Vergabepraxis & -recht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
5387 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2012
VPRRS 2012, 0240OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.05.2012 - Verg 3/12
Der Preis stellt ein gewichtiges Merkmal dar, das beim Zuschlagskriterium des wirtschaftlichsten Angebots nicht am Rande der Wertung stehen darf, sondern vom Auftraggeber in ein angemessenes Verhältnis zu den übrigen Wertungskriterien zu bringen ist. Eine Festlegung und Gewichtung von Zuschlagskriterien, bei denen Wirtschaftlichkeitskriterien neben dem Angebotspreis nur eine marginale Rolle spielen oder der Preis eine übermäßige Bedeutung einnimmt, kann demnach gegen das Wirtschaftlichkeitsprinzip nach § 97 Abs. 5 GWB, § 16 Abs. 8 VOL/A (genauso: § 16 Abs. 6 Nr. 3 Satz 2 VOB/A) verstoßen.
VolltextVPRRS 2012, 0237
VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 27.10.2011 - 3 VK 4/11
1. Der Begriff 'öffentliche Bauaufträge' erfordert, dass der Auftragnehmer direkt oder indirekt die Verpflichtung zur Erbringung der Bauleistungen, die Gegenstand des Auftrags sind, übernimmt und dass es sich um eine nach den im nationalen Recht geregelten Modalitäten einklagbare Verpflichtung handelt.
2. Der Verkauf eines kommunalen Grundstücks mit der Verpflichtung, das darauf befindliche Gebäude innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu entwickeln, ist kein öffentlicher Bauauftrag.
VolltextVPRRS 2012, 0444
OLG Koblenz, Urteil vom 06.07.2012 - 8 U 45/11
1. § 24 Abs. 3 VOF 2006 stellt eine eigene Anspruchsgrundlage dar.
2. Eine Vergütung nach § 24 Abs. 3 VOF 2006 ist nur dann geschuldet, wenn Lösungsvorschläge für Planungsleistungen angefordert werden.
3. Um hohe Kosten eines Verhandlungsverfahrens zu verhindern, muss die Leistung ausdrücklich im Wortlaut des § 24 Abs. 3 VOF 2006 verlangt werden und sowohl qualitativ als auch quantitativ mehr sein als eine branchenübliche Bewerbungsleistung.
VolltextVPRRS 2012, 0235
VK Nordbayern, Beschluss vom 12.06.2012 - 21.VK-3194-10/12
1. Steht der VSt bei der Entscheidung über den Ausschluss eines Angebots ein Beurteilungsspielraum zu und hat sie in Ausübung dieses Spielraums die Zuverlässigkeit, fachliche Eignung oder Leistungsfähigkeit des Bieters bejaht, ist sie daran grundsätzlich gebunden. Sie ist nach Treu und Glauben im Allgemeinen gehindert, im weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens von ihrer ursprünglichen Beurteilung abzurücken und bei unveränderter Sachlage die Zuverlässigkeit, fachliche Eignung oder Leistungsfähigkeit des Bieters nunmehr zu verneinen. Die Bindung an eine einmal getroffene Ermessensentscheidung besteht selbst dann, wenn der Auftraggeber im Rahmen der Eignungsprüfung verfahrensfehlerhaft nicht alle zu berücksichtigenden Umstände gewürdigt haben sollte.
Allerdings kann es im Einzelfall zulässig und sogar geboten sein, eine Eignungsprüfung nachträglich zu korrigieren, wenn sich zwischenzeitlich aufgrund neuer Erkenntnisse herausgestellt haben sollte, dass die ursprüngliche Eignungsprüfung auf falschen Tatsachen beruhte.*)
2. Für die Bewertung der Zuverlässigkeit eines Bieters im Vergabeverfahren ist maßgebend, inwieweit die Umstände des einzelnen Falles die Aussage rechtfertigen, er werde die von ihm angebotenen Leistungen, die Gegenstand des Vergabeverfahrens sind, vertragsgerecht erbringen. Die Beurteilung der Zuverlässigkeit ist eine Prognoseentscheidung, die regelmäßig aufgrund des in der Vergangenheit liegenden Geschäftsgebarens des Bewerbers erfolgt. Zu den typischen Fällen von Unzuverlässigkeit eines Bewerbers gehört grundsätzlich auch mangelnde Sorgfalt bei der Ausführung früherer Arbeiten, die zu Nachforderungen des Auftraggebers oder zu Gewährleistungsansprüchen geführt hat. Erforderlich ist eine umfassende Abwägung aller in Betracht kommenden Gesichtspunkte unter angemessener Berücksichtigung des Umfanges, der Intensität, des Ausmaßes und des Grades der Vorwerfbarkeit der Pflichtverletzungen. Aus der Tatsache einer Vertragsverletzung oder einer mangelhaften Leistung kann daher nur dann der Rückschluss auf eine Unzuverlässigkeit des Unternehmers gezogen werden, wenn der Mangel gravierend ist, d.h. zu einer deutlichen Belastung des Auftraggebers, sei es in tatsächlicher oder finanzieller Hinsicht, geführt hat.*)
3. Ein Ausschluss eines Unternehmens von der Vergabe öffentlicher Aufträge wegen Unzuverlässigkeit kann schwerwiegende Folgen für das Unternehmen haben. Deshalb sind die Hürden für einen derartigen Ausschluss relativ hoch. Insbesondere muss es sich um gravierende und vor allem um nachgewiesene Verfehlungen handeln.*)
VolltextVPRRS 2012, 0234
OLG Dresden, Urteil vom 31.05.2011 - 6 U 1798/10
Sind in zwei Positionen eines Leistungsverzeichnisses vergleichbare Leistungen beschrieben und ist die Abgrenzung dieser Positionen zueinander unklar, muss der Auftragnehmer die Unklarheit bereits bei der Kalkulation durch Heranziehung der Pläne klären.
VolltextVPRRS 2012, 0233
VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 13.04.2012 - 3 VK 5/11
Im Falle einer Erledigung des Verfahrens erfolgt die Entscheidung, wer die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, gemäß § 128 Absatz 3 Satz 5 GWB nach billigem Ermessen. Im Rahmen dieses Ermessens ist vorrangig darauf abzustellen, wie das Verfahren aufgrund des bisherigen Sach- und Streitstandes ausgegangen wäre.
VolltextVPRRS 2012, 0230
KG, Urteil vom 19.11.2010 - 7 U 97/10
1. Eine von der Lohnentwicklung abgekoppelte Lohngleitklausel, die aufgrund überhöhter Änderungssätze zu einer unangemessen Kostenumlage auf den öffentlichen Auftraggeber führt, ist ohne Devisengenehmigung nichtig.
2. Die dreijährige Verjährung von Rückzahlungsansprüchen des öffentlichen Auftraggebers gegen den überzahlten Bauunternehmer hängt nicht vom Zugang einer Mitteilung der Rechnungsprüfungsbehörde ab. Der öffentliche Auftraggeber hat vielmehr bereits dann Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen, wenn er die vertragswidrige Abrechnung bei der Schlussrechnungsprüfung aus den vorliegenden Unterlagen erkennen kann (entgegen OLG Dresden, IBR 2007, 67).
3. Der Auftraggeber handelt mindestens grob fahrlässig im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, wenn er weiß oder wissen muss, welche Unterlagen er für die genaue Rechnungsprüfung benötigt, diese aber vom Auftragnehmer nicht anfordert.
4. Der Antragsteller hat im Mahnverfahren alles ihm für eine alsbaldige Zustellung Zumutbare zu tun. Dazu gehören nicht nur die Antragstellung und die Bezeichnung des Prozessgerichts, sondern auch die zeitnahe Beantwortung einer Anfrage des Mahngerichts.
VolltextVPRRS 2012, 0227
OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20.04.2012 - 4 A 1055/09
1. Ein Zuwendungsempfänger, der aufgrund einer Bestimmung im Zuwendungsbescheid bei der Vergabe von Bauleistungen die Vorschriften der VOB/A zu beachten hat, muss die Bauleistungen grundsätzlich öffentlich ausschreiben.
2. Ein Verstoß gegen diese Auflage (hier: durch Vornahme einer beschränkte Ausschreibung) berechtigt den Zuwendungsgeber zu einem Widerruf des Zuwendungsbescheids und zu einer Rückforderung der Zuwendung.
VolltextVPRRS 2012, 0225
OLG Saarbrücken, Urteil vom 13.06.2012 - 1 U 357/11
1. Auch im vergaberechtlichen Unterschwellenbereich kann ein Bieter im Wege des Primärrechtschutzes die Unterlassung der Zuschlagserteilung begehren.*)
2. Der Anspruch folgt aus § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 280 Abs. 1 in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 BGB analog. Die gerichtliche Prüfung ist daher nicht auf eine bloße Willkürkontrolle beschränkt.*)
VolltextVPRRS 2012, 0223
VK Münster, Beschluss vom 29.03.2012 - VK 3/12
Anforderungen an die Gleichwertigkeit, wenn statt des Leitprodukts ein anderes Produkt angeboten wird.*)
VolltextVPRRS 2012, 0222
VK Lüneburg, Beschluss vom 02.04.2012 - VgK-08/2012
1. Gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 c VOB/A sind Angebote, die den Bestimmungen des § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A nicht entsprechen, auszuschließen. Hiervon ausgenommen sind nur Angebote, bei denen u.a. lediglich in einer einzelnen unwesentlichen Position die Angabe des Preises fehlt.
2. Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A müssen die Angebote die geforderten Preise enthalten. Ergänzend enthielt Ziffer 3.6 der Bewerbungsbedingungen (Formblatt 212EG des VHB Bund) die Vorgabe, dass ein Bieter, der in seinem Angebot die von ihm tatsächlich für einzelne Leistungspositionen geforderten Einheitspreise auf verschiedene Einheitspreise anderer Leistungspositionen verteilt, nicht die von ihm geforderten Preise im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A benennt.
VolltextVPRRS 2012, 0221
VK Lüneburg, Beschluss vom 23.03.2012 - VgK-06/2012
Einen Bieterschutz entfaltet die Vorschrift des § 19 Abs. 6 Satz 1 VOL/A-EG ebenso wie § 16 Abs. 6 Satz 2 VOL/A grundsätzlich nur, wenn das an den Auftraggeber gerichtete Gebot, wettbewerbsbeschränkende und unlautere Verhaltensweisen zu bekämpfen, den Ausschluss des als unangemessen niedrig gerügten Preisangebotes fordert. Diese Voraussetzungen sind zum einen gegeben, wenn Angebote mit einem unverhältnismäßig niedrigen Preis in der zielgerichteten Absicht einer Marktverdrängung abgegeben werden oder zumindest die Gefahr begründen, dass bestimmte Wettbewerber vom Markt ganz (und nicht nur von einer einzelnen Auftragsvergabe) verdrängt werden.
VolltextVPRRS 2012, 0219
VK Brandenburg, Beschluss vom 19.04.2011 - VK 8/11
Für das Verständnis der Vergabeunterlagen kommt es nicht auf die Interpretation eines einzelnen Bieters, sondern auf die Sicht eines verständigen und sachkundigen Bieters (objektive sachkundige Empfängersicht) an. Aus Sicht des Bieters bestehende Unklarheiten sind durch eine Anfrage beim Auftraggeber auszuräumen.
VolltextVPRRS 2012, 0217
VK Brandenburg, Beschluss vom 20.09.2010 - VK 45/10
1. Allein ein beträchtlicher Preisabstand zwischen dem niedrigsten und dem nachfolgenden Angebot ist noch kein hinreichendes Merkmal für einen ungewöhnlich niedrigen Preis. Es müssen Anhaltspunkte dafür hinzukommen, dass der Niedrigpreis wettbewerblich nicht begründet ist.
2. Der Antragsteller kann erst im Nachprüfungsverfahren erkannte Vergaberechtsverstöße zum Gegenstand des Verfahrens machen, auch wenn sich der ursprüngliche Nachprüfungsantrag darauf zunächst nicht bezieht und zwar unabhängig davon, ob der ursprüngliche Nachprüfungsantrag zulässig war.
3. Es widerspricht den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Vergabe und es ist nicht vereinbar mit dem vergaberechtlichen Wettbewerbsgebot, wenn ein Bieter Kenntnis von einem Vorab-Vergabevorschlag eines Konkurrenten erhält.
VolltextVPRRS 2012, 0216
VK Lüneburg, Beschluss vom 23.01.2012 - VgK-57/2011
Führt der Auftraggeber einen Realisierungswettbewerb durch, ist er nicht berechtigt, neben den Preisträgern des vorangegangenen Wettbewerbs auch die übrigen Teilnehmer am Verhandlungsverfahren über die Beauftragung zur Realisierung der Wettbewerbsaufgabe zu beteiligen.
VolltextVPRRS 2012, 0213
OLG Frankfurt, Beschluss vom 05.06.2012 - 11 Verg 4/12
1. Öffentliche Auftraggeber können Aufträge grundsätzlich allein auf der Basis des niedrigsten Preises als Zuschlagskriterium vergeben.
2. An der Vereinbarkeit des § 97 Abs. 5 GWB mit Art. 53 Abs. 1 b Richtlinie 2004/18/EG bestehen erhebliche Zweifel, so dass Art. 53 Abs. 1 b Richtlinie 2004/18/EG (Preis als alleiniges Zuschlagskriterium) unmittelbar anzuwenden ist.
VolltextVPRRS 2012, 0207
LG Bad Kreuznach, Beschluss vom 20.04.2012 - 2 O 77/12
1. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung scheitert nicht grundsätzlich an dem Nichterreichen der maßgeblichen Schwellenwerte nach § 100 Abs. 1 GWB.
2. In einem Vergabeverfahren nach VOB/A kann sich ein Unterlassungsanspruch im einstweiligen Verfügungsverfahren auch bei einer Verletzung des § 16 Abs. 6 VOB/A ergeben.
3. Bei der Streitwertfestsetzung kommt eine analoge Anwendung des § 50 Abs. 2 GKG in Betracht.
VolltextVPRRS 2012, 0206
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.05.2012 - Verg 104/11
1. Erstellt der Auftraggeber ein produktneutrales Leistungsverzeichnis, in welches die Bieter nur ihre Angebotspreise eintragen müssen, sind die Bieter grundsätzlich nur dazu verpflichtet, zu den angebotenen Preisen die im Leistungsverzeichnis vorgesehenen Leistungen in mittlerer Art und Güte zu erbringen.
2. Das Angebot eines Bieters wegen eines Verstoßes gegen die anerkannten Regeln der Technik scheidet aus, wenn der Auftraggeber die Konstruktionsweise und die Ausführung der Leistung im Leistungsverzeichnis im Einzelnen vorgegeben hat.
VolltextVPRRS 2012, 0205
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.04.2012 - Verg 61/11
1. Nach Ablauf der Angebotsfrist ist eine Änderung des Angebots ausgeschlossen; eine solche Änderung kann auch nicht einvernehmlich im Wege eines Aufklärungsgesprächs erfolgen. Erklärungen zu bestimmten Herstellern und Typen sind keine Angebotsänderungen.
2. Bei einer hersteller- und produktneutralen Ausschreibung bleibt der erfolgreiche Bieter grundsätzlich frei, ein Produkt von mittlerer Art und Güte seiner Wahl zu liefern.
3. Eine Preisdifferenz von knapp 12% liegt weit unter der Aufgreifschwelle, deren Erreichen der Auftraggeber zum Anlass nehmen muss, die Höhe des Angebots zu überprüfen. Diese Schwelle liegt bei einem Preisabstand von 20% zum nächsthöheren Angebot.
VolltextVPRRS 2012, 0204
OLG Brandenburg, Beschluss vom 29.05.2012 - Verg W 5/12
1. Ein Bieter, der oft nur über beschränkte Informationen verfügt, darf im Vergabenachprüfungsverfahren behaupten, was er redlicherweise für wahrscheinlich oder möglich halten darf, etwa wenn es um Vergabeverstöße geht, die sich ausschließlich in der Sphäre der Vergabestelle abspielen oder das Angebot eines Mitbewerbers betreffen. Für eine ordnungsgemäße Rüge reichen jedoch pauschale und unsubstantiierte "ins Blaue hinein" erhobene Behauptungen nicht aus.
2. Nimmt ein Bieter ihm bekannte Tatsachen zum Anlass, auf eine möglicherweise unzutreffende Wertung zu schließen, so können die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rüge erfüllt sein.
VolltextVPRRS 2012, 0201
VK Bund, Beschluss vom 25.05.2012 - VK 3-54/12
Die Erbringung von Bauleistungen im Rahmen des Bundesautobahnbaus ist eine Maßnahme der Verwaltung der Bundesautobahnen, die die Bundesländer im Wege der Bundesauftragsverwaltung wahrnehmen. Für die Nachprüfung eines solchen Vergabeverfahrens ist Vergabekammer des jeweiligen Landes zuständig. Das gilt auch dann, wenn der öffentliche Auftraggeber in der Veröffentlichung der Ausschreibungsunterlagen die Vergabekammer des Bundes als zuständige Stelle für das Nachprüfungsverfahren benennt.
VolltextVPRRS 2012, 0200
VK Brandenburg, Beschluss vom 02.04.2012 - VK 6/12
1. Die Überschreitung der zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel erst jenseits einer Abweichung von 10% stellt einen schwerwiegenden Grund im Sinne von § 17 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A dar, der die Vergabestelle zur Aufhebung der Ausschreibung berechtigt.
2. Bei einer in Lose geteilten Ausschreibung ist bezüglich der Überschreitung des Budgets auf das Gesamtvolumen der Baumaßnahme abzustellen.
VolltextVPRRS 2012, 0196
VK Münster, Beschluss vom 08.06.2012 - VK 6/12
1. "Sonstige Ansprüche gegen öffentliche Auftraggeber" im Sinne des § 104 Abs. 2 GWB können auch die Bestimmungen aus §§ 19 und 20 GWB, aus § 1 und § 46 Abs. 2 EnWG und dem § 3 KAV sein, so dass diese der Nachprüfung durch eine Vergabekammer unterliegen.*)
2. Vergabeverfahren nach dem GWB/SektVO und die Konzessionsvergaben nach dem EnWG können grundsätzlich separat erfolgen.*)
3. Findet hingegen eine Verknüpfung zwischen diesen beiden Verfahren - beispielsweise über ein Zuschlagskriterium - statt, müssen bei dem Vergabeverfahren nach der SektVO auch die Vorgaben aus dem EnWG, dem § 3 KAV und den §§ 19 und 20 GWB berücksichtigt werden.*)
VolltextVPRRS 2012, 0191
BGH, Urteil vom 03.04.2012 - X ZR 130/10
1. Zu der Ausschlusssanktion für Angebote, welche geforderte Erklärungen nicht enthalten, korrespondiert die Verpflichtung der Auftraggeber, die Vergabeunterlagen so eindeutig zu formulieren, dass die Bieter diesen Unterlagen deutlich und sicher entnehmen können, welche Erklärungen von ihnen wann abzugeben sind. Genügen die Vergabeunterlagen dem nicht, darf der Auftraggeber ein Angebot nicht ohne Weiteres wegen Fehlens einer entsprechenden Erklärung aus der Wertung nehmen.*)
2. Will ein Bieter im Schadensersatzprozess geltend machen, die Verpflichtung, seine vorgesehenen Nachunternehmer schon zum Ende der Angebotsfrist namhaft zu machen oder gar die sie betreffenden Eignungsnachweise bis dahin beizubringen, sei unzumutbar gewesen und habe deshalb unbeachtet bleiben können, muss er die tatsächlichen Umstände darlegen, aus denen sich die Unzumutbarkeit ergeben soll.*)
VolltextVPRRS 2012, 0188
VK Bund, Beschluss vom 25.01.2012 - VK 1-174/11
1. Der Wettbewerbsgrundsatz gilt nicht nur für die Angebotswertung nach Maßgabe der bekanntgegebenen Zuschlagskriterien als letzte Stufe der Wertung, sondern im gesamten Vergabeverfahren und damit auch für die Auswahl eines Bieterkreises im Teilnahmewettbewerb. Dies schließt mit ein, dass für die Auswahl der Bieter Auswahlkriterien bestimmt werden, die einen Wettbewerb der Teilnehmer zulassen. Die entsprechenden Auswahlkriterien sind dabei so zu fassen, dass danach diejenigen Bewerber zur Angebotsabgabe aufgefordert werden, die die bestmögliche Leistung erwarten lassen.
2. Das Losverfahren als Auswahlmechanismus genügt wettbewerblichen Anforderungen grundsätzlich nicht. Denn es hat nicht die Auswahl der besten Bewerber zum Ziel, sondern führt zu einer zufälligen Bewerberauswahl.
VolltextVPRRS 2012, 0187
VK Lüneburg, Beschluss vom 01.12.2011 - VgK-53/2011
1. Auch wenn weder eine Verurteilung vorliegt noch Anklage erhoben wurde, kann ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen den Geschäftsführer eines Bieters wegen Bestechung als schwere Verfehlung im Sinne des § 6 EG Abs. 6 c VOL/A eingestuft werden und zum Ausschluss des Bieters führen.
2. In einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren, das eine Bundesauftragsangelegenheit im Sinne der Art. 85, 90 Abs. 2 GG zum Gegenstand hat, ist das Land und nicht der Bund Antragsgegner.
VolltextVPRRS 2012, 0186
VK Lüneburg, Beschluss vom 10.02.2012 - VgK-44/2011
Für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrages genügt es, wenn der Bieter schlüssig einen durch die Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können. Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit.
VolltextVPRRS 2012, 0184
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.03.2012 - Verg 4/12
1. Der Auftraggeber hat bereits in der Vergabebekanntmachung anzugeben, welche Nachweise zur Beurteilung der Eignung vom Bieter vorzulegen sind. Diese müssen im Einzelnen aufgeführt werden, damit sich die Bieter darauf einstellen und sich rechtzeitig die entsprechenden Nachweise beschaffen können.
2. Die Angaben der Bekanntmachung zu den mit dem Angebot vorzulegenden Eignungsnachweisen müssen zudem klar und widerspruchsfrei sein. Unklarheiten und Widersprüche gehen zu Lasten des Auftraggebers.
VolltextVPRRS 2012, 0183
VK Lüneburg, Beschluss vom 04.01.2012 - VgK-54/2011
1. Ein Schaden im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB ist dann gegeben, wenn durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß und die damit einhergehende Rechtsverletzung die Aussicht des Antragstellers, den Zuschlag zu erhalten, zumindest verschlechtert worden sein könnte. Dabei reicht es grundsätzlich aus, dass nach der Darstellung eines Antragstellers eine Verletzung eigener Rechte möglich erscheint.
2. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden.
3. Im Rahmen der Gleichbehandlung geführte Nachverhandlungen sind nur zulässig, um Zweifelsfragen zum Inhalt des Angebotes zu klären, nicht aber unvollständige Angebotsunterlagen zu ergänzen. Das grundsätzliche Verbot von Verhandlungen im Rahmen der Aufklärung des Angebotsinhalts erfasst nicht nur die Änderung angebotener Preise, sondern auch Änderungen von für die Vergabe maßgeblichen Bedingungen.
VolltextVPRRS 2012, 0182
VK Berlin, Beschluss vom 14.10.2011 - VK-B 2-24/11
Ein aufgehobenes Verhandlungsverfahren bildet mit dem vorangegangenen Offenen Verfahren keinen einheitlichen Vorgang in dem Sinne, dass ein Nicht-Rügen der Aufhebung des Offenen Verfahrens die Nachprüfung der (gesondert gerügten) Aufhebung des nachfolgenden Verhandlungsverfahrens hindert.*)
VolltextVPRRS 2012, 0180
OLG Bremen, Beschluss vom 06.01.2012 - Verg 5/11
1. Der Grundsatz der Transparenz gebietet, dass das Vergabeverfahren wie auch die Vergabeentscheidung gleichermaßen nachvollziehbar und kontrollierbar sein müssen. Dazu gehört, dass die Vergabeentscheidung nur auf solche Kriterien gestützt werden darf, die vorher in den Ausschreibungsunterlagen benannt wurden.
2. Die Angabe der Wertungskriterien muss klar und eindeutig sein; zudem ist ein höchstmöglicher Bestimmtheitsgrad der Ausschreibungsunterlagen geboten. Die Zuschlagkriterien müssen so gefasst sein, dass alle durchschnittlich fachkundigen Bieter sie bei Anwendung der üblichen Sorgfalt in gleicher Weise auslegen können.
3. Das Kriterium Bauzeitverkürzung ist nicht von vorneherein intransparent.
VolltextIBRRS 2012, 1964
LG Hanau, Urteil vom 01.12.2011 - 7 O 316/11
1. Eine Mangelrüge per E-Mail erfüllt nicht das Schriftformerfordernis des § 13 Abs. 5 Nr. 1 Satz 2 VOB/B, sofern nicht eine qualifizierte elektronische Signatur vorliegt.
2. Zur Entbehrlichkeit einer Mangelrüge.
3. Zum Verstoß gegen Treu und Glauben bei Erhebung der Verjährungseinrede.
VolltextVPRRS 2012, 0179
OLG Dresden, Urteil vom 20.03.2012 - 5 U 765/11
1. Die Weiterleitung von Nachträgen des Nachunternehmers an den eigenen Auftraggeber ist nicht als Billigung dieser Nachtragsforderung zu bewerten. Dies gilt jedenfalls, solange vom Auftraggeber keine Zahlungen auf diese Nachtragsforderung geleistet wurden.
2. Circa-Angaben in einem Leistungsverzeichnis beinhalten keine abschließende, verbindliche Größe für die Kalkulation des Auftragnehmers.
VolltextVPRRS 2012, 0176
OLG Dresden, Beschluss vom 02.08.2011 - Verg 4/11
Auch bei Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung ist eine Mindestabnahmemenge vorzusehen. Andernfalls würde den Bietern ungewöhnliches Wagnis auferlegt, was trotz des Wortlauts der VOL/A 2009 im Ergebnis unzulässig ist.
VolltextVPRRS 2012, 0172
VK Sachsen, Beschluss vom 19.04.2012 - 1/SVK/009-12
1. Der Eingang der Mitteilung einer Nichtabhilfeentscheidung ist als ein "Ereignis" i. S. d. § 187 Absatz 1 BGB aufzufassen. Ist danach für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Mithin beginnt die Frist des § 107 Absatz 3 Nr. 4 GWB am Tag nach Zugang des Nichtabhilfeschreibens zu laufen.*)
2. VOL/A EG bestimmt, dass die Vergabeunterlagen im offenen Verfahren an alle anfordernden Unternehmen zu übermitteln sind, eine zeitlich befristete Einschränkung dieser Pflicht ist der zitierten Norm nicht zu entnehmen.*)
3. Aus § 12 Absatz 7 VOL/A EG lässt sich ableiten, dass ein öffentlicher Auftraggeber verpflichtet ist, einem Interessenten die Verdingungsunterlagen zuzusenden, sofern ein entsprechender Antrag so rechtzeitig vor dem Schlusstermin für den Eingang der Angebote eingegangen ist, dass dem Auftraggeber noch sechs Tage für die Versendung der Unterlagen verbleiben.*)
4. Aus § 12 VOL/A EG lässt sich keine gesetzliche Grundlage für eine Vorverlegung der Frist zur Abforderung der Vergabeunterlagen und der zusätzlichen Unterlagen über diese 6 Tage hinaus, die der Auftraggeber zur Versendung der Verdingungsunterlagen benötigt, ableiten.*)
VolltextVPRRS 2012, 0169
OLG Naumburg, Beschluss vom 12.04.2012 - 2 Verg 1/12
1. Für die Abgrenzung zwischen - vergaberechtlich zulässigen - leistungsbezogenen Zuschlagskriterien und - vergaberechtlich unzulässigen - bieterbezogenen Zuschlagskriterien ist maßgeblich, ob sich ein Wertungsaspekt in seinem wesentlichen Kern bzw. hinsichtlich seines Bewertungsschwerpunkts auf Angaben stützen soll, die nur für den konkreten Auftrag Bedeutung erlangen (i. S. eines Ausführungskonzepts), oder auf Angaben zu den generellen Fähigkeiten und Fertigkeiten des Bieters (hier: "Angaben zur Sicherstellung der personellen Verfügbarkeit" und "Angaben zur geplanten Kommunikation mit dem Auftraggeber, zur Projektdokumentation, zu Statusberichten etc.").*)
2. Dokumentiert der öffentliche Auftraggeber das Vergabeverfahren fortlaufend und zeitnah, wie es § 24 EG Abs. 1 VOL/A vorschreibt, dann ist bei der Bewertung eines Vermerks in einem zeitlich frühen Stadium des Vergabeverfahrens (hier zur Auswahl der Zuschlagskriterien) - anders als bei einem rückschauend gefertigten, inhaltlich am Endergebnis des Verfahrens orientierten Vergabevermerk nach früherem Vergaberecht - stets zu berücksichtigen, ob und ggf. inwieweit er Überlegungen des öffentlichen Auftraggebers enthält, die sich - u. U. entgegen der ursprünglichen Erwartung - letztlich nicht auf den Verlauf und das Ergebnis des Verfahrens ausgewirkt haben.*)
3. Zur Struktur und zum Verlauf eines Verhandlungsverfahrens.*)
4. Ändert der öffentliche Auftraggeber im Verlaufe der Verhandlungen eine für die Kalkulation der Vergütung relevante Auftragsbedingung (hier: geforderter Umfang des Versicherungsschutzes), so ist er verpflichtet, allen Bietern die gleiche Gelegenheit zur Anpassung ihres Preisangebotes einzuräumen. Eine hierfür bestimmte Ausschlussfrist ist jedenfalls dann mit einem einheitlichen Beginn und Ende für alle Bieter zu setzen, wenn dies dem öffentlichen Auftraggeber ohne Weiteres möglich und zumutbar ist.*)
5. Wird ein Vergaberechtsverstoß des öffentlichen Auftraggebers festgestellt, so setzt ein Eingreifen der Nachprüfungsstelle nach § 114 Abs. 1 ZPO voraus, dass die auszuwählende Maßnahme geeignet ist, eine Verletzung der subjektiven Rechte des Antragstellers zu beseitigen und eine Schädigung seiner Interessen zu verhindern. Ist sicher auszuschließen, dass sich ein festgestellter Vergabeverstoß auf die Auftragschancen des Antragstellers ursächlich ausgewirkt haben kann, so bedarf es keines Eingreifens der Nachprüfungsstelle und - im Umkehrschluss - fehlt der Nachprüfungsstelle auch die Kompetenz, auf das Vergabeverfahren einzuwirken.*)
VolltextVPRRS 2012, 0162
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.02.2012 - Verg 75/11
1. Das Offene Verfahren ist der Regelfall, von dem nur in den gesetzlich zugelassenen Ausnahmefällen abgewichen werden kann. Der Ausnahmetatbestand des § 3 EG Abs. 2 b VOL/A ist eng auszulegen.
2. Die Dringlichkeit einer Vergabe kann zwar die Wahl eines Nichtoffenen Verfahrens begründen. Ein Auftraggeber kann sich aber auf die Dringlichkeit nicht berufen, wenn er sie selber verursacht hat, indem er etwa vergaberechtswidrige Ausschreibungen eingeleitet hat.
VolltextVPRRS 2012, 0156
LG München I, Beschluss vom 18.04.2012 - 11 O 7897/12
1. Auch im unterschwelligen Vergabewesen ist ein effektiver Schutz des Bieters zu gewährleisten. Zwar nicht vor jeder Fehlentscheidung staatlicher Vergabestellen, aber jedenfalls vor Verfahrensfehlern, die solches Gewicht haben, dass sie unter dem Gleichbehandlungsgebot (hier in Form des Differenzierungsgebots) nicht mehr hinnehmbar sind.
2. Das kann der Fall sein, wenn die Vergabestelle ohne sachlichen Grund von einer früheren Praxis abweichen will.
VolltextVPRRS 2012, 0154
VK Hessen, Beschluss vom 13.03.2012 - 69d-VK-06/2012
Ist eine rechtsverbindliche Unterschrift des Angebots gefordert, reicht die alleinige Unterschrift des Angebots durch den bevollmächtigten Vertreter einer Bietergemeinschaft nicht aus, wenn der bevollmächtigte Vertreter nicht auch ausdrücklich benannt wird.
VolltextVPRRS 2012, 0151
OLG Dresden, Beschluss vom 21.02.2012 - Verg 1/12
Ist wegen einer inhaltlichen Unvollständigkeit schon gar kein wirksames Angebot abgegeben worden, so handelt es sich nicht um das Fehlen von Erklärungen oder Nachweisen i. S. d § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A. Das Angebot ist vielmehr auszuschließen, ohne dass dem Bieter Gelegenheit gegeben werden darf, es nachzubessern.*)
VolltextIBRRS 2012, 1443; IMRRS 2012, 1053
OLG Hamm, Urteil vom 10.03.2011 - 21 U 123/10
1. Das Optionsrecht ist das Recht, durch einseitige Erklärung einen Vertrag, insbesondere einen Kauf- oder Mietvertrag, zustande zu bringen. Es ergibt sich in der Regel aus einem aufschiebend bedingten Vertrag, der durch die Optionserklärung unbedingt wird. Ein Optionsrecht liegt auch vor, wenn dem Berechtigten ein langfristig bindendes Vertragsangebot gemacht wird. Ob die ein oder andere Art des Optionsrechts oder ein davon grundsätzlich abzugrenzender Vorvertrag vorliegt, ist Auslegungsfrage.
2. Gegenstand einer Bedingung kann ein zukünftiges Ereignis jeder Art sein. Als Bedingung kann auch das freie Belieben einer Partei gemacht werden, sog. Potestativbedingung. Ein solches Rechtsgeschäft wird aber nur ausnahmsweise, etwa bei einem Ankaufs- oder Wiederverkaufsrecht, anzunehmen sein. Bindet sich nur eine Partei, während sich die Gegenpartei ihre Entscheidung vorbehält, liegt i.d.R. ein Vertragsangebot mit verlängerter Bindungswirkung (Option) und nicht ein bedingter Vertrag vor.
3. Eine Verlängerungsoption liegt vor, wenn ein Vertragspartner berechtigt ist, durch einseitige Erklärung das Vertragsverhältnis auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zu verlängern. Eine Verlängerungsklausel ist hingegen eine Vereinbarung, dass sich ein auf bestimmte Zeit abgeschlossener Vertrag auf bestimmte oder unbestimmte Zeit verlängert, wenn nicht ein Vertragsteil innerhalb einer bestimmten Frist vor Ablauf des Vertragsverhältnisses die weitere Fortsetzung ablehnt.
4. § 313 BGB ist nicht anwendbar, wenn sich durch die Veränderung ein Risiko verwirklicht, das eine Partei zu tragen hat.
VolltextVPRRS 2012, 0148
VK Lüneburg, Beschluss vom 31.01.2012 - VgK-58/2011
1. Ein Unternehmen kann sich auch als Mitglied einer Bietergemeinschaft zum Nachweis der Leistungsfähigkeit der Fähigkeiten anderer Unternehmen bedienen, ungeachtet des rechtlichen Charakters der zwischen ihnen und diesen Unternehmen bestehenden Verbindungen. Bietergemeinschaften sind wie Einzelbieter zu behandeln.
2. Als Alternative zur Bietergemeinschaft kann sich der Bieter des Instruments des Nachunternehmers bedienen. Zumindest für Dienstleistungsaufträge gemäß § 99 Abs. 4 GWB ist es möglich, dass der Auftragnehmer nicht nur teilweise, sondern in Gänze auf Nachunternehmer zurückgreift.
3. Der Hauptunternehmer ist nicht verpflichtet, bereits mit Angebotsabgabe die Nachunternehmer namentlich zu bennenen und verbindliche und mit Kosten verbundenen Vorverträgen mit den Nachunternehmern zu schließen.
VolltextVPRRS 2012, 0147
EuG, Urteil vom 10.12.2009 - T-195/08
1. Bei Zwischenmaßnahmen, die der Vorbereitung der im Rahmen eines mehrstufigen internen Verfahrens zustande kommenden Entscheidung über die Vergabe eines öffentlichen Auftrags unter Bewertung der abgegebenen Angebote dienen, können die Bewertungsberichte nicht selbst mit einer Nichtigkeitsklage angefochten werden. Eine Nichtigkeitsklage kann nur gegen die Maßnahme gerichtet werden, die den Standpunkt der Kommission am Ende dieses internen Verfahrens endgültig festlegt.*)
2. Eine Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person ist nur zulässig, wenn diese Person ein Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung hat. Ein solches Interesse setzt voraus, dass die Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung als solche Rechtswirkungen haben kann und dass die Klage der Partei, die sie erhoben hat, im Ergebnis auch einen Vorteil verschaffen kann.*)
3. Die Kommission verfügt über einen weiten Spielraum bei der Beurteilung der Gesichtspunkte, die beim Erlass einer Entscheidung über die Vergabe eines öffentlichen Auftrags im Wege der Ausschreibung zu berücksichtigen sind. Sie verfügt auch über einen weiten Beurteilungsspielraum bei der Entscheidung sowohl über den Inhalt als auch die Anwendung der Vorschriften, die für die Vergabe eines öffentlichen Auftrags im Wege einer Ausschreibung gelten. Außerdem hat ein öffentlicher Auftraggeber zwar die Ausschreibungsbedingungen genau und klar abzufassen, doch ist er nicht verpflichtet, alle Fallgestaltungen, die sich, so selten sie auch sein mögen, in der Praxis ergeben können, in Betracht zu ziehen. Eine im Lastenheft vorgesehene Bedingung ist nach Maßgabe ihres Zwecks, ihrer Systematik und ihres Wortlauts auszulegen. Im Zweifelsfall kann der betroffene öffentliche Auftraggeber die Anwendbarkeit einer solchen Bedingung im Wege einer Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Gesichtspunkte beurteilen. In Anbetracht des weiten Beurteilungsspielraums der Kommission muss sich die gerichtliche Kontrolle auf die Prüfung beschränken, ob die Verfahrens- und Begründungsvorschriften eingehalten worden sind, der Sachverhalt zutrifft und kein offensichtlicher Beurteilungsfehler oder ein Ermessensmissbrauch vorliegt. Im Rahmen einer solchen Kontrolle ist es Sache des Gemeinschaftsrichters, u. a. festzustellen, ob die Auslegung einer im Lastenheft vorgesehenen Bedingung durch die Kommission als öffentlicher Auftraggeber zutreffend ist.*)
4. Art. 148 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2342/2002 mit Durchführungsbestimmungen zur Haushaltsordnung verleiht den Organen die Befugnis, aus eigener Initiative Kontakt mit dem Bewerber aufzunehmen, falls ein Angebot Klarstellungen erfordert oder sachliche Irrtümer im Wortlaut des Angebots zu berichtigen sind. Daraus folgt, dass diese Bestimmung nicht so ausgelegt werden kann, dass sie den Organen in den dort abschließend aufgezählten Ausnahmefällen eine Pflicht zur Kontaktaufnahme mit den Bewerbern auferlegt.
Anders könnte es nur sein, wenn sich diese Befugnis aufgrund der allgemeinen Rechtsgrundsätze zu einer Verpflichtung der Kommission verdichten konnte, Kontakt mit einem Bewerber aufzunehmen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Wortlaut eines Angebots mehrdeutig abgefasst ist und die der Kommission bekannten Fallumstände darauf hinweisen, dass die Mehrdeutigkeit sich wahrscheinlich einfach auflösen lässt und leicht beseitigt werden kann. Dann läuft es im Prinzip dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung zuwider, wenn die Kommission das Angebot ablehnt, ohne von ihrer Befugnis Gebrauch zu machen, eine Klarstellung zu verlangen. Ihr unter solchen Umständen ein ungebundenes Ermessen zuzuerkennen, verstieße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung.
Außerdem dürfen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Handlungen der Gemeinschaftsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist, wobei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und die verursachten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen müssen.
Im Interesse der Rechtssicherheit ist jedoch auch erforderlich, dass sich die Kommission des genauen Inhalts eines im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens abgegebenen Angebots und insbesondere der Übereinstimmung des Angebots mit den im Lastenheft vorgesehenen Bedingungen vergewissern kann. Wenn also ein Angebot mehrdeutig ist und die Kommission nicht die Möglichkeit hat, schnell und effizient festzustellen, was es tatsächlich bedeutet, hat sie keine andere Wahl, als es abzulehnen.
Letzten Endes kommt es dem Gemeinschaftsrichter zu, festzustellen, ob die Antworten eines Bewerbers auf ein Klarstellungsverlangen des öffentlichen Auftraggebers als Klarstellungen zum Inhalt des Angebots dieses Bewerbers angesehen werden können oder ob sie diesen Rahmen überschreiten und den Inhalt des Angebots im Hinblick auf die im Lastenheft vorgesehenen Bedingungen ändern.*)
5. Der sowohl in Art. 89 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1605/2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften als auch in Art. 2 der Richtlinie 2004/18 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge in Bezug genommene Transparenzgrundsatz ist in Einklang mit dem Schutz des öffentlichen Interesses, der legitimen Geschäftsinteressen öffentlicher oder privater Unternehmen und des lauteren Wettbewerbs zu bringen, der die in Art. 100 Abs. 2 Unterabs. 2 der Haushaltsordnung vorgesehene Möglichkeit rechtfertigt, von der Mitteilung bestimmter Informationen an einen abgelehnten Bewerber abzusehen, wenn dies erforderlich ist, um die Beachtung dieser Erfordernisse sicherzustellen.*)
6. Die Begründetheit einer Schadensersatzklage nach Art. 288 Abs. 2 EG hängt von der Erfüllung mehrerer Voraussetzungen ab, nämlich von der Rechtswidrigkeit des den Organen vorgeworfenen Verhaltens, dem tatsächlichen Vorliegen eines Schadens und dem Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem behaupteten Verhalten und dem geltend gemachten Schaden. Liegt eine dieser Voraussetzungen nicht vor, so ist die Klage insgesamt abzuweisen, ohne dass die übrigen Voraussetzungen geprüft zu werden brauchten.*)
VolltextVPRRS 2012, 0146
OLG Koblenz, Beschluss vom 30.03.2012 - 1 Verg 1/12
1. Eine vom Bieter auf Verlangen des Auftraggebers im Angebot eingetragene Produkt- oder Typenbezeichnung ist wörtlich zu nehmen, wenn sie eindeutig ist und sich im übrigen Angebotsinhalt keine Anknüpfungspunkte dafür finden, dass etwas anderes angeboten werden sollte.*)
2. Es gibt keinen - bei der Auslegung eines Angebots zu berücksichtigenden - Erfahrungssatz, dass Unternehmen immer genau das anbieten wollen, was der Auftraggeber über die Leistungsbeschreibung "bestellt" hat und Abweichungen im Angebot auf einem - vom Auftraggeber als solches erkennbarem - Versehen beruhen.*)
3. Eine Produkt- oder Typenbezeichnung ist keine isoliert wegen Irrtums anfechtbare Willenserklärung, sondern Bestandteil der Willenserklärung Angebot.*)
4. Nach Ablauf der Angebotsfrist ist eine Teilanfechtung des Angebots mit dem Ziel der Änderung einer Produkt- oder Typenbezeichnung nicht möglich.*)
VolltextVPRRS 2012, 0139
VK Sachsen, Urteil vom 08.11.2011 - 1/SVK/041-11
Gemäß § 19 EG Abs. 3 d VOL/A 2009 sind Angebote, die Änderungen an den Vergabeunterlagen aufweisen, zwingend von der Wertung auszuschließen. Dies gilt unabhängig davon, ob im Ergebnis mit dem angebotenen Produkt ein gleichwertiges Leistungsergebnis erzielt werden kann, wie mit dem laut Leistungsverzeichnis verlangten Fabrikat.*)
VolltextVPRRS 2012, 0138
VK Sachsen, Beschluss vom 10.02.2012 - 1/SVK/001-12
1. Die "Verlängerung" beschleunigter Vergabeverfahren aus Dringlichkeitsgründen wegen der aktuellen Wirtschaftslage bis Ende 2011 im Sinne der Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 19.12.2008 (IP/08/2040) ergibt sich aus der "NOTE TO THE MEMBERS OF THE ADVISORY COMMITTEE ON PUBLIC CONTRACTS" der Kommission vom 09.12.2010. Dieses Dokument hat nicht den Charakter einer "Ermächtigungsgrundlage" und hat damit weder einen normsetzenden bzw. normersetzenden Charakter.*)
2. Die Verkürzung der Bekanntmachungsfrist nach § 7 Abs. 2 VOF ist nur in eng zu fassenden Ausnahmefällen zulässig, weil dadurch der europaweite Wettbewerb faktisch zugunsten der beschleunigten Durchführung des Verfahrens begrenzt wird. Die Dringlichkeit setzt die nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilende Eilbedürftigkeit der beabsichtigten Beschaffung voraus.*)
3. Die Berücksichtigung des bloßen Nachunternehmereinsatzes als Kriterium im Teilnahmewettbewerb ist vergaberechtswidrig. Die Aussage, dass ein Teilnehmer Nachunternehmer einsetzt, lässt nicht ohne weitere Kenntnis der tatsächlichen Eignung den Rückschluss zu, dass der Bieter weniger geeignet ist als ein Bieter, der die Leistung als Eigenleistung erbringt. Für einen entsprechenden allgemeinen Erfahrungssatz fehlen sachgerechte Erwägungen. Ein "Kern" an eigener Leistungsfähigkeit darf nicht gefordert werden.*)
4. Auch unter Berücksichtigung der Interessen des Mittelstandes ist im Rahmen eines Teilnahmewettbewerbs eine Eingrenzung des Teilnehmerkreises zulässig. Insoweit ist es nicht zu beanstanden, wenn der Auftraggeber die Anforderungen so gestaltet, dass eine Abschichtung erfolgt, die eine Eingrenzung auf die zur Teilnahme am Angebotsverfahren vorgesehene Teilnehmerzahl ermöglicht und ein Losverfahren überflüssig macht.*)
VolltextVPRRS 2012, 0136
VK Sachsen, Beschluss vom 11.11.2011 - 1/SVK/042-11
1. Trägt ein Antragsteller in einem VOL/A Verfahren vor, dass er aus seiner Marktkenntnis heraus Zweifel an der Eignung des Beigeladenen habe, benennt er damit einen ausreichend konkreten Anhaltspunkt für den behaupteten Vergaberechtsverstoß. Da ein Bieter regelmäßig keinen Einblick in das Angebot eines Mitbewerbers hat, kann ein tiefgreifender Vortrag nicht verlangt werden. Dasselbe gilt, soweit ein Antragsteller geltend macht, der Beigeladene habe unauskömmlich kalkuliert, da es angesichts der eigenen Kalkulation unmöglich erscheine, dass ein anderer Bieter günstiger angeboten haben könne.*)
2. § 19 Abs. 6 EG VOL/A hat zumindest in dem Fall bieterschützende Wirkung, wenn durch den Auftraggeber überhaupt keine Auskömmlichkeitsprüfung vorgenommen worden ist. *)
3. Erklärt ein Bieter mit Angebotsabgabe, dass er für einen Teil der ausgeschriebenen Leistung die geforderten Referenzen nicht vorlegen könne, so ist es dem Auftraggeber verwehrt, die entsprechenden Referenzen nachzufordern. Das Angebot des jeweiligen Bieters ist dann zwingend wegen fehlender Eignung auszuschließen.*)
4. Eine Verlängerung einer nach § 19 Abs. 2 Satz 1 EG VOL/A gesetzten Frist zur Nachforderung von bereits mit Abgabe des Angebotes vorzulegenden Erklärungen und Nachweisen ist nicht möglich.*)
VolltextVPRRS 2012, 0135
VK Sachsen, Beschluss vom 10.02.2012 - 1/SVK/050-11
1. Bereits aus der Veröffentlichung einer Vorinformation kann eine Rechtsverletzung resultieren. Auch wenn die Absendung der Vorinformation noch keinen Beginn des Vergabeverfahrens darstellt, so kann sich in der Vorinformation der Wille der Vergabestelle manifestieren, ein bestimmtes, nunmehr bekanntgegebenes Vergabeprozedere durchführen zu wollen. Zudem ist der Bieter gehalten, jedweden Verfahrensverstoß unverzüglich nach Kenntnisnahme "frühestmöglich" zu monieren.*)
2. Der Begriff des Fachloses knüpft nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung an die bei der Auftragsausführung anfallenden Gewerke an, sofern diese sachlich abgrenzbar sind. Eine solche Abgrenzbarkeit lässt sich für Lärmschutzwandarbeiten im Zusammenhang mit Straßenbauarbeiten unproblematisch annehmen.*)
3. Das Gebot der Teilung der Aufträge in Fach- und Teillose als Regelfall ließe bei einer abstrakten Betrachtungsweise zunächst den Schluss zu, dass jede größere Baumaßnahme in einzelne Arbeitsschritte und Bauetappen oder auch Liefer- und Transportleistungen zu zerlegen ist, die in kleinteiligen Fachlosen zu vergeben wären. Deshalb sind die Argumente des Auftraggebers, die diesen zum Absehen von einer Fachlosvergabe bewogen haben zu bewerten, wobei der mit einer Fachlos- oder gewerkeweisen Vergabe allgemein verbundene Mehraufwand bei der Abwägung grundsätzlich unberücksichtigt bleibt. Die Entscheidung des Auftraggebers hierüber ist von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur darauf zu überprüfen, ob sie auf vollständiger und zutreffender Sachverhaltsermittlung und nicht auf einer Ermessensfehlbetätigung, namentlich auf Willkür, beruht.*)
4. Erst im Rahmen eines Vergabenachprüfungsverfahrens vorgetragene Überlegungen der Vergabestelle müssen nicht notwendigerweise unter dem Gesichtspunkt fehlender Dokumentation unberücksichtigt bleiben, denn es erscheint geradezu lebensfremd, zu verlangen, dass ein öffentlicher Auftraggeber alle denkbaren Varianten eines alternativen Bauablaufs höchst vorsorglich durchdeklinieren und zur Vergabeakte nehmen muss um so der ihm obliegenden Dokumentationspflicht zu genügen.*)
VolltextVPRRS 2012, 0454
VK Arnsberg, Beschluss vom 24.02.2012 - VK 2/12
Der zulässig geforderte Nachweis einer dreijährigen Markttätigkeit durch die Angabe der Umsatzzahlen der letzten drei Jahre und anderer Angaben nach § 6 Abs. 3 VOB/A kann auch für ein (nach Insolvenz) neu gegründetes Unternehmen seitens des Bieters nicht durch Verweis auf Referenzen ersetzt werden. Eine Nachforderung nach § 16 Abs. 3 VOB/A entfällt wegen offensichtlicher Unmöglichkeit der Erbringung des Nachweises. Der Auftraggeber ist auch nicht nach § 6 Abs. 7 Nr. 2 VOB/A verpflichtet oder berechtigt, von den wirksam geforderten Nachweisen Abstand zu nehmen.*)
VolltextVPRRS 2012, 0133
OLG München, Beschluss vom 05.04.2012 - Verg 3/12
1. Ein Baukonzessionär, der für das ihm übertragene Bauvorhaben an Dritte isolierte Planungsaufträge vergibt, ist öffentlicher Auftraggeber nach § 98 Nr. 6 GWB.*)
2. Bei der Vergabe solcher Planungsleistungen hat der Baukonzessionär die allgemeinen und grundlegenden Regeln des Vergaberechts zu beachten.*)
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