Vergabepraxis & -recht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
5387 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2016
VPRRS 2016, 0197OLG Bremen, Beschluss vom 29.01.2016 - 2 Verg 3/15
1. Ein VOF-Verhandlungsverfahren kann nicht unter den in § 17 VOB/A 2012, § 20 EG VOB/A 2012 oder in § 17 VOL/A 2009 genannten Voraussetzungen aufgehoben werden. Die VOF setzt nur die Möglichkeit eines Verzichts auf die Auftragserteilung voraus, ohne dessen Voraussetzungen zu regeln.
2. Die Aufhebung eines vom Auftraggeber trotz Kenntnis einer ungesicherten Finanzierung eingeleiteten Vergabeverfahrens ist nicht möglich, da der Auftragnehmer insoweit Vertrauensschutz genießt.
3. Da sich das VOF-Verhandlungsverfahren als dynamischer Prozess darstellt, in dem sich durch Verhandlungen Veränderungen ergeben können, sind Modifikationen solange vom Verfahren gedeckt, wie die Identität als solche gewahrt bleibt und kein "Aliud" entsteht.
VolltextVPRRS 2016, 0187
VK Brandenburg, Beschluss vom 04.02.2015 - VK 19/14
1. Macht der Bieter von der Möglichkeit der Verwendung einer selbst gefertigten Kurzfassung des Leistungsverzeichnisses Gebrauch und fehlt eine Seite und damit die Angabe der Einheits- und Gesamtpreise für insgesamt 8 Einzelpositionen, ist das Angebot zwingend von der Wertung auszuschließen (Anschluss an KG, IBR 2013, 482 = VPR 2013, 21).
2. Sind die Angebote schriftlich oder elektronisch (mit fortgeschrittener oder qualifizierter Signatur) einzureichen und entscheidet sich ein Bieter dafür, ein schriftliches Angebot abzugeben, müssen alle erforderlichen Angaben von der Schriftform gedeckt sein.
VolltextVPRRS 2016, 0193
OLG Bremen, Urteil vom 23.03.2005 - 1 U 71/04 b
(Ohne amtlichen Leitsatz)
VolltextVPRRS 2016, 0185
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.05.2015 - 1 VK 15/15
1. Die Forderung nach Benennung der Nachunternehmer und das Verlangen von Verpflichtungserklärungen bereits mit dem Angebot ist in der Regel unzumutbar und deshalb grundsätzlich unzulässig.
2. Ist es zwingend notwendig, dass die Nachunternehmer und deren Konzepte und Möglichkeiten dem Auftraggeber bekannt sind, um überhaupt eine Wertung durchführen zu können, stellt die Forderung, die Nachunternehmer mit der Angebotsabgabe zu benennen, ausnahmsweise keine unzumutbare Forderung dar.
VolltextVPRRS 2016, 0184
VK Bund, Beschluss vom 24.03.2016 - VK 2-15/16
1. Hat ein Bieter Änderungen oder Ergänzungen an den Vertragsunterlagen vorgenommen, ist das betreffende Angebot zwingend auszuschließen. Dem Auftraggeber steht insoweit kein Ermessen zu.
2. Ob der Bieter nicht das angeboten hat, was der Auftraggeber nachgefragt hat, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln.
3. Aufgrund der für den Bieter einschneidenden Konsequenzen kommt ein Ausschluss nur dann in Betracht, wenn die Vorgaben eindeutig und erschöpfend beschrieben worden sind, so dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen mussten und vergleichbare Angebote zu erwarten waren.
4. Im Rahmen der Rechenprüfung hat der Auftraggeber der Frage nachzugehen, ob der Rechenweg und das Rechenergebnis im jeweiligen Angebot korrekt sind. Im Anwendungsbereich der VOL/A 2009 gibt es allerdings keine Regelung, wie zu verfahren ist, wenn mathematische Fehler festgestellt werden. Ist die Ursache des Fehlers unklar, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, wie das Angebot insoweit auszulegen ist.
VolltextVPRRS 2016, 0183
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.02.2016 - Verg 41/15
1. Bieter, die in Vergabeverfahren vorsätzlich unzutreffende Erklärungen in Bezug auf ihre Eignung abgegeben haben, können von der Teilnahme am Wettbewerb ausgeschlossen werden.
2. Die von öffentlichen Auftraggebern gestellten Anforderungen an die Eignung sind allerdings - ebenso wie die zum Beleg der Eignung geforderten Nachweise - bereits in der Bekanntmachung anzugeben.
3. Die Forderung des Auftraggebers, offen zu legen, ob und welches Schwesterunternehmen sich ebenfalls am Wettbewerb beteiligt, verstößt gegen das Gebot des Geheimwettbewerbs.
VolltextVPRRS 2016, 0180
VG Augsburg, Urteil vom 23.02.2016 - 3 K 15.1070
Eine unterbliebene Losbildung bei der Auftragsvergabe durch den Auftraggeber stellt einen schweren Vergaberechtsverstoß dar, der den Zuwendungsgeber zur Rückforderung einer gewährten staatlichen Zuwendung (hier: zur Ersetzung eines alten Feuerwehrfahrzeugs) berechtigt.
VolltextVPRRS 2016, 0178
OLG Saarbrücken, Urteil vom 24.02.2016 - 1 U 60/15
1. Das Fehlen in der Vergabeausschreibung geforderter rechnerischer Nachweise zu Wärmedämmeigenschaften von Fenster- und Türelementen stellt, sofern der Vertragsinhalt hierdurch nicht bestimmt wird, keine einer Abänderung der Vergabeunterlagen vergleichbare Auslassung (§ 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A 2012) dar; bei ihrem Fehlen ist die Vergabestelle gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2012 zu einer Nachforderung verpflichtet.*)
2. Wird der preisgünstigste Bieter zu Unrecht vom Vergabeverfahren ausgeschlossen, muss der Auftraggeber Schadensersatz in Höhe des positiven Interesses zahlen.
VolltextVPRRS 2016, 0175
BGH, Urteil vom 19.04.2016 - X ZR 77/14
Hat sich ein Architekt oder Ingenieur an einem nach der Vergabeordnung für freiberufliche Dienstleistungen durchgeführten, dem Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen unterliegenden Vergabeverfahren beteiligt, in dem für über die Bearbeitung der Angebotsunterlagen hinausgehende Leistungen eine pauschale Vergütung als abschließende Zahlung vorgesehen ist, kann er die Bindung an diese Vergütung nur durch Rüge gegenüber dem Auftraggeber und Einleitung eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens beseitigen. Unterlässt er dies, stehen ihm keine weitergehenden Honoraransprüche für die in Rede stehenden Leistungen zu. Das gilt unabhängig davon, ob eine Vergütung als zu gering und deshalb nicht angemessen im Sinne von § 13 Abs. 3 VOF 2009 beanstandet wird, oder ob der Auftraggeber nach Ansicht des Bieters im Vergabeverfahren als Angebot nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure mit einem höheren Betrag zu vergütende Lösungsvorschläge für die Planungsaufgabe verlangt hat.*)
VolltextVPRRS 2016, 0168
VK Westfalen, Beschluss vom 14.04.2016 - VK 1-9/16
1. Eine Zurückversetzung oder eine Teilaufhebung der Ausschreibung ist eine Maßnahme der Vergabestelle, die vergaberechtlich zulässig ist, soweit dies transparent und diskriminierungsfrei erfolgt.*)
2. Eine solche Teilaufhebung und eine sich unmittelbar daran anschließende Neuausschreibung kann innerhalb eines bereits eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens auf gegebenenfalls neue Vergaberechtsverstöße durch die Vergabekammer überprüft werden.*)
3. Anforderungen an Fahrzeugrückhaltesysteme müssen sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben und können nicht unter Bezugnahme auf eine vom Auftraggeber selbst geführte Produktliste ersetzt werden.*)
VolltextVPRRS 2016, 0167
VK Nordbayern, Beschluss vom 15.03.2016 - 21.VK-3194-42/15
1. Bei der Frage, ob das Vergabeverfahren wegen einer beträchtlichen Abweichung des Angebots von einer vertretbaren Schätzung aufgehoben werden darf, kann auf die Grundsätze, ob ein den Ausschluss eines Angebotes rechtfertigendes Missverhältnis zwischen Leistung und Angebot vorliegt, zurückgegriffen werden.
2. Erst ab einem Abstand von 20% liegt ein Missverhältnis zwischen dem Wert der Leistung bzw. der Kostenschätzung und dem Angebot nahe.
3. Liegen die Voraussetzungen des § 17 EG VOB/A 2012 nicht vor, ist eine dennoch erfolgte Aufhebung rechtswidrig, mit der Folge, dass der Auftraggeber schadensersatzpflichtig ist. Schadensersatzfrei ist eine Aufhebung für den Auftraggeber nur dann, wenn er den Aufhebungsgrund nicht zu verantworten hat.
4. Ein zur Aufhebung der Ausschreibung anlassgebendes Fehlverhalten der Vergabestelle kann schon deshalb nicht als schwerwiegender Grund genügen, weil es die Vergabestelle andernfalls in der Hand hätte, nach freier Entscheidung durch Verstöße gegen das Vergaberecht den bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bestehenden Bindungen zu entgehen.
VolltextVPRRS 2016, 0165
VK Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10.09.2015 - VK 1-12/15
1. Die Auslegung eines angebotenen Nachlasses hat bei Unklarheiten nach dem objektiven Empfängerhorizont eines fachkundigen und vernünftigen Bieters im Lichte der Vorgaben der VOB/A zu erfolgen.*)
2. Nicht jede mangelnde Eindeutigkeit in den Angebotsunterlagen berechtigt den Auftraggeber zur Korrektur, sondern dies kann einschränkend nur in Bezug auf erhebliche Fehler gelten. Soweit sich Widersprüchlichkeiten je nach Auslegungsergebnis auf die Bieterrangfolge auswirken, ist ohne weiteres von der Erheblichkeit des Fehlers auszugehen.*)
VolltextVPRRS 2016, 0161
VK Südbayern, Beschluss vom 15.03.2016 - Z3-3-3194-1-03-01/16
1. Öffentliche Auftraggeber können nicht deshalb auf einen Aufhebungsgrund nach 17 EG Abs. 1 Nr. 2 VOB/A 2012 berufen, weil sie geltend machen, dass sie den Beschaffungsbedarf nunmehr anders definieren und ausschreiben würden. Die Gründe, die eine Aufhebung nach 17 EG Abs. 1 Nr. 2 VOB/A 2012 rechtfertigen sollen, dürfen nicht der Vergabestelle zurechenbar sein.*)
2. Bieter müssen die Aufhebung des Vergabeverfahrens, von engen Ausnahmen abgesehen, nicht nur dann hinnehmen, wenn sie von einem der in den einschlägigen Bestimmungen der Vergabe- und Vertragsordnungen (§ 17 Abs. 1, § 17 EG Abs. 1 VOB/A 2012; § 17 Abs. 1, § 20 EG Abs. 1 VOL/A 2009) aufgeführten Gründe gedeckt und deshalb rechtmäßig ist. Vielmehr bleibt es der Vergabestelle aus sachlichen Gründen, insbesondere bei einem geänderten Beschaffungsbedarf, grundsätzlich unbenommen, von einem Beschaffungsvorhaben auch dann Abstand zu nehmen, wenn dafür kein in den Vergabe- und Vertragsordnungen anerkannter Aufhebungsgrund vorliegt (Anschluss an BGH, Beschluss vom 20.03.2014 - X ZB 18/13, IBR 2014, 292).*)
3. Bei fortbestehender Beschaffungsabsicht hat der Auftraggeber darzulegen, inwieweit sich der Beschaffungsbedarf geändert hat. Die unkonkrete Behauptung, den Beschaffungsbedarf neu definieren zu wollen, reicht insbesondere dann nicht aus, wenn Indizien gegen eine Änderung des Beschaffungsbedarfs sprechen.*)
VolltextVPRRS 2016, 0148
OLG München, Urteil vom 29.10.2015 - 1 U 2090/15
1. Ein öffentlicher Auftraggeber darf keine Beschränkten Ausschreibungen nach § 3 Abs. 3 Nr. 3 VOB/A 2012 durchführen, um vermutete Preisabsprachen zu bekämpfen und eine Abhängigkeit von ein bis zwei Unternehmen zu verhindern.
2. Im Bereich der nationalen Vergaben unterhalb des Schwellenwerts kann ein Bieter Rechtsschutz im Wege der einstweiligen Verfügung suchen.
3. Der Anrufung des Gerichts steht das Nachprüfungsverfahren nach § 21 VOB/A 2012 nicht entgegen, weil ihm kein gesetzlicher Suspensiveffekt zukommt.
VolltextVPRRS 2016, 0164
LG München I, Urteil vom 28.05.2015 - 2 O 1248/15
(ohne)
VolltextVPRRS 2016, 0160
OLG Celle, Beschluss vom 14.04.2016 - 13 Verg 11/15
1. Das Vergabeverfahren beginnt mit der Ausschreibung. Insoweit ist ein formelles Verständnis zu Grunde zu legen (Anschluss an OLG Koblenz, Beschluss vom 05.09.2002 - 1 Verg 2/02, IBR 2002, 623; OLG Jena, Beschluss vom 08.04.2003 - 6 Verg 9/02, IBRRS 2003, 1124).*)
2. Ein sog. Projektant ist nicht automatisch vom Vergabeverfahren auszuschließen. Dem Auftraggeber obliegt vielmehr die Pflicht, im Rahmen des Zumutbaren aufzuklären, ob ein Sachverhalt vorliegt, der die Chancengleichheit aller Teilnehmer beeinträchtigen kann. Dabei muss dem Projektanten vor einem etwaigen Ausschluss Gelegenheit gegeben werden, zum Vorliegen einer Wettbewerbsverzerrung Stellung zu nehmen und ggf. zu beweisen, dass eine etwaige erworbene Kenntnis den Wettbewerb nicht verfälschen kann.*)
VolltextIBRRS 2016, 0985
OLG Dresden, Urteil vom 30.05.2013 - 9 U 1943/12
1. Eine Lohngleitklausel in Form einer sog. "Pfennigklausel" bedarf keiner Genehmigung nach § 3 Währungsgesetz, wenn sich lediglich die effektiv entstehenden Lohnkostenveränderungen anteilig auf den Werklohn (Preis des Endprodukts) auswirken (im Anschluss an BGH, IBR 2006, 433).
2. Bei der Bestimmung des Lohnkostenanteils und des Änderungssatzes für eine Lohngleitklausel dürfen Lohnanteile aus Nachunternehmerleistungen nur berücksichtigt werden, wenn auch mit dem Nachunternehmer eine Lohngleitung vereinbart wurde (im Anschluss an OLG Dresden, IBR 2008, 1107 - nur online).
3. Die Anrechnung einer Selbstbeteiligung (hier: Lohnmehrkosten in Höhe von 0,5% des Gesamtwerklohns) führt zu einer währungsrechtlichen Zulässigkeit der vereinbarten Änderungssätze (im Anschluss an OLG Schleswig, IBR 2009, 1047 - nur online; entgegen OLG Dresden, a.a.O.).
VolltextVPRRS 2016, 0159
VK Lüneburg, Beschluss vom 28.01.2016 - VgK-50/2015
1. Angebote, bei denen Änderungen an den Vertragsunterlagen vorgenommen wurden, sind zwingend von der Angebotswertung auszuschließen.
2. Hat ein Bieter Zweifel an der rechtlichen oder auch fachlichen oder rechnerischen Richtigkeit der Vergabeunterlagen, hat er diese vor Ablauf der Angebotsfrist dem Auftraggeber - beispielsweise im Wege einer Bieteranfrage - anzuzeigen.
3. Relativiert und modifiziert der Bieter den in den Vergabeunterlagen angegebenen Leistungs- und Erfüllungsort, liegt eine zum zwingenden Ausschluss führende Änderungen an den Vertragsunterlagen vor.
VolltextVPRRS 2016, 0157
VK Bund, Beschluss vom 01.02.2016 - VK 1-122/15
1. Die zu vergebende Leistung ist eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen.
2. Maßgeblich für die Frage, ob die Vergabeunterlagen und insbesondere die Leistungsbeschreibung eindeutig und klar oder unklar bzw. missverständlich sind, ist der objektive Empfängerhorizont der potentiellen Bieter. Dabei ist auf einen verständigen und sachkundigen, mit den Beschaffungsleistungen vertrauten Bieter abzustellen.
3. Kann es sich bei einer Aussage des Auftraggebers zum Beschaffungsgegenstand sowohl um eine Konkretisierung als auch um eine Änderung der bereits zuvor geänderten Leistungsbeschreibung handeln, ist die zu vergebende Leistung unklar bzw. missverständlich beschrieben.
VolltextVPRRS 2016, 0156
VK Bund, Beschluss vom 09.02.2016 - VK 1-130/15
1. Bei der Beschaffungsentscheidung für eine bestimmte Leistung ist der öffentliche Auftraggeber im rechtlichen Ansatz ungebunden; die Auswahl des Beschaffungsgegenstands unterliegt seiner Bestimmungsfreiheit und ist dem eigentlichen Vergabeverfahren vorgelagert.
2. Vergaberechtliche Grenzen der Bestimmungsfreiheit ergeben sich aber aus § 7 EG Abs. 8 Satz 1 VOB/A 2012, wonach technische Anforderungen an den Auftragsgegenstand grundsätzlich nicht so ausgestaltet werden dürfen, dass dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden; dies ist nur (ausnahmsweise) zulässig, soweit es durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist.
3. Die vergaberechtlichen Grenzen der Bestimmungsfreiheit sind eingehalten, sofern die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist, vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen wurde, solche Gründe tatsächlich vorhanden sind und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert.
VolltextVPRRS 2016, 0154
EuGH, Urteil vom 07.04.2016 - Rs. C-324/14
1. Art. 47 Abs. 2 und Art. 48 Abs. 3 Richtlinie 2004/18/EG sind in Verbindung mit Art. 44 Abs. 2 Richtlinie 2004/18/EG dahin auszulegen, dass
- damit jedem Wirtschaftsteilnehmer das Recht eingeräumt wird, sich für einen bestimmten Auftrag auf die Kapazitäten anderer Unternehmen ungeachtet des rechtlichen Charakters der zwischen ihm und diesen Unternehmen bestehenden Verbindungen zu stützen, sofern dem öffentlichen Auftraggeber gegenüber nachgewiesen wird, dass dem Bewerber oder Bieter die für die Ausführung dieses Auftrags erforderlichen Mittel der betreffenden Unternehmen tatsächlich zur Verfügung stehen;
- es nicht ausgeschlossen ist, dass die Ausübung dieses Rechts bei Vorliegen besonderer Umstände in Anbetracht des Gegenstands und der Ziele des betreffenden Auftrags eingeschränkt werden kann. Dies ist namentlich der Fall, wenn sich die Kapazitäten, über die ein Drittunternehmen verfügt und die für die Ausführung des Auftrags erforderlich sind, nicht auf den Bewerber oder Bieter übertragen lassen, so dass dieser sich nur dann auf die genannten Kapazitäten berufen kann, wenn sich das betreffende Drittunternehmen unmittelbar und persönlich an der Ausführung des Auftrags beteiligt.*)
2. Art. 48 Abs. 2 und 3 Richtlinie 2004/18/EG ist dahin auszulegen, dass der öffentliche Auftraggeber im Hinblick auf den Gegenstand und die Ziele eines bestimmten Auftrags unter besonderen Umständen im Interesse der ordnungsgemäßen Ausführung dieses Auftrags die Möglichkeit hat, in der Auftragsbekanntmachung oder den Verdingungsunterlagen ausdrücklich genaue Regeln anzugeben, nach denen sich ein Wirtschaftsteilnehmer auf die Kapazitäten anderer Unternehmen stützen kann, sofern diese Regeln mit dem Gegenstand und den Zielen des betreffenden Auftrags zusammenhängen und diesen angemessen sind.*)
3. Der in Art. 2 Richtlinie 2004/18/EG aufgestellte Grundsatz der gleichen und nicht diskriminierenden Behandlung der Wirtschaftsteilnehmer ist dahin auszulegen, dass er es unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens einem öffentlichen Auftraggeber untersagt, nach der Öffnung der Angebote, die im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags eingereicht worden sind, dem Ersuchen eines Wirtschaftsteilnehmers, der ein Angebot für den gesamten in Rede stehenden Auftrag abgegeben hat, stattzugeben, sein Angebot nur für die Zuteilung bestimmter Teile dieses Auftrags zu berücksichtigen.*)
4. Der in Art. 2 Richtlinie 2004/18/EG aufgestellte Grundsatz der gleichen und nicht diskriminierenden Behandlung der Wirtschaftsteilnehmer ist dahin auszulegen, dass er die Ungültigerklärung und die Wiederholung einer elektronischen Auktion, bei der ein Wirtschaftsteilnehmer, der ein zulässiges Angebot eingereicht hat, keine Aufforderung zur Teilnahme erhalten hat, auch dann verlangt, wenn nicht festgestellt werden kann, ob die Teilnahme des nicht berücksichtigten Wirtschaftsteilnehmers das Ergebnis der Auktion geändert hätte.*)
5. Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens können die Vorschriften von Art. 48 Abs. 3 Richtlinie 2004/18/EG nicht im Licht der Bestimmungen von Art. 63 Abs. 1 Richtlinie 2014/24/EU ausgelegt werden.*)
VolltextVPRRS 2016, 0151
VK Nordbayern, Beschluss vom 16.02.2016 - 21.VK-3194-01/16
1. Bei einer Umwandlung durch Verschmelzung eines anderen Unternehmers auf den Bieter handelt es sich nicht um eine Änderung des Angebotes. Hierzu hat der Bieter im Angebot nur eine verbindliche Erklärung des Unternehmens beizubringen, das auf den Bieter verschmolzen wird. Dieses muss erklären, dass dem Bieter im Fall eines Zuschlags die personellen und sachlichen Mittel für die Auftragsausführung zur Verfügung stehen. In diesem Fall der Verschmelzung erlischt der bisherige Rechtsträger gerade nicht, sondern wird weiter geführt.*)
2. Eine Änderung des Firmennamens kann für sich noch keinen Ausschluss eines Angebots rechtfertigen. Hier handelt es sich nicht per se um einen Bieterwechsel bzw. um eine Änderung des Angebots nach Ablauf der Angebotsfrist. Die reine Umfirmierung eines Bieters unter Beibehaltung der Struktur und der Identität stellt keine Änderung in der Person des Anbieters dar.*)
3. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung, wem ein Angebot zuzurechnen ist, ist das zum Eröffnungstermin vorliegende Angebot. Dieses legt die Identität des Bieters fest. Besteht Streit, wer als Bieter eines bestimmten Angebots anzusehen ist, ist durch Auslegung zu ermitteln, wer das Angebot abgegeben hat. Dabei ist auf den "objektiven Empfängerhorizont" abzustellen.*)
VolltextIBRRS 2016, 0909
VOB-Stelle Niedersachsen, Entscheidung vom 10.12.2015 - Fall 1743
Soll der Auftragnehmer Reaktionsharzmörtel für Kratzspachtelung liefern und wird das Nettogewicht der Gebinde in der Lieferform abgerechnet, sind unter der betreffenden Position des Leistungsverzeichnisses auch die für den Reaktionsharzmörtel zugehörigen Mengen des Mineralstoffs abzurechnen.
VolltextVPRRS 2016, 0150
VK Nordbayern, Beschluss vom 10.03.2016 - 21.VK-3194-03/16
Auf ein Angebot, welches den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses nicht in allen Punkten entspricht, darf der Zuschlag nicht erteilt werden, denn es fehlt an den für einen Vertragsschluss erforderlichen sich deckenden und sich entsprechenden Willenserklärungen. Ob dieser zwingende Ausschlussgrund unter den Ausschlussgrund des § 16 EG Abs. 1 Nr. 1b i.V.m. § 13 EG Abs. 1 Nr. 5 VOB/A 2012 in Form der unzulässigen Änderung an den Vergabeunterlagen oder unter einen nicht ausdrücklich in der VOB/A erwähnten zwingenden Ausschlussgrund subsumiert wird, ist zwar in der Rechtsprechung umstritten, kann im Falle eines offenen Abweichens vom Leistungsverzeichnis aber dahinstehen, da die Rechtsfolge in beiden Fällen gleich ist.*)
VolltextIBRRS 2016, 0720
OLG Naumburg, Urteil vom 18.02.2016 - 2 U 17/13
1. Enthält die Baubeschreibung keine Leistungspositionen für eine vorübergehende Baustellenberäumung und -wiedereinrichtung, darf der Bieter und spätere Auftragnehmer davon ausgehen, dass ein vorübergehendes Beräumen der Baustelle vor Abschluss der Bauarbeiten nicht erforderlich ist. Das gilt auch dann, wenn die vorübergehende Einstellung der Arbeiten im Hinblick auf extreme Witterungsverhältnisse in die Einheitspreise einzukalkulieren ist.
2. Wird in der Baubeschreibung festgelegt, dass den Weisungen der für den Wasserstraßenverkehr zuständigen Behörde unbedingt Folge zu leisten ist, stellt deren Aufforderung, die Baustelle vorübergehend zu beräumen, eine "andere Anordnung" des Auftraggebers im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B dar.
VolltextVPRRS 2016, 0137
VK Lüneburg, Beschluss vom 01.02.2016 - VgK-51/2015
1. Ein geringer Fehlbetrag in der Bilanz spricht nicht gegen die finanzielle Leistungsfähigkeit eines Bieters.
2. Technisch leistungsfähig ist ein Anbieter, dessen Referenzen die Erwartung rechtfertigen, dass er die zu vergebende Leistung genauso gut wie die Referenzleistungen erbringen wird. Je einfacher die zu vergebende Leistung ist, desto geringer sind die Anforderungen an die Vergleichbarkeit.
3. Erfahrungen mit gleichartigen Tätigkeiten dürfen nur dann gefordert werden, wenn die zu vergebende Tätigkeit hohe Anforderungen an die Erfahrung stellt.
4. Eine aufs Geradewohl oder "ins Blaue hinein" erhobene Rüge ist unzulässig und damit unbeachtlich. Die Vergabekammer ist in einem solchen Fall von der Notwendigkeit einer vollständigen Sachaufklärung von Amts wegen entbunden.
5. Erkennbare Vergaberechtsverstöße sind innerhalb einer Frist von 10 Tagen zu rügen.
VolltextVPRRS 2016, 0128
VK Lüneburg, Beschluss vom 11.11.2015 - VgK-41/2015
1. Das Formblatt 236 VHB Bund ist zu verwenden, wenn der Bieter persönlich die Eignungsvoraussetzungen für die Erfüllung des Auftrags, z.B. die technische Fachkunde oder die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht erfüllt, sich aber im Wege der sogenannten Eignungsleihe eines insoweit besser qualifizierten Nachunternehmers bedient.
2. Im Fall einer Eignungsleihe ist es erforderlich, dass der Bieter bereits zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe den Namen des Nachunternehmers benennt und eine Verpflichtungserklärung dieses Nachunternehmers beibringt.
VolltextVPRRS 2016, 0138
VK Lüneburg, Beschluss vom 18.11.2015 - VgK-42/2015
1. Die verspätete Kennzeichnung der Angebote nach dem Eröffnungstermin stellt einen Vergabeverstoß dar. Das gilt erst recht für die dauerhaft unterlassene Kennzeichnung der Angebote.
2. Die Verpflichtung zur Kennzeichnung der Angebote schützt nicht nur die Wettbewerber untereinander vor Fälschungen, sondern gleichermaßen auch den Auftraggeber davor, von einem der Wettbewerber übervorteilt zu werden.
3. Die unterlassene Kennzeichnung der Angebote durch das mit der Submission und der Wertung der Angebote beauftragte Ingenieurbüro berechtigt den öffentlichen Auftraggeber dazu, die Ausschreibung aus wichtigem Grund aufzuheben.
VolltextVPRRS 2016, 0132
VK Lüneburg, Beschluss vom 18.12.2015 - VgK-45/2015
1. Der öffentliche Auftraggeber ist grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, Nachforschungen darüber anzustellen, ob ein Bieter eine schwere Verfehlung begangen hat, die seine Zuverlässigkeit und damit seine Eignung als Bewerber in Frage stellt.
2. Liegen dem Auftraggeber allerdings Anhaltspunkte dafür vor, dass der Geschäftsführer eines Bieterunternehmens rechtskräftig wegen Bestechung verurteilt ist, muss er sich Gewissheit verschaffen und Hinweisen nachgehen.
3. Verschließt sich der Auftraggeber bewusst vorliegenden Informationen und kommt er einer im Einzelfall bestehenden Aufklärungspflicht nicht nach, genügt bereits das "Kennen müssen" für einen Verstoß gegen § 6 EG Abs. 4 VOL/A 2009.
VolltextVPRRS 2016, 0135
EuGH, Urteil vom 14.01.2016 - Rs. C-234/14
Die Art. 47 Abs. 2 und 48 Abs. 3 Richtlinie 2004/18/EG sind dahin auszulegen, dass es ihnen zuwiderläuft, wenn ein öffentlicher Auftraggeber im Rahmen der Verdingungsunterlagen zu einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags einen Bieter, der sich auf die Kapazitäten anderer Unternehmen stützt, dazu verpflichten kann, vor der Erteilung des Zuschlags mit diesen Unternehmen einen Kooperationsvertrag abzuschließen oder eine Personengesellschaft zu gründen.*)
VolltextVPRRS 2016, 0126
VK Bund, Beschluss vom 22.02.2016 - VK 2-135/15
1. Eine Mindestanforderung an die Eignung ist ordnungsgemäß bekannt gemacht, wenn in der Bekanntmachung durch einen Link auf die Internetseite der Vergabestelle verwiesen wird und die interessierten Unternehmen durch bloßes Anklicken zum entsprechenden Formblatt gelangen können.
2. Mit der Formulierung, dass der Bieter "im Auftragsfalle Gewähr für die zur Verrichtung der vorgesehenen Tätigkeit notwendige Qualifikation und Eignung der Leiharbeitnehmer" zu leisten hat, wird ausdrücklich auf den Auftragsfall abgestellt. Damit unvereinbar ist eine Forderung, wonach der Bieter schon bei Angebotsabgabe geeignetes Personal in ausreichender Zahl verfügbar haben muss.
3. Auch bei einer Ausschreibung nach dem 1. Abschnitt der VOL/A 2009 ist bei unverändertem Sachverhalt ein Wiedereintritt in die Eignungsprüfung zulässig.
VolltextVPRRS 2016, 0125
LG Bonn, Urteil vom 30.10.2015 - 1 O 161/15
1. Der Abbruch von Vertragsverhandlungen ohne triftigen Grund kann im Rahmen eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses als schadensersatzbegründende Pflichtverletzung einzustufen sein, wenn die die Verhandlungen abbrechende Partei zuvor bei der Gegenseite in zurechenbarer Weise ein Vertrauen auf das Zustandekommen des Vertrags geweckt hat.
2. Erklärt der Bieter, dass die von ihm angebotene Leistung nicht mehr lieferbar ist und er sich aus diesem Grunde nicht mehr an sein Angebot gebunden sieht, liegt ein für den Abbruch der Vertragsverhandlungen triftiger Grund vor, der einen Schadensersatzanspruch des Auftraggebers ausschließt.
VolltextVPRRS 2016, 0122
VK Westfalen, Beschluss vom 01.03.2016 - VK 1-2/16
1. Es stellt einen Verstoß gegen das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung des § 8 EG Abs. 1 VOL/A 2009 dar, wenn das Leistungsverzeichnis lediglich in Kurzform die anzuschaffenden Produkte und deren Menge bezeichnet, und auch der vom erfolgreichen Bieter abzuschließende Vertragsentwurf in den Vergabeunterlagen fehlt, so dass die Bieter nicht wissen, zu welchen Konditionen sie liefern müssen.*)
2. Die Vergabestelle darf sich beim Kauf von Software-Volumenlizenzen nicht auf Neulizenzen festlegen und damit zugleich die Lieferung gebrauchter Lizenzen ausschließen, um dem Risiko, bei der Verwendung von Software mit Gebrauchtlizenzen vom Hersteller auf Unterlassung oder Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden, zu entgehen. Diesem Risiko kann sie dadurch begegnen, dass sie sich von den Bietern einen geeigneten Nachweis für die Erschöpfung des Verbreitungsrechts vorlegen lässt oder eine Freistellungsvereinbarung in den abzuschließenden Vertrag aufnimmt. Wenn die Vergabestelle auf bestimmte Eigenschaften der Neulizenzen Wert legt, wie zum Beispiel ein Downgrade-Recht, kann sie diese Erwartung in der Ausschreibung formulieren.*)
3. Indem die Vergabestelle eine Beschränkung auf Neulizenzen und die Registrierung der Bieter zu einem "Microsoft Select Plus Vertrag" gefordert hat, wird der Anbieterkreis von vornherein in unzulässiger Weise beschränkt.*)
VolltextVPRRS 2016, 0121
OLG Celle, Beschluss vom 10.03.2016 - 13 Verg 5/15
1. In Fällen, in denen der Antragsteller mit dem Ziel der Erlangung primären Vergaberechtsschutzes die Aufhebung des ausgeschriebenen Vergabeverfahrens zum Gegenstand einer Nachprüfung macht, ist die Vergabekammer oder das Beschwerdegericht bei Vorliegen eines Feststellungsinteresses des Antragstellers auf dessen Antrag auch zur Feststellung der durch die Aufhebung eingetretenen Rechtsverletzung befugt, wenn sich herausstellt, dass trotz eines Vergabeverstoßes aufgrund des dem Auftraggeber zustehenden Entscheidungsspielraums eine auf die Fortsetzung des aufgehobenen Vergabeverfahrens gerichtete Anordnung nicht ergehen kann.*)
2. Die Antragsbefugnis im Sinne des § 107 Abs. 2 Satz 1 GWB setzt zwar einen "schlüssigen" Vortrag der Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften voraus. Der Begriff der "Schlüssigkeit" ist hier aber nicht im Sinne der zivilprozessualen Relationstechnik dahin zu verstehen, dass vorausgesetzt wäre, dass - die Richtigkeit des Tatsachenvortrags des Antragstellers unterstellt - die begehrte Rechtsfolge abschließend feststehen müsste. Vielmehr muss der Tatsachenvortrag nur "geeignet sein", seine Richtigkeit unterstellt, einen Vergabeverstoß darzutun. Die Antragsbefugnis kann nur fehlen, wenn offensichtlich eine Rechtsbeeinträchtigung nicht vorliegt.*)
3. In Fällen, in denen die Preise eingereichter Angebote die von der Vergabestelle vorab ermittelten Kosten übersteigen, kommt eine (sanktionsfreie) Aufhebung des Vergabeverfahrens wegen eines anderen schwerwiegenden Grundes im Sinne des § 17 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A u. a. in folgenden Fällen in Betracht:
a) Eine mangelnde Finanzierbarkeit kann einen die Aufhebung des Vergabeverfahrens rechtfertigenden anderen schwerwiegenden Grund darstellen. Voraussetzung ist dabei zum einen, dass der Auftraggeber den Kostenbedarf mit der gebotenen Sorgfalt ermittelt hat. Weiter muss die Finanzierung des ausgeschriebenen Vorhabens bei Bezuschlagung auch des günstigsten wertungsfähigen Angebotes scheitern oder jedenfalls wesentlich erschwert sein. Dies erfordert in einem ersten Schritt, dass der Auftraggeber die Kosten für die zu vergebenden Leistungen sorgfältig ermittelt. In einem zweiten Schritt hat er zu berücksichtigen, dass es sich bei der Kostenermittlung nur um eine Schätzung handelt, von der die nachfolgenden Ausschreibungsergebnisse erfahrungsgemäß mitunter nicht unerheblich abweichen. Er hat deshalb für eine realistische Ermittlung des Kostenbedarfs einen ganz beträchtlichen Aufschlag auf den sich nach der Kostenschätzung ergebenden Betrag vorzunehmen. Regelmäßig wird insoweit von der Rechtsprechung ein Aufschlag in Höhe von rund 10 % verlangt.*)
b) Weiter kommt eine Aufhebung des Vergabeverfahrens aufgrund eines anderen schwerwiegenden Grundes im Sinne des § 17 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A bei einer fehlenden Wirtschaftlichkeit in Betracht. Das Ausschreibungsergebnis kann unwirtschaftlich sein, wenn die wertungsfähigen Angebote ein unangemessenes Preis-Leistungsverhältnis aufweisen. Dies kommt in Betracht, wenn die vor der Ausschreibung vorgenommene Kostenschätzung der Vergabestelle aufgrund der bei ihrer Aufstellung vorliegenden und erkennbaren Daten als vertretbar erscheint und die im Vergabeverfahren abgegebenen Gebote deutlich darüber liegen. Zumindest im Regelfall, in dem keine weiteren Umstände eine abweichende Beurteilung erfordern, rechtfertigt erst eine Abweichung des günstigsten Angebotes von vertretbaren Kostenschätzungen in Höhe von rund 20 % einen Rückschluss auf ein unangemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis.*)
c) Auch über den Fall des unangemessenen Preis-Leistungs-Verhältnisses hinaus kann die Bezuschlagung des wertungsfähigen Angebotes aus sonstigen Gründen in einem Maße unwirtschaftlich i. w. S. sein, dass dies einen anderen schwerwiegenden Grund im Sinne des § 17 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A darstellte, weil beispielsweise zwar ausreichendes Fremdkapital zu erlangen ist, die (gesteigerten) Kreditkosten aber einem späteren wirtschaftlichen Betrieb entgegenstehen. Denkbar erscheinen insoweit auch Fälle, in denen zwar in größerem Umfang Eigenkapital eingebracht werden könnte, dann aber die Aufgabenerfüllung in anderen Bereichen unzumutbar einzuschränken wäre.*)
VolltextIBRRS 2016, 0674
OLG Brandenburg, Urteil vom 02.03.2016 - 4 U 65/15
Auch wenn eine Position des Leistungsverzeichnisses die Entsorgung von abzubrechendem Material nicht wörtlich erwähnt, kann sie bei einer Gesamtbetrachtung aller Vertragsbestandteile dahingehend zu verstehen sein, dass der Aufwand für die Entsorgung des Abbruchs in den für diese Position anzubietenden und später vereinbarten Einheitspreis einzukalkulieren ist.
VolltextVPRRS 2016, 0114
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 17.12.2015 - 3 VK LSA 73/15
1. Bringt der Aussteller eines geforderten Nachweises auf dem Original zum Ausdruck, dass er unbeglaubigte Fotokopien nicht zulassen bzw. diese nur im Original im Rechtsverkehr gelten lassen will, ist die in Fotokopie vorgelegte Bescheinigung nicht "gültig".
2. Erklärt der Auftraggeber, dass Bestätigungen/Nachweise zu den Eigenerklärungen gesondert verlangt werden müssen, der Bieter diese innerhalb einer gesetzten Frist vorzulegen hat und nicht vollständige Unterlagen nach nochmaliger Aufforderung innerhalb einer Nachfrist von sechs Kalendertagen ausgeschlossen werden, führen die innerhalb der Frist verlangten fehlenden Bestätigungen/ Nachweise nicht zum Ausschluss des Angebots, sondern nur zur Unvollständigkeit und damit zur Pflicht zur nochmaligen Aufforderung der Vorlage durch den Auftraggeber.
VolltextIBRRS 2016, 0607
BGH, Urteil vom 28.01.2016 - I ZR 60/14
Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Kranunternehmers, mit denen wie in Ziffer 20 Abs. 1 Satz 1, 2 und 4 der AGB-BSK Kran und Transport 2008 dem Auftraggeber einschränkungslos und ohne Festlegung von Mitwirkungspflichten des Kranunternehmers die Verantwortlichkeit für die Eignung der Bodenverhältnisse für den vereinbarten Kraneinsatz und die Verpflichtung, auf die Lage und das Vorhandensein von unterirdischen Hohlräumen am Einsatzort unaufgefordert hinzuweisen, auferlegt werden, benachteiligen den Auftraggeber unangemessen und sind deshalb unwirksam.*)
VolltextVPRRS 2016, 0110
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15.01.2016 - 3 VK LSA 77/15
1. Hat der Auftraggeber weder in der öffentlichen Bekanntmachung noch in der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes Zuschlagskriterien benannt, darf nur der niedrigste Preis als Wirtschaftlichkeitskriterium angewendet werden.
2. Im Unterschwellenbereich dürfen Nebenangebote auch dann gewertet werden, wenn für sie keine Mindestanforderungen benannt sind und alleiniges Zuschlagskriterium der Preis ist.
VolltextVPRRS 2016, 0098
VK Thüringen, Beschluss vom 06.02.2015 - 250-4004-8454/2014-E-069-WE
Ingenieurleistungen im Zusammenhang mit der bergrechtlichen Verwahrung (Verfüllung und Zementierung) von Erdgasbohrungen sind keine Tiefbauarbeiten.
VolltextVPRRS 2016, 0099
VK Bund, Beschluss vom 03.02.2016 - VK 1-126/15
1. Ein Verhandlungsvorbehalt betreffend die Zahlungsbedingungen stellt eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen dar, auch wenn das Verhandlungsergebnis akzeptiert werden soll.
2. Mindestanforderung an die Eignung sind bereits in der Bekanntmachung zu benennen und dürfen zu einem späteren Zeitpunkt, so etwa mit Übersendung der Vergabeunterlagen, nicht mehr wirksam gefordert, sondern lediglich konkretisiert werden.
VolltextVPRRS 2016, 0101
VK Westfalen, Beschluss vom 26.01.2016 - VK 1-44/15
1. Will eine Vergabestelle einen Bieter wegen angeblicher Quersubventionierung mit seinem Angebot ausschließen, und widerspricht der Bieter dieser Auffassung der Vergabestelle, so muss die Vergabestelle diesen Widerspruch im Rahmen eines Aufklärungsverfahrens versuchen aufzuklären.*)
2. Findet keine Aufklärung statt und reagiert die Vergabestelle in einem Nachprüfungsverfahren auch nicht auf eine Fristsetzung gemäß § 113 Abs. 2 GWB, kann das dazu führen, dass bei der Wiederholung der Wertung dieser Gesichtspunkt (Aufklärung in Bezug auf konkrete Tatsachen) ausgeschlossen bleiben muss.*)
3. Die Kalkulation ist Sache der Bieter und ein öffentlicher Auftraggeber hat keine Rechtsgrundlage dafür, seine eigenen betriebswirtschaftlichen Kalkulationsüberlegungen an die Stelle der Kalkulation der Bieter zu setzen.*)
4. Abgrenzung einer Klageerweiterung von einer Berichtigung des Rubrums im Sinne von § 319 ZPO, die ohne Weiteres von Amts wegen durch die Vergabekammer erfolgen kann.*)
VolltextIBRRS 2016, 0482
OVG Niedersachsen, Urteil vom 04.11.2015 - 1 LC 171/14
Der Pflicht der Behörde, im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht die Kosten einer Ersatzvornahme möglichst gering zu halten, steht die Vergabe der Leistung auf der Grundlage eines Global-Pauschalvertrags nicht entgegen.*)
VolltextVPRRS 2016, 0063
VK Westfalen, Beschluss vom 05.08.2015 - VK 2-16/15
Ein Vertrag über Kanalreinigung, Kanaluntersuchung und -dokumentation ist als Dienstleistungsauftrag zu qualifizieren und dementsprechend nach den Vorschriften VOL/A 2009 und nicht nach VOB/A 2012 auszuschreiben.
VolltextVPRRS 2016, 0092
OLG Jena, Beschluss vom 07.10.2015 - 2 Verg 3/15
1. Ein von den Vertragsparteien offiziell als "Mietvertrag" bezeichneter Vertrag ist als öffentlicher Bauauftrag zu qualifizieren, wenn das vorrangige Ziel des Vertrags der Bau der Immobilie ist.
2. Weist ein Vertrag zugleich Elemente eines öffentlichen Bauauftrags und Elemente eines Auftrags anderer Art auf, bestimmt sich nach dem Hauptgegenstand des Vertrags, welche vergaberechtlichen Vorschriften anwendbar sind.
3. Hält sich der Einfluss des Mieters auf die Ausgestaltung der Mietsache noch im Rahmen dessen, was einem solventen Mieter in der Planungsphase eingeräumt wird und die anderweitige Nutzung des Objekts für die Vermietung von Büroräumen nach Auslaufen des Mietvertrags nicht erschwert, liegt kein öffentlicher Bauauftrag vor.
VolltextVPRRS 2016, 0088
VK Westfalen, Beschluss vom 20.10.2015 - VK 2-26/15
Fordert der öffentliche Auftraggeber in seiner Baubeschreibung, dass die für den Rückbau eingesetzten Kolonnen zeitgleich in allen vier Rückbaubereichen starten, sieht der mit dem Angebot vorgelegte Rahmenterminplan des Bieters mit den Erläuterungen zum Kolonneneinsatz aber davon abweichend einen sukzessiven Rückbau vor, ist das Angebot gemäß § 16 EG Abs. 1 Nr. 1 b) VOB/A 2012 wegen Änderung der Vergabeunterlagen gemäß § 13 EG Abs. 1 Nr. 5 VOB/A 2012 vom Vergabeverfahren auszuschließen.*)
VolltextVPRRS 2016, 0079
OLG Brandenburg, Beschluss vom 12.01.2016 - Verg W 4/15
1. Die Bieter haben einen Anspruch darauf, dass der Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält, nicht aber darauf, dass er den Auftrag auch erteilt und demgemäß die Vergabestelle das Vergabeverfahren mit der Erteilung des Zuschlags abschließt.
2. Während eine rechtmäßige Aufhebung zur Folge hat, dass keine Schadensersatzansprüche wegen eines fehlerhaften Vergabeverfahrens bestehen, kann das Fehlen eines Aufhebungsgrundes zu einem Anspruch auf Schadensersatz führen, der regelmäßig auf das negative Interesse beschränkt ist.
3. Stellt ein öffentlicher Auftraggeber vor Zuschlagserteilung einen erheblichen Fehler in den Ausschreibungsunterlagen fest, ist er zu einer Fehlerkorrektur berechtigt, was auch die Aufhebung des Vergabeverfahrens beinhalten kann. Die bereits erfolgte Submission schließt eine solche Fehlerkorrektur nicht aus.
4. Die unzureichende Bekanntmachung der geforderten Eignungsnachweise stellt einen sachlichen Grund für eine Aufhebung dar.
VolltextVPRRS 2016, 0086
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.10.2014 - Verg 14/14
1. Wird die Unterschrift des Bieters nicht nur auf einem dafür vorgesehenen Vordruck, sondern auf einem von ihm erstellten Angebotsanschreiben geleistet, das den gesamten Angebotsinhalt erfasst, darf das Angebot nicht ausgeschlossen werden.
2. Die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf zur sog. "abschließenden Liste" findet auf Vergabeverfahren nach der VOB/A 2012 keine Anwendung, weil die VOB/A 2012 anders als die VOL/A 2009 keine abschließende Liste kennt.
VolltextVPRRS 2016, 0084
VK Detmold, Beschluss vom 30.04.2014 - VK.2-10/13
1. Die Zulässigkeit des Verhandlungsverfahrens steht in einem Spannungsverhältnis zur Pflicht des Auftraggebers, die Leistung eindeutig und erschöpfend zu beschreiben, § 8 EG Abs. 1 VOL/A 2009.*)
2. Nur wenn der Auftraggeber zur Erfüllung seiner Verpflichtungen zu einer hinreichenden und erschöpfenden Leistungsbeschreibung objektiv und aus Gründen, die in der Natur der Leistungen liegen, nicht in der Lage ist, ist die Wahl des Verhandlungsverfahrens gerechtfertigt.*)
3. Keinesfalls ist es Sinn und Zweck eines Verhandlungsverfahrens, das Bestimmungsrecht des Auftraggebers hinsichtlich des gewünschten Leistungsgegenstands aufgrund fehlender Fachkompetenz aufzugeben und die Festlegung der Leistungsdetails den Bietern zu überlassen.*)
VolltextVPRRS 2016, 0071
VK Nordbayern, Beschluss vom 26.11.2015 - 21.VK-3194-39/15
1. Nach § 15 EG VOB/A darf im offen Verfahren der Auftraggeber nach Öffnung der Angebote von einem Bieter nur Aufklärung verlangen, um sich über das Angebot zu unterrichten. Verhandlungen über eine Änderung des Angebots sind unstatthaft.*)
2. Auf ein Angebot, welches den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses nicht in allen Punkten entspricht, darf der Zuschlag nicht erteilt werden, denn es fehlt an den für einen Vertragsschluss erforderlichen sich deckenden und sich entsprechenden Willenserklärungen. Ob dieser zwingende Ausschlussgrund unter den Ausschlussgrund des § 16 EG Abs. 1 Nr. 1 b i.V.m. § 13 EG Abs. 1 Nr. 5 VOB/A 2012 in Form der unzulässigen Änderung an den Vergabeunterlagen oder unter einen nicht ausdrücklich in der VOB/A erwähnten zwingenden Ausschlussgrund subsumiert wird, ist zwar in der Rechtsprechung umstritten, kann im Falle eines offenen Abweichens vom Leistungsverzeichnis aber dahinstehen, da die Rechtsfolge in beiden Fällen gleich ist.*)
3. Nebenangebote können nicht berücksichtigt werden, wenn allein der Preis als Zuschlagskriterium vorgesehen ist.*)
VolltextVPRRS 2016, 0070
VK Thüringen, Beschluss vom 22.04.2015 - 250-4002-2060/2015-E-005-NDH
Hat sich das Nachprüfungsverfahren bereits kurz nach Übermittlung des Nachprüfungsantrags an den Antragsgegner durch übereinstimmende Erledigungserklärung erledigt, ist die Mindestgebühr für die Amtshandlungen der Vergabekammer von 2.500 Euro (§ 128 Abs. 2 Satz 1 GWB) auf ein Fünftel der Gebühr zu ermäßigen.
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