018 - L 1 KR 34/18
1. Der Zweckmäßigkeitsprämisse in § 127 Abs. 1 SGB V kommt eine eigenständige sozialrechtliche Bedeutung zu. Zweck der Ausschreibung von Hilfsmittellieferungen ist kein wettbewerblicher, sondern ein gesundheitspolitischer.
2. Für Streitigkeiten zwischen einer gesetzlichen Krankenkasse und der zuständigen Aufsichtsbehörde über die Zweckmäßigkeit einer europaweiten Ausschreibung von Hilfsmittellieferungen sind die Sozialgerichte zuständig.

VPRRS 2018, 0365

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.08.2018 - 3 VK LSA 48/18
1. Der Auftraggeber ist verpflichtet, die Eignung der Bieter zu prüfen. Hierbei kann er auch auf eigene Erfahrungen mit den Bietern aus früheren abgeschlossenen Vertragsverhältnissen zurückgreifen.
2. In einem Vergabeverfahren ist die Eignung für den aktuell ausgeschriebenen Auftrag zu beurteilen. Es kommt bei der Einbeziehung bisheriger Erfahrungen deshalb darauf an, ob das Verhalten des betreffenden Bieters in der Vergangenheit hinreichend gesicherte Erkenntnisse darauf zulässt, dieser werde sich beim vorliegenden Auftrag wieder nicht anforderungsgerecht verhalten.
3. Für den Ausschluss eines Bieters wegen erheblicher Mängel im Zusammenhang mit einem früheren Vergabeverfahren bedarf es einer dokumentierten, negativen Prognose für das aktuell zu beurteilende Verfahren.
4. Informiert der Auftraggeber die Bieter über die Nichtberücksichtigung ihrer Angebote und erteilt er den Zuschlag vor Ablauf von sieben Kalendertagen, ist der abgeschlossene Vertrag unter vergaberechtlichen Gesichtspunkten nicht wirksam zu Stande gekommen.

VPRRS 2018, 0361

VK Sachsen, Beschluss vom 29.08.2018 - 1/SVK/027-18
1. Es gibt keinen wie auch immer gearteten Vertrauensschutz in das Gleichbleiben des Beschaffungsbedarfs eines öffentlichen Auftraggebers.*)
2. Sind Vergabeunterlagen eindeutig, bedarf es keiner Auslegung.*)
3. Soweit der zu vergebende Auftrag konzeptionelle oder innovative Lösungen - wie die Erstellung eines Veranstaltungskonzepts - umfasst, kann der öffentliche Auftraggeber Aufträge im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb vergeben (§ 14 Abs. 3 Nr. 2 VgV).*)
4. Öffentliche Auftraggeber können in diesen Fällen die zu erbringende Leistung funktional beschreiben, d. h. sie geben lediglich die Funktion bzw. den Zweck der nachgefragten Leistung vor.*)
5. Bei funktionalen Leistungsbeschreibungen kann der Auftragsgegenstand per se nicht so detailliert festgelegt werden, wie bei einer konventionellen deskriptiven Leistungsbeschreibung. Es verbleibt den Bietern vielmehr ein Gestaltungsspielraum, um deren "Know-how" und planerische Kreativität abzufragen.*)
6. Mit der Einleitung des Nachprüfungsverfahrens wird der Zweck der Vorschrift des § 134 Abs. 1 GWB - Gewährleistung eines effektiven Primärrechtsschutzes für erfolglose Bieter - bereits erreicht. Eine Verletzung der Vorgaben des § 134 Abs. 1 GWB kann ohne Hinzutreten weiterer Vergaberechtsfehler nicht zum Erfolg im Nachprüfungsverfahren führen.*)

VPRRS 2018, 0358

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 07.08.2018 - 3 VK LSA 46/18
1. Der Auftraggeber hat vor Erteilung des Zuschlags zu prüfen, ob die Bieter die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Eignung besitzen.
2. Legt der Bieter einen geforderten Qualifikationsnachweis nicht vor und erklärt er auf Nachfrage, dass die betreffende Teilleistung von einem Nachunternehmer ausgeführt wird, ist sein Angebot unvollständig, wenn im Nachunternehmerverzeichnis kein Nachunternehmer benannt wurde, obwohl die Namen der Nachunternehmer zwingend anzugeben waren.
3. Im Angebot fehlende, zwingende Angaben zu Nachunternehmerleistungen können nicht nachgeholt werden.

VPRRS 2018, 0364

VK Nordbayern, Beschluss vom 19.04.2018 - RMF-SG21-3194-3-6
1. Die Vergabestelle muss sich bei der Wertung an ihre eigenen aufgestellten Kriterien halten. Von der aufgestellten Forderung kann sie nicht im Nachhinein abweichen.*)
2. Auch wenn eine Vergabestelle Referenzen in Form von Büroreferenzen fordert, sind Referenzen in erster Linie Personen gebunden. Es ist daher grundsätzlich nicht zu beanstanden, sich auf die Referenzen zu berufen, die für einen früheren Arbeitgeber erbracht wurden. Dies hat im Besonderen für die Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen zu gelten, bei denen die Leistungen einen ganz persönlichen Charakter aufweisen. Entscheidend ist immer, welchen Beitrag der jeweilige Mitarbeiter im Rahmen der Erarbeitung einer Referenz erbracht hat und welche Phasen des entsprechenden Projekts dieser begleitet hat. Ein Bieter, der durch die Neugründung aus einem Unternehmen hervorgegangen ist, die gleichen Personen beschäftigt, über das bisher vorhandene Know-how verfügt und mit im Wesentlichen denselben Anlagen und Werkzeugen arbeitet, kann auf Nachfrage des Auftraggebers auch auf Arbeiten als Referenz verweisen, die dieselben Mitarbeiter in der früheren Firma erbracht haben.*)

VPRRS 2018, 0352

OVG Niedersachsen, Urteil vom 29.10.2018 - 10 ME 363/18
1. Für eine Streitigkeit um die Vergabe einer Konzession für den Bau und Betrieb einer Kindertagesstätte im sog. Unterschwellenbereich ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.*)
2. Bei unterschwelligen Ausschreibungen im Vergaberecht ist der Primärrechtsschutz nicht ausgeschlossen, wenn der erfolglose Bieter rechtzeitig von der Vergabe erfährt. Grenze des Primärrechtsschutzes ist allerdings der wirksam erteilte Zuschlag. Insofern kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an.*)
3. Auch bei unterschwelligen Konzessionsvergaben im Kindertageseinrichtungsrecht beschränkt sich das Recht des Mitbewerbers auf den Anspruch auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG.*)

VPRRS 2018, 0353

EuGH, Urteil vom 24.10.2018 - Rs. C-124/17
1. Art. 80 der Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG i.V.m. Art. 57 Abs. 6 Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG ist dahin auszulegen, dass er einer Bestimmung des nationalen Rechts nicht entgegensteht, nach der ein Wirtschaftsteilnehmer, der seine Zuverlässigkeit trotz des Vorliegens eines einschlägigen Ausschlussgrunds nachweisen möchte, die Tatsachen und Umstände, die mit der Straftat oder dem begangenen Fehlverhalten in Zusammenhang stehen, durch eine aktive Zusammenarbeit nicht nur mit der Ermittlungsbehörde, sondern auch mit dem öffentlichen Auftraggeber im Rahmen der diesem eigenen Rolle umfassend klären muss, um Letzterem den Nachweis der Wiederherstellung seiner Zuverlässigkeit zu erbringen, sofern diese Zusammenarbeit auf die Maßnahmen beschränkt ist, die für die betreffende Prüfung unbedingt erforderlich sind.*)
2. Art. 57 Abs. 7 Richtlinie 2014/24/EU ist dahin auszulegen, dass bei einem Verhalten eines Wirtschaftsteilnehmers, das den Ausschlussgrund des Art. 57 Abs. 4 d dieser Richtlinie erfüllt und von einer zuständigen Behörde geahndet wurde, der höchstzulässige Zeitraum des Ausschlusses ab dem Datum der Entscheidung dieser Behörde berechnet wird.*)
