Vergabepraxis & -recht.

Volltexturteile nach Sachgebieten
5421 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2012
VPRRS 2012, 0315
BGH, Urteil vom 06.09.2012 - VII ZR 193/10
1. Erteilt der Auftraggeber in einem öffentlichen Vergabeverfahren über Bauleistungen den Zuschlag auf das Angebot des Bieters unter Herausnahme einzelner Leistungen, ohne dass dies in der Ausschreibung so vorgesehen ist, liegt darin gemäß § 150 Abs. 2 BGB die Ablehnung des Angebots verbunden mit einem neuen Angebot des Auftraggebers.*)
2. Enthält das neue Angebot wegen der Verzögerung des Vergabeverfahrens eine neue Bauzeit und bringt der Auftraggeber eindeutig und klar zum Ausdruck, dass er den Vertrag mit diesen Fristen zu dem angebotenen Preis bindend schließen will, kann es nicht dahin ausgelegt werden, der Zuschlag sei auf eine Leistung zur ausgeschriebenen Bauzeit erteilt worden (Fortführung von BGH, Urteile vom 22. Juli 2010 - VII ZR 213/08, BGHZ 186, 295 und VII ZR 129/09, BauR 2010, 1929 = NZBau 2010, 628 = ZfBR 2010, 810; Urteil vom 25. November 2010 - VII ZR 201/08, BauR 2011, 503 = NZBau 2011, 97 = ZfBR 2011, 235).*)
3. Ein solches modifiziertes Angebot des Auftraggebers kann regelmäßig nicht dahin ausgelegt werden, dass stillschweigend das Angebot unterbreitet wird, die Vergütung wegen dem Auftragnehmer infolge der Bauzeitänderung etwa entstehender Mehrkosten in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B anzupassen.*)
4. Nimmt der Bieter das modifizierte Angebot an, muss er die Leistung in der neuen Bauzeit zu den vereinbarten Preisen erbringen.*)

VPRRS 2012, 0310

VK Bund, Beschluss vom 27.08.2012 - VK 1-88/12
Allein der Verweis auf das Formblatt 124 (Eigenerklärung zur Eignung) in der Vergabebekanntmachung stellt keine wirksame Forderung der Eignungsnachweise dar. Ein Angebotsausschluss darf im Falle der Nichterfüllung der Eignungsanforderungen darauf nicht gestützt werden.

VPRRS 2012, 0308

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.03.2012 - 1 VK 06/12
1.) Der Auftraggeber kann Mängel eines Informationsschreibens nach § 101 a GWB noch vor Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens oder auch erst im Laufe des Nachprüfungsverfahrens heilen.*)
2.) Gerade bei einer Maßnahme, welche spezielle Qualifikationen abverlangt (hier: Asbestsanierung bei laufendem Betrieb einer Universitätsbibliothek), durfte die Antragstellerin nicht davon ausgehen, dass sich die Vergabestelle ein abschließendes Bild über die Eignung machen kann, ohne die Nachunternehmen geprüft zu haben.*)
3.) Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens ist die Feststellung, ob die Vergabestelle zum Zeitpunkt der Eignungsprüfung ihren Wertungsspielraum eingehalten hat. Bei schwierigeren Leistungen wird in der Regel verlangt, dass der Bieter bereits vergleichbare Leistungen erbracht hat. Die Vergabestelle kann sich auf die Auswahl der Referenzen durch den Antragsteller grundsätzlich verlassen und muss sich zudem - auch unter dem Gesichtspunkt der Beschleunigung - auf telefonische Angaben und verfügbare Schriftstücke verlassen dürfen.*)

VPRRS 2012, 0304

VK Münster, Beschluss vom 02.05.2012 - VK 5/12
1. Mengenansätze in den einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses sind grundsätzlich Umstände, die Auswirkungen auf die Preise haben. In unzutreffenden Mengenangaben liegt aber nur dann ein Vergaberechtsverstoß, wenn ein ordnungsgemäßes Leistungsverzeichnis mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu einem anderen als dem tatsächlichen Wettbewerbsergebnis geführt hätte.
2. Die Vergabestelle darf den Leistungsumfang vor Zuschlagserteilung zumindest geringfügig ändern. Kalkulationsrelevante Änderungen an der Leistungsbeschreibung darf eine Vergabestelle aber nicht einseitig vornehmen, sondern muss den Bietern die Möglichkeit zur "Nachkalkulation" geben.

VPRRS 2012, 0301

VK Lüneburg, Beschluss vom 23.07.2012 - VgK-23/2012
1. Die Bieter müssen grundsätzlich davon ausgehen, dass der Auftraggeber die Leistung so angeboten haben will, wie er sie in den Vergabeunterlagen festgelegt hat. Wollen oder können die Bewerber die Leistung nicht nach Maßgabe der Vergabeunterlagen anbieten, steht es ihnen frei, Änderungsvorschläge oder Nebenangebote zu unterbreiten, sofern sie nicht vom Auftraggeber ausdrücklich ausgeschlossen wurden.
2. Weicht der Bieter im Rahmen seines Angebots von den Vorgaben der Vergabeunterlagen ab, so führt dies zum zwingenden Ausschluss des Angebots.

VPRRS 2012, 0300

VK Münster, Beschluss vom 26.07.2012 - VK 17/12
1. Zu den Anforderungen an die Prüfung der Gleichwertigkeit von Angeboten, die statt des Richtprodukts ein anderes Produkt benennen.*)
2. Die Vergabestelle kann ihre Beurteilungsentscheidung wieder aufnehmen, wenn im laufenden Nachprüfungsverfahren neue Gesichtspunkte und Erklärungen vom Antragsteller vorgetragen werden.*)

VPRRS 2012, 0297

OLG Koblenz, Beschluss vom 22.06.2012 - 5 U 497/12
Der gekündigte Auftragnehmer kann entgegen des Wortlauts von § 8 Abs. 3 Nr. 4 VOB/B nicht die Übersendung der Abrechnung mit dem Dritten verlangen, wenn sein Kontroll- und Informationsinteresse anderweitig hinreichend befriedigt ist.

VPRRS 2012, 0440

VK Hessen, Beschluss vom 27.06.2012 - 69d-VK-21/2012
1. Der Nachweis der Eignung eines Bieters wird durch Vorlage eines Präqualifikationszertifikats erbracht, wenn keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, die Zweifel am Präqualifizierungsverfahren begründen.*)
2. Die Gewährung von Akteneinsicht im Nachprüfungsverfahren richtet sich danach, ob und inwieweit die Akteneinsicht gerade für das Nachprüfungsverfahren relevant ist. Soweit diese Relevanz nicht gegeben ist, ist die Akteneinsicht zu versagen.*)

VPRRS 2012, 0295

OLG München, Beschluss vom 10.09.2012 - Verg 17/12
1. Im Falle der Erledigung des Nachprüfungsantrages hat es nicht mit der Halbierung der Gebühr gemäß § 128 Abs. 3 Satz 4 GWB sein Bewenden. Die Vergabekammer muss in diesem Fall zusätzlich gemäß § 128 Abs. 3 Satz 5 GWB darüber entscheiden, welcher Beteiligte die halbierte Gebühr zu tragen hat.*)
2. Die Regelung des § 128 Abs. 3 Satz 5 GWB ist im Rahmen von § 128 Abs. 4 GWB nicht entsprechend anwendbar.*)

VPRRS 2012, 0294

VK Lüneburg, Beschluss vom 02.08.2012 - VgK-24/2012
1. Die Präklusionsregel des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB ist auch unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des EuGH (IBR 2010, 159) nach wie vor grundsätzlich anwendbar.
2. Die Beantwortung der Frage, ob eine Rüge noch unverzüglich nach positiver Kenntniserlangung erfolgt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Grundsätzlich muss die Rüge innerhalb von 1-3 Tagen erfolgen.
3. Nebenangebote sind Angebote, mit denen die Leistung anders als in der Leistungsbeschreibung nachgefragt, offeriert wird. Die Änderung kann technischer Art sein, die Bauzeit oder Zahlungsmodalitäten betreffen.
4. Neben der Möglichkeit, Nebenangebote ausnahmsweise nur in Verbindung mit einem Hauptangebot zuzulassen, kann der Auftraggeber auch zwischen Nebenangeboten differenzieren und z. B. nur technische oder nur kaufmännische Nebenangebote zulassen bzw. diese auf bestimmte Teile der Leistung oder der Vertragsbedingungen beschränken. Notwendig ist dabei allerdings immer eine ausreichende begriffliche Klarstellung.
5. Aus der Festlegung des Auftraggebers, dass Nebenangebote für die Gesamtleistung zugelassen werden, folgt nicht, dass nur solche Nebenangebote berücksichtigt werden dürfen, die sämtliche Positionen des Leistungsverzeichnisses abändern oder zumindest im Einzelnen vollständig aufführen. Der Bieter darf sich deshalb auf die Beschreibung der Positionen des Amtsentwurfs beschränken, die durch das Nebenangebot abgeändert werden. Sofern ein Nebenangebot das Hauptangebot nur zum Teil ersetzt oder verändert, muss der Bieter allerdings darüber hinaus darlegen, welche Teile des Hauptangebots unverändert weiter gelten sollen.

VPRRS 2012, 0293

OLG München, Beschluss vom 28.08.2012 - Verg 11/12
Im Rahmen der Rechtmäßigkeitsprüfung der Aufhebung kann sich der Auftraggeber nicht auf einen Aufhebungsgrund berufen, den er selbst schuldhaft herbeigeführt hat.*)

VPRRS 2012, 0287

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.08.2012 - Verg 10/12
1. Eine Bereichsausnahme nach § 100 Abs. 2 Buchst. d GWB (a. F.) ist von den Vergabenachprüfungsinstanzen unabhängig davon zu prüfen, ob sich der öffentliche Auftraggeber darauf beruft.*)
2. Die Ausnahmetatbestände nach § 100 Abs. 2 Buchst. d Unterbuchst. bb bis cc GWB (a. F.) erfordern eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durch den Auftraggeber.*)
3. Nach EuGH, Urteil vom 11.1.2005 - C-26/03, Stadt Halle, herrscht ein materielles Verständnis vom Beginn des Vergabeverfahrens. Auf Formalitäten (hier eine Angebotsaufforderung) ist nicht abzustellen.*)
4. Bei der Beschaffungsentscheidung für ein bestimmtes Produkt, eine Herkunft, ein Verfahren oder dergleichen ist der öffentliche Auftraggeber im rechtlichen Ansatz ungebunden. Die Auswahl des Beschaffungsgegenstands unterliegt der Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers.*)
5. Die Bestimmung des Auftraggebers hat jedoch die durch § 8 Abs. 7 VOL/A-EG, Art. 23 Abs. 8 Richtlinie 2004/18/EG gezogenen Grenzen zu beachten.*)
6. Die Bestimmung ist danach hinzunehmen, sofern
- sie durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist,
- vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist,
- solche Gründe tatsächlich vorhanden (festzustellen und notfalls erwiesen) sind,
- und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert.*)
7. Zum Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb wegen technischer Besonderheiten.*)
8. Bei Gesamtvergabe hat der Auftraggeber eine Einschätzungsprärogative, die lediglich bei einer groben, nicht mehr vertretbaren Fehleinschätzung zu beanstanden ist.*)

VPRRS 2012, 0286

VK Bund, Beschluss vom 23.07.2012 - VK 3-81/12
1. Auch im Verhandlungsverfahren mit vorangehendem Teilnahmewettbewerb trifft den Bieter die Obliegenheit, bei der Abgabe seines Angebotes zumindest die vom Auftraggeber aufgestellten Mindestanforderungen zu beachten und sein Angebot gemäß den Anforderungen abzugeben.
2. Weicht der Bieter mit seinem Angebot von den gestellten Mindestanforderungen ab, ist das Angebot vom Vergabeverfahren auszuschließen.

VPRRS 2012, 0284

OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.07.2012 - 11 Verg 6/12
1. Zum Verständnis des Begriffs Skonto in Vergabeunterlagen aus der Sicht eines durchschnittlich erfahrenen Bieters.*)
2. Stehen mehrere Angebote auf der Grundlage eines unterschiedlichen, aber jeweils noch vertretbaren Verständnisses der Vergabeunterlagen im Wettbewerb und scheidet auch eine Verletzung einer Nachfrageobliegenheit der Bieter aus, so kann eine vergaberechtliche Angebotswertung auf dieser Grundlage nicht erfolgen.*)
3. Der Vergabesenat hat die Intransparenz der Vergabeunterlagen von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn andernfalls eine den Grundsätzen der Transparenz, der Gleichbehandlung und des Wettbewerbs genügende Vergabeentscheidung nicht ergehen könnte.*)

VPRRS 2012, 0283

KG, Beschluss vom 14.08.2012 - Verg 8/12
1.) a) Eine im Vergabeverfahren zum Angebotsausschluss führende "Mischkalkulation" liegt allenfalls dann vor, wenn (1.) der Bieter in seinem Angebot einen bestimmten Positionspreis niedriger angibt als dies nach seiner diesbezüglichen internen Kalkulation - d.h. der Summe aus im Wesentlichen den mutmaßlichen positionsbezogenen Kosten und dem angestrebten, positionsbezogenen Gewinn des Bieters - angemessen wäre, während (2.) der Bieter einen anderen Positionspreis höher angibt, als dies nach seiner internen Kalkulation angemessen wäre, und (3.) diese Auf- und Abpreisung in einem von dem Bieter beabsichtigen, kausalen Zusammenhang steht.*)
b) Die objektive Beweislast für das Vorliegen dieser Voraussetzungen trägt jedenfalls im Ausgangspunkt die Vergabestelle.*)
c) Zum Zwecke des Nachweises kann die Vergabestelle im Verdachtsfalle dem Bieter aufgeben, seine Kalkulation darzulegen bzw. den Hintergrund der Auf- und Abpreisung zu erläutern. Hat die Vergabestelle nur unspezifisch um Darlegung der "Kalkulation" bzw. "Kalkulationsansätze" gebeten, so rechtfertigt eine Antwort des Bieters, die jedenfalls nicht weniger spezifisch ausfällt, den Ausschluss des Angebotes dieses Bieters nicht.*)
2.) Der bloße Umstand, dass der Bieter im Laufe eines Verhandlungsverfahrens ein überarbeitetes Angebot abgibt, in dem eine Preisposition gegenüber seinem vorherigen Angebot höher und eine andere Preisposition niedriger ausfällt, rechtfertigt nicht die Annahme, dass die Tatbestandsvoraussetzungen einer Mischkalkulation erfüllt sind.*)
3.) Der Senat lässt offen, welche Anforderungen im Einzelnen an den Nachweis des Vorliegens einer Mischkalkulation zu stellen sind und ob eine ggf. nachgewiesene Mischkalkulation in jedem Fall den Angebotsausschluss rechtfertigt. In Bezug auf beide Fragen hält der Senat - wie die deutliche Mehrheit der Oberlandesgerichte - allerdings eine weitgehende Großzügigkeit zu Gunsten des Bieters für geboten.*)

VPRRS 2012, 0281

VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 28.10.2011 - VK-SH 16/11
Für die Erfüllung der Rügeobliegenheit ist grundsätzlich der Bieter darlegungs- und beweispflichtig. Bleibt auch unter Einbeziehung der möglichen Erkenntnisquellen offen, ob ein Bieter gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber gerügt hat, geht dies zu Lasten des Rügepflichtigen.*)

VPRRS 2012, 0280

OLG Jena, Urteil vom 25.05.2010 - 5 U 622/09
1. Das Baugrundrisiko realisiert sich, wenn die tatsächlichen Bodenverhältnisse nicht mit den Vorgaben des Baugrundgutachtens übereinstimmen. Die Vertragspartei, die das Baugrundrisiko trägt, muss auch den mit der Abweichung zwischen tatsächlichen und beschriebenen Bodenverhältnissen verbundenen finanziellen Mehraufwand tragen.
2. Grundsätzlich trägt der Auftraggeber das Baugrundrisiko, weil es sich beim Baugrund um einen von ihm zur Verfügung zu stellenden Stoff handelt. Das Baugrundrisiko kann durch Vertrag wirksam auf den Auftragnehmer übertragen werden. Die Übertragung des Baugrundrisikos ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers nur dann unwirksam, wenn dem Auftragnehmer dadurch Ansprüche abgeschnitten werden, die sich durch Erschwernisse ergeben, die erst nach Abgabe des Angebots erkennbar werden.
3. Wird das Baugrundrisiko auf den Auftragnehmer übertragen und trifft das Baugrundgutachten keine Aussage zu den Bodenverhältnissen am Standort eines vom Auftragnehmer selbst örtlich zu bestimmenden Traggerüsts, trägt der Auftragnehmer das Risiko, dass die tatsächlichen von den erwarteten Bodenverhältnissen abweichen. In einem solchen Fall muss der Auftragnehmer eigene Baugrunduntersuchungen veranlassen.

VPRRS 2012, 0276

VK Sachsen, Beschluss vom 11.04.2012 - 1/SVK/005-12
1. Ein falsches Verständnis der Vergabeunterlagen führt nicht zu einer Rügeobliegenheit bis zum Ende der Angebotsfrist. Sind die bekannt gegebenen Wertungskriterien aus Sicht des Bieters eindeutig und von dem Auftraggeber lediglich falsch angewandt worden, ist der Bieter mit diesem Vortrag nicht nach § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert.*)
2. Rügen, die nach Dienstschluss bei der Vergabestelle eingehen, sind der Vergabestelle erst am nächsten Arbeitstag zugegangen.*)
3. Findet sich lediglich im Leistungsverzeichnis ein Hinweis auf ein Wertungskriterium, kann dieses Kriterium nicht in die Wertung mit einbezogen werden.*)
4. Wartungskosten können mit im Rahmen des Wertungskriteriums "Preis" gewertet werden, wenn die Wartungsleistungen mit Gegenstand der Ausschreibung sind. Wird der Wartungsvertrag gleichzeitig mit der Installation der technischen Anlagen ausgeschrieben, so handelt es sich nicht um klassische Nebenkosten im Sinne des § 16 Abs. 6 Nr. 3 VOB/A, sondern vielmehr um eine im Rahmen der Ausschreibung selbst mit zu beschaffende Leistung.*)

VPRRS 2012, 0273

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.02.2009 - Verg 65/08
1. Die Nichtbeachtung einer im Vertrag verabredeten Trennung der bei Abbrucharbeiten anfallenden Stoffe begründen Zweifel an der Zuverlässigkeit des Bieters, die es rechtfertigen, ihn von der Vergabe der Restarbeiten auszunehmen.
2. Fehlerhafte Preisangaben dürfen vom Auftraggeber als Zeichen der Unzuverlässigkeit des betreffenden Bieters gewertet werden.

VPRRS 2012, 0271

BGH, Urteil vom 05.06.2012 - X ZR 161/11
Einem (potenziellen) Bieter steht gegen den öffentlichen Auftraggeber kein aus bürgerlich-rechtlichen Vorschriften herzuleitender Anspruch darauf zu, die Verwendung bestimmter als vergaberechtswidrig erachteter Vergabebedingungen in etwaigen zukünftigen Vergabeverfahren zu unterlassen (Fortführung von BGH, Urteil vom 11. September 2008 - I ZR 74/06, BGHZ 178, 63 bundesligakarten.de).*)

VPRRS 2012, 0269

OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.06.2012 - 11 Verg 12/11
1. Die geforderten Nachweise sind - schon in der Bekanntmachung - möglichst konkret zu benennen, damit die interessierten Bieter frühzeitig erkennen können, ob für sie die Abgabe eines Angebots in Frage kommt.
2. Ist die Vorlage bestimmter Bescheinigungen überhaupt nicht erforderlich, so stellt die Vorlage nicht mehr aktueller Bescheinigungen keinen zwingenden Ausschlussgrund dar.
3. Als fehlende Preisangabe ist eine Auslassung oder eine Angabe mit unbestimmtem Bedeutungsgehalt zu werten.
4. Ob ein Bieter die Vorgaben der Verdingungsunterlagen für falsch oder unzweckmäßig hält, weil die danach ermittelte Vortriebsbauzeit länger als die tatsächliche Bauzeit wäre, ist unbeachtlich und berechtigt ihn nicht, von den Vorgaben in den Vergabeunterlagen abzuweichen.
5. Ob die Verdingungsunterlagen im Angebot abgeändert worden sind, ist durch einen Vergleich des Inhalts des Angebots mit den Verdingungsunterlagen festzustellen.
6. Die Auslegung eines Angebots hat auch zu berücksichtigen, dass ein Bieter den Zuschlag erhalten und deshalb im Zweifel ein ausschreibungskonformes Angebot abgeben will.
7. Aus der Sicht eines objektiven Dritten sind stets die richtigen Einzelzahlen und nicht eine fehlerhafte "Summe" maßgeblich.

VPRRS 2012, 0267

VGH Bayern, Beschluss vom 23.05.2012 - 4 ZB 10.547
1. Die freihändige Vergabe von Aufträgen ohne Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen ist ein schwerer Vergaberechtsverstoß, der einen Zuwendungsgeber zur Rückforderung der Zuwendung berechtigt.
2. Die Verwendung von Fertigbauteilen beim Bau von Brunnenschächten setzt schon nach allgemeiner Lebenserfahrung nur einen geringeren Grad an Spezialisierung voraus.

IBRRS 2012, 2946; IMRRS 2012, 2139

VG Stuttgart, Urteil vom 12.07.2012 - 4 K 3842/11
1. Die zur öffentlichen Bekanntmachung bestimmten Ausschreibungstexte einer Kommune sind Informationen i.S.d. § 2 Nr. 2 IWG.*)
2. Die Herausgabe solcher Informationen zur - bewussten oder geduldeten - Weiterverwendung durch einen Dritten begründet nach § 3 Abs. 1 IWG den Gleichbehandlungsanspruch aller Interessenten.*)

VPRRS 2012, 0262

OLG Frankfurt, Beschluss vom 21.02.2012 - 11 Verg 11/11
1. Vergaberechtsverstöße, von denen ein Antragsteller erst während eines bereits laufenden Nachprüfungsverfahrens - etwa durch Akteneinsicht - Kenntnis erlangt, können ohne vorherige Rüge gegenüber dem Auftraggeber in das Nachprüfungsverfahren einbezogen werden.
2. Die geforderten Nachweise sind - schon in der Bekanntmachung - möglichst konkret zu benennen, damit die interessierten Bieter frühzeitig erkennen können, ob für sie die Abgabe eines Angebots in Frage kommt.
3. Ist die Vorlage bestimmter Bescheinigungen überhaupt nicht erforderlich, so stellt die Vorlage nicht mehr aktueller Bescheinigungen keinen zwingenden Ausschlussgrund dar.
4. § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A ist analog auf den Fall anzuwenden, dass die Eignungsnachweise nicht bereits mit dem Angebot vorzulegen sind, sondern erst nach Angebotsabgabe von der Vergabestelle angefordert werden.
5. Die Bieter haben diejenigen Preisangaben (Pauschalpreis, Einheitspreis etc.) vorzunehmen, die vom Auftraggeber gefordert werden.
6. Als fehlende Preisangabe ist eine Auslassung oder eine Angabe mit unbestimmtem Bedeutungsgehalt zu werten.
7. Der Begriff der Änderung an den Verdingungsunterlagen ist weit auszulegen. Weicht ein Bieter von den Vorgaben der Vergabeunterlagen ab und bietet im Ergebnis eine andere als die ausgeschriebene Leistung an, so ändert er damit die Vergabeunterlagen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Änderung technische Vorgaben oder vertragliche Ansprüche betriff. Änderungen können insbesondere auch die Preise und die Kalkulation betreffen.
8. Weicht ein Bieter von den vorgegebenen Berechnungsmethoden für die Bauzeit ab und ermittelt die Bauzeit nach eigenen - vermeintlich korrekten - Berechnungsmethoden, so nimmt er Änderungen an den Verdingungsunterlagen vor und ist zwingend auszuschließen.

VPRRS 2012, 0261

VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 28.02.2012 - 2 VK 8/11
1. Eine Präklusion nach § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB scheidet aus, wenn der Auftraggeber es versäumt hatte, auf die aus dieser Vorschrift folgende Rechtsmittelfrist von 15 Tagen nach Erhalt der Nichtabhilfemitteilung in der Vergabebekanntmachung hinzuweisen oder hilfsweise die Stelle anzugeben, bei dem diese Auskünfte eingeholt werden können. Das Fehlen dieser gemäß § 9 Abs. 1 VOF i.V.m. Anhang II der VO (EG) Nr. 1564/2005 (dort unter VI. 4.2 bzw. 4.3) zwingend vorgeschriebenen Angaben führt dazu, dass die Rechtsbehelfsfrist nach § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB nicht zu laufen beginnt.
2. Der Anwendbarkeit des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB steht EU-Recht nicht entgegen.
3. Auch wenn es grundsätzlich nicht erforderlich ist, in einem Vergabeverfahren ein- und denselben Verfahrensverstoß mehrfach zu rügen, gilt dies ausnahmsweise dann nicht, wenn die Vergabestelle im bisherigen Vergabeverfahren einzelne Verfahrensschritte wiederholt und hierbei den bereits gerügten Vergaberechtsverstoß wiederholt.
4. Ein Akteneinsichtsrecht nach § 111 GWB setzt voraus, dass überhaupt ein Nachprüfungsverfahren eröffnet ist.

VPRRS 2012, 0258

VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 13.04.2012 - 3 VK 5/12
1. Im Falle einer Aufhebung der Ausschreibung erledigt sich das Nachprüfungsverfahren auch ohne eine entsprechende Erklärung des Auftraggebers.
2. Im Falle einer Erledigung des Verfahrens erfolgt die Entscheidung, wer die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, gemäß § 128 Absatz 3 Satz 5 GWB nach billigem Ermessen. Im Rahmen dieses Ermessens ist vorrangig darauf abzustellen, wie das Verfahren aufgrund des bisherigen Sach- und Streitstandes ausgegangen wäre.
3. Ein Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Antragstellers kommt mangels einer Sachentscheidung nicht in Betracht.

VPRRS 2012, 0257

VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 21.02.2012 - 1 VK 7/11
1. Der öffentliche Auftraggeber ist grundsätzlich frei in der Definition dessen, was er beschaffen möchte. Der Bieter hat im Vergabeverfahren die ausgeschriebene Leistung grundsätzlich nicht infrage zu stellen. Ihn trifft insoweit keine Prüfungspflicht, insbesondere muss er keine Motivforschung betreiben.
2. Erkennt der Bieter, dass die Leistungsbeschreibung widersprüchlich, unverständlich oder in sich nicht schlüssig ist, so ist er gehalten, die Zweifelsfragen vor Abgabe des Angebotes zu klären.
3. Umfangreiche Vorarbeiten und Recherchen, die eine Angebotskalkulation erst ermöglichen, darf die Ausschreibung dem Bieter nicht abverlangen.

VPRRS 2012, 0255

VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 20.05.2011 - 2 VK 2/11
1. Die Vergabekammer prüft das Vorliegen der Antragsbefugnis ebenso wie das der anderen Zulässigkeitsvoraussetzungen von Amts wegen. Die Antragsbefugnis muss im Hinblick auf das geltend gemachte Begehren und für jeden einzelnen geltend gemachten Vergaberechtsverstoß getrennt geprüft und festgestellt werden.
2. Einen Anspruch auf Nachverhandlungen hat ein Bieter, der ein unklares Angebot vorgelegt hat, grundsätzlich nicht.
3. Ein öffentlicher Auftraggeber kann sich die Auswahl und Bekanntgabe der geforderten Eignungsnachweise nicht für die Zeit der Versendung der Verdingungsunterlagen vorbehalten.

VPRRS 2012, 0253

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.04.2012 - Verg 9/12
Im Rahmen einer Sektorenvergabe können Erklärungen und Nachweise für Bewerbungen und (bindende) Angebote nachgefordert werden. Dies gilt erst recht für indikative Angebote und auch für Preisangaben.

VPRRS 2012, 0250

VK Münster, Beschluss vom 13.03.2012 - VK 2/12
1. Formelle und materielle Bestandskraft von Vergabekammerbeschlüssen*).
2. Die Beschlüsse der Vergabekammern sind feststellende Verwaltungsakte, die in einem gerichtsähnlichem Verfahren ergehen.
3. Materiell umfasst die Bestandskraft einer Entscheidung der Vergabekammer den Tenor, die tragenden Entscheidungsgründe und tatsächlichen Feststellungen zum behaupteten Verstoß sowie die rechtliche Würdigung zu der Frage, ob ein Vergabeverstoß vorliegt.

VPRRS 2012, 0249

OLG Frankfurt, Beschluss vom 29.05.2012 - 11 Verg 5/12
Es ist vergaberechtlich unbedenklich bereits in den Vergabebedingungen bei den Stundenverrechnungssätzen Aufgreifschwellen anzugeben, bei deren Erreichen die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns im Rahmen der Angebotsaufklärung näher zu untersuchen ist. Daher erscheint die Verpflichtung des Auftraggebers nicht ohne weiteres ausgeschlossen, solche Angebote unter Einschluss der angegebenen Skonti auf seine "Auskömmlichkeit" im Einzelfall zu überprüfen.

VPRRS 2012, 0245

VG Gießen, Urteil vom 13.02.2012 - 4 K 4455/11
1. Zur Amtsermittlungspflicht der Behörde beim Widerruf einer Subvention wegen eines Vergabeverstoßes.*)
2. Die Behörde hat die Annahme eines schweren Vergabeverstoßes nach § 39 HessVwVfG in Abgrenzung zu übrigen Vergabeverstößen zu begründen und nach pflichtgemäßem Ermessen über den Umfang des Subventionswiderrufs zu befinden.*)
3. Der Subventionsgeber ist nicht Wächter des privaten Wettbewerbs sondern ausschließlich Wächter der sparsamen Verwendung von Haushaltsmitteln; als solcher hat er alle volkswirtschaftlichen Folgen der Vergabe einer Bauleistung in den Blick zu nehmen.*)
4. Das günstigste Gebot ist unter Berücksichtigung aller Folgen für die öffentlichen Haushalte nicht eo ipso das wirtschaftlichste Gebot.*)

IBRRS 2012, 2631

OLG Celle, Beschluss vom 29.03.2012 - 2 Ws 81/12
1. Bei der Prüfung der Frage, ob eine verantwortlich handelnde sonstige Person mit Leitungsfunktion nach § 30 Abs. 1 Ziff. 5 OWiG eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit begangen hat, ist nicht danach zu unterscheiden, ob diese Leitungsfunktion auf Betriebs- oder auf Unternehmensebene ausgeübt wird. Die Vorschrift stellt beide Alternativen gleichwertig nebeneinander.*)
2. Nicht nur horizontale, sondern auch vertikale Absprachen, also Absprachen über Preise zwischen einem marktbeherrschenden Anbieter und einem sonst nur als Subunternehmer tätigen Anbieter, sind wettbewerbswidrig und fallen sowohl unter § 298 Abs. 1 StGB als auch unter den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 81 GWB i.V.m. § 1 GWB.*)
3. Unterlassen Organe einer juristischen Person Aufsichtsmaßnahmen, die zur Verhinderung von Zuwiderhandlungen im Betrieb oder Unternehmen erforderlich sind, und begehen dadurch eine Ordnungswidrigkeit nach § 130 Abs. 1 OWiG, kann gemäß § 30 Abs. 1 Ziff. 1 OWiG gegen die juristische Person eine Geldbuße verhängt werden.*)

VPRRS 2012, 0242

OLG Celle, Urteil vom 06.10.2011 - 6 U 61/11
1. Die Klausel eines Bauvertrags, wonach der Auftragnehmer im Fall einer unzulässigen Wettbewerbsbeschränkung eine Vertragsstrafe in Höhe von 15% der Auftragssumme zu zahlen hat, es sei denn, dass ein Schaden in anderer Höhe nachgewiesen wird, ist wirksam.
2. Der angestrebte echte Bieterwettbewerb setzt voraus, dass jedes Angebot geheim bleibt. Eine wettbewerbsbeschränkende Abrede liegt deshalb bereits vor, wenn ein Bieter sein Angebot in Kenntnis desjenigen eines Mitbewerbers abgibt. Es kommt nicht darauf an, ob der Bieter oder der Mitbewerber den Auftraggeber schädigen wollen.

VPRRS 2012, 0240

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.05.2012 - Verg 3/12
Der Preis stellt ein gewichtiges Merkmal dar, das beim Zuschlagskriterium des wirtschaftlichsten Angebots nicht am Rande der Wertung stehen darf, sondern vom Auftraggeber in ein angemessenes Verhältnis zu den übrigen Wertungskriterien zu bringen ist. Eine Festlegung und Gewichtung von Zuschlagskriterien, bei denen Wirtschaftlichkeitskriterien neben dem Angebotspreis nur eine marginale Rolle spielen oder der Preis eine übermäßige Bedeutung einnimmt, kann demnach gegen das Wirtschaftlichkeitsprinzip nach § 97 Abs. 5 GWB, § 16 Abs. 8 VOL/A (genauso: § 16 Abs. 6 Nr. 3 Satz 2 VOB/A) verstoßen.

VPRRS 2012, 0237

VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 27.10.2011 - 3 VK 4/11
1. Der Begriff 'öffentliche Bauaufträge' erfordert, dass der Auftragnehmer direkt oder indirekt die Verpflichtung zur Erbringung der Bauleistungen, die Gegenstand des Auftrags sind, übernimmt und dass es sich um eine nach den im nationalen Recht geregelten Modalitäten einklagbare Verpflichtung handelt.
2. Der Verkauf eines kommunalen Grundstücks mit der Verpflichtung, das darauf befindliche Gebäude innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu entwickeln, ist kein öffentlicher Bauauftrag.

VPRRS 2012, 0444

OLG Koblenz, Urteil vom 06.07.2012 - 8 U 45/11
1. § 24 Abs. 3 VOF 2006 stellt eine eigene Anspruchsgrundlage dar.
2. Eine Vergütung nach § 24 Abs. 3 VOF 2006 ist nur dann geschuldet, wenn Lösungsvorschläge für Planungsleistungen angefordert werden.
3. Um hohe Kosten eines Verhandlungsverfahrens zu verhindern, muss die Leistung ausdrücklich im Wortlaut des § 24 Abs. 3 VOF 2006 verlangt werden und sowohl qualitativ als auch quantitativ mehr sein als eine branchenübliche Bewerbungsleistung.

VPRRS 2012, 0235

VK Nordbayern, Beschluss vom 12.06.2012 - 21.VK-3194-10/12
1. Steht der VSt bei der Entscheidung über den Ausschluss eines Angebots ein Beurteilungsspielraum zu und hat sie in Ausübung dieses Spielraums die Zuverlässigkeit, fachliche Eignung oder Leistungsfähigkeit des Bieters bejaht, ist sie daran grundsätzlich gebunden. Sie ist nach Treu und Glauben im Allgemeinen gehindert, im weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens von ihrer ursprünglichen Beurteilung abzurücken und bei unveränderter Sachlage die Zuverlässigkeit, fachliche Eignung oder Leistungsfähigkeit des Bieters nunmehr zu verneinen. Die Bindung an eine einmal getroffene Ermessensentscheidung besteht selbst dann, wenn der Auftraggeber im Rahmen der Eignungsprüfung verfahrensfehlerhaft nicht alle zu berücksichtigenden Umstände gewürdigt haben sollte.
Allerdings kann es im Einzelfall zulässig und sogar geboten sein, eine Eignungsprüfung nachträglich zu korrigieren, wenn sich zwischenzeitlich aufgrund neuer Erkenntnisse herausgestellt haben sollte, dass die ursprüngliche Eignungsprüfung auf falschen Tatsachen beruhte.*)
2. Für die Bewertung der Zuverlässigkeit eines Bieters im Vergabeverfahren ist maßgebend, inwieweit die Umstände des einzelnen Falles die Aussage rechtfertigen, er werde die von ihm angebotenen Leistungen, die Gegenstand des Vergabeverfahrens sind, vertragsgerecht erbringen. Die Beurteilung der Zuverlässigkeit ist eine Prognoseentscheidung, die regelmäßig aufgrund des in der Vergangenheit liegenden Geschäftsgebarens des Bewerbers erfolgt. Zu den typischen Fällen von Unzuverlässigkeit eines Bewerbers gehört grundsätzlich auch mangelnde Sorgfalt bei der Ausführung früherer Arbeiten, die zu Nachforderungen des Auftraggebers oder zu Gewährleistungsansprüchen geführt hat. Erforderlich ist eine umfassende Abwägung aller in Betracht kommenden Gesichtspunkte unter angemessener Berücksichtigung des Umfanges, der Intensität, des Ausmaßes und des Grades der Vorwerfbarkeit der Pflichtverletzungen. Aus der Tatsache einer Vertragsverletzung oder einer mangelhaften Leistung kann daher nur dann der Rückschluss auf eine Unzuverlässigkeit des Unternehmers gezogen werden, wenn der Mangel gravierend ist, d.h. zu einer deutlichen Belastung des Auftraggebers, sei es in tatsächlicher oder finanzieller Hinsicht, geführt hat.*)
3. Ein Ausschluss eines Unternehmens von der Vergabe öffentlicher Aufträge wegen Unzuverlässigkeit kann schwerwiegende Folgen für das Unternehmen haben. Deshalb sind die Hürden für einen derartigen Ausschluss relativ hoch. Insbesondere muss es sich um gravierende und vor allem um nachgewiesene Verfehlungen handeln.*)

VPRRS 2012, 0234

OLG Dresden, Urteil vom 31.05.2011 - 6 U 1798/10
Sind in zwei Positionen eines Leistungsverzeichnisses vergleichbare Leistungen beschrieben und ist die Abgrenzung dieser Positionen zueinander unklar, muss der Auftragnehmer die Unklarheit bereits bei der Kalkulation durch Heranziehung der Pläne klären.

VPRRS 2012, 0233

VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 13.04.2012 - 3 VK 5/11
Im Falle einer Erledigung des Verfahrens erfolgt die Entscheidung, wer die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, gemäß § 128 Absatz 3 Satz 5 GWB nach billigem Ermessen. Im Rahmen dieses Ermessens ist vorrangig darauf abzustellen, wie das Verfahren aufgrund des bisherigen Sach- und Streitstandes ausgegangen wäre.

VPRRS 2012, 0230

KG, Urteil vom 19.11.2010 - 7 U 97/10
1. Eine von der Lohnentwicklung abgekoppelte Lohngleitklausel, die aufgrund überhöhter Änderungssätze zu einer unangemessen Kostenumlage auf den öffentlichen Auftraggeber führt, ist ohne Devisengenehmigung nichtig.
2. Die dreijährige Verjährung von Rückzahlungsansprüchen des öffentlichen Auftraggebers gegen den überzahlten Bauunternehmer hängt nicht vom Zugang einer Mitteilung der Rechnungsprüfungsbehörde ab. Der öffentliche Auftraggeber hat vielmehr bereits dann Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen, wenn er die vertragswidrige Abrechnung bei der Schlussrechnungsprüfung aus den vorliegenden Unterlagen erkennen kann (entgegen OLG Dresden, IBR 2007, 67).
3. Der Auftraggeber handelt mindestens grob fahrlässig im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, wenn er weiß oder wissen muss, welche Unterlagen er für die genaue Rechnungsprüfung benötigt, diese aber vom Auftragnehmer nicht anfordert.
4. Der Antragsteller hat im Mahnverfahren alles ihm für eine alsbaldige Zustellung Zumutbare zu tun. Dazu gehören nicht nur die Antragstellung und die Bezeichnung des Prozessgerichts, sondern auch die zeitnahe Beantwortung einer Anfrage des Mahngerichts.

VPRRS 2012, 0227

OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20.04.2012 - 4 A 1055/09
1. Ein Zuwendungsempfänger, der aufgrund einer Bestimmung im Zuwendungsbescheid bei der Vergabe von Bauleistungen die Vorschriften der VOB/A zu beachten hat, muss die Bauleistungen grundsätzlich öffentlich ausschreiben.
2. Ein Verstoß gegen diese Auflage (hier: durch Vornahme einer beschränkte Ausschreibung) berechtigt den Zuwendungsgeber zu einem Widerruf des Zuwendungsbescheids und zu einer Rückforderung der Zuwendung.

VPRRS 2012, 0225

OLG Saarbrücken, Urteil vom 13.06.2012 - 1 U 357/11
1. Auch im vergaberechtlichen Unterschwellenbereich kann ein Bieter im Wege des Primärrechtschutzes die Unterlassung der Zuschlagserteilung begehren.*)
2. Der Anspruch folgt aus § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 280 Abs. 1 in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 BGB analog. Die gerichtliche Prüfung ist daher nicht auf eine bloße Willkürkontrolle beschränkt.*)

VPRRS 2012, 0223

VK Münster, Beschluss vom 29.03.2012 - VK 3/12
Anforderungen an die Gleichwertigkeit, wenn statt des Leitprodukts ein anderes Produkt angeboten wird.*)

VPRRS 2012, 0222

VK Lüneburg, Beschluss vom 02.04.2012 - VgK-08/2012
1. Gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 c VOB/A sind Angebote, die den Bestimmungen des § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A nicht entsprechen, auszuschließen. Hiervon ausgenommen sind nur Angebote, bei denen u.a. lediglich in einer einzelnen unwesentlichen Position die Angabe des Preises fehlt.
2. Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A müssen die Angebote die geforderten Preise enthalten. Ergänzend enthielt Ziffer 3.6 der Bewerbungsbedingungen (Formblatt 212EG des VHB Bund) die Vorgabe, dass ein Bieter, der in seinem Angebot die von ihm tatsächlich für einzelne Leistungspositionen geforderten Einheitspreise auf verschiedene Einheitspreise anderer Leistungspositionen verteilt, nicht die von ihm geforderten Preise im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A benennt.

VPRRS 2012, 0221

VK Lüneburg, Beschluss vom 23.03.2012 - VgK-06/2012
Einen Bieterschutz entfaltet die Vorschrift des § 19 Abs. 6 Satz 1 VOL/A-EG ebenso wie § 16 Abs. 6 Satz 2 VOL/A grundsätzlich nur, wenn das an den Auftraggeber gerichtete Gebot, wettbewerbsbeschränkende und unlautere Verhaltensweisen zu bekämpfen, den Ausschluss des als unangemessen niedrig gerügten Preisangebotes fordert. Diese Voraussetzungen sind zum einen gegeben, wenn Angebote mit einem unverhältnismäßig niedrigen Preis in der zielgerichteten Absicht einer Marktverdrängung abgegeben werden oder zumindest die Gefahr begründen, dass bestimmte Wettbewerber vom Markt ganz (und nicht nur von einer einzelnen Auftragsvergabe) verdrängt werden.

VPRRS 2012, 0219

VK Brandenburg, Beschluss vom 19.04.2011 - VK 8/11
Für das Verständnis der Vergabeunterlagen kommt es nicht auf die Interpretation eines einzelnen Bieters, sondern auf die Sicht eines verständigen und sachkundigen Bieters (objektive sachkundige Empfängersicht) an. Aus Sicht des Bieters bestehende Unklarheiten sind durch eine Anfrage beim Auftraggeber auszuräumen.

VPRRS 2012, 0217

VK Brandenburg, Beschluss vom 20.09.2010 - VK 45/10
1. Allein ein beträchtlicher Preisabstand zwischen dem niedrigsten und dem nachfolgenden Angebot ist noch kein hinreichendes Merkmal für einen ungewöhnlich niedrigen Preis. Es müssen Anhaltspunkte dafür hinzukommen, dass der Niedrigpreis wettbewerblich nicht begründet ist.
2. Der Antragsteller kann erst im Nachprüfungsverfahren erkannte Vergaberechtsverstöße zum Gegenstand des Verfahrens machen, auch wenn sich der ursprüngliche Nachprüfungsantrag darauf zunächst nicht bezieht und zwar unabhängig davon, ob der ursprüngliche Nachprüfungsantrag zulässig war.
3. Es widerspricht den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Vergabe und es ist nicht vereinbar mit dem vergaberechtlichen Wettbewerbsgebot, wenn ein Bieter Kenntnis von einem Vorab-Vergabevorschlag eines Konkurrenten erhält.

VPRRS 2012, 0216

VK Lüneburg, Beschluss vom 23.01.2012 - VgK-57/2011
Führt der Auftraggeber einen Realisierungswettbewerb durch, ist er nicht berechtigt, neben den Preisträgern des vorangegangenen Wettbewerbs auch die übrigen Teilnehmer am Verhandlungsverfahren über die Beauftragung zur Realisierung der Wettbewerbsaufgabe zu beteiligen.

VPRRS 2012, 0213

OLG Frankfurt, Beschluss vom 05.06.2012 - 11 Verg 4/12
1. Öffentliche Auftraggeber können Aufträge grundsätzlich allein auf der Basis des niedrigsten Preises als Zuschlagskriterium vergeben.
2. An der Vereinbarkeit des § 97 Abs. 5 GWB mit Art. 53 Abs. 1 b Richtlinie 2004/18/EG bestehen erhebliche Zweifel, so dass Art. 53 Abs. 1 b Richtlinie 2004/18/EG (Preis als alleiniges Zuschlagskriterium) unmittelbar anzuwenden ist.
