Vergabepraxis & -recht.

Volltexturteile nach Sachgebieten
5420 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2018
VPRRS 2018, 0018
VK Bund, Beschluss vom 30.10.2017 - VK 2-114/17
1. Ein öffentlicher Auftraggeber hat sich auf das Abfordern von Eigenerklärungen zu beschränken, um die Eignung zu überprüfen.
2. Er darf darauf vertrauen und muss auch darauf vertrauen dürfen, dass die Bewerber wahrheitsgemäße Angaben machen. Er ist nicht verpflichtet, sämtliche Referenzen aller Bewerber auf deren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen.
3. Der Teilnahmewettbewerb dient dazu, eine Auswahl unter den Bewerbern zu treffen, wenn sich mehr als drei Bewerber als grundsätzlich geeignet qualifizieren; es sollen nur die drei besten Bewerber zur Angebotsabgabe aufgefordert werden. Es geht folglich darum, eine abgestufte Eignungsprüfung im Sinne eines "Mehr an Eignung" durchzuführen.
4. Im Teilnahmewettbewerb ist eine vergleichende und bewertende Eignungsprüfung deshalb nicht nur zulässig, sondern auch geboten.

VPRRS 2018, 0020

VG Schleswig, Urteil vom 13.12.2017 - 12 A 205/15
1. Bei Verstößen gegen Vergabevorschriften steht der Behörde ein sog. intendiertes Ermessen zu, da das Vergabeverfahren die Wirtschaftlichkeit der Auftragsvergabe sicherstellen soll und ein falsches Vergabeverfahren die Unwirtschaftlichkeit der Auftragsvergabe indiziert.
2. Auch wenn von einem sog. intendiertem Ermessen auszugehen ist, ist zu verlangen, dass die Behörde den ihr zustehenden Ermessensspielraum erkennt und prüft, ob ausnahmsweise eine andere Entscheidung als der Widerruf des Zuwendungsbescheids in Betracht kommt.

VPRRS 2018, 0011

OLG Koblenz, Beschluss vom 04.01.2018 - Verg 3/17
1. Auch bei einem hinsichtlich des Gesamtpreises unauffälligen Angebot darf der Auftraggeber Aufklärung zu Einzelpreisen verlangen, wenn diese sowohl von den eigenen Preisen des Bieters zu ähnlichen Positionen als auch von den Preisen der Konkurrenten exorbitant abweichen und diese Abweichungen weder durch einen höheren Leistungsumfang noch durch Marktgegebenheiten oder -besonderheiten zu erklären sind.*)
2. Beantwortet ein Bieter Fragen, die ihm der Auftraggeber im Rahmen einer zulässigen Aufklärung stellt, innerhalb der ihm gesetzten Frist nicht, muss sein Angebot nach § 15 EU Abs. 2 VOB/A 2016 ausgeschlossen werden.*)
3. Dies gilt auch dann, wenn noch ein Bietergespräch ansteht. *)
4. Die Aufklärung nach § 15 EU VOB/A 2016 ist eine Angelegenheit allein zwischen dem Auftraggeber und dem Unternehmen, und zwar innerhalb der vom Auftraggeber festgesetzten Frist.*)
5. Erklärungsversuche, die sich erstmals in den Schriftsätzen des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin an die Vergabekammer oder den Senat finden, sind von vorneherein unbeachtlich.*)

VPRRS 2018, 0009

VK Westfalen, Beschluss vom 26.10.2017 - VK 1-21/17
1. Durch die Summe der im Leistungsverzeichnis bestimmten Mindestvorgaben und Nachweise kann eine Ausschreibung gegen § 7 VOB/A 2016 verstoßen, wenn sie sich wie hier in der Gesamtschau als produktspezifisch darstellt.*)
2. Eine inhaltliche Aufklärung nach § 15 EU Abs. 1 VOB/A 2016 der Angebote der Bieter ist bei Ausschreibungen ohne Produkts- und Fabrikatsangaben in der Gestalt zulässig, als dass sich die Vergabestelle Produktdatenblätter zur Konkretisierung der Leistung vorlegen lässt. Anpassungen und Veränderungen des ursprünglichen Angebots dürfen dagegen nicht erfolgen.*)

VPRRS 2018, 0017

VK Nordbayern, Beschluss vom 21.08.2017 - 21.VK-3194-17/17
1. Fehlt eine Preisangabe und war diese wesentlich gemäß § 56 Abs. 3 Satz 2 VgV, ist dies einer Nachforderung nicht zugänglich. Angebote, in denen wesentliche Preisangaben fehlen, sind zwingend von der Wertung auszunehmen. Das Merkmal der Unwesentlichkeit ist ein gesondert zu prüfendes Tatbestandselement und ein unbestimmter Rechtsbegriff, unter denen der Sachverhalt zu subsumieren ist, ohne dass der Auftraggeber einen Beurteilungs- oder Ermessensspielraum hat. Dafür kommt es nicht auf die wettbewerbliche Relevanz der fehlenden Preisangabe an.*)
2. Über die Unwesentlichkeit ist vom öffentlichen Auftraggeber aufgrund des Leistungsgegenstands und seiner Bedeutung, respektive des wertmäßigen Anteils für die Gesamtleistung sowie für den Gesamtpreis im Einzelfall zu entscheiden.*)
3. Während Erklärungen und Nachweise grundsätzlich nachgefordert werden können, sind leistungsbezogene Unterlagen grundsätzlich nicht nachforderbar.*)
4. Bevor ein Auftraggeber ausschließt, muss er prüfen, ob der Fehler nicht korrigierbar ist. Von einer zulässigen Klarstellung des Angebotsinhalts ist auszugehen, wenn der tatsächlich gemeinte Preis durch Auslegung des Angebotsinhalts gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln ist. Voraussetzung hierfür ist, dass sich eindeutig und zweifelsfrei aus den Angebotsunterlagen ergibt, dass ein ganz bestimmter Einheitspreis gewollt war. Für den öffentlichen Auftraggeber muss dies offenkundig und unschwer festzustellen sein. Sind Nachforschungen über das wirklich Gewollte beim Bieter erforderlich, sind diese Anforderungen nicht erfüllt.*)

VPRRS 2018, 0006

VK Nordbayern, Beschluss vom 21.08.2017 - 21.VK-3194-18/17
1. Fehlt eine Preisangabe und war diese wesentlich gemäß § 56 Abs. 3 Satz 2 VgV, ist dies einer Nachforderung nicht zugänglich. Angebote, in denen wesentliche Preisangaben fehlen, sind zwingend von der Wertung auszunehmen. Das Merkmal der Unwesentlichkeit ist ein gesondert zu prüfendes Tatbestandselement und ein unbestimmter Rechtsbegriff, unter denen der Sachverhalt zu subsumieren ist, ohne dass der Auftraggeber einen Beurteilungs- oder Ermessensspielraum hat. Dafür kommt es nicht auf die wettbewerbliche Relevanz der fehlenden Preisangabe an.*)
2. Über die Unwesentlichkeit ist vom öffentlichen Auftraggeber aufgrund des Leistungsgegenstands und seiner Bedeutung, respektive des wertmäßigen Anteils für die Gesamtleistung sowie für den Gesamtpreis im Einzelfall zu entscheiden.*)
3. Während Erklärungen und Nachweise grundsätzlich nachgefordert werden können, sind leistungsbezogene Unterlagen grundsätzlich nicht nachforderbar.*)
4. Bevor ein Auftraggeber ausschließt, muss er prüfen, ob der Fehler nicht korrigierbar ist. Von einer zulässigen Klarstellung des Angebotsinhalts ist auszugehen, wenn der tatsächlich gemeinte Preis durch Auslegung des Angebotsinhalts gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln ist. Voraussetzung hierfür ist, dass sich eindeutig und zweifelsfrei aus den Angebotsunterlagen ergibt, dass ein ganz bestimmter Einheitspreis gewollt war. Für den öffentlichen Auftraggeber muss dies offenkundig und unschwer festzustellen sein. Sind Nachforschungen über das wirklich Gewollte beim Bieter erforderlich, sind diese Anforderungen nicht erfüllt.*)

VPRRS 2018, 0003

VK Westfalen, Beschluss vom 04.12.2017 - VK 1-31/17
Enthält die Leistungsbeschreibung Anforderungen, die unmöglich zu erfüllen sind, dann kann der Auftraggeber auf dieser Grundlage überhaupt keinen Auftrag erteilen. Insofern kommt es auch nicht darauf an, ob Angebote vorliegen, die noch mit weiteren Mängeln behaftet sind.*)

Online seit 2017
IBRRS 2017, 4216; IMRRS 2017, 1747; IVRRS 2017, 0682
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.07.2017 - 15 A 1108/16
1. Der Kostenersatzanspruch aus § 10 Abs. 1 KAG NRW ist seiner Höhe nach durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Er ist auf diejenigen Aufwendungen beschränkt, die die Gemeinde für erforderlich halten darf.*)
2. Die Gemeinde hat bei der Beurteilung der Angemessenheit des Aufwands einen weiten Ermessensspielraum, dessen Grenze erst bei einem sachlich nicht mehr vertretbaren Mitteleinsatz liegt.*)
3. Personalkosten rechtlich verselbständigter Stadtwerke, denen die Durchführung einer Maßnahme nach § 10 Abs. 1 Satz 1 KAG-NW übertragen wurde, sind grundsätzlich ersatzfähig.*)

VPRRS 2017, 0377

OLG Koblenz, Urteil vom 17.08.2017 - 1 U 7/17
1. Wird ein städtisches Grundstück im Wege eines "Auslobungsverfahrens" zum Erwerb angeboten, so finden zwar die Vorschriften über eine öffentliche Ausschreibung keine Anwendung; es kommt allerdings ein Schuldverhältnis zwischen Stadt und dem Bieter zustande.*)
2. Die auslobende Stadt ist verpflichtet, die grundsätzlich geltenden und die selbst gesetzten Verfahrensregeln einzuhalten, die Gleichbehandlung der Teilnehmer, Transparenz und Rücksichtnahme sicherzustellen.*)
3. Die Auslobende darf für ihre Entscheidung nicht Kriterien als entscheidend zugrunde legen, die sich aus dem umfangreichen Auslobungstext für den Bieter nicht ergeben (hier Villenbebauung vs. Mehrfamilienhaus).*)
4. Der nicht berücksichtigte Bieter (mit dem deutlichen Höchstgebot) kann im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Fortsetzung des Auslobungsverfahrens auch dann verhindern, wenn noch kein formell ordnungsgemäßes Angebot für den Grundstückserwerb vorliegt.*)

VPRRS 2017, 0378

VK Thüringen, Urteil vom 09.11.2017 - 250-4003-8222/2017-E-S-015-GTH
1. Geheimwettbewerb bedeutet, dass die Angebote, Angebotsgrundlagen und Angebotskalkulation anderer Bieter für den einzelnen Bieter unbekannt sind und er deshalb weder sein eigenes Angebot nach dieser Kenntnis ausrichten noch Absprachen mit anderen Bietern treffen kann.
2. Der Begriff der wettbewerbswidrigen Vereinbarung im Sinne von § 124 Absatz 1 Nr. 4 GWB ist weit auszulegen und umfasst alle sonstigen Absprachen und Verhaltensweisen eines Bieters, die mit dem vergaberechtlichen Wettbewerbsgebot unvereinbar sind.
3. Eine wettbewerbswidrige Vereinbarung erfordert deshalb keine ausdrückliche Verständigung zwischen zwei Unternehmen darüber, wer welche Leistung zu welchem Preis anbietet, sondern ist schon dann verwirklicht, wenn ein Angebot in Kenntnis der Bedingungen des Konkurrenzangebots, zumindest aber wesentlicher Angebotsgrundlagen, erstellt wird.

VPRRS 2017, 0376

OLG Celle, Urteil vom 15.03.2017 - 14 U 42/14
1. Die teil-funktionale Ausschreibung (hier: funktional beschriebene Einzelposition in einem ansonsten detaillierten Leistungsverzeichnis) ist eine vergaberechtlich mögliche und zulässige Ausschreibungsvariante.
2. Unklarheiten des Leistungsverzeichnisses, die einer zuverlässigen Kalkulation entgegenstehen, darf der Bieter bzw. spätere Auftragnehmer nicht einfach hinnehmen, sondern muss sich daraus ergebende Zweifelsfragen vor Angebotsabgabe klären.
3. Obliegt es nach dem eindeutigen Wortlaut der Ausschreibung dem Bieter bzw. späteren Auftragnehmer, die statischen und konstruktiven Erfordernisse zu ermitteln, gehört hierzu auch die Menge des einzubauenden Stahls.

VPRRS 2017, 0374

VK Bund, Beschluss vom 15.11.2017 - VK 2-116/17
Kein vorbeugender Rechtsschutz im Nachprüfungsverfahren, wenn die endgültige Leistungsbeschreibung noch nicht feststeht.*)

VPRRS 2017, 0373

VK Bund, Beschluss vom 11.11.2017 - VK 2-128/17
1. Ein Ausschluss wegen fehlender Angaben und Erklärungen setzt voraus, dass diese zuvor wirksam gefordert wurden.
2. Der öffentliche Auftraggeber hat bereits in der Auftragsbekanntmachung eine elektronische Adresse anzugeben, unter der die Vergabeunterlagen insbesondere uneingeschränkt und vollständig abgerufen werden können. Ein bloßer Verweis auf externe Quellen für etwaige Vorgaben ist damit nicht vereinbar.

VPRRS 2017, 0371

LG Köln, Urteil vom 07.11.2017 - 33 O 192/16
1. Ein Unternehmen kann Schadensersatz für die Kosten der Vorbereitung des Angebots oder der Teilnahme an einem Vergabeverfahren verlangen, wenn der Auftraggeber gegen eine den Schutz von Unternehmen bezweckende Vorschrift verstoßen hat und das Unternehmen ohne diesen Verstoß bei der Wertung der Angebote eine echte Chance gehabt hätte, den Zuschlag zu erhalten, die aber durch den Rechtsverstoß beeinträchtigt wurde.
2. An einer "echten Chance" des Unternehmens auf den Zuschlag fehlt es, wenn das Angebot des Bieters - hier: gem. § 19 EG Abs. 3 d VOL/A 2009 - zwingend von der Wertung auszuschließen war.

VPRRS 2017, 0369

OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.08.2017 - 11 Verg 12/17
1. Solange ein Verhandlungsverfahren nicht abgeschlossen ist, kann es grundsätzlich auch durch weitere Angebots- und Verhandlungsrunden fortgesetzt werden, wenn die vergaberechtlichen Grundsätze von Transparenz, Wettbewerb und Gleichbehandlung eingehalten werden.*)
2. Ein Antrag auf Verlängerung / Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB a.F. (§ 174 Abs. 1 Satz 3 GWB n.F.) muss nicht zwingend vor Ablauf der in § 118 Abs. 1 Satz 32 GWB a.F. genannten Frist gestellt werden. Ein nach Ablauf dieser Frist gestellter Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist jedenfalls dann zulässig, wenn zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung noch keine Mitteilung nach § 101a Abs. 1 GWB a.F. erfolgt war.*)

VPRRS 2017, 0368

OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.09.2017 - 11 Verg 11/17
Wird nach dem Leistungsverzeichnis im Zusammenhang mit der Lieferung von Fertignasszellen das Angebot einer den "gültigen Richtlinien und Normen entsprechenden Abdichtung" gefordert, ist im Fall des Angebots einer nach dem Vortrag des Bieters ohne gesonderte Abdichtung bereits dichten Fertignasszelle jedenfalls darzulegen und durch bauaufsichtsrechtliches Prüfungszeugnis zu belegen, dass dieses Produkt den gültigen Richtlinien und Normen entspricht.*)

VPRRS 2017, 0363

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.09.2017 - 1 VK 38/17
1. Der öffentliche Auftraggeber unterliegt keinem Kontrahierungszwang, das heißt, er kann nicht gegen seinen Willen verpflichtet werden, einen Zuschlag zu erteilen.
2. Gleichwohl braucht der öffentliche Auftraggeber für die Aufhebung des Verfahrens einen sachlichen Grund, um eine Aufhebung nur zum Schein oder aus Willkür auszuschließen.
3. Ein sachlicher Grund zur Aufhebung liegt vor, wenn die eigenen Vertragsunterlagen missverständlich geschrieben wurden (hier: Missverständliche Angaben im Verkehrsvertrag zur Netto-/Bruttophase.

VPRRS 2017, 0364

OLG München, Beschluss vom 07.11.2017 - Verg 8/17
1. Der öffentliche Auftraggeber kann Bieterfragen und die Antworten hierauf allen interessierten Unternehmen auch über seine Internetseite zur Verfügung stellen, wenn er dies zuvor bekannt gemacht hat.
2. Ein Angebot ist zwingend auszuschließen, wenn eine wesentliche Preisangabe fehlt, wobei es auf die wettbewerbliche Relevanz der fehlenden Preisangabe nicht ankommt.
3. Über die Wesentlichkeit ist aufgrund des fraglichen Leistungsgegenstands und seiner Bedeutung, seines wertmäßigen Anteils für die Gesamtleistung sowie für den Gesamtpreis im Einzelfall zu entscheiden.

VPRRS 2017, 0388

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.12.2016 - Verg 5/16
1. Mischkalkulationen sind als solche nicht anstößig oder als vergaberechtswidrig zu qualifizieren, sondern zählen zur ständigen Kalkulationspraxis von Bieterunternehmen.
2. Der Grund für den Ausschluss eines Angebots wegen sog. Mischkalkulation liegt nicht in der Mischkalkulation als solcher, sondern in der Tatsache begründet, dass der betreffende Bieter einen einzelnen oder einzigen Preis im Angebot nicht so, wie gefordert, vollständig und mit dem Betrag angegeben hat, den er nach seiner Kalkulation für die Leistung vom Auftraggeber tatsächlich beansprucht.
3. Hat der Bieter „mischkalkuliert“, bedarf es nicht des Nachweises einer Konnexität zwischen „ab-“ und „aufgepreisten“ Preispositionen.

IBRRS 2017, 3851; IMRRS 2017, 1589; IVRRS 2017, 0624

OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.03.2017 - 15 A 638/16
1. Der Kostenersatzanspruch aus § 10 Abs. 1 KAG-NW ist seiner Höhe nach durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Er ist auf diejenigen Aufwendungen beschränkt, die die Gemeinde für erforderlich halten darf.*)
2. Die Gemeinde kann keinen Kostenersatz für solche Maßnahmen verlangen, die ohne triftigen Grund besonders aufwendig sind, obwohl eine kostengünstigere Maßnahme in Betracht gekommen wäre.*)
3. Die Gemeinde hat bei der Beurteilung der Angemessenheit des Aufwands einen weiten Ermessensspielraum, dessen Grenze erst bei einem sachlich nicht mehr vertretbaren Mittelverbrauch liegt.*)
4. Endgültig hergestellt i.S.v. § 10 Abs. 2 Satz 1 KAG-NW ist der Anschluss, wenn er seiner Zweckbestimmung entsprechend benutzbar, also betriebsfertig hergestellt ist. Beauftragt die Gemeinde ein privates Bauunternehmen mit der Durchführung der Arbeiten, ist nicht der Zeitpunkt der technischen Fertigstellung der Maßnahme durch den Unternehmer maßgebend, sondern der Zeitpunkt der Abnahme, wenn diese zwischen den Vertragsparteien vereinbart worden ist. Erst mit der Abnahme der Arbeiten steht fest, dass die Maßnahme dem technischen Bauprogramm der Gemeinde entspricht.*)

VPRRS 2017, 0355

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.10.2017 - 1 VK 41/17
1. Ein Bieter hat keinen Anspruch darauf, dass ein Vergabeverfahren durch einen Zuschlag beendet wird. Denn der öffentliche Auftraggeber unterliegt keinem Kontrahierungszwang. Etwas anderes kann gelten, wenn die Aufhebung ohne sachlichen Grund oder nur zum Schein erfolgt.
2. Ein sachlicher Grund für die Aufhebung des Vergabeverfahrens liegt vor, wenn der öffentliche Auftraggeber feststellt, dass er aus haushaltsmäßigen Gründen auf die konkret ausgeschriebene Beschaffung verzichten muss, weil er entweder keine Mittel mehr in der benötigten Höhe zur Verfügung hat oder ihm die Beschaffung schlicht zu teuer ist.
3. Eine Scheinaufhebung liegt vor, wenn der öffentliche Auftraggeber unter Missbrauch seiner Gestaltungsmöglichkeiten nur den Schein einer Aufhebung gesetzt hat, um zur Vermeidung der Zuschlagserteilung an den wirtschaftlichsten Bieter anschließend den ihm genehmen Unternehmen in einem Vergabeverfahren rechtswidrig den Auftrag zu erteilen, obwohl dieses nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hatte bzw. hätte ausgeschlossen werden müssen (hier verneint).
4. Die Kostenschätzung ist zutreffend durchgeführt, wenn die Vergabestelle oder ein von ihr beauftragter Dritter Methoden wählen, die ein wirklichkeitsnahes Schätzungsergebnis erwarten lassen.

VPRRS 2017, 0345

VK Thüringen, Beschluss vom 12.10.2017 - 250-4002-7955/2017-E-014-GTH
1. Durch eine Rüge soll der Auftraggeber die Möglichkeit erhalten, etwaige Vergaberechtsfehler zu korrigieren. Eine Rüge muss deshalb einen konkreten Vergaberechtsverstoß enthalten und die Aufforderung, den Verstoß abzuändern.
2. Eine E-Mail mit dem Wortlaut: "Welche Bedingungen der Vergabeunterlagen wurden nicht erfüllt. Eine Nachforderung bzw. Aufklärung ihrerseits ist nicht erfolgt. Wir bitten um kurzfristige Rückantwort bzw. Aufklärung bis zum ..." ist keine ordnungsgemäße Rüge.

VPRRS 2017, 0342

VK Bund, Beschluss vom 17.10.2017 - VK 2-112/17
1. Sind nach den Vergabeunterlagen zwei Referenzen über die Ausführung von mit der zu vergebenden Leistung vergleichbaren Bodenbelägen aus Naturwerkstein im Außenbereich vorzulegen, ist das Angebot eines Bieters auszuschließen, der eine Referenz über die Verlegung von Bodenbelägen aus Naturwerkstein in einem Parkhaus vorlegt.
2. Wird ein (weiterer) Vergaberechtsverstoß erst nach Einleitung des Nachprüfungsverfahrens positiv erkannt, besteht keine Rügeobliegenheit mehr.

IBRRS 2017, 3648

OLG Braunschweig, Urteil vom 11.09.2014 - 8 U 154/13
1. Das Aufstellen, Vorhalten, Betreiben und Beseitigen von Einrichtungen zur Sicherung und Aufrechterhaltung des Verkehrs auf der Baustelle, z. B. durch Bauzäune, Schutzgerüste, Hilfsbauwerke, Beleuchtungen oder Leiteinrichtungen sind Besondere Leistungen i.S. der VOB/C.
2. Besondere Leistungen sind mit den vereinbarten (Einheits-)Preisen abgegolten und werden nicht besonders vergütet, wenn dem Auftragnehmer nach der Leistungsbeschreibung die Verkehrssicherheit der Baustelle obliegt und die Kosten der Verkehrssicherung in die jeweiligen Positionen des Leistungsverzeichnisses einzukalkulieren sind.

VPRRS 2017, 0335

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26.07.2017 - 3 VK LSA 48/17
1. Gemäß § 17 Abs. 1 VOB/A kann eine Ausschreibung aufgehoben werden, wenn kein Angebot eingegangen ist, das den Ausschreibungsunterlagen entspricht, die Vergabeunterlagen grundlegend geändert werden müssen oder andere schwerwiegende Gründe bestehen.
2. Stehen zwei Vergabeverfahren in unmittelbarem Zusammenhang, führt die Aufhebung des einen Verfahrens nicht dazu, dass das andere Verfahren ebenfalls rechtmäßig aufgehoben werden kann.
3. Es ist Aufgabe des Auftraggebers, den Beschaffungsbedarf vor Verfahrensbeginn sorgfältig zu bestimmen. Änderungen, sofern sie nicht auf unvorhersehbaren nachträglich eintretenden Ereignissen beruhen, fallen in die Risikosphäre bzw. in den grundsätzlich vorhersehbaren Bereich des Auftraggebers.
4. Es liegt kein unvorhersehbares nachträgliches Ereignis vor, wenn von Anfang an bekannt ist, dass ein Vergabeverfahren nur sinnvoll ist, wenn auch das andere Vergabeverfahren durchgeführt wird.

VPRRS 2017, 0334

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 06.07.2017 - 3 VK LSA 42/17
1. Die ausgeschriebene Leistung ist eindeutig und erschöpfend zu beschreiben, so dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können. Für Zulagepositionen ist deshalb anzugeben, ob oder inwieweit diese gewertet werden.
2. Zulagepositionen sind solche Positionen, die unter bestimmten Voraussetzungen regeln, dass der Auftragnehmer eine zusätzliche Vergütung zu einer Grundposition verlangen kann, z. B. eine Zulage für bestimmte Erschwernisse.
3. Stellen die aufgeführten Leistungen keine Ergänzung zu einer Grundposition dar, sondern eine Auswahl zwischen zwei Varianten (hier: der Tribünen), handelt es sich nicht um eine Zulageposition, sondern allenfalls um eine Wahlposition (Alternativposition).

VPRRS 2017, 0333

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 11.07.2017 - 1 VK LSA 26/16
Ein Angebot ist auszuschließen, wenn geforderte Nachweise (hier: System-Prüfzeugnis für angebotene Fensterelemente) nicht in der Form und Frist nachgewiesen werden, wie dies vom Auftraggeber verlangt wurde.

VPRRS 2017, 0337

VK Sachsen, Beschluss vom 09.05.2017 - 1/SVK/005-17
1. Das Interesse des Antragstellers an der Auftragsvergabe ist eine Sachentscheidungsvoraussetzung. Diese muss nicht nur bei Antragstellung, sondern auch während des gesamten Verfahrens bis zur Entscheidung der Vergabekammer fortbestehen.*)
2. Bei dem Begriff "vergleichbare Leistung" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der anhand des Wortlauts der Vergabeunterlagen und von Sinn und Zweck der geforderten Angaben unter Berücksichtigung des Wettbewerbs- und Gleichbehandlungsgrundsatzes auszulegen ist. Der Vergabestelle steht dabei ein durch die Nachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu.*)

VPRRS 2017, 0332

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26.07.2017 - 3 VK LSA 53/17
1. Das LVG-SA sieht für den Fall der Aufhebung eines Vergabeverfahrens keinen expliziten Rechtsweg vor. Die Vergabekammer stellt deshalb die Information über die Aufhebung der Information an unterlegene Bieter gleich.
2. Teilt die Vergabestelle in einem Absageschreiben den Bietern mit, dass das Vergabeverfahren aufgehoben wird, beginnt die siebentägige Einspruchsfrist (§19 LVG-SA) am Tag nach der Absendung des Aufhebungsschreibens.
3. Die siebentägige Einspruchsfrist ist eine Mindestwartefrist, vor deren Ablauf der Auftraggeber den Zuschlag nicht erteilen darf. Innerhalb der Frist muss das Vergabeverfahren beanstandet werden.

VPRRS 2017, 0326

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 02.06.2017 - 3 VK LSA 25/17
1. Weicht das wirtschaftlichste Angebot weniger als 10% vom nächsthöheren Angebot ab, muss die Kalkulation nicht überprüft werden. Ein Abstellen auf Einzelpreise ist nicht statthaft.
2. Der Auftraggeber darf sich über das Angebot selbst, Bezugsquellen von Stoffen und Bauteilen sowie die Angemessenheit der Preise informieren.
3. Ein Nachprüfungsantrag ist unbegründet, wenn sicher ausgeschlossen werden kann, dass die behaupteten Vergaberechtsverstöße des öffentlichen Auftraggebers die Bieterchancen des Antragstellers beeinträchtigt haben könnten.

VPRRS 2017, 0325

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24.05.2017 - 3 VK LSA 24/17
Die Nachprüfungsbehörde wird nur tätig, wenn ein Bieter vor Ablauf der Frist schriftlich beim öffentlichen Auftraggeber die Nichteinhaltung der Vergabevorschriften beanstandet und der öffentliche Auftraggeber der Beanstandung nicht abhilft.

VPRRS 2017, 0329

VK Nordbayern, Beschluss vom 27.09.2017 - RMF-SG 21-3194-2-2
1. Legt ein Bieter zu einem von ihm angebotenen Produkt ein Datenblatt vor, das detaillierte Angaben zu den im Leistungsverzeichnis abgefragten Parametern enthält, erklärt der Bieter damit, dass sein angebotenes Produkt sämtliche in diesem Datenblatt aufgeführten Eigenschaften hat.*)
2. Soweit ein Angebot in den Punkten den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses nicht entspricht, welche sich aus der Verletzung der Pflicht zur produktneutralen Ausschreibung ergeben, ist dies unschädlich.*)
3. § 122 Abs. 4 GWB fordert, dass Eignungskriterien in der Bekanntmachung aufzuführen sind. Werden die Voraussetzungen einer wirksamen Bekanntmachung nicht erfüllt, hat der Auftraggeber die entsprechenden Eignungsunterlagen nicht wirksam gefordert.*)

VPRRS 2017, 0324

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16.03.2017 - 1 VK LSA 23/15
1. Im Offenen Verfahren sind in der Aufforderung zur Angebotsabgabe die Nachweise zu bezeichnen, deren Vorlage mit dem Angebot verlangt wird oder deren spätere Anforderung vorbehalten bleibt. Die Abgabe von Erklärungen muss im Angebotsschreiben oder Aufforderungsschreiben ausdrücklich gefordert werden. Das kommentarlose Beifügen der Formblätter genügt dem nicht.
2. Auf den Umschlägen der Angebote sind zum Zwecke der Beweissicherung ordnungsgemäße Eingangsvermerke aufzubringen. Dazu gehört das Eingangsdatum mit Uhrzeit sowie das Namenszeichen der eintragenden Person (Anschluss an OLG Naumburg, IBR 2008, 357).

VPRRS 2017, 0323

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 02.05.2017 - 3 VK LSA 11/17
1. Der öffentliche Auftraggeber hat in transparenten Verfahren bei der Vergabe von Bauleistungen nur Bieter zu berücksichtigen, die die erforderliche Eignung hinsichtlich Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit besitzen.
2. Der Auftraggeber ist verpflichtet, die Eignung der Bieter zu prüfen. Anhand der vorgelegten Nachweise sind die Angebote der Bieter auszuwählen, deren Eignung die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen notwendigen Sicherheiten bietet.
3. Maßgeblich für die Bewertung der Zuverlässigkeit eines Bieters im Vergabeverfahren ist, inwieweit die Umstände des einzelnen Falles die Aussage rechtfertigen, er werde die von ihm angebotenen Leistungen, die Gegenstand des Vergabeverfahrens sind, vertragsgerecht erbringen.
4. Ein Ausschluss wegen Unzuverlässigkeit bedarf einer dokumentierten negativen Prognose, wonach die in der Vergangenheit festgestellte mangelhafte Leistung für den zu vergebenden Auftrag erhebliche Zweifel an der Zuverlässigkeit der Antragstellerin begründen.
5. Diese Feststellungen müssen bereits in der Dokumentation gemäß § 20 VOB/A enthalten sein.

VPRRS 2017, 0320

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 11.04.2017 - 3 VK LSA 05/17
1. Gemäß § 7 Abs. 2 VOB/A 2016 darf in technischen Spezifikationen nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren, das die von einem bestimmten Unternehmen bereitgestellten Produkte charakterisiert, oder auf Marken, Patente, Typen oder einen bestimmten Ursprung oder eine bestimmte Produktion verwiesen werden.
2. Wird das zu liefernde Produkt (hier: Betonsteinpflaster) so detailgenau beschrieben, dass es sich nur einem Hersteller zuordnen lässt, reicht der Hinweis "ca." für die Abmessungen nicht aus, um Spielraum für Alternativangebote zuzulassen.
3. Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 VOB/A 2016 ist das Vergabeverfahren zeitnah so zu dokumentieren, dass die einzelnen Stufen des Verfahrens, die einzelnen Maßnahmen, die maßgebenden Feststellungen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen in Textform festgehalten werden.

VPRRS 2017, 0318

VK Bund, Beschluss vom 18.09.2017 - VK 2-86/17
1. Auch im Anwendungsbereich der SektVO darf von zwingenden Vorgaben des Auftraggebers nicht abgewichen werden.
2. Sowohl ein Abweichen von den Vergabeunterlagen als auch deren unzulässige Ergänzung stellt einen zwingenden Ausschlussgrund dar. Deshalb ist das Angebot eines Bieters, der ein inhaltliches Konzept eingereicht hat, das nicht gefordert war und das damit nach den Vorgaben der Vergabeunterlagen ausdrücklich nicht zugelassen war, zwingend auszuschließen.
3. Der Auftraggeber kann erneut in die Eignungsprüfung einzutreten, wenn er erst später feststellt, dass er die Eignung trotz Kenntnis aller Tatsachen falsch beurteilt hat.

VPRRS 2017, 0314

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.06.2017 - Verg 2/17
1. Enthält die Ausschreibung keine dem Wettbewerb unterstellten Planungsleistungen, ist sie an den Anforderungen einer Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis zu messen.
2. Das in Art. 10 § 3 MRVG geregelte Kopplungsverbot ist keine Vergabevorschrift, die im Vergabenachprüfungsverfahren zu überprüfen ist.
3. Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig, soweit der Antragsteller den gerügten Verstoß gegen Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren erkannt und nicht unverzüglich gerügt hat. Unverzüglich bedeutet "ohne schuldhaftes Zögern".
4. Zur Abklärung, ob eine Rüge - und damit nachfolgend ein Nachprüfungsantrag - eingereicht werden soll, der Rat eines Anwalts eingeholt werden darf bzw. ist dem Bieter eine Überlegungsfrist zuzubilligen. Die zeitliche Obergrenze ist mit zwei Wochen anzusetzen.

VPRRS 2017, 0307

VK Südbayern, Beschluss vom 04.09.2017 - Z3-3-3194-1-31-06/17
1. Ein privater Träger von Einrichtungen für soziale Leistungen, der verschiedene im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art wie z. B. den Betrieb von Förderschulen, Förderstätten, heilpädagogischen Tagesstätten und Wohnheimen erfüllt und aufgrund dieser Aufgaben unterschiedlichen staatlichen Aufsichtsbefugnissen etwa nach dem PfleWoqG, dem BayEUG oder dem SGB VIII unterliegt, kann gem. § 99 Nr. 2 b GWB auch dann öffentlicher Auftraggeber sein, wenn er nicht als überwiegend öffentlich finanziert i.S.d. § 99 Nr. 2 a GWB gilt.*)
2. Für die Frage der Erfüllung des Kriteriums der Aufsicht über die Leitung i.S.v. § 99 Nr. 2 b GWB ist für alle Aufsichtsbefugnisse zu klären, ob diese es staatlichen Stellen potentiell ermöglichen würden, die Entscheidungen des Auftraggebers auch in Bezug auf öffentliche Aufträge zu beeinflussen.*)
3. Hat der Auftraggeber vorab in den Vergabeunterlagen festgelegt, welche Mindestanforderungen er an die Inhalte der abgefragten Konzepte für eine bestimmte Bewertung stellt, darf er hiervon nachträglich nicht mehr abweichen. Insbesondere darf er ein Angebot, das nicht einmal die Mindestanforderungen für eine durchschnittliche Bewertung erfüllt, nicht mit der vollen Punktzahl bewerten.*)

IBRRS 2017, 3338

OLG Brandenburg, Beschluss vom 10.08.2017 - 12 U 173/15
Wird ein Angebot nach Ablauf der durch die VOB/A maximal vorgesehenen Bindefrist, aber innerhalb einer insoweit ohne Rechtsgrund in den Vergabeunterlagen festgelegten und durch den Bieter unterschriebenen überlangen Bindefrist - hier 84 Tage - "bezuschlagt", kommt hierdurch kein Vertrag zu Stande.

VPRRS 2017, 0312

VK Thüringen, Beschluss vom 10.04.2017 - 250-4002-1162/2017-E-003-EF
1. Vergisst der Auftraggeber für verschiedene Positionen Platzhalter vorzusehen, sodass der Bieter keine Möglichkeit hat, die angebotenen Hersteller und Typbezeichnungen einzutragen, ergibt sich daraus, dass das angeführte Leitfabrikat oder ein gleichartiges Produkt angeboten wird. Ein Grund zum Angebotsausschluss wegen fehlender Angaben liegt nicht vor.
2. Die Vergabestelle darf für die Angebotsprüfung kein Datenblatt heranziehen, das nicht Grundlage ihrer Ausschreibung war.
3. Es genügt, wenn der Bieter das vom Auftraggeber vorgegebene Produkt anbietet. Er muss nicht prüfen, ob dieses Produkt tatsächlich den Anforderungen des Auftraggebers genügt.
4. In der mündlichen Verhandlung erstmalig vorgetragener Sachverhalt kann unberücksichtigt bleiben, wenn dieser eine Stellungnahmefrist für die Gegenseite und eine weitere mündlichen Verhandlung erfordert, sodass es insgesamt zu einer erheblichen Verfahrensverzögerung käme.

VPRRS 2017, 0303

VK Lüneburg, Beschluss vom 05.09.2017 - VgK-26/2017
1. Im Verhandlungsverfahren dürfen Vergabeunterlagen nachträglich überarbeitet werden, indem bereits festgelegte Kriterien (hier: Vorgaben zur Honorarkalkulation) konkretisiert werden.
2. Die Kostengruppen nach DIN 276 sind trotz des ausdrücklichen Verweises in § 4 HOAI 2013 auf die DIN 276 zur Ermittlung der anrechenbaren Kosten nicht identisch mit den Leistungsbildern nach HOAI. Es bedarf deshalb einer nähren Differenzierung (hier: insbesondere zu Kostengruppen und BIM-Vorgaben) in den Angebotsunterlagen.
3. Die Vergabestelle muss nur dann eine weitere Verhandlungsrunde durchführen, wenn sie Vorgaben für die besonderen Leistungen erteilt.
4. Fordert die Vergabestelle nach Abschluss der Verhandlungsphase und Abgabe des finalen Angebots aufgrund sich ergebender Fragen zur Kalkulation um deren Klärung und Stellungnahme, sind die Bieter ausschließlich zur Erläuterung des abgegebenen Angebots berechtigt, nicht hingegen zur Angebotsänderung.
VPRRS 2017, 0305

BayAGH, Urteil vom 08.05.2017 - III-4-1/17
1. Ein Bezug zum Vergaberecht liegt grundsätzlich vor, wenn Rechtsfragen aus den in § 14o FAO genannten Teilbereichen des Vergaberechts Gegenstand der Fallbearbeitung waren. Überschneidungen mit Rechtsgebieten aus dem Bereich Bau- und Architektenrecht gemäß § 14e Nr. 3 FAO, insbesondere im Kernbereich der VOB/A, sind dabei möglich.
2. Diese auf Rechtsgebiete bezogenen Überschneidungsmöglichkeiten erfordern eine möglichst stringente Abgrenzung zwischen den einzelnen Fachanwaltsgebieten und den jeweils erforderlichen speziellen Kenntnisse.
3. Ein Vergaberechtsbezug i.S.d. § 14o FAO liegt nicht bereits dann vor, wenn Vorschriften des Vergaberechts kraft privatschriftlicher Vereinbarung Bau-, Lieferungs- oder Dienstleistungsverträgen zwischen Privaten bzw. deren Anbahnung zu Grunde gelegt wurden. Vielmehr ist zur Vermeidung allzu großer Überschneidungen mit anderen Fachanwaltsgebieten, insbesondere dem Fachanwalt für Bau- Architektenrecht, der Bezug zur öffentlichen Hand erforderlich.

VPRRS 2017, 0301

VK Lüneburg, Beschluss vom 13.07.2017 - VgK-17/2017
1. Jeder Bieter hat einen Anspruch darauf, dass der Auftraggeber das Angebot (hier: zur Verwertung von kompostierbaren Abfällen) eines Mitbewerbers bei einem konkreten Verdacht auf ein ungewöhnlich niedriges Angebot einer Preisprüfung unterzieht.
2. Ein konkreter Verdacht liegt jedenfalls dann vor, wenn das günstigste Angebot vom zweitgünstigsten um 20 % abweicht oder bei auffälligen Abweichungen von preislichen Erfahrungswerten aus anderen vergleichbaren Beschaffungsvorgängen.
3. Eine Rüge ist nur dann ausreichend substanziiert, wenn tatsächliche Anknüpfungstatsachen oder Indizien vorgetragen werden, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründen. Reine Vermutungen (hier: Missachtung der Mindestlohnvorgabe und wirtschaftliche Defizite und fehlende Zertifizierung) genügen nicht.

VPRRS 2017, 0300

VK Nordbayern, Beschluss vom 03.08.2017 - 21.VK-3194-14/17
1. Auch eine Vorinformation löst eine Rügeobliegenheit aus, wenn die Vorinformation gemäß § 12 EU Abs. 2 VOB/A 2016 als Aufruf zum Wettbewerb bekannt gegeben wurde.*)
2. Es ist nicht erforderlich, dass die Eignungskriterien in der Vorinformation wörtlich aufgeführt werden. Maßgeblich ist, dass ein Interessent bereits aufgrund der Vorinformation erkennen kann, ob er die festgelegten Eignungskriterien erfüllen kann. Dies ist der Fall, wenn der Interessent mittels eines frei zugänglichen Internetlinks unmittelbar auf den Anhang zur Vorinformation zugreifen konnte.*)
3. Bei der Auslegung von Verpflichtungserklärungen ist nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen gemäß §§ 133,157 BGB der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn der Willenserklärung zu haften.*)

VPRRS 2017, 0297

VK Bund, Beschluss vom 31.08.2017 - VK 1-87/17
1. Bieter müssen bereits aufgrund der Bekanntmachung (hier: Vergabe von Bauleistungen zur geotechnischen Sicherung) - ohne weiteres Studium der Vergabeunterlagen - erkennen können, ob sie in der Lage sind, am Verfahren teilzunehmen. Dazu zählt auch, ob sie über die geforderten Referenzen verfügen.
2. Wird erwartet, dass die angeforderten Referenzprojekte (hier: "Geotechnische Kippenstabilisierung (vorzugsweise seeseitig)") mit der ausgeschriebenen Leistung vergleichbar sind, muss darauf entweder durch den Wortlaut der Referenzanforderung oder auf anderem Weg hingewiesen werden.
3. Dem Passus "vorzugsweise seeseitig" ist keine solche Vergleichbarkeit zu entnehmen. Vielmehr macht der Begriff "vorzugsweise" klar, dass es sich gerade nicht um eine zwingende Eignungsanforderung handelt.

VPRRS 2017, 0385

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.12.2016 - Verg 28/16
1. Die Aufhebung ist grundsätzlich auch dann rechtswirksam und von Bietern hinzunehmen, wenn dafür kein in den Vergabeordnungen anerkannter Aufhebungsgrund vorliegt.
2. Die Bieter können vom (öffentlichen) Auftraggeber eine Fortsetzung des Vergabeverfahrens und einen Abschluss mit einem Zuschlag nur erzwingen, wenn der Auftraggeber über keinen sachlichen Grund für eine Aufhebung des Verfahrens verfügt, sondern er dieses Instrument in diskriminierender und daher in rechtlich zu missbilligender Weise dazu einsetzt, durch die Aufhebung die formalen Voraussetzungen dafür zu schaffen, den Auftrag außerhalb des eingeleiteten Vergabeverfahrens einem bestimmten Bieter zukommen zu lassen (sog. Scheinaufhebung).

VPRRS 2017, 0298

EuGH, Urteil vom 05.10.2017 - Rs. C-567/15
Art. 1 Abs. 9 Unterabs. 2 Richtlinie 2004/18/EG ist dahin auszulegen, dass eine Gesellschaft, die zum einen im Alleineigentum eines öffentlichen Auftraggebers steht, dessen Tätigkeit darin besteht, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben zu erfüllen, und die zum anderen sowohl Geschäfte für diesen öffentlichen Auftraggeber als auch Geschäfte auf dem wettbewerbsorientierten Markt abwickelt, als "Einrichtung des öffentlichen Rechts" im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist, sofern die Tätigkeiten dieser Gesellschaft erforderlich sind, damit dieser öffentliche Auftraggeber seine Tätigkeit ausüben kann, und sich diese Gesellschaft zur Erfüllung der im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben von anderen als wirtschaftlichen Überlegungen leiten lässt, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist. Dabei ist es unerheblich, dass der Wert der In-House-Geschäfte in Zukunft möglicherweise weniger als 90% oder nicht den Hauptteil des gesamten Umsatzes dieser Gesellschaft darstellt.

VPRRS 2017, 0267

VK Bund, Beschluss vom 14.08.2017 - VK 1-75/17
1. Das Vorliegen eines sachlich rechtfertigenden Grunds reicht für eine wirksame Aufhebung des Vergabeverfahrens aus.
2. Die Korrektur von Fehlern im Vergabeverfahren stellt einen Grund dar, aus dem die Aufhebung eines Vergabeverfahrens sachlich gerechtfertigt ist. Dabei ist die Korrektur von Fehlern unabhängig von den Voraussetzungen des § 17 EU VOB/A 2016 zulässig.
3. Einer wirksamen Aufhebung steht auch nicht entgegen, dass der Auftraggeber den Fehler selbst zu vertreten hat.

VPRRS 2017, 0292

VK Thüringen, Beschluss vom 08.08.2017 - 250-4002-5960/2017-E-011-SM
1. Bei der Schätzung des Auftragswerts ist kein Zuschlag für Unvorhergesehenes (sog. Kostenpuffer) einzukalkulieren.
2. Kosten für Bauleitung und Bauüberwachung sind bei der Schätzung des Auftragswerts von Bauleistungen nicht zu berücksichtigen.
3. Die vor Beginn des eigentlichen Vergabeverfahrens seriös vom Auftraggeber durchgeführte Auftragswertschätzung wird nicht dadurch hinfällig oder im Nachhinein falsch, wenn die in der Folge und zeitlich nach der Schätzung eingereichten Angebote über dem Schätzpreis liegen.
4. Der öffentliche Auftraggeber ist nicht verpflichtet, vorab eine detaillierte Kostenschätzung in Form einer Preiskalkulation für alle Einzelpositionen der Leistungsbeschreibung vorzunehmen.
5. Eine mangelhafte Dokumentation führt dazu, dass die Nachprüfungsinstanz die Fakten anderweitig ermitteln muss, um eine eigenständige Auftragswertschätzung und Schwellenwertermittlung vornehmen zu können.

VPRRS 2017, 0291

EuGH, Urteil vom 14.09.2017 - Rs. C-223/16
Art. 47 Abs. 2 und Art. 48 Abs. 3 Richtlinie 2004/18/EG sind dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen, nach denen ein Wirtschaftsteilnehmer, der sich an einem Vergabeverfahren beteiligt, ein Hilfsunternehmen, das nach Angebotsabgabe erforderliche Qualifikationen verliert, nicht ersetzen darf und automatisch vom Verfahren ausgeschlossen wird.*)
