Vergabepraxis & -recht.

Volltexturteile nach Sachgebieten
5421 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2012
VPRRS 2012, 0100
VK Nordbayern, Beschluss vom 04.01.2012 - 21.VK-3194-40/11
Nach § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit der Antragsteller einen Verstoß gegen Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht unverzüglich gerügt hat. Der Anwendung des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB steht das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 28.01.2010 (IBR 2010, 159) nicht entgegen; jedenfalls dann nicht, wenn die Rüge nicht verspätet, sondern gar nicht erhoben wurde.*)

VPRRS 2012, 0099

VK Nordbayern, Beschluss vom 03.02.2012 - 21.VK-3194-42/11
1. Darf ein Auftraggeber wegen unheilbarer Mängel des Vergabeverfahrens keinem Bieter den Zuschlag erteilen, hat ein Bieter bei der Neuausschreibung der Leistung eine "zweite Chance". In einem solchen Fall ist der Bieter auch ohne wertbares eigenes Angebot antragsbefugt.*)
2. Die am Auftrag interessierten Unternehmen müssen in die Lage versetzt werden, bei der Vorbereitung ihrer Angebote nicht nur vom Bestehen, sondern auch von der Tragweite der Zuschlagskriterien Kenntnis zu nehmen. Zur Tragweite gehört nicht nur die Gewichtung selbst, sondern auch die Umrechnungsformel bei der Wertung - wie etwa zur Umrechnung der Angebotspreise in Punkte.*)

VPRRS 2012, 0098

OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.07.2010 - 19 U 109/09
1. Verständigen sich die Bauvertragsparteien darauf, dass eine andere als die vertraglich vereinbarte Variante zur Ausführung kommen soll, ohne allerdings eine Regelung über die dafür zu zahlende Vergütung zu treffen, scheidet eine Preisbildung nach § 2 Nr. 5 oder Nr. 8 Abs. 2 VOB/B aus. Denn eine solche Vertragsänderung beruht weder auf einer (einseitigen) Anordnung der Auftraggebers noch stellt sie eine auftragslose oder in eigenmächtiger Abweichung vom Auftragnehmer erbrachte Leistung dar.
2. Die fehlende vertragliche Regelung über die Höhe der Preise für die erbrachte Leistung ist vielmehr (vorrangig) im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu ermitteln. Ansonsten ist (nachrangig) § 632 Abs. 2 BGB als gesetzliche Auslegungsregel heranzuziehen.

VPRRS 2012, 0097

OLG Brandenburg, Beschluss vom 16.02.2012 - Verg W 1/12
1. Im Rahmen eines vergaberechtlichen Verhandlungsverfahrens gibt es immer nur ein gültiges Angebot eines jeden Bieters, das im Laufe des Verfahrens modifiziert und aktualisiert oder ausdrücklich unverändert aufrecht erhalten bleibt. Mit der Abgabe eines modifizierten Angebotes bringt der Bieter dem Erklärungsempfänger gegenüber zum Ausdruck, dass er das ursprüngliche Angebot nur in der modifizierten aktuellsten Fassung gegen sich gelten lassen möchte.
2. Zwar steht dem Sektorenauftraggeber grundsätzlich ein größerer Beurteilungsspielraum zu, jedoch ist es anerkannt, dass die allgemeinen vergaberechtlichen Grundsätze des § 97 GWB, insbesondere das Transparenz- und das Gleichbehandlungsgebot, auch in Vergabeverfahren nach der SektVO entsprechend gelten.
3. Die Bildung einer Bietergemeinschaft ist unzulässig, wenn sie eine wettbewerbsbeschränkende Abrede i.S. von § 1 GWB darstellt. Maßgeblich ist, ob ein Unternehmer bereit ist, sich allein um die Auftragsvergabe zu bewerben oder ob dem wirtschaftlich zweckmäßige und kaufmännisch vernünftige Gründe entgegenstehen. In solchen Fällen ist von der Zulässigkeit der Bietergemeinschfat auszugehen.
4. Von einem ungewöhnlich niedrigen Preis ist auszugehen, wenn der angebotene Gesamtpreis derart eklatant von dem an sich angemessenen Preis abweicht, dass eine genauere Überprüfung nicht im Einzelnen erforderlich ist und die Unangemessenheit sofort ins Auge fällt. dazu kommen muss eine Marktverdrängungsabsicht.
5. Es liegt eine gegen das Vergaberecht verstoßende Wettbewerbsverfälschung und -verzerrung vor, wenn ein Unternehmen der öffentlichen Hand eine für den Wettbewerb relevante Tätigkeit auf einem bestimmten Markt aufnimmt, obwohl es dies nicht darf, und darin durch den öffentlichen Auftraggeber durch die Auftragsvergabe unterstützt wird.

VPRRS 2012, 0094

VK Hessen, Beschluss vom 08.02.2012 - 69d-VK-02/2012
Ein vom Gesetzgeber nicht vorgesehenes Rechtsschutzverfahren für Vergaben unterhalb der Schwellenwerte kann nicht dadurch begründet werden, dass ein öffentlicher Auftraggeber einen Auftrag unterhalb des Schwellenwerts europaweit ausschreibt.

VPRRS 2012, 0075

OLG Köln, Urteil vom 31.01.2012 - 3 U 17/11
1. Ersatz seines entgangenen Gewinns kann ein grundsätzlich ersatzberechtigter übergangener Bieter nur dann erhalten, wenn er ohne den Verstoß und bei auch ansonsten ordnungsgemäßer Vergabe den Zuschlag hätte erhalten müssen.
2. Ist in den Verdingungsunterlagen eine Leistungszeit von 16 Tagen vorgesehen und bezeichnet ein Bieter dies in seinem Begleitschreiben als nicht realisierbar, so hat er sein Angebot unter der Bedingung einer Abänderung der vorgegebenen Leistungszeit abgegeben. Eine solche Änderung der Verdingungsunterlagen führt zum zwingenden Ausschluss des Angebots.

VPRRS 2012, 0071

LG Bonn, Urteil vom 31.03.2011 - 14 O 81/09
(Ohne amtlichen Leitsatz)

VPRRS 2012, 0068

OLG Frankfurt, Beschluss vom 13.12.2011 - 11 Verg 8/11
1. Ein (vermeintlicher) Vergabeverstoß, von dem der Bieter durch Akteneinsicht Kenntnis erlangt, muss so rechtzeitig im Nachprüfungsverfahren geltend gemacht werden, dass keine Verzögerung des Verfahrens eintritt.*)
Erhält der Bieter längere Zeit vor der mündlichen Verhandlung Akteneinsicht durch Übersendung einer Kopie des Vergabevermerks, so ist die darauf gestützte Rüge eines Dokumentationsmangels präkludiert, wenn sie erstmals in einem nachgelassenen Schriftsatz im Anschluss an die mündliche Verhandlung vor der Vergabekammer vorgetragen wird. Eine Rüge, die die Vergabekammer zu Recht als präkludiert ansieht, kann auch im Beschwerdeverfahren nicht mehr geltend gemacht werden.*)
2. Das Gleichbehandlungsgebot verpflichtet die Vergabestelle, die Angebote aller Bieter auszuschließen, die aufgrund unterschiedlicher gleichwertiger Mängel zwingend auszuschließen sind (Anschluss an OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06.02.2007 - 17 Verg 5/06, ibr-online). Von einem gleichwertigen Mangel ist auch auszugehen, wenn ein Angebot schon aus formalen Gründen (fehlende Eignungsnachweise) und ein anderes aus materiellen Gründen (mangelnde Eignung) auszuschließen ist.*)

VPRRS 2012, 0066

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.06.2011 - 1 VK 29/11
1. Alle Erklärungen, die der Auftraggeber dadurch, dass er sie gefordert hat, als Umstände ausgewiesen hat, deren Vorlage für die weiteren Entscheidungen relevant sein sollen, haben vorzuliegen, da ansonsten keine in jeder Beziehung vergleichbare Angebote vorliegen. Unerheblich ist hierbei, ob es sich um wettbewerbserhebliche Erklärungen handelt oder um solche, deren Fehlen keinen Einfluss auf die Preise, den Wettbewerb oder die Eindeutigkeit des Angebots haben.
2. Dem § 5 Abs. 6 VOF lässt sich nicht entnehmen, dass es unzulässig sei, den Nachweis darüber, dass Unterauftragnehmer zur Verfügung steht, bereits mit dem indikativen Angebot zu fordern.
3. § 5 Abs. 6 VOF richtet sich an die Bieter, die schon von sich aus die entsprechenden Verpflichtungserklärungen vorzulegen haben, wenn sie Unterauftragnehmer einzusetzen gedenken.
4. § 5 Abs. 6 VOF regelt nicht die Frage, ob und zu welchem Zeitpunkt der Auftraggeber seinerseits den Nachweis, ob Unterauftragnehmer zur Verfügung stehen, verlangen kann.

VPRRS 2012, 0065

VK Sachsen, Beschluss vom 05.12.2011 - 1/SVK/043-11
1. Die Vorschrift des § 9 Abs. 1 VOL/A, wonach die Allgemeinen Vertragsbedingungen (VOL/B) grundsätzlich zum Vertragsgegenstand zu machen sind, ist bieterschützend. Allerdings lässt § 9 Abs. 1 VOL/A ein Abweichen von den Bestimmungen der VOL/B zu. Der Ausschluss der VOL/B bedingt deshalb noch keine Verletzung von Bieterrechten.
2. Der öffentliche Auftraggeber ist gehalten, in den Vertragsbedingungen für eine angemessene Risikoverteilung zu sorgen. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, bestimmt sich bei einer VOL/A-Vergabe nach den allgemeinen vergaberechtlichen Grundsätzen der Gleichbehandlung, Diskriminierungsfreiheit und Transparenz.

VPRRS 2012, 0064

VK Lüneburg, Beschluss vom 14.02.2012 - VgK-05/2012
1. Die Rüge muss angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich innerhalb von 1 bis 3 Tagen erfolgen. Auch bei einer ggf. notwendigen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts erfüllt eine Rügefrist von mehr als einer Woche das Zeitkriterium des § 107 Abs. 3 GWB zumindest regelmäßig nicht. Eine Rügefrist von zwei Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird, kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert.
2. Eine Rüge per Telefax, die erst nach den üblichen Bürozeiten der Vergabestelle eingeht, gilt erst am darauf folgenden Arbeitstag als zugegangen.
3. Die Rechtsprechung des EuGH vom 28.01.2010 (IBR 2010, 159) steht der Präklusionsregelung des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB nicht entgegen.
4. Die Wiederherstellung der Zuverlässigkeit des Beteiligten eines Feuerwehrbeschaffungskartells setzt nicht nur voraus, dass das betroffene Unternehmen bei der Aufklärung des Sachverhalts mitwirkt, personelle Konsequenzen zieht und Compliance-Maßnahmen zur Vorbeugung ergreift, um vergleichbaren Verstößen vorzubeugen. Vielmehr sind auch Pläne zur Schadenswiedergutmachung beim Mutterunternehmen einzuholen.
5. Ohne Beteiligung an der Schadenswiedergutmachung, sei es zunächst in Gestalt der Mitwirkung an der Schadensaufklärung, ist angesichts der außerordentlich schweren Rechtsverletzungen bei dem in Rede stehenden Feuerwehrbeschaffungskartell eine Wiederherstellung der vergaberechtlichen Zuverlässigkeit nicht denkbar.
6. Auch die Insolvenz des Auftragnehmers ist ein möglicher Grund, die vergaberechtliche Eignung zu verneinen.
7. Ein Nachprüfungsantrag ist unbegründet, wenn das Angebot von den technischen Vorgaben des Leistungsverzeichnisses abweicht.

VPRRS 2012, 0052

LG Frankfurt/Main, Urteil vom 02.02.2012 - 2-03 O 151/11
1. Ein Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses ist nur dann gegeben, wenn feststeht, dass dem Bieter bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vergabeverfahrens der Zuschlag hätte erteilt werden müssen.
2. Demgegenüber besteht ein Anspruch auf das positive Interesse nicht, wenn das Angebot des Schadensersatz begehrenden Bieters von der Vergabe zwingend auszuschließen war.

VPRRS 2012, 0050

VK Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20.04.2010 - VK 2-9/10
1. § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB kann aufgrund der Entscheidung des EuGH vom 28. Januar 2010 (Rs. C-406/08) derzeit grundsätzlich nicht angewandt werden.*)
2. Prüfungsmaßstab für die Erkennbarkeit eines Verstoßes gegen das Vergaberecht im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 3 GWB ist die Erkenntnismöglichkeit eines durchschnittlichen Bieters.*)
3. Der Bieter soll aufgrund der Bekanntmachung klar und zweifelsfrei erkennen können, ob er für die Abgabe eines Angebots in Frage kommt. Er muss sich anhand der Bekanntmachung überlegen können, ob er die geforderten Nachweise erbringen kann und auf welche Weise.*)
4. Bei einem vorgeschalteten Teilnahmeverfahren ist die Eignung grundsätzlich anhand der mit dem Teilnahmeantrag vorgelegten Nachweise zu prüfen.*)

VPRRS 2012, 0047

VK Lüneburg, Beschluss vom 04.10.2011 - VgK-26/2011
1. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Verfahrensfehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht aus § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen.
2. Der Preis ist nach dem deutschen Vergaberecht zwar das wichtigste, aber nicht das allein entscheidende Kriterium. Dazu kommen weitere Zuschlagskriterien wie etwa Qualität, technischer Wert, Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften usw.
3. Im Gegensatz etwa zu Lieferleistungen haben qualitative Aspekte bei Dienstleistungen immer auch Bezug zur Fachkunde und Leistungsfähigkeit des Bieterunternehmens und damit zu Eignungskriterien im Sinne des § 6 Abs. 3 VOL/A. Daher ist ein striktes Auseinanderhalten im Einzelfall schwierig.
4. Gem. § 14 Abs. 3 VOL/A ist die gesamte Dokumentation des Vergabeverfahrens, einschließlich der Angebotsöffnung, vetraulich und sorgfältig zu behandeln, um etwa Konkurrenten keine Kenntnis der Angebotsinhalte vor der Zuschlagserteilung zu ermöglichen und somit einen unverfälschten Wettbewerb zu gewährleisten. Neben der direkten Weitergabe der Niederschruft stellen auch andere Angaben daraus, die in anderer Form, wie z.B. durch eine Presemittelung der Vergabestelle verlautbart werden, einen Verstoß gegen des Geheimhaltungsverbot der Niederschrift dar.

VPRRS 2012, 0046

VK Lüneburg, Beschluss vom 23.09.2011 - VgK-36/2011
1. Die grds. auftraggeberschützende Norm des § 16 Abs. 6 Satz 2 VOL/A entfaltet einen Bieterschutz nur, wenn das an den Auftraggeber gerichtete Gebot, wettbewerbsbeschränkende und unlautere Verhaltensweisen zu bekämpfen, den Ausschluss des als unangemessen niedrig gerügten Preisangebots fordert.
2. Bieterschutz gem. § 16 Abs. 6 Satz 2 VOL/A ist gegeben, wenn Angebote mit einem unverhältnismäßig niedrigen Preis in der zielgerichteten Absicht einer Marktverdrängung abgegeben werden oder zumindest die Gefahr begründen, dass bestimmte Wettbewerber vom Markt ganz (und nicht nur von einer einzelnen Auftragsvergabe) verdrängt werden.
3. § 16 Abs. 6 Satz 2 VOL/A schützt auch den Wettbewerber, der sich gleichfalls an der Ausschreibung beteiligt hat und zu Recht erwartet, dass seinem Angebot nicht ein unseriös kalkuliertes Angebot vorgezogen wird, bei dem die ordnungsgemäße Vertragsdurchführung möglicherweise nicht sichergestellt ist.
4. Die Frage, ab welchem Preisabstand der Auftraggeber Anlass zu Zweifeln an der Angemessenheit des Preises haben muss, hängt vom Einzelfall, insbesondere vom Auftragsgegenstand und von der Marktsituation ab. Für den Liefer- und Dienstleistungsbereich ist eine Differenz zum nächsthöheren Gebot i.H.v. 20% als Orientierungshilfe angemessen.
5. Die 20% Schwelle ist jedoch nur als Indiz heranzuziehen. Etwa bei leistungsfähigeren Bietern kann es verschiedenste Gründe geben, im Einzelfall auch ein nicht auskömmliches oder jedenfalls sehr knapp kalkuliertes Angebot abzugeben. Solche Angebote sind im Sinne eines Wettbewerbs erwünscht, solange an der ordnungsgemäßen Durchführung der Leistung keine Zweifel bestehen.
6. Erscheint einem Auftraggeber der günstigste Preis zu niedrig, so hat er auf Aufklärung durch den Bieter hinzuwirken und darf nicht von unzureichend ermittelten Sachverhalten oder irrealistischen eigenen Vergleichszahlen ausgehen.

VPRRS 2012, 0045

VK Bund, Beschluss vom 08.07.2011 - VK 1-75/11
Nach § 19 Abs. 3 SektVO kann der Auftraggeber fehlende Erklärungen und Nachweise grundsätzlich nachfordern. Das dem Auftraggeber hierbei zustehende Ermessen ist allerdings auf Null reduziert, wenn nach den Bewerbungsbedingungen die Nachforderung von "allen zu Preisen gehörigen Unterlagen" von vornherein ausgeschlossen ist. Liegt dem Angebot eines Bieters das geforderte Kalkulationsschlussblatt über die Gesamtangebotssumme nicht bei und sind die darin geforderten Angaben auch nicht den weiteren Angebotsunterlagen zweifelsfrei zu entnehmen, muss das Angebot ausgeschlossen werden.

VPRRS 2012, 0044

VK Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27.04.2010 - VK 1-4/10
Von der Präklusionsregel des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB kann aufgrund der Entscheidung des EuGH vom 28.01.2010 (IBR 2010, 159) derzeit kein Gebrauch gemacht werden.

VPRRS 2012, 0042

VK Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10.02.2010 - VK 1-53/10
1. Sog. Cent-Preise rechtfertigen nur dann einen Ausschluss des Angebots, wenn nachweislich eine Mischkalkulation vorliegt oder Preise in Abweichung von der Kalkulation unvollständig angegeben werden.
2. Die Kalkulation ist Angelegenheit und Risiko des Bieters. Niedrig kalkulierte Preise führen grundsätzlich nicht zum Angebotsausschluss wegen Unzuverlässigkeit des Bieters. Ein Ausschlussgrund ist erst dann gegeben, wenn der Gesamtpreis des Angebots unauskömmlich ist.

VPRRS 2012, 0039

VK Lüneburg, Beschluss vom 12.12.2011 - VgK-52/2011
1. Die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB kann erst dann entfallen, wenn die Zuschlagerteilung auf das Angebot der jeweiligen Antragstellerin von vornherein und offensichtlich ausgeschlossen ist, weil z.B. etwaige Gründe zum Ausschluss der Antragstellerin evident vorliegen.
2. Die Begründung eines Nachprüfungsantrags muss zwingend eine Beschreibung der behaupteten Rechtsverletzung mit zugehöriger Sachverhaltsdarstellung enthalten. Bei einem Vortrag "ins Blaue hinein" - nämlich ohne konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für einen möglichen Vergaberechtsverstoß - ist dagegen die Vergabekammer von der Notwendigkeit einer Sachaufklärung von Amts wegen gem. § 110 Abs. 1 GWB entbunden.
3. Gem. § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit der Antragsteller den gerügten Verstoß gegen Vergabevorschriften im Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht unverzüglich gerügt hat. Als unverzüglich gilt ein Zeitraum innerhalb von ein bis drei Tagen.
4. Eine spätere, deutlich nach Ablauf der gesetzten Frist vorgebrachte Veränderung eines konkretisierten Angebotsinhaltes ist eine nachträgliche Änderung des Angebots und als solche gemäß § 18 Satz 2 VOL/A-EG nicht zulässig.
5. Die in § 18 VOL/A-EG enthaltene allgemeine Aufklärungsbefugnis ist mit einem Nachverhandlungsverbot verbunden. Sie soll die anderen Bieter davor schützen, dass einem Bieter die Gelegenheit eingeräumt wird, durch nachträgliche Änderung seines Angebots einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil zu erzielen.
6. Der öffentliche Auftraggeber ist bei einer geringen Abweichung (unter 20 %) nicht zur weiteren Aufklärung des Preises nach § 19 Abs. 6 VOL/A-EG als ungewöhnlich niedrig verpflichtet.

VPRRS 2012, 0038

VK Niedersachsen, Beschluss vom 28.07.2011 - VgK-27/2011
1. Die katholische Kirche in Deutschland ist weder institutioneller öffentlicher Auftraggeber i.S d. § 98 Nr. 1 GWB, noch ein solcher i.S.d. § 98 Nr. 2 GWB.
2. Als öffentlich-rechtliche Körperschaft sui generis ist die katholische Kirche eine juristische Person des öffentlichen Rechtes und kann daher in bestimmten Fällen funktionaler öffentlicher Auftraggeber i. S. des § 98 Nr. 5 GWB sein.
3. Bei einer Domsanierung handelt es sich am ehesten um die Errichtung einer Erholungs- oder Freizeiteinrichtung. Der Begriff der Freizeiteinrichtung gem. § 98 Nr. 5 GWB ist dabei als wertungsfreier Sammelbegriff für alle Orte zu verstehen, die von der überwiegenden Mehrzahl der Benutzer während deren Freizeit aufgesucht werden. Darunter fallen im Zweifel auch Orte der Religionsausübung, wenn sie zugleich die Funktion einer historisch oder kulturell bedeutsamen Stätte innehaben.
4. § 98 Nr. 5 GWB enthält keine Wertung, sondern ausschließlich die bundesgesetzliche Übernahme der europarechtlichen Definition von Baumaßnahmen im öffentlichen Interesse.

VPRRS 2012, 0037

LG Köln, Urteil vom 01.02.2011 - 27 O 202/10
1. Die Ausgleichsregelungen in §§ 24 und 25 BBodSchG stellen keine abschließenden Sonderregelungen beim Auftreten von Bodenkontaminationen dar, die eine Anwendbarkeit der Regelungen der VOB/B, insbesondere über Nachträge gemäß § 2 Nr. 6 VOB/B, ausschliessen können.
2. Grundsätzlich darf der Bieter auf die Vollständigkeit der Leistungsbeschreibung vertrauen. Diese Vermutung der Vollständigkeit führt dazu, dass Leistungen, die nicht im Vertrag erwähnt sind, auch nicht mit den Vertragspreisen abgegolten sind. Findet sich daher in einer Leistungsbeschreibung kein Hinweis auf eine Kontamination, braucht der Bieter auch keinen Aufwand für die Bewältigung dieses Baugrundproblems in seinem Preis einzurechnen.
3. Der Auftragnehmer ist zu eigenen Bodenuntersuchungen nicht verpflichtet, wenn die Leistungsbeschreibung bestimmte Bodenklassen nach DIN 18300 vorsieht.
4. Die isolierte klageweise Geltendmachung von Nachträgen ist zulässig, solange die Schlussrechnung noch nicht gestellt ist.

VPRRS 2012, 0036

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25.05.2011 - 1 VK LSA 58/10
1. Die Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB verstößt nicht gegen höherrangiges europäisches Recht.*)
2. Der Zeitpunkt der inhaltlichen Kenntnisnahme von der anwaltlich aufbereiteten Infopost ist vorliegend mit dem Zeitpunkt des Erkennens der vermeintlichen Vergaberechtswidrigkeit des Auftraggeberverhaltens gleichzusetzen.*)
3. Es kann nicht von einer bloßen Verdachtsrüge gesprochen werden, wenn im Bekanntmachungstext die Zulassung von Nebenangeboten unter gleichzeitiger Festlegung des ausschließlichen Zuschlagskriteriums Preis angegeben ist und der Bieter diesbezüglich eine anwaltliche Infopost vorab erhalten hat.*)
4. Wenn die anwaltliche Beratung durch die anwaltliche Infopost bereits erfolgte, ist eine am sechsten Tag erfolgte Rüge nicht mehr unverzüglich.*)

VPRRS 2012, 0033

VK Berlin, Beschluss vom 26.04.2011 - VK B 2-3/11
1. Zur Abgrenzung von Bauauftrag und Dienstleistungsauftrag.*)
2. Die Statthaftigkeit eines Nachprüfungsantrags hat die Vergabekammer, unabhängig von der Erfüllung der Rügeobliegenheiten, nach objektiven Kriterien und der objektiven Sachlage zu beurteilen.*)
3. Die fehlerhafte Wahl der Verdingungsordnung, die zur nationalen an Stelle einer europaweiten Ausschreibung führt, unterfällt der Rügepflicht, wenn sie aus den Verdingungsunterlagen erkennbar ist.*)

VPRRS 2012, 0032

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23.03.2011 - 15 Verg 2/11
1. Die Begriffe "Erklärungen und Nachweise" in § 19 VOL/A-EG sind weit zu verstehen. Deshalb können sämtliche (fehlenden) Angaben - mit Ausnahme der gesondert von § 19 Abs. 2 Satz 2 VOL/A-EG angesprochenen (wesentlichen) Preisangaben - nachgefordert werden.
2. Die Vergabestelle ist jedoch in Ausübung des ihr zukommenden Ermessens nicht gehindert, von einer Nachforderung abzusehen. Einen Anspruch auf die Nachforderung fehlender Erklärungen und Nachweise gewährt § 19 Abs. 2 VOL/A-EG nicht.
3. Auch wenn die Vergabestelle das ihr im Rahmen des § 19 Abs. 2 VOL/A-EG eingeräumte Ermessen bei der Entscheidung über den Ausschluss nicht ausgeübt, ist der Ausschluss eines Angebots nicht vergaberechtswidrig, wenn der fehlenden Erklärung für die Wertung der Angebote ein besonderer Stellenwert zukommt.

VPRRS 2012, 0029

VK Bund, Beschluss vom 15.12.2011 - VK 3-155/11
1. Die Auslegung der Vergabeunterlagen erfolgt gemäß §§ 133, 157 BGB analog nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen.
2. Ein Nachprüfungsantrag ist nicht notwendigerweise bereits zum Zeitpunkt der Antragsstellung zu begründen; es genügt, wenn die Begründung unverzüglich nachgeholt wird.

VPRRS 2012, 0028

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.06.2011 - Verg 11/11
1. Negative Preisangaben sind nicht per se fehlende Preisangaben. Auch negative Preise sind grundsätzlich Preise.
2. Die Angabe negativer Preise stellt jedenfalls dann keine Mischkalkulation dar, wenn negative Preise bei Leistungspositionen angeboten werden, deren Ausführung zur teilweisen Nichterbringung anderer Leistungen führt, diese nicht erbrachten Leistungen aufgrund von Übermessungsregeln der VOB/C aber dennoch bei der Abrechnung zu berücksichtigen sind.

VPRRS 2012, 0027

VK Lüneburg, Beschluss vom 27.09.2011 - VgK-40/2011
1. Bei der Bestimmung des Auftragsgegenstands hat der Auftraggeber grundsätzlich die volle Planungs- und Vertragsfreiheit hinsichtlich der von ihm gewünschten Bauleistung.
2. Dieser Freiheit sind Grenzen durch die Wirtschaftlichkeit der Beschaffung und ggf. öffentlich-rechtlichen Anforderungen gezogen. Darunter fällt auch das Gebot der produktneutralen Ausschreibung.
3. Eine Ausnahme von dem Gebot der produktneutralen Ausschreibung kann gerechtfertigt sein, wenn europaweit kein anderes Unternehmen/Produkt existiert, das auf der Basis gesicherter Erkenntnis zur Auftragserfüllung in der Lage ist bzw. den Bedarf des Auftraggebers erfüllen kann. Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen trägt der Auftraggeber die Darlegungs- und Beweislast.

VPRRS 2012, 0026

VK Lüneburg, Beschluss vom 01.09.2011 - VgK-42/2011
1. Der Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB setzt als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ein Feststellungsinteresse voraus, etwa die Möglichkeit eines Schadensersatzanspruches oder wenn eine (konkrete) Wiederholungsgefahr in Bezug auf einen nach Auffassung des Antragstellers vor Erledigung begangenen Vergabeverstoß zu besorgen ist.
2. Sind an einem Verfahren lediglich zwei Bieter beteiligt hat und das Verfahren das Stadium kurz vor Erteilung des Zuschlags erreicht, besteht eine echte Chance auf Zuschlagserteilung, wenn der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt mit seinem Angebot auf Platz 1 stand. Damit ist ein Feststellungsinteresse gegeben.

VPRRS 2012, 0024

VK Bund, Beschluss vom 06.07.2011 - VK 1-60/11
1. Der öffentliche Auftraggeber kann nicht dazu gezwungen werden, die Gründe für die Wahl bestimmter Zuschlagskriterien im Vergabevermerk detailliert niederzulegen.
2. Auch die Gründe für die Auswahl bestimmter Leistungsoptimierungskriterien sind der Nachprüfung durch die Vergabekammer entzogen.
3. Die zeitnahe Dokumentation des Vergabeverfahrens kann auch elektronisch erfolgen.

VPRRS 2012, 0022

VK Arnsberg, Beschluss vom 22.01.2009 - VK 32/08
Das Angebot eines Bieters ist auszuschließen, wenn es an dem erforderlichen Nachweis eines Ratings einer unabhängigen Rating-Agentur fehlt, obwohl dieser Nachweis unmissverständlich und unzweifelhaft bei Vorlage des Angebotes gefordert wurde.

VPRRS 2012, 0021

VK Hessen, Beschluss vom 15.01.2007 - 69d-VK-63/2006
1. Von einem Bieter mit seinem Angebot abgegebene Tariftreueerklärungen er-setzen die fehlenden, von der Vergabestelle geforderten Nachunternehmerer-klärungen nicht, weil deren Inhalt nicht deckungsgleich ist.*)
2. Sinn und Zweck einer Nachunternehmererklärung ist es, sicherzustellen, dass der Bieter mit der Leistung des Nachunternehmers verbindlich disponieren kann. Das ist auch dann der Fall, wenn nur ein Mitglied der Bietergemeinschaft den Anspruch aus der Nachunternehmererklärung für die Bietergemeinschaft geltend machen kann.*)
3. Wenn die Erbringung eines von der Vergabestelle geforderten Nachweises objektiv unmöglich ist, ist die Forderung der Vergabestelle unbeachtlich.*)

VPRRS 2012, 0020

VK Lüneburg, Beschluss vom 26.10.2011 - VgK-46/2011
(Ohne amtlichen Leitsatz)

VPRRS 2012, 0018

VK Lüneburg, Beschluss vom 03.11.2011 - VgK-47/2011
Verlangt die Vergabestelle von einem Bieter die Aufklärung des Angebotsinhalts und macht der Bieter keinerlei verwertbare Angaben, kann sein Angebot unberücksichtigt bleiben.

VPRRS 2012, 0017

VK Niedersachsen, Beschluss vom 26.08.2011 - VgK-34/2011
1. Der Eindruck eines unangemessen niedrigen Preises kann aufgrund eines Vergleichs mit Preisen eingegangener Konkurrenzangebote, aber auch auf der Grundlage von Erfahrungswerten bei wettbewerblicher Preisbildung - z. B. anhand früherer vergleichbarer Ausschreibungen - gewonnen werden.
2. Die Frage, ab welchem Preisabstand der Auftraggeber Anlass zu Zweifeln an der Angemessenheit des Preises haben muss, hängt vom Einzelfall, insbesondere vom Auftragsgegenstand und von der Marktsituation ab. Bezugspunkt für die prozentuale Abweichung ist das nächst höhere Angebot.
3. Eine Vereinheitlichung dieser Werte ist allerdings nicht geboten. Es kommt vielmehr auf den Einzelfall an. Für den Liefer- und Dienstleistungsbereich bietet die 20%-Schwelle eine Orientierungshilfe.

VPRRS 2012, 0016

VK Lüneburg, Beschluss vom 20.09.2011 - VgK-41/2011
Beim Betrieb eines Krankenhauses handelt es sich um eine im Allgemeininteresse liegende Tätigkeit nichtgewerblicher Art im Sinne von § 98 Nr. 2 GWB. Krankenhäuser werden nicht mit der Absicht einer Gewinnerzielung betrieben, sondern zur medizinischen Versorgung der Bevölkerung (vgl. KHG § 1). Dies gilt auch für privatrechtlich verfasste Krankenhäuser.

VPRRS 2012, 0015

VK Lüneburg, Beschluss vom 22.11.2011 - VgK-51/2011
Eine Preisdifferenz von 8,5% zu dem nächst höheren Angebot führt nicht dazu, dass der Angebotspreis als unangemessen niedrig anzusehen ist.

VPRRS 2012, 0012

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.08.2011 - 1 VK 41/11
(Ohne amtlichen Leitsatz)

VPRRS 2012, 0011

BGH, Urteil vom 22.12.2011 - VII ZR 67/11
a) Grundsätzlich ist der öffentliche Auftraggeber gehalten, ihm mögliche und zumutbare Angaben zur Kontamination eines zum Aushub und zur Weiterverwendung vorgesehenen Bodens zu machen. Ein Unterlassen solcher Angaben kann die Auslegung des Vertrages dahin rechtfertigen, eine Bodenkontamination liege nicht vor.*)
b) Ein ausdrücklicher Hinweis auf die Kontaminierung des zum Aushub und zur Weiterverwendung vorgesehenen Bodens ist nicht notwendig, wenn diese sich aus den Umständen klar und eindeutig ergibt, weil der im Leistungsverzeichnis beschriebene Boden regelmäßig kontaminiert ist (hier: Boden unterhalb einer teerhaltigen Asphaltschicht).*)
VPRRS 2012, 0001

OLG Celle, Beschluss vom 16.06.2011 - 13 Verg 3/11
1. Bewerbungsbedingungen, die vorsehen, dass Unterlagen, die von der Vergabestelle nach Angebotsabgabe verlangt werden, zu einem von ihr bestimmten Zeitpunkt einzureichen sind und, dass das Angebot andernfalls ausgeschlossen wird, sind mit § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A unvereinbar.
2. § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A ist auf Eignungserklärungen und -nachweise im Rahmen der formalen Eignungsprüfung analog anzuwenden.

Online seit 2011
VPRRS 2011, 0428
VK Niedersachsen, Beschluss vom 17.05.2011 - VgK-10/2011
1. Eine begonnene Eignungsprüfung darf der Auftraggeber nach Ablauf der Vorlagefristen nicht mehr abbrechen.
2. Zwar darf ein Bieter auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Vergabeunterlagen vertrauen, dies entbindet ihn allerdings nicht von einer Prüfung auf möglicherweise vorliegenden inhaltlichen Unstimmigkeiten oder vergaberechtswidrige Forderungen.
3. Das Gebot der Gleichbehandlung umfasst die Verpflichtung, gegenüber allen Bietern einheitliche Anforderungen für die Teilnahme am Vergabeverfahren zu stellen. Der Auftraggeber darf nur solche Angebote werten, welche die geforderten Erklärungen enthalten.
4. Die Bekanntmachung muss die geforderten Eignungsnachweise abschließend darstellen - diese können von dem Auftraggeber in der Aufforderung zu Angebotsabgabe näher konkretisiert werden. Er darf aber nicht von den in der Bekanntgabe aufgeführten Kriterien abweichen.
5. Der Eignungsnachweis gem. § 6 Abs. 3 Ziffer 2 h) VOB/A umfasst auch Angaben zur ordnungsgemäßen Zahlung von Steuern, Abgaben sowie der Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung.

IBRRS 2011, 5186; IMRRS 2011, 3787

FG Sachsen, Urteil vom 21.07.2011 - 1 K 2028/07
1. Eine Teilleistung i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a S. 2 UStG 1993 i. d. F. vom 19.12.1997 liegt nur vor, wenn für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart ist. Dies erfordert, dass im Falle eines Werkvertrags über die schlüsselfertige Errichtung eines Mehrfamilienhauses die Leistung nicht als Ganzes, sondern in Teilen geschuldet und bewirkt wird.*)
2. Die - nach Erkennen einer anstehenden Erhöhung des Regelsteuersatzes zum 1.4.1998 - bloße nachträgliche Vereinbarung von Teilbauabnahmen genügt nicht, um, obwohl ein Festpreis für das Bauwerk vereinbart ist, die am Gesamtpreis orientierten Abschlagszahlungen als Teilleistungen ansehen zu können.*)
3. Die Abschlagszahlungen sind als - für die Entstehung der Steuer, aber nicht für den Steuersatz maßgebliche - Anzahlungen i. S. d. § 13 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 USt 1993 anzusehen.*)

VPRRS 2011, 0418

BGH, Urteil vom 17.11.2011 - III ZR 234/10
Zum Recht auf Rückforderung eines auf privatrechtlicher Grundlage gewährten Investitionszuschusses wegen Verstoßes gegen Vergabevorschriften bei der Verwirklichung des geförderten Projekts.*)

VPRRS 2011, 0417

VK Berlin, Beschluss vom 13.06.2011 - VK B 2 - 7/11
1. Zur Abgrenzung von Bauauftrag und Dienstleistungsauftrag bei Arbeiten an Straßenbeleuchtungsanlagen.*)
2. Die Vergabekammer hat hinsichtlich der Frage, ob der Rechtsweg zu ihr als Nachprüfungsinstanz gegeben ist, unabhängig von der Einhaltung der Rügepflichten zu prüfen, ob der maßgebliche Schwellenwert erreicht oder überschritten ist.*)
3. Als "andere Unternehmen" im Sinne des § 101b Abs. 1 Nr. 2 GWB sind nicht solche Unternehmen anzusehen, die Gelegenheit haben, von einer Ausschreibung Kenntnis zu erlangen, aber kein Angebot abgeben.*)
4. Wenn ein Antragsteller kein Angebot abgegeben hat, muss er im Nachprüfungsverfahren sein Interesse am Auftrag gesondert darlegen. Dies setzt voraus, dass er in substantiierter Weise vorträgt, inwieweit er die (zu Recht) geforderten Eignungsnachweise erbringen und die Leistungen zu einem angemessenen Preis anbieten könnte.*)

VPRRS 2011, 0414

OLG Brandenburg, Beschluss vom 06.09.2011 - 6 U 2/11
1. Fordert der Auftraggeber in einem vom Bieter auszufüllenden Leistungsverzeichnis nicht nur die Angabe des Herstellers, sondern auch eine Bezeichnung von Typ/Fabrikat des anzubietenden Produktes, hat der Bieter so präzise Angaben zu machen, dass das Produkt für die Vergabestelle identifizierbar ist.*)
2. Muss die Angabe einer Typenbezeichnung im Leistungsverzeichnis vom Empfängerhorizont dahingehend verstanden werden, dass der Bieter das vom Hersteller unter dieser Bezeichnung standardmäßig angebotene Produkt anbietet, und ist hiermit die Produktbeschreibung im Leistungsverzeichnis nicht in Einklang zu bringen, sind die Bieterangaben unklar. Dies muss im Ergebnis so behandelt werden, als sei überhaupt keine Eintragung im Leistungsverzeichnis vorgenommen worden.*)
3. Die Vergabestelle ist nicht verpflichtet, die Unklarheit im Angebot des Bieters aufzuklären, wenn sie Zweifel in Bezug auf das Angebot nicht verursacht hat.*)

VPRRS 2011, 0413

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11.11.2011 - 15 Verg 11/11
Ein Angebot, bei dem der Bieter einem Erklärungsirrtum unterliegt und das daher anfechtbar ist, stellt einen zwingenden Ausschlussgrund dar. Denn es versetzt den Bieter in die Lage, nach dem Eröffnungstermin und nach Bekanntgabe der Eckpunkte durch eine entsprechende "Klarstellung" zu reagieren und damit seine eigentlich schlechtere Bieterposition zu verbessern. Eine solche Vorgehensweise ist jedoch mit einem transparenten, alle Bieter gleich behandelnden Verfahren nicht vereinbar.

VPRRS 2011, 0412

LG Berlin, Urteil vom 05.12.2011 - 52 O 254/11
Auch bei Vergabeverfahren unterhalb der Schwellenwerte ist eine Rüge gegenüber der Vergabestelle vor dem Einlegen eines Rechtsmittels notwendig.

VPRRS 2011, 0411

OLG Frankfurt, Urteil vom 03.07.1997 - 1 U 157/95
Kündigt der Auftraggeber den Werkvertrag gemäß VOB/B § 8 Nr 3 Abs 1 (juris: VOB B) weil der Bauunternehmer aufgrund eines angeblichen Kalkulationsirrtums die Vertragserfüllung verweigert, ist die Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruchs aus VOB/B § 8 Nr 3 Abs 2 allenfalls dann treuwidrig, wenn der Auftraggeber den Kalkulationsirrtum oder ein Mißverhältnis zwischen Preis und Leistung erkannt hat.

VPRRS 2011, 0410

OLG Celle, Urteil vom 05.01.1995 - 22 U 7/94
Wenn in einem vom Auftraggeber vorformulierten Bauvertrag mit einem Dachdecker die VOB/C (juris: VOB C) als Vertragsgrundlage einbezogen ist, die bestimmt, daß Gerüste bis zu einer Höhe von 2 m als Nebenleistungen in die Preise einzukalkulieren sind, ist eine zuungunsten des Dachdeckers erfolgte Änderung in ebenfalls in Bezug genommenen "zusätzlichen technischen Vorschriften" dahin, daß der Dachdecker ein Gerüst in jeder erforderlichen Höhe (hier: 8 m) ohne besondere Vergütung zu stellen hätte, unwirksam im Sinne des AGBG § 3 und des AGBG § 9 Abs 2 Nr 1.*)

VPRRS 2011, 0408

VK Münster, Beschluss vom 21.07.2011 - VK 9/11
1. Forderung eines GS-Prüfsiegels für ein bestimmtes Produkt, ohne den Zeitpunkt der Vorlage festzulegen*)
2. GS-Prüfsiegel war auch kein "geforderter Nachweis" iSd § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A*)
3. Für das Nachfordern von Nachweisen gemäß § 15 Abs. 2 VOB/A reicht in der Regel eine Frist von sechs Tagen in Anlehnung an § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A nicht aus.*)

VPRRS 2011, 0401

OLG Köln, Urteil vom 29.04.1997 - 20 U 124/96
Ein Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo wegen Verstoßes gegen die Vergabevorschriften der VOB–A besteht trotz Bevorzugung eines teureren Angebotes nicht, wenn das billigere Angebot wegen unangemessener Preise - auch nur in wesentlichen abgeschlossenen Teilbereichen - und wegen vorsätzlich unrichtiger Angaben über den Personalbestand auszuschließen ist.*)
