Vergabepraxis & -recht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
5387 Entscheidungen insgesamt
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VPRRS 2015, 0235VK Lüneburg, Beschluss vom 06.03.2015 - VgK-02/2015
1. Der bloße "Anschein" einer Doppelmandatschaft allein führt nicht zu einer Verletzung des Diskriminierungsverbots. Vielmehr bedarf es konkreter Umstände, die eine Parteilichkeit besorgen lassen.
2. Beratungs- und Vortragstätigkeiten, die nicht im Zusammenhang mit einem konkreten Vergabeverfahren stehen, begründen keine Doppelmandatierung.
VolltextVPRRS 2015, 0240
VK Südbayern, Beschluss vom 24.07.2015 - Z3-3-3194-1-28-04/15
1. Der relative Preisabstand zwischen den abgegebenen Angeboten muss in angemessener Weise bei der Wertung zum Tragen kommen (Anschluss an OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.04.2015 - Verg 35/14, IBR 2015, 376 = VPR 2015, 185). Die Bildung von Preisstufen mit einer bestimmten Punktezahl pro Stufe kann vor diesem Hintergrund ein untaugliches Wertungssystem darstellen.*)
2. Umrechnungsformeln der Preise in Wertungspunkte, die nicht der in den Vergabehandbüchern des Bundes oder des Freistaats Bayern niedergelegten linearen Interpolation entsprechen, sind den Bietern vor Angebotsabgabe in den Vergabeunterlagen bekannt zu machen (vgl. OLG München, Beschluss vom 21.05.2010 - Verg 2/10, IBR 2011, 535 = VPRRS 2010, 0446).*)
3. Hinsichtlich der Frage, wie Preise zulässigerweise im Rahmen von Gewichtungen und Wertungsformeln in Punkte umgerechnet werden dürfen, kann eine Erkennbarkeit im Sinn des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 2 und 3 GWB für den durchschnittlichen Bieter bei fehlenden diesbezüglichen Angaben in den Vergabeunterlagen nicht angenommen werden (Anschluss an OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.04.2015 - Verg 35/14, IBR 2015, 376 = VPR 2015, 185 ).*)
4. Für die ordnungsgemäße Dokumentation der Wertung der qualitativen Zuschlagskriterien durch ein Wertungsgremium muss im Regelfall entweder das Gremium insgesamt oder jedes einzelne Mitglied des Wertungsgremiums im Regelfall seine individuelle Punkteverteilung wenigstens kurz und stichwortartig schriftlich begründen. Haben drei von fünf Mitglieder des Wertungsgremiums keinerlei nachvollziehbare Notizen dahingehend hinterlassen, wie sie zu ihrer Bewertung gekommen sind, ist dies gemäß § 12 Abs. 1 VOF nicht ausreichend (siehe VK Südbayern, Beschluss vom 08.10.2013 - Z3-3-3194-1-26-08/13, IBRRS 2014, 0318 = VPRRS 2014, 0122).*)
VolltextVPRRS 2015, 0238
VK Westfalen, Beschluss vom 13.02.2015 - VK 2-2/15
Das Ersetzen eines vorhandenen, aber inhaltlich unzureichenden Nachweises durch die spätere Bezugnahme auf einen Nachweis zu einer anderen Ordnungsziffer ist eine unzulässigere Nachbesserung. Die nachgereichten Informationen (Nachweise) sollen vielmehr nur zur "Aufklärung" beitragen.*)
VolltextVPRRS 2015, 0234
VK Lüneburg, Beschluss vom 12.06.2015 - VgK-16/2015
1. Ein Bieter ist nur dann verpflichtet, geforderte Erklärungen und Nachweise vorzulegen, wenn der öffentliche Auftraggeber deren Vorlage wirksam verlangt hat. Der öffentliche Auftraggeber muss klar und eindeutig von den Bietern fordern, welche Unterlagen sie zu welchem Zeitpunkt vorlegen müssen.
2. Erklärungen oder Hinweise, die der öffentliche Auftraggeber nicht wirksam gefordert hat, sind für die Vollständigkeit des Angebots unerheblich. Das Fehlen solcher Angaben und Erklärungen bleibt für den betreffenden Bieter dementsprechend folgenlos.
VolltextVPRRS 2015, 0237
OLG München, Beschluss vom 08.07.2015 - Verg 4/15
Erklären die Beteiligten das Vergabenachprüfungsverfahren übereinstimmend für erledigt, findet eine Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen nicht statt. Die Beteiligten haben ihre jeweiligen Aufwendungen selbst zu tragen.
VolltextVPRRS 2015, 0206
VK Lüneburg, Beschluss vom 26.03.2014 - VgK-06/2014
1. Der Begriff der "bestmöglichen Leistungserbringung" in § 11 Abs. 6 Satz 2 VOF ist gleichbedeutend mit dem wirtschaftlichsten Angebot nach § 21 EG Abs. 1 VOL/A 2009, § 16 Abs. 6 Nr. 3 VOB/A 2012 und § 97 Abs. 5 GWB. Mit ihm kommt zum Ausdruck, dass der Wertungsvorgang nach der VOF nur begrenzt objektivierbar und von subjektiven Elementen geprägt ist.
2. Die für die Entscheidung über die Auftragserteilung maßgeblichen Zuschlagskriterien und ihre Unterkriterien sowie ihre Gewichtung sind den Bietern mit der Aufgabenbeschreibung, der Vergabebekanntmachung oder der Aufforderung zur Angebotsabgabe bekannt zu geben.
3. Enthält die Aufforderung zur Angebotsabgabe detaillierte Vorgaben für die Angebote und deren Präsentationen und werden mit den Kriterien und Unterkriterien auch die Schwerpunkte für Angebot und Präsentation gesetzt, besteht für die Bewertungskommission kein Anlass, in die Angebotspräsentation des Bieters korrigierend einzugreifen und ihm durch Nachfragen Gelegenheit zu geben, seinen schriftlichen und mündlichen Vortrag zu ergänzen und zu vertiefen.
VolltextVPRRS 2015, 0225
VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 09.09.2014 - 2 VK 14/14
1. Eine Rüge im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB muss nicht ausdrücklich als "Rüge" bezeichnet werden. Für eine wirksame Rüge ist es ausreichend, wenn hinreichend deutlich wird, welches konkrete Verhalten der Vergabestelle vom Bieter als vergaberechtswidrig angesehen wird.
2. Ein Nachprüfungsantrag ist unzulässig, wenn mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind. Dabei wird der Beginn der Ausschlussfrist nicht dadurch hinausgeschoben oder neu ausgelöst, dass der Bieter seine Rügen gegenüber dem Auftraggeber wiederholt.
3. Das Verbot der Zuschlagserteilung auf Unterkostenangebote dient grundsätzlich allein dem Schutz des Auftraggebers. Dieses Verbot ist nur ganz ausnahmsweise bieterschützend, nämlich dann, wenn davon auszugehen ist, dass ein Bieter ein Unterpreisangebot in der gezielten Absicht eingereicht hat, einen oder mehrere andere Bieter nicht nur aus dem betreffenden Vergabeverfahren, sondern ganz vom Markt zu verdrängen.
VolltextVPRRS 2015, 0221
VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 24.03.2014 - 2 VK 3/14
1. Wird das vom Auftraggeber vorgegebene Angebotsschreiben vom Bieter ordnungsgemäß unterschrieben und durch entsprechendes Ankreuzen ausdrücklich auf die Anlage "Vertragsformular Wartung" hingewiesen, kann das Angebot nicht wegen der fehlenden Unterzeichnung des Wartungsvertrags ausgeschlossen werden.
2. Das Verbot der Zuschlagserteilung auf Unterkostenangebote dient grundsätzlich nur dem Schutz des Auftraggebers, nicht dem Schutz der anderen Bieter. Nur wenn (ausnahmsweise) davon auszugehen ist, dass ein Bieter ein Unterpreisangebot in der gezielten Absicht eingereicht hat, einen oder mehrere andere Bieter ganz vom Markt zu verdrängen, ist dieses Verbot bieterschützend.
3. Es gehört zu den Dokumentationspflichten des Auftraggebers, in den Vergabeakten eindeutig den Zugangszeitpunkt nachgeforderter Erklärungen festzuhalten.
VolltextVPRRS 2015, 0224
LG Saarbrücken, Urteil vom 29.06.2015 - 4 O 141/15
1. Werden einem Vergabeverfahren unterhalb der Schwellenwerte - wie dies allgemein üblich ist - die Vorschriften der Vergabe- und Vertragsordnungen für Bauleistungen (VOB) zugrunde gelegt, ist der Ablauf des Verfahrens ebenso wie bei Erreichen der Schwellenwerte eingehend geregelt, woraus subjektive Rechte der Bieter folgen.
2. Droht bei einer Vergabe unterhalb der Schwellenwerte ein Vergaberechtsverstoß, kann der dadurch in seinen Rechten verletzte Bieter im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor den Zivilgerichten die Unterlassung der Zuschlagserteilung geltend machen.
3. Werden Preisermittlungsformblätter nicht ausgefüllt, ist das als fehlende Preisangabe anzusehen. Dies führt zum zwingenden Angebotsausschluss.
VolltextVPRRS 2015, 0229
VK Nordbayern, Beschluss vom 23.06.2015 - 21.VK-3194-08/15
1. Für die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages genügt der schlüssige Vortrag bzw. die konkrete Behauptung des Antragstellers, dass sein Angebot wertbar sei, und er bei zutreffendem Vorgehen der Vergabestelle den Zuschlag erhalten müsse. Zwar sind an die Darlegung des entstandenen oder drohenden Schadens im Sinne von § 107 Abs. 2 Satz GWB keine hohen Anforderungen zu stellen, aber ein Schadenseintritt darf nicht offensichtlich ausgeschlossen sein. Für einen schlecht platzierten Bieter bedeutet dies, dass er seine Antragsbefugnis nicht darzulegen vermag, sofern er nicht gegen die in der Rangfolge ihm vorgehenden Angebote konkrete Einwendungen vorzubringen hat. Ein Schaden muss schlüssig dargelegt und jedenfalls denkbar sein.*)
2. Stellt sich nach der Angebotsabgabe heraus, dass in einem Leistungsverzeichnis Positionen für den Bauauftrag nicht erforderlich sind, ist die VSt nicht berechtigt diese Positionen aus dem Leistungsverzeichnis herauszunehmen. Etwas anderes kann lediglich dann gelten, wenn die wegfallende Position mangels Erheblichkeit die Kalkulation nicht in einer die Angebotsreihenfolge ändernden Weise hätte beeinflussen können.*)
3. Bei einer Änderung des Beschaffungsbedarfs des öffentlichen Auftraggebers, die zu einer kalkulationserheblichen Reduzierung des ausgeschriebenen Leistungsumfangs führt, hat der Auftraggeber den Bietern in jeder Lage des Verfahrens Gelegenheit zu geben, auf diese Korrektur zu reagieren.*)
VolltextVPRRS 2015, 0215
VK Lüneburg, Beschluss vom 22.04.2015 - VgK-06/2015
Auch wenn ein Planer aus einem rechtswidrig nicht europaweit bekannt gemachten Planungswettbewerb als 1. Preisträger einen Anspruch darauf hat, dass die Vergabe des Auftrags ausschließlich mit ihm und den weiteren Preisträgern durchgeführt wird, kann dieser Anspruch nicht mehr vor der Vergabekammer geltend gemacht werden, wenn aus dem ursprünglich oberhalb des Schwellenwerts gelegenen Projekt bis zur Bekanntmachung des konkreten Auftrags ein Vertragsgegenstand wird, der bei ordnungsgemäßer Kostenschätzung den Schwellenwert von 207.000 Euro unterschreitet.
VolltextVPRRS 2015, 0207
VG Meiningen, Urteil vom 17.03.2015 - 2 K 174/13
1. § 71 Abs. 2 Nr. 4 ThürKO beinhaltet eine Drittschutzwirkung für private Konkurrenten wirtschaftlicher Betätigung von Gemeinden in Thüringen, jedenfalls soweit Bereiche außerhalb der Daseinsvorsorge betroffen sind.*)
2. Ein privates Wohnungsverwaltungsunternehmen kann von gemeindlichen Unternehmen verlangen, die Gebäude- und Objektverwaltung für private Auftraggeber zu unterlassen. Eine solche gemeindliche Betätigung stellt auch für eine hauptsächlich im Bereich der Daseinsvorsorge tätige kommunale Wohnungsgesellschaft keine "damit verbundene Dienstleistung im Sinne des § 71 Abs. 2 Nr. 4, 2. Halbsatz ThürKO dar.*)
VolltextVPRRS 2015, 0220
OLG Celle, Beschluss vom 11.06.2015 - 13 Verg 4/15
1. Ein Bieter ist leistungsfähig, wenn in technischer, kaufmännischer, personeller und finanzieller Hinsicht über die erforderlichen Mittel und Kapazitäten verfügt, die er zur ordnungsgemäßen und vertragsgemäßen Ausführung des ausgeschriebenen Auftrags benötigt.
2. Ein Unternehmen ist in finanzieller Hinsicht leistungsfähig, wenn es über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, die es ihm ermöglichen, seinen laufenden Verpflichtungen gegenüber seinem Personal, dem Staat und sonstigen Gläubigern nachzukommen).
3. Aus dem Umstand, dass sich aus dem Jahresabschluss eines Bieters ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag (hier: in Höhe von über 220.000 Euro) ergibt, folgt nicht, dass der Bieter finanziell nicht leistungsfähig ist oder war.
4. Die Entscheidung über die Auswahl der Kriterien, die bei der Entscheidung über den Zuschlag berücksichtigt werden, obliegt dem Auftraggeber. Der Auftraggeber hat allerdings für Gleichbehandlung und Transparenz Sorge zu tragen. Er muss Zuschlagskriterien festlegen, sie ordnungsgemäß bekanntgeben und die Bewertung nur anhand der vorgegebenen Kriterien vornehmen.
5. Die Festlegung und Gewichtung der Zuschlagskriterien nicht dazu führen, dass Kriterien faktisch keine Rolle mehr spielen (keine Nivellierung der Aushöhlung der Angebotsbewertung). Die Kriterien dürfen dem Zweck der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots nicht zuwiderlaufen und nicht willkürlich gesetzt oder sachfremd sein.
VolltextVPRRS 2015, 0212
VOB-Stelle Niedersachsen, Entscheidung vom 04.07.2014 - Fall 1716
Die Leistungsbeschreibungen innerhalb einer Ausschreibung sollen möglichst einheitlich erfolgen. Andernfalls kann eine unterschiedliche Leistungsbeschreibung innerhalb von Vorbemerkungen und Positionstext dazu führen, dass die Beschreibung nicht von allen Bietern gleich verstanden und interpretiert wird.
VolltextVPRRS 2015, 0204
VK Sachsen, Beschluss vom 18.03.2015 - 1/SVK/001-15
1. Enthält ein Vertrag zugleich Elemente eines Bauauftrags und solche eines Auftrags anderer Art, bestimmt sich die Rechtsnatur des Vertrages nach § 99 Abs. 10 Satz 2 GWB und der herrschenden Rechtsprechung nach der Hauptleistung, die der Auftragnehmer vertraglich schuldet.*)
2. Eine Verschlechterung der Zuschlagsaussichten infolge der Nichtbeachtung von Vergabevorschriften, bspw. durch die Wahl der falschen Vergabeart, genügt, um eine subjektive Rechtsverletzung anzunehmen und eine Rügepflicht auszulösen.*)
VolltextVOB-Stelle Niedersachsen, Entscheidung vom 28.05.2014 - Fall 1714
Hat der Auftragnehmer nach dem Leistungsverzeichnis eine Büro-Containeranlage und die Baustelleneinrichtung "für die gesamte Zeit der beauftragten Leistungen" vorzuhalten, besteht diese Verpflichtung für die Dauer der Gesamtbaustelle und nicht nur für den Zeitraum, in dem der Auftragnehmer seine Leistungen auszuführen hat.
VolltextVOB-Stelle Niedersachsen, Entscheidung vom 23.02.2015 - Fall 1721
1. Es ist Aufgabe des Auftraggebers, die Ergebnisse eines Bodengutachtens in das Leistungsverzeichnis zu übertragen und die Positionen entsprechend zu formulieren.
2. Das Ergebnis der Auslegung eines auf Grundlage einer öffentlichen Ausschreibung zustande gekommenen Bauvertrags wird nicht dadurch beeinflusst, dass der Auftragnehmer etwaige Unklarheiten der Ausschreibung nicht aufgeklärt hat.
VolltextVPRRS 2015, 0198
VK Lüneburg, Beschluss vom 06.02.2015 - VgK-49/2014
1. Die Bieter müssen davon ausgehen, dass der Auftraggeber die Leistung auch so angeboten haben will, wie er sie in den Vergabeunterlagen festgelegt hat.
2. Wollen oder können die Bewerber die Leistung nicht nach Maßgabe der Vergabeunterlagen anbieten, können sie Änderungsvorschläge oder Nebenangebote zu unterbreiten, sofern sie nicht vom Auftraggeber ausdrücklich ausgeschlossen wurden. Weicht der Bieter dagegen im Rahmen seines Angebots von den Vorgaben der Vergabeunterlagen ab, führt dies zum zwingenden Ausschluss seines Angebots.
3. Zur Beantwortung der Frage, ob ein Bieter im Angebot von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abgewichen ist, sind die Vergabeunterlagen aus der objektiven Sicht eines verständigen und fachkundigen Bieters, der mit der Erbringung der ausgeschriebenen Leistung vertraut ist, auszulegen.
VolltextIBRRS 2015, 1970
OLG Dresden, Urteil vom 26.05.2015 - 13 U 66/15
1. Gibt eine Auftragnehmerin zu erkennen, dass diese ihren Auftraggebern kein ungewöhnliches Wagnis zumuten will, ist damit gerade nicht ausgeschlossen, dass auch ein ungewöhnliches Wagnis infolge eines öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahrens Vertragsinhalt wird.
2. Eine Mehrvergütung kann allerdings erst dann ausgelöst werden, wenn die Verkehrsbehörde Maßnahmen anordnet, die nach den der Leistungsbeschreibung zu entnehmenden und nach den der Auftragnehmerin bekannten Umständen so ungewöhnlich sind, dass sie nach Treu und Glauben nicht vom Vertragssoll erfasst sein können.
VolltextVPRRS 2015, 0171
VK Südbayern, Beschluss vom 22.05.2015 - Z3-3-3194-1-13-02/15
1. Grundsätzlich gehört jeder Bieter, der sich wie die Antragstellerin durch Angebotsabgabe im Verfahren beteiligt hat zum Kreis der betroffenen Bieter im Sinne von § 101a GWB.*)
2. Ein Bieter, dessen Angebot ausgeschlossen wurde ist nur dann nicht mehr nach § 101a GWB zu informieren, wenn der Ausschluss dem betroffenen Bieter mitgeteilt wurde und entweder in einem Nachprüfungsverfahren als rechtmäßig anerkannt wurde oder keinem Nachprüfungsverfahren mehr unterzogen werden kann.*)
3. Die unzureichende Bekanntgabe von Mindestanforderungen an die Eignung muss ein Bieter nicht gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 oder 3 GWB rügen, da er von dieser nicht beschwert ist.*)
4. Aus Gründen der Transparenz der von den Bietern zu erfüllenden Anforderungen verlangt § 12 EG Abs. 2 Nr. 2 VOB/A i.V.m. Ziffer III.2 des EU-Standardformulars für Bekanntmachungen (Anhang II der Verordnung EU Nr. 842/2011), dass Vorgaben an die Eignung bereits in der Bekanntmachung genannt werden. Diese können in anderen Unterlagen, z. B. den Vergabeunterlagen, lediglich präzisiert, aber keinesfalls verschärft, erleichtert, zurückgenommen oder neu eingeführt werden.*)
5. Um dem Transparenzgebot und dem Diskriminierungsverbot zu genügen, muss eine Eignungsanforderung so hinreichend klar und deutlich formuliert sein, dass es einem verständigen Bieter ohne eigene Interpretation eindeutig erkennbar wird, was ein öffentlicher Auftraggeber fordert. Unklarheiten dürfen nicht zu Lasten eines Bieters gehen. Dabei ist der objektive Empfängerhorizont entscheidend.*)
VPRRS 2015, 0195
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.05.2015 - 1 S 383/14
1. Die Regelung in einer kommunalen Friedhofssatzung, dass nur Grabsteine verwendet werden dürfen, die nachweislich ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt sind, und dass der Nachweis mittels Zertifikat einer anerkannten Organisation erbracht wird, ist mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht vereinbar, wenn weder eine hinreichend gesicherte Verkehrsauffassung besteht, welche Zertifikate als vertrauenswürdig gelten können, noch eine zuständige staatliche Stelle Zertifikate als vertrauenswürdig anerkannt hat noch ausdrücklich unter Benennung der Zertifikate geregelt ist, welche Zertifikate als Nachweis ausreichen (Bestätigung der Senatsrechtsprechung, vgl. Urteil des Senats vom 29.04.2014 - 1 S 1458/12, IBRRS 2014, 4426 = VPRRS 2014, 0694).*)
2. Eine hinreichend gesicherte Verkehrsauffassung, welche Zertifikate über Grabsteine, die ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt sind, als vertrauenswürdig gelten können, ist derzeit nicht festzustellen.*)
VolltextVPRRS 2015, 0194
VK Südbayern, Beschluss vom 21.05.2015 - Z3-3-3194-1-08-02/15
1. Die Sperrung gem. § 8 SigG bewirkt, dass die durch das qualifizierte Zertifikat bestätigte Zuordnung des öffentlichen Signaturprüfschlüssels zum Signaturschlüssel-Inhaber ab dem Sperrzeitpunkt nicht mehr gilt.*)
2. Durch eine Sperrung nach § 8 SigG des qualifizierten Anwender-Zertifikats, das auf der Signaturkarte des Benutzers hinterlegt ist, wird nicht nur der Anscheinsbeweis des § 371a Abs. 1 S. 2 ZPO aufgehoben, sondern es kann nach der Eintragung des Sperrmerks nach § 7 Abs. 2 Satz 2 SigV keine qualifizierte digitale Signatur nach der Definition in § 2 Nr. 2 und Nr. 3 SigG mehr erstellt werden.*)
3. Eine nach der Sperrung dennoch erfolgte Signatur genügt nicht den gesetzlichen Formanforderungen des § 126a BGB oder § 13 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 VOB/A EG.*)
4. Eine Umdeutung einer unwirksamen qualifizierten digitalen Signatur gem. § 2 Nr. 3 SigG in eine formwirksame fortgeschrittene digitale Signatur gem. § 2 Nr. 2 SigG begegnet aus Gründen der Rechtssicherheit grundsätzlichen Bedenken und scheidet jedenfalls dann aus, wenn nicht sicher gewährleistet, dass die Signatur gem. § 2 Nr. 2c) und d) SigG mit Mitteln erzeugt wurde, die der Signaturschlüssel-Inhaber unter alleiniger Kontrolle halten kann und so mit den verbundenen Daten verknüpft ist, dass eine nachträgliche Veränderung der Daten erkannt werden kann.*)
5. Die Nachforderung einer digitalen Signatur gem. § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A EG nach Abgabe eines mit einer ungültigen digitalen Signatur versehenen Angebots kommt nicht in Betracht.*)
VolltextVPRRS 2015, 0177
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.01.2015 - Verg 31/14
1. Der öffentliche Auftraggeber kann von der zunächst getroffenen Festlegung, Nebenangebote nicht zuzulassen, abweichen und Nebenangebote nachträglich erlauben, wenn das Gebot der Gleichbehandlung der Bieter und die sich daraus ergebende Verpflichtung zur Transparenz beachtet wird.
2. Werden Hauptangebote in der Annahme erstellt, Nebenangebote seien zugelassen, kann davon ausgegangen werden, dass die Zulassung eines Nebenangebots auf die Erstellung des Hauptangebotes Einfluss ausgeübt hat. Wird die Zulassung von Nebenangeboten im Nachhinein nicht mehr aufrecht erhalten, sind die Bieter davon in transparenter Weise in Kenntnis zu setzen.
3. Wählt der Auftraggeber das ausfüllungsbedürftige Kriterium der Wirtschaftlichkeit, ohne dieses inhaltlich auszufüllen, müssen die Bieter nicht damit rechnen, dass die Zuschlagsentscheidung ausschließlich anhand des Preises erfolgt.
VolltextVPRRS 2015, 0193
VK Südbayern, Beschluss vom 15.05.2015 - Z3-3-3194-1-05-01/15
1. Zumindest für einen Bieter mit erheblichem technischem Sachverstand und guter Marktkenntnis ist eine verdeckte Produktvorgabe in den Vergabeunterlagen erkennbar und daher gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB zu rügen.*)
2. Eine Nachforderung fehlender Angaben des Fabrikats und Typs ist zumindest dann nicht ausgeschlossen, wenn der Preis einziges Zuschlagskriterium ist (Aufgabe der Rechtsprechung von Vergabekammer Südbayern B. v. 07.03.2014 - Az.: Z3-3-3194-1-02-01/14).*)
3. Die Pflicht zur Nachforderung gemäß § 16 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A betrifft nur fehlende Unterlagen, also Erklärungen und Nachweise, die vom Auftraggeber ordnungsgemäß zur Vorlage bis zur Angebotsabgabe gefordert worden sind.*)
4. Die Vergabestelle ist nicht befugt, von der gesetzlich festgelegten Frist des § 16 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A abzuweichen. Tut sie es allerdings dennoch und verlässt sich ein Bieter auf die von der Vergabestelle gesetzte längere Vorlagefrist, ist das Angebot dieses Bieters nicht zwingend auszuschließen, wenn er die nachgeforderten Unterlagen innerhalb der von der Vergabestelle gesetzten Frist, aber nach Ablauf der 6 Kalendertage des § 16 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A vorlegt.*)
5. Durch die Benennung der konkreten Fabrikate in der Produktabfrage konkretisiert der Bieter sein Angebot auf diese. Das Angebot ist gem. § 16 EG Abs. 1 Nr. 1 b i. V. m. § 13 EG Abs. 1 Nr. 5 VOB/A auszuschließen, wenn sich ein Bieter im Zuge der Angebotsprüfung bereits verbindlich auf bestimmte Hersteller und Typen festgelegt hat und diese von den aus dem Leistungsverzeichnis ersichtlichen Anforderungen abweichen.*)
VolltextVPRRS 2015, 0182
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.04.2015 - 3 VK LSA 6/15
1. Bei Unterschwellenvergaben im Land Sachsen-Anhalt hat der öffentliche Auftraggeber die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über den Namen des Bieters, dessen Angebot angenommen werden soll, und über die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebots zu informieren. Er gibt diese Information schriftlich, spätestens sieben Kalendertage vor dem Vertragsabschluss, ab (LVG-SA § 19 Abs. 1).
2. Die Nachprüfungsbehörde in Sachsen-Anhalt wird bei Unterschwellenvergaben nur tätig, wenn ein Bieter vor Ablauf der Frist schriftlich die Nichteinhaltung der Vergabevorschriften beanstandet und der öffentliche Auftraggeber der Beanstandung nicht abhilft (LVG-SA § 19 Abs. 2).
3. Voraussetzung für den Beginn der Frist ist die schriftliche Abgabe der Information durch den Auftraggeber. Auf den Zugang des Schreibens beim Bieter kommt es bei der Fristberechnung nicht an.
VolltextVPRRS 2015, 0439
LG Halle, Urteil vom 15.03.2015 - 4 O 114/14
Enthält ein Zuschlagsschreiben entgegen der Bestimmung des § 70 Abs. 1 GO-SA a.F. kein Dienstsiegel, ist der Bauvertrag schwebend unwirksam.
VolltextVPRRS 2015, 0190
EuGH, Urteil vom 16.06.2015 - Rs. C-593/13
1. Art. 51 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung niedergelegte Ausnahme vom Niederlassungsrecht nicht auf Zertifizierungstätigkeiten von Gesellschaften Anwendung findet, die Zertifizierungseinrichtungen sind.*)
2. Art. 14 Richtlinie 2006/123/EG ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach die Gesellschaften, die Zertifizierungseinrichtungen sind, ihren satzungsmäßigen Sitz im Inland haben müssen.*)
VolltextVPRRS 2015, 0188
VK Nordbayern, Beschluss vom 11.05.2015 - 21.VK-3194-04/15
1. Auf ein Angebot, welches den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses nicht in allen Punkten entspricht, darf der Zuschlag nicht erteilt werden, denn es fehlt an den für einen Vertragsschluss erforderlichen sich deckenden und sich entsprechenden Willenserklärungen. Ob dieser zwingende Ausschlussgrund unter den Ausschlussgrund des § 16 EG Abs. 1 Nr. 1b i.V.m. § 13 EG Abs. 1 Nr. 5 VOB/A 2012 in Form der unzulässigen Änderung an den Vergabeunterlagen oder unter einen nicht ausdrücklich in der VOB/A erwähnten zwingenden Ausschlussgrund subsumiert wird, ist zwar in der Rechtsprechung umstritten, kann im Falle eines offenen Abweichens vom Leistungsverzeichnis aber dahinstehen, da die Rechtsfolge in beiden Fällen gleich ist.*)
2. Zwar darf der öffentliche Auftraggeber nach § 15 EG Abs. 1 VOB/A 2012 nach Öffnung der Angebote nur über bestimmte Gegenstände Aufklärung verlangen, welche abschließend aufgezählt sind. Dies liegt daran, dass § 15 EG VOB/A 2012 lediglich der weiteren Information und Aufklärung dient, nicht aber der Abänderung eines einmal eingereichten Angebotes. Doch gerade dann, wenn der Auftraggeber die Ausschreibung produktneutral und ohne Abfrage von Fabrikaten gestaltet hat, besteht für ihn ein ureigenes Interesse an der Information über das angebotene Produkt, um sich mit dem konkreten Inhalt der abgegebenen Angebote vertraut zu machen und eine Vergleichbarkeit der Angebote herzustellen.*)
VolltextVPRRS 2015, 0186
VK Nordbayern, Beschluss vom 11.05.2015 - 21.VK-3194-10/15
1. Ein Unternehmen, das geforderte Erklärungen nicht, nicht vollständig oder nicht in der geforderten Form vorlegt, hat seine Eignung nicht nachgewiesen.*)
2. Nach § 6 EG Abs. 3 Nr. 1 VOB/A 2012 hat der öffentliche Auftraggeber die Fachkunde und Leistungsfähigkeit der Bieter zu prüfen. Für die Prüfung gibt § 6 EG Abs. 3 Nr. 2 VOB/A 2012 dem Auftraggeber das Recht, bestimmte Angaben zu verlangen, die Aufschluss über die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens geben können.*)
3. Die durch § 6 EG Abs. 3 Nr. 2 VOB/A 2012 errichtete Markteintrittshürde für Newcomer ist vergaberechtlich nicht zu beanstanden, weil dadurch sichergestellt werden kann, dass der Auftrag nur an ein Unternehmen vergeben wird, das auch tatsächlich in der Lage ist, den Auftrag auszuführen.*)
VolltextVPRRS 2015, 0176
VK Sachsen, Beschluss vom 10.03.2015 - 1/SVK/044-14
Ein Bieter kann sich zum Nachweis der Leistungsfähigkeit der Fähigkeiten anderer Unternehmer bedienen. Nicht möglich ist es allerdings, eine gesamtheitliche Referenzanforderung in einzelne Anforderungselemente aufzuteilen und diese durch Verweis auf Referenzobjekte verschiedener Unternehmen erfüllen zu wollen. Es ist nicht ausreichend, wenn mehrere Unternehmen lediglich Teilleistungen vorweisen können, die erst in einer Gesamtschau die Referenzanforderung insgesamt erfüllen.*)
VolltextVPRRS 2015, 0181
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20.04.2015 - 1 VK LSA 3/15
1. Erkennt der Auftraggeber erst bei Prüfung und Wertung der Angebote, dass alternative Montagekonzepte möglich sind und deshalb die Vergabeunterlagen geändert werden müssen, ist diese Einsicht das Ergebnis einer auftraggeberseitigen Fehleinschätzung. Als solche fällt sie in den Verantwortungsbereich des Auftraggebers und rechtfertigt keine Aufhebung der Ausschreibung.
2. Kalkulationsrelevante Auskünfte sind allen Bietern in gleicher Weise zu erteilen.
VolltextVPRRS 2015, 0174
VK Sachsen, Beschluss vom 21.11.2014 - 1/SVK/035-14
1. Bei der Frage, welche Eignungsanforderungen durch den Auftraggeber wirksam gefordert worden sind, ist auf die Vergabebekanntmachung abzustellen.*)
2. Die Anforderungen des Auftraggebers an die Eignungsnachweise müssen eindeutig und erschöpfend formuliert sein. Insoweit ist es nicht ausreichend, wenn der Auftraggeber in der Bekanntmachung lediglich ein Gesetzeszitat angibt, welches die gemeinte Norm zudem falsch zitiert.*)
VolltextVPRRS 2015, 0173
VK Sachsen, Beschluss vom 09.12.2014 - 1/SVK/038-14
1. Hat ein Auftraggeber bereits mit Angebotsabgabe die Benennung von Produkten und Fabrikaten abgefragt, so hat er dann auch vollständig zu prüfen, ob die angebotenen Produkte dem Leistungsverzeichnis entsprechen.*)
2. Die Vergabekammer wirkt unabhängig von den Anträgen, allerdings nicht unabhängig von einer Rechtsverletzung der Antragstellerin auf die Rechtmäßigkeit des Verfahrens hin.*)
VolltextVPRRS 2015, 0170
KG, Beschluss vom 27.01.2015 - Verg 9/14
1. Zu Fragen des Schwellenwerts, der Rügepflicht (§ 107 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GWB), der Auslegung von § 6 EG Abs. 7 VOB/A 2012 bzw. § 6 Abs. 6 VOL/A 2009 und der diesbezüglichen Darlegungs- und Beweislast.*)
2. Bei der Ermittlung des Auftragswerts sind all diejenigen Bauabschnitte einer Gesamtbaumaßnahme als Einheit zu betrachten, die ohne die jeweils anderen Bauabschnitte keine sinnvolle Funktionen erfüllen können, und zwar unabhängig davon, ob die einzelnen Bauabschnitte als eigenständiger Auftrag oder als Los eines Gesamtauftrags ausgeschrieben wurden.
3. Ein Bieter oder Bewerber, der zur Vorbereitung der Ausschreibung Prototypen der Ausschreibungsgegenstände hergestellt hat, „unterstützt“ den Auftraggeber.
4. Die Vergabestelle trägt die Darlegungs- und Beweislast für Ausgleichsmaßnahmen, die sie ergriffen hat, um den unverfälschten Wettbewerbs trotz des Erfahrungsvorsprungs des Unterstützers sicherzustellen.
VolltextVPRRS 2015, 0166
VK Hessen, Beschluss vom 30.04.2015 - 69d-VK-16/2015
1. Ein Grundsatz, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch einen öffentlichen Auftraggeber nur ausnahmsweise notwendig ist, existiert nicht.
2. Auch wenn es im Nachprüfungsverfahren primär nur um auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen geht, kann die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch einen öffentlichen Auftraggeber dennoch notwendig sein.
3. Aus der Bedeutung und dem Gewicht, den der Auftragsgegenstand für den öffentlichen Auftraggeber hat, kann folgen, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten notwendig ist. Das kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn der Auftragsgegenstand der Sicherung der Daseinsvorsorge dient.
VolltextVPRRS 2015, 0442
OLG München, Urteil vom 10.12.2013 - 28 U 732/11 Bau
1. Die Auffassung, der Baugrund sei vom Auftraggeber gestellter Baustoff, für dessen Beschaffenheit stets der Auftraggeber einzustehen habe, ist unzutreffend.
2. Auch wenn es um Bauverträge geht, deren Durchführung und Erfüllung von möglicherweise ungeklärten Bodenverhältnissen abhängen, sind die Hauptpflichten aus dem geschlossenen Werkvertrag entscheidend und somit vorrangig zu bestimmen.
3. Ein spezifisches Baugrundrisiko, das bedeuten würde, dass der Auftraggeber für dessen wie auch immer geartete Verwirklichung stets einzustehen hätte, gibt es nicht.
4. Auch öffentliche Auftraggeber können Verträge abschließen, die die Überbürdung eines sog. Bodenrisikos beinhalten.
VolltextIBRRS 2015, 1089
OLG Köln, Urteil vom 30.12.2014 - 17 U 83/13
1. Die Regelung des § 2 Abs. 3 VOB/B stellt für den Fall der Überschreitung der Massenansätze über 10% hinaus eine abschließende Regelung dar.
2. Für die Anwendung der Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (BGB § 313) ist neben § 2 Abs. 3 VOB/B grundsätzlich kein Raum. Etwas anderes kann gelten, wenn die Parteien eine bestimmte Menge zur Geschäftsgrundlage ihres Vertrags gemacht haben und diese überschritten wird. Allerdings ist dem Einheitspreisvertrag der Umstand immanent, dass eine Mengenänderung eintritt.
3. Hat der Auftragnehmer bewusst unter Wert kalkuliert, muss er sich auch bei der Vergütung der über 110% hinausgehenden Mehrmengen an den von ihm kalkulierten Ansätzen festhalten lassen.
VolltextVPRRS 2015, 0165
KG, Beschluss vom 18.12.2014 - Verg 21/13
1. Die (geforderte) Ersatzteilevorrätigkeit ist nicht gewährleistet, wenn der Hersteller keine Ersatzteile mehr produziert. Daran ändert der Umstand nichts, dass es noch baugleiche Bauteile anderer Hersteller am Markt gibt.
2. Verlangt der Auftraggeber den Nachweis, dass die Ersatzteilversorgung noch für 15 Jahre sichergestellt sein muss, genügt es nicht, wenn der Bieter die Versorgung mit Ersatzteilen schlicht zusagt. Das gilt jedenfalls dann, wenn dem Auftraggeber konkrete Anhaltspunkt bekannt gemacht werden, wonach die Ersatzteilversorgung herstellerseits gerade nicht gesichert ist.
VolltextVPRRS 2015, 0162
OLG München, Beschluss vom 14.01.2015 - Verg 15/14
1. Hat sich eine Bietergemeinschaft am Vergabeverfahren beteiligt und ein Angebot abgegeben, ist die Bietergemeinschaft das Unternehmen, das ein Interesse am Auftrag hat und damit in einem Vergabenachprüfungsverfahren antragsbefugt ist.
2. Das Institut der gewillkürten Prozessstandschaft findet sowohl im Rüge- als auch im Nachprüfungsverfahren Anwendung. Prozessuale Voraussetzung hierfür ist, dass der Antragsteller zur Geltendmachung der Rechte ermächtigt wurde und dass er ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Durchführung des Rüge- bzw. Nachprüfungsverfahrens im eigenen Namen hat. Darüber hinaus muss der Antragsteller offen legen, dass er im eigenen Namen fremde Rechte geltend macht.
VolltextVPRRS 2015, 0160
VK Westfalen, Beschluss vom 16.04.2015 - VK 2-9/15
1. Wertbare Referenzen müssen vergleichbare Leistungen zum Gegenstand haben. Vergleichbar ist eine Referenzleistung mit der ausgeschriebenen Leistung, wenn sie dieser soweit ähnelt, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit der Bieters für die ausgeschriebene Leistung eröffnet.
2. Hat ein Bieter nur begrenzte Erfahrung bei Arbeiten mit schwach gebundenem Asbest und geringen Schadstoffanteilssummen und zweifelt der öffentliche Auftraggeber deshalb daran, dass der Bieter dazu in der Lage ist, ein erheblich schadstoffkontaminiertes Gebäudes zügig und ohne gesundheitliche Gefährdungen umzubauen, kann der Auftraggeber das Angebot mangels Eignung von der Wertung ausschließen.
VolltextVPRRS 2015, 0155
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25.03.2015 - 3 VK LSA 8/15
1. Der Auftraggeber darf sich über die Angemessenheit der Preise, wenn nötig durch Einsicht in die vorzulegenden Preisermittlungen (Kalkulationen), unterrichten.
2. Verweigert ein Bieter die geforderten Aufklärungen und Angaben oder lässt er die ihm gesetzte Frist unbeantwortet verstreichen, kann sein Angebot unberücksichtigt bleiben.
VolltextVPRRS 2015, 0154
VK Westfalen, Beschluss vom 26.01.2015 - VK 24/14
1. Widersprüchliche oder unklare Erklärungen stehen fehlenden Erklärungen gleich.*)
2. Inhalte der Urkalkulation können nicht als Erklärungsgehalt herangezogen werden, denn die Urkalkulation wird nicht Vertragsbestandteil.*)
VolltextVPRRS 2015, 0153
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16.03.2015 - 3 VK LSA 5/15
1. Wird eine Leistung angeboten, die nicht der nach den Vergabeunterlagen geforderten Leistung entspricht, stellt dies eine Änderung der Vergabeunterlagen dar, die zwingend den Ausschluss zur Folge hat.
2. Werden im Leistungsverzeichnis Torzargen aus Profilstahl gefordert und wird eine Holzrahmenkonstruktion angeboten, ist das Angebot auszuschließen.
VolltextIBRRS 2015, 0921
OLG Köln, Urteil vom 26.06.2012 - 15 U 223/11
1. Die Anordnung zur Ausführung einer geänderten oder zusätzlichen Leistung muss eindeutig verpflichtend sein und ein dem Auftraggeber zurechenbares Verhalten im Sinne einer einseitigen Einwirkung auf den Auftragnehmer darstellen. Die alleinige Entgegennahme der Arbeiten stellt keine Anordnung dar.
2. Durch die bloße Entgegennahme der Leistung oder ein gemeinsames Aufmaß werden auftragslos erbrachte Arbeiten nicht nachträglich als vergütungspflichtig anerkannt.
3. Für eine unverzügliche Anzeige auftragsloser Leistungen im Sinne des § 2 Nr. 8 Abs. 2 VOB/B ist es ausreichend, wenn der Auftragnehmer die nicht beauftragten Leistungen nach Art und Umfang so beschreibt, dass der Auftraggeber rechtzeitig informiert wird und er so die Möglichkeit hat, billigere Alternativen zu wählen.
4. Weicht der Auftragnehmer eigenmächtig von den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses ab, verletzt er dadurch die ihm vertraglich obliegenden Verpflichtungen. In einem solchen Fall besteht kein Anspruch auf Vergütung oder Aufwendungs- bzw. Wertersatz.
VolltextVPRRS 2015, 0152
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25.03.2015 - 3 VK LSA 7/15
1. Die Nachforderung von Unterlagen ist dann zulässig, wenn diese gänzlich fehlen, nicht aber bei Unterlagen, die unvollständig ausgefüllt sind.
2. Werden in den Vergabeunterlagen Nachweise zur Preisermittlung gefordert, sind solche Nachweise für die Vergabeentscheidung relevant. Ein Nachholen von Angaben der körperlich vorliegenden, jedoch nicht ausgefüllten Preisblätter unterliegen deshalb nicht der Nachforderungspflicht durch den Auftraggeber.
VolltextIBRRS 2015, 0918
OLG Köln, Urteil vom 13.11.2012 - 24 U 125/11
1. Wird ein bestimmtes Risiko (hier: die gegenüber den Angaben im Baugrundgutachten erhöhte Wasserdurchlässigkeit des Bodens) durch eine eindeutige vertragliche Regelung auf den Auftragnehmer verlagert (sog. "offene Risikozuweisung"), ist für eine VOB/A-konforme Auslegung der Leistungsbeschreibung kein Raum.
2. Die VOB/A enthält kein zwingendes Vertragsrecht. Verstößt der Auftraggeber erkennbar gegen das Gebot, dem Auftragnehmer kein ungewöhnliches Wagnis aufzubürden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise er nicht im Voraus schätzen kann, kann der Auftragnehmer keine Mehrvergütung verlangen, wenn sich das auf ihn übertragene Risiko während der Ausführung realisiert.
3. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens im Rahmen der Vertragsauslegung bedarf es nur dann, wenn es um Fragen der Fachsprache, Üblichkeiten oder Verkehrssitte geht. Sofern keine erläuterungsbedürftigen Begriffe verwendet werden, ist die Auslegung der Leistungsbeschreibung eine Rechtsfrage, die einer Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht zugänglich ist.
VolltextVPRRS 2015, 0150
VK Bund, Beschluss vom 25.03.2015 - VK 2-15/15
1. Bei einer produktneutralen Ausschreibung wird grundsätzlich die Lieferung eines Geräts mittlerer Art und Güte geschuldet. Das gilt jedoch dann nicht (mehr), wenn der Bieter im Rahmen der Aufklärung den Leistungsgegenstand konkretisiert hat.
2. Die vergaberechtlichen Grenzen der Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers sind eingehalten, wenn eine bestimmte (technische) Vorgabe darauf zurückzuführen ist, dass der Auftraggeber zur Wahrung arbeitsstättenrechtlichen Vorgaben auf „Nummer sicher“ gehen möchte und sein Planer deshalb ein bestimmtes System herausgearbeitet hat.
VolltextVPRRS 2015, 0102
VK Sachsen, Beschluss vom 12.01.2015 - 1/SVK/033-14
1. Hat der Auftraggeber erst im Vergabenachprüfungsverfahren tragende Gründe für die Nichtberücksichtigung eines Angebots mitgeteilt, so ist er seinen Informationspflichten aus § 101a GWB nicht nachgekommen.
2. Der Antragsteller war aufgrund der fehlenden Informationen vor der Beantragung im Unklaren über den Grund eines zwingenden Ausschlusses und damit über die Erfolgsaussichten seines Nachprüfungsantrags.
3. Es entspricht daher der Billigkeit, dem Auftraggeber bei einer Antragsrücknahme die Kosten des Verfahrens zumindest teilweise aufzuerlegen.
VolltextVPRRS 2015, 0146
VK Bund, Beschluss vom 25.03.2015 - VK 2-23/15
1. Wird in einem Verhandlungsverfahren für das finale Angebot keine Angebotsfrist im Sinne eines Eröffnungstermins bekannt gegeben, sondern vielmehr eine (bloße) Angebotsfrist bestimmt, führt deren Nichteinhaltung durch die verspätete Absendung nach Mitternacht zum Ausschluss des Angebots.
2. Ein als eingescanntes PDF-Dokument abgegebenes und nicht unterschriebenes Angebot ist zwingend auszuschließen.
3. Sind allein in Deutschland vier Unternehmen grundsätzlich in der Lage, Produkte zu liefern, die den Vorgaben des Auftraggebers entsprechen, und soll dies darüber hinaus einer Reihe italienischer Hersteller möglich sein, liegt keine Bevorzugung eines bestimmten Systems/Unternehmens vor.
VPRRS 2015, 0143
VG Düsseldorf, Beschluss vom 24.03.2015 - 20 K 6764/13
1. Eine gegenüber einem Bieter ausgesprochene Vergabesperre kann als Verwaltungsakt zu qualifizieren sein. In diesem Fall ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet.
2. Die VOB/A enthält keine Vorschrift, die als Ermächtigungsgrundlage für den Ausschluss eines Bieters durch Verwaltungsakt herangezogen werden kann.
3. Im sog. Unterschwellenbereich sind Vergabesperren als "privatrechtliche Willensbekundung" anzusehen, die in materieller Hinsicht dem bürgerlichen Recht zuzuordnen sind.
4. Der Einbau von fehlerhaftem (hier: kontaminiertem) Material kann einem Bieter nur dann als eine "schwere Verfehlung" vorgeworfen werden, wenn er wusste oder hätte wissen können, dass das von ihm verbaute Material mangelhaft ist. Denn eine "schwere Verfehlung" setzt ein schuldhaftes Verhalten des betroffenen Bieters voraus.
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