Vergabepraxis & -recht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
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VPRRS 2016, 0451OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.11.2016 - Verg 23/16
1. Ein Verfassungsorgan (hier: der Deutsche Bundestag) ist kein öffentlicher Auftraggeber. Auftraggeber - und damit Antragsgegner im Vergabenachprüfungsverfahren - ist bei der Vergabe eines öffentlichen Auftrags durch ein Verfassungsorgan des Bundes die Bundesrepublik Deutschland.
2. Die Vergabe von Aufträgen an Tochtergesellschaften des öffentlichen Auftraggebers ist nicht als vergabepflichtig anzusehen, wenn der Auftraggeber über den Auftragnehmer eine Kontrolle ausübt wie über eine eigene Dienststelle (Kontroll- oder Beherrschungskriterium) und der Auftragnehmer seine Tätigkeit im Wesentlichen für den öffentlichen Auftraggeber verrichtet (Wesentlichkeitskriterium). Eine Beteiligung an der Geschäftsführung ist nicht erforderlich.
3. Das Wesentlichkeitskriterium ist nach dem bis zum 18.04.2016 geltenden "alten" Vergaberecht erfüllt, wenn das zu beauftragende Unternehmen 90% seiner Tätigkeit für die Körperschaften und öffentlichen Einrichtungen verrichtet, die ihre Anteile innehaben.
4. Art. 12 der Richtlinie 2014/24/EU, der es ausreichen lässt, wenn mehr als 80% der Tätigkeiten der kontrollierten juristischen Person der Ausführung der Aufgaben dienen, mit denen sie von dem die Kontrolle ausübenden öffentlichen Auftraggeber oder von anderen vom diesem kontrollierten juristischen Personen betraut wurden, entfaltet keine Vorwirkung dergestalt, dass das bis zum 18.04.2016 anwendbare Recht mit Blick auf die neue Regelung richtlinienkonform auszulegen wäre.
5. "In-House-schädliche" Fremdgeschäfte des Auftragnehmers sind nur solche Tätigkeiten, die nicht für den Auftraggeber oder ihm zuzurechnende Stellen, sondern für private Dritte erbracht werden.
VolltextVPRRS 2016, 0453
VK Sachsen, Beschluss vom 29.09.2016 - 1/SVK/021-16
1. Gem. § 20 Abs. 1 VOF dienen Präsentationen mit den ausgewählten Bietern der Ermittlung des Bieters, der im Hinblick auf die gestellte Aufgabe am ehesten die Gewähr für eine sachgerechte und qualitätsvolle Leistungserbringung bietet. Dabei handelt es sich um eine Prognoseentscheidung, bei der dem Auftraggeber ein weiter Beurteilungsspielraum zusteht, der von der Vergabekammer nur eingeschränkt überprüfbar ist. Deshalb sind an die Bestimmtheit der Kriterien geringere Anforderungen zu stellen als bei einem Beschaffungsvorgang mit einer klar umrissenen Leistungsbeschreibung.*)
2. Bei der Überprüfung einer Bewertung von schöpferischen Leistungen ist einzustellen, dass ein Bewertungsergebnis ohnedies keine mathematische Genauigkeit in der Weise ausweisen kann, dass die bloße Anzahl positiver oder negativer Gesichtspunkte sich rechnerisch genau in der Punktebewertung niederschlägt. Es wäre unverhältnismäßig, von einem Auftraggeber zu verlangen, in der Begründung der Wertungsentscheidung einer Präsentation ausdrücklich auf jede - Einzelheit einzugehen. Eine zusammenfassende, auf die tragenden Gründe beschränkte Darstellung muss vielmehr genügen, sofern dadurch nicht wesentliche Elemente einer Präsentation ausgeblendet werden.*)
VolltextVPRRS 2016, 0452
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14.09.2016 - 15 Verg 7/16
1. Jede produkt-, verfahrens- und technikspezifische Ausschreibung ist als solche wettbewerbsfeindlich. Allerdings obliegt dem öffentlichen Auftraggeber die Bestimmung des Auftragsgegenstands. Das Vergaberecht macht ihm grundsätzlich keine Vorgaben hinsichtlich des Beschaffungsgegenstands (hier: eines Steinway & Sons-Flügels).
2. Es obliegt dem Auftraggeber, die an die zu beschaffenden Gegenstände zu stellenden funktionalen, technischen und ästhetischen Anforderungen nach seinem Bedarf festzulegen; die Festlegung des Beschaffungsgegenstandes hat aber auf sach- und auftragsbezogenen Gründen zu beruhen.
3. Ist die Festlegung des Beschaffungsbedarfs aufgrund sachlicher und auftragsbezogener Gründe diskriminierungsfrei erfolgt, ist eine sich hieraus ergebende wettbewerbsverengende Wirkung hinzunehmen.
VolltextVPRRS 2016, 0169
VK Südbayern, Beschluss vom 08.04.2016 - Z3-3-3194-1-57-11/15
Dem Europäischen Gerichtshof wird zur Auslegung der Richtlinie 89/665/EWG in der Fassung der Richtlinie 2007/66/EG folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist es mit der Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes vereinbar, dass einer Person, die die Unwirksamkeit eines ohne vorherige Vergabebekanntmachung im Amtsblatt der europäischen Union abgeschlossenen Vertrags geltend macht, das Nachprüfungsverfahren mangels drohenden Schadens deshalb nicht eröffnet ist, weil der öffentlicher Auftraggeber, der vor der Vergabe keine Bekanntmachung im Amtsblatt der europäischen Union vorgenommen hat und kein geregeltes Vergabeverfahren durchgeführt hat, die zu erbringende Leistung durch Erklärung im Nachprüfungsverfahren bindend derart bestimmt, dass der klagende Wirtschaftsteilnehmer sie nicht erbringen könnte?
2. Stellt es eine wesentliche Vertragsänderung dar, wenn ein aus einem anderen öffentlichen Unternehmen ausgegründetes öffentliches Unternehmen im Rahmen Übergangs eines Betriebsteils mit dem bisherigen Leistungserbringer der betrieblichen Altersvorsorge des ausgründenden öffentlichen Unternehmens einen neuen Vertrag zur betrieblichen Altersvorsorge abschließt, der zur Sicherstellung der Rechte der übergegangenen Arbeitnehmer auf Leistungen bei Alter und Invalidität aus betrieblicher Altersvorsorge insoweit mit dem ursprünglichen Vertrag identisch ist und das ausgegründete öffentliche Unternehmen vom ausgründenden öffentlichen Unternehmen als Alleingesellschafter beherrscht wird?
VolltextVPRRS 2016, 0447
VK Westfalen, Beschluss vom 29.07.2016 - VK 2-25/16
1. Ein Ausschluss eines Angebots wegen einer fehlenden Erklärung gem. § 19 EG Abs. 3a VOL/A 2009 setzt voraus, dass diese wirksam gefordert wurde. Hat der öffentliche Auftraggeber die aus seiner Sicht vorzulegende Erklärung nicht in die abschließende Liste nach § 9 EG Abs. 4 VOL/A 2009 aufgenommen, muss sie wenigstens eindeutig und unmissverständlich gefordert sein und der Bieter muss Gelegenheit zum Nachreichen erhalten.*)
2. Nicht wertungsrelevante Preise können nach § 19 EG Abs. 2 Satz 2 VOL/A 2009. nachgefordert werden.*)
VolltextVPRRS 2016, 0441
VK Brandenburg, Beschluss vom 29.10.2015 - VK 19/15
1. Für die Prüfung der Ungewöhnlichkeit des Angebotspreises ist nicht auf einzelne Positionen des Leistungsverzeichnisses, sondern auf den Gesamtpreis, die Endsumme des Angebotes abzustellen. Es kann deshalb nicht allein auf Stundenverrechnungssäte abgestellt werden.
2. Wird das nächstniedrigere Angebot um 2-4 % unterschritten, ist dies noch nicht als ungewöhnlich oder unangemessen niedrig zu bewerten.
3. In der allgemeinen vergaberechtlichen Praxis wird eine Aufgreifschwelle als zulässig erachtet, die zwischen 10 und 20 % liegt, bzw. erst ab einem Preisabstand von 20 % zum nächstgünstigeren Angebot beginnt. Es bleibt jedoch offen, ob diese Aufgreifschwelle auch im Bereich der Reinigungsdienstleistungen zulässig ist.
VolltextVPRRS 2016, 0440
OLG Naumburg, Beschluss vom 14.10.2016 - 7 Verg 3/16
1. Verstößt die Bekanntmachung des Vergabeverfahrens gegen das Transparenzgebot (hier: unklar, ob es sich bei der Fahrzeitangabe "Orientierungswert maximal 60 Minuten" um einen Orientierungswert oder einen Maximalwert handelt) ist die Ausschreibung aufzuheben.
2. Für die Formulierung "Orientierungswert, in max. 60 Minuten" mit dem Verweis auf § 14 Abs. 5 ApoG gibt es weder eine exakte juristische noch eine dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprechende exakte Auslegung.
3. Kalkulationsvorgaben sind als Ausdruck der Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers zulässig, müssen jedoch klar sein. Wenn Rabatte in den Rechnungspreis einbezogen werden sollen und können, darf nicht offen bleiben, welche Rabatte aus den Umsätzen weitergegeben werden dürfen und in welchem Umfang.
4. Die Formulierung, dass "direkt rechnungswirksame Rabatte, nicht aber Bonus oder Kickback-Zahlungen" gemeint seien, "wobei diese letzteren Rabatte nicht weitergegeben werden müssen",deutet darauf hin, dass nicht direkt wirksame Rabatte weitergegeben werden "können". Es bleibt unklar, was der Auftraggeber unter rechnungswirksamen Rabatten versteht und welche Rabatte in welchem Umfang weitergegeben werden dürfen.
VolltextVPRRS 2016, 0448
VK Südbayern, Beschluss vom 02.05.2016 - Z3-3-3194-1-07-02/16
1. Der apothekenrechtliche Grundsatz der Versorgung aus einer Hand gem. § 14 Abs. 5 Satz 2 ApoG steht einer Leistungserbringung durch Bietergemeinschaften entgegen.*)
2. Ein erteilter Zuschlag i.S.d. § 114 Abs. 2 GWB an eine Bietergemeinschaft ist unwirksam, wenn diese in ihrem Angebot ausdrücklich erklärt hat, dass Vertragspartner des öffentlichen Auftraggebers nicht die Bietergemeinschaft, sondern ein Mitglied der Bietergemeinschaft werden soll, das nicht am Vergabeverfahren teilgenommen hat.*)
3. Ein Angebot, das bewusst die Person des Bieters (Bietergemeinschaft oder Einzelbieter) offen lässt, ist regelmäßig auszuschließen.*)
4. Wird kein Preiswettbewerb bei jedem Einzelabruf durchgeführt, ist für eine wirksame Rahmenvereinbarung, wie bei Abschluss eines jeden Vertrages, erforderlich, dass die wesentlichen Vertragsbestandteile (essentialia negotii) festgelegt sind. Dazu gehört bei einem Lieferauftrag auch der Preis der zu liefernden Leistung. *)
5. Bleibt unklar, ob Preisangaben mit 0,00 Euro die Bedeutung haben "das Produkt wird für 0,00 Euro geliefert" oder "das Produkt wird nicht angeboten und gehört nicht zum Leistungsumfang", sind die entsprechenden Angebote nicht wertbar. *)
VolltextVPRRS 2016, 0491
VK Bund, Beschluss vom 29.08.2016 - VK 1-76/16
1. Eine Wertung ist nicht bereits dann fehlerhaft, wenn dasselbe Konzept bei anderen Ausschreibungen desselben öffentlichen Auftraggebers von anderen Wertern besser bewertet worden ist oder dass derselbe öffentliche Auftraggeber mit dem betreffenden Unternehmen bisher zufrieden war.
2. Verbindliche Rückschlüsse auf die Rechtmäßigkeit einer Wertung können nicht daraus gezogen werden, dass ein öffentlicher Auftraggeber früher bereits fehlerhaft gewertet hat.
VolltextVPRRS 2016, 0443
OLG Naumburg, Beschluss vom 12.09.2016 - 7 Verg 5/16
1. Angebote, bei denen Änderungen an den Vertragsunterlagen vorgenommen wurden, sind zwingend von der Angebotswertung auszuschließen.
2. Ob das Angebot eines Bieters von den Vertragsunterlagen abweicht und diese damit ändert, ist anhand der Leistungsbeschreibung einschließlich sämtlicher Anlagen, wie Erläuterungen, etwaigen Datenblättern etc., durch Auslegung zu ermitteln.
3. Für die Auslegung der Vertragsunterlagen ist ein objektiver Maßstab anzulegen und auf den Empfängerhorizont eines fachkundigen Bieters, der mit der Leistung vertraut ist, abzustellen.
4. Ein Angebotsausschluss wegen Änderungen an den Vertragsunterlagen setzt voraus, dass Gegenstand und Inhalt der Leistung entsprechend eindeutig beschrieben sind. Verstöße gegen interpretierbare oder missverständliche bzw. mehrdeutige Angaben in den Vergabeunterlagen führen somit nicht zum Angebotsausschluss.
5. Ein Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ist abzulehnen, wenn unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen die nachteiligen Folgen der Verzögerung der Vergabe bis zur Entscheidung über die Beschwerde die damit verbundenen Vorteile überwiegen. Darüber hinaus sind die Erfolgsaussichten der Beschwerde in die Abwägung einzubeziehen, was eine summarische Bewertung des Sachstands und zumindest eine Plausibilitätsprüfung der Rechtsfragen erforderlich macht.
VolltextVPRRS 2016, 0438
VK Westfalen, Beschluss vom 01.09.2016 - VK 2-28/16
1. Beschreibt eine Leistungsbeschreibung die technischen Anforderungen durch Bezug auf die im Anhang TS definierten technischen Spezifikationen gemäß § 8 EG Abs. 2 VOL/A 2009, und fehlt dabei der Zusatz "oder gleichwertig", so verstößt die Beschreibung schon formal gegen die gesetzlichen Vorgaben. *)
2. Die Leistungsbeschreibung ist widersprüchlich und nicht eindeutig, wenn einerseits eine EMV-Zertifizierung für die Infrarot-Kamera gefordert wird, andererseits das nachgewiesene Funktionieren des Gesamtsystems ausreichen soll.
VolltextVPRRS 2016, 0435
VK Sachsen, Beschluss vom 24.08.2016 - 1/SVK/017-16
1. Der Grundsatz der Gleichbehandlung erfordert, dass ein öffentlicher Auftraggeber grundsätzlich jede Auskunft, die er einem anfragenden Bieter gibt, auch allen anderen Bietern erteilt. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass der Auftraggeber gegen das Gebot der Gleichbehandlung und Chancengleichheit aller Bieter verstößt. Voraussetzung dafür ist, dass es sich um eine zusätzliche Auskunft handelt. Der Begriff der zusätzlichen Auskunft ist dabei weit auszulegen.*)
2. Ein Auftraggeber kann allenfalls im Einzelfall eine Bieterfrage individuell beantworten, wenn sie offensichtlich ein individuelles Missverständnis des Bieters betrifft und die allseitige Beantwortung der Frage Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse verletzen oder die Identität des Bieters preisgeben würde.*)
VolltextVPRRS 2016, 0432
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.07.2016 - 1 VK 28/16
1. Die Bestimmung des Auftragsgegenstands obliegt dem Auftraggeber. Das Vergaberecht macht dem öffentlichen Auftraggeber grundsätzlich keine Vorgaben hinsichtlich dessen, was er beschaffen muss oder will.
2. Das Vergaberecht regelt nur die Art und Weise der Beschaffung. Es liegt damit in der Hand des Auftraggebers, die an die zu beschaffenden Gegenstände zu stellenden funktionalen, technischen und ästhetischen Anforderungen nach seinem Bedarf festzulegen; die konkreten Spezifikationen müssen aber objektiv auftrags- und sachbezogen sein und dürfen keine diskriminierende Wirkung haben.
VolltextVPRRS 2016, 0431
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.08.2016 - 1 VK 36/16
1. In technischen Anforderungen darf nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren verwiesen werden, „das die von einem bestimmten Unternehmen bereitgestellten Produkte charakterisiert“.
2. Gegen diese Verpflichtung zur produktneutralen Ausschreibung wird nicht nur dann verstoßen, wenn ein Leitfabrikat offen und explizit in der Leistungsbeschreibung benannt worden ist, sondern auch, wenn durch die Vielzahl der Vorgaben verdeckt ein Leitfabrikat ausgeschrieben wurde, weil nur ein einziges Produkt allen Vorgaben gerecht wird.
3. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die fehlende Produktneutralität auf sachlichen Gründen beruht, liegt beim Auftraggeber. Hierzu bedarf es einer detaillierten und dokumentierten Begründung.
VolltextVPRRS 2016, 0430
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28.09.2016 - 2 VK LSA 12/16
1. Der Auftraggeber darf Angebote wegen verspäteten Eingangs des Aufklärungsschreibens nur dann ausschließen, wenn er vorab dem Bieter deutlich macht, dass es sich um eine Ausschlussfrist handelt.
2. Das aktuelle Gesetz (§ 18 EG VOL/A 2009) sieht anders als früher keine Rechtsfolge vor, wenn der Bieter vom Auftraggeber gesetzte Fristen für Aufklärungsmaßnahmen versäumt.
3. In Sachsen-Anhalt dürfen Dienstleistungen, die unter das Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) fallen, nur an Bieter vergeben werden, die sich bei Angebotsabgabe schriftlich verpflichten, ihren Arbeitnehmern Arbeitsbedingungen zu gewähren, die mindestens den Vorgaben des für das Unternehmen nach dem AEntG geltenden Tarifvertrages entsprechen. Entspricht der vom Bieter vorgelegte Arbeitsvertrag einer Objektleiterin nicht dem (gem. AEntG) für allgemeinverbindlich erklärten Rahmentarifvertrag für gewerblich Beschäftigte in der Gebäudereinigung, ist der Bieter nicht tariftreu und damit unzuverlässig.
VolltextVPRRS 2016, 0390
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.06.2015 - Verg 4/15
1. Die Vorschrift des § 132a Abs. 2 Satz 4 SGB V, wonach für die Versorgung der Versicherten mit Impfstoffen Verträge mit mindestens zwei pharmazeutischen Unternehmen innerhalb eines Versorgungsgebiets zu schließen sind, ist bieterschützend.
2. Das Ziel einer Beteiligung von mindestens zwei pharmazeutischen Unternehmen kann durch Wahl eines Mehr-Partner-Modells oder durch Losbildung erreicht werden.
3. Die Krankenkassen haben bei der Ausschreibung von Rabattverträgen keine größtmögliche Versorgungssicherheit für die Versicherten anzustreben oder zu gewährleisten.
VolltextVPRRS 2016, 0501
VK Bund, Beschluss vom 21.12.2015 - VK 1-106/15
(ohne amtlichen Leitsatz)
VolltextVPRRS 2016, 0494
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.09.2016 - Verg 9/16
Ein Unternehmen kann sich, auch als Mitglied einer Bietergemeinschaft, zum Nachweis der Leistungsfähigkeit und Fachkunde der Fähigkeiten anderer Unternehmen bedienen, ungeachtet des rechtlichen Charakters der zwischen ihm und diesen Unternehmen bestehenden Verbindungen. Es muss in diesem Fall dem Auftraggeber nachweisen, dass ihm die erforderlichen Mittel bei der Erfüllung des Auftrags zur Verfügung stehen, indem es beispielsweise eine entsprechende Verpflichtungserklärung dieser Unternehmen vorlegt.
VolltextVPRRS 2016, 0425
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 03.05.2016 - 2 VK LSA 40/15
1. Eine Ausschreibung ist intransparent, wenn nicht klar erkennbar ist, ob es sich bei der Fahrzeitangabe - "Orientierungswert: maximal 60 Minuten" ) um einen Orientierungswert oder einen Maximalwert handelt.
2. Geht ein Bieter davon aus, die vorgegebene Fahrzeit in jedem Fall einhalten zu können, hat er keinen Anlass, sich Gedanken zu machen, ob die Vorgabe eindeutig ist. Ob eine Rüge rechtzeitig erfolgt, richtet sich nach der Erkenntnismöglichkeit des konkreten Bieters.
3. Dürfen Rabatte in den Rechnungspreis einbezogen werden, muss klar erkennbar sein, welche Skonti, Bonus- und Kickback-Zahlungen gemeint sind und wie bei Gesamtrabatten zu verfahren ist.
4. Versucht ein Bieter die Vergabeentscheidung zu beeinflussen, indem im Begleitschreiben der Vergabeunterlagen darauf hingewiesen wird, dass der Bieter dem öffentlichen Auftraggeber in der Vergangenheit finanzielle Zuwendungen gewährt hat, verstößt dieses Verhalten gegen den Wettbewerbsgrundsatz und muss im Rahmen der Bietereignung berücksichtigt werden.
VolltextVPRRS 2016, 0417
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.06.2016 - Verg 57/15
1. Die Preisprüfung erstreckt sich darauf, ob der angebotene Gesamtpreis im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich oder unangemessen niedrig ist und zur Leistung in einem Missverhältnis steht.
2. Auch ein Angebot, das mehr als 20% vom nächsthöheren abweicht, kann den Zuschlag erhalten, wenn der Bieter nachweist, dass er wettbewerbskonforme Ziele verfolgt und den unauskömmlichen Auftrag zuverlässig und (bis zu einer längstmöglichen vertraglichen Befristung) ordnungsgemäß ausführen kann. Die Entscheidung darüber hat der Auftraggeber aufgrund gesicherter tatsächlicher Erkenntnisse zu prognostizieren.
3. In die Prognoseentscheidung sind langjährige Rabattverträge einzustellen, bei denen es trotz ausgewiesener Verbindlichkeiten nie zu Lieferschwierigkeiten kam.
4. Eine negative Prognose kann nicht darauf gestützt werden, dass der Bieter bereits mehrere Zuschläge auf Unterkostenangebote erhalten hat und mit jedem Zuschlag das Risiko wirtschaftlicher Überforderung steigt.
VolltextVPRRS 2016, 0423
OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.10.2016 - 11 Verg 13/16
1. Der Ausschluss wegen fehlender oder unvollständiger Angaben erstreckt sich über den Wortlaut des § 19 EG Abs. 3 a VOL/A 2009 hinaus auch auf Preisangaben und Kalkulationsvorgaben. Dabei liegen unvollständige Angaben auch dann vor, wenn eine Preisangabe eingetragen wurde, diese jedoch nicht auf der vorgegebenen Kalkulationsgrundlage beruht.
2. Der Nachweis der Unvollständigkeit eines Angebots ist dabei grundsätzlich vom Auftraggeber zu führen. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass die Preisangaben vollständig und zutreffend sind.
3. Gelingt es dem Auftraggeber, den Nachweis der Unvollständigkeit zu führen, obliegt es dem Bieter, dies durch Gegenbeweis zu entkräften. Ihn trifft insoweit eine sekundäre Darlegungslast.
4. Trägt ein Verfahrensbeteiligter entgegen der ihm obliegenden Verfahrensförderungspflicht aus § 113 Abs. 2 GWB a.F. derart spät zur Sache vor, dass den anderen Beteiligten bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die die Entscheidung ergeht, eine Erwiderung unter zumutbaren Bedingungen nicht mehr möglich ist, so ist dieses Vorbringen nicht berücksichtigungsfähig.
5. Eine bereits im Nachprüfungsverfahren verspätete Rüge erlangt auch im Beschwerdeverfahren keine Bedeutung.
VPRRS 2016, 0428
VK Nordbayern, Beschluss vom 20.07.2016 - 21.VK-3194-12/16
1. Die Vergabestelle hat eine Prognoseentscheidung darüber zu treffen, ob der Bieter zum angebotenen Preis voraussichtlich zuverlässig und vertragsgerecht leisten kann. Diese Entscheidung unterliegt ihrem Beurteilungsspielraum, dessen Ausübung von den Vergabenachprüfungsinstanzen nach allgemeinen Grundsätzen nur beschränkt auf Einhaltung der Grenzen kontrolliert werden kann. Die Nachprüfungsinstanz kann nur daraufhin überprüfen, ob die Vergabestelle den Sachverhalt vollständig ermittelt hat, keine sachwidrigen Erwägungen angestellt hat und nicht gegen Bewertungsgrundsätze und -vorgaben verstoßen wurde.*)
2. Der öffentliche Auftraggeber ist grundsätzlich frei, wie er sich die für die Eignungsbeurteilung erforderlichen Kenntnisse verschafft, z. B. durch die Einholung von Auskünften. Bei der Bemessung der erforderlichen Prüfungstiefe des öffentlichen Auftraggebers bestehen wegen seines anzuerkennenden Interesses an einer zügigen Beschaffung gewisse Zumutbarkeitsgrenzen.*)
VolltextVPRRS 2016, 0421
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 17.05.2016 - 1 VK LSA 02/16
1. Die Vorgabe des Auftraggebers, dass Referenzanlagen mit einem hydraulischen Durchsatz von mindestens 50 m³/h gefordert werden, ist nicht eindeutig. Für den fachkundigen Bieter ist nicht erkennbar, ob der tatsächliche Durchsatz oder die Durchsatzkapazität gemeint ist.
2. Wird diese unscharfe Formulierung in den Vergabeunterlagen nicht näher ausgeführt, kann ein Bieter nicht mangels nachgewiesener fachlicher Eignung ausgeschlossen werden.
3. Nach dem Grundsatz des freien und transparenten Wettbewerbs besteht ein Anspruch auf eindeutig formulierte Teilnahmebedingungen in der Bekanntmachung.
VolltextVPRRS 2016, 0420
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22.09.2016 - 1 VK LSA 23/16
1. Fahrzeuge zur Schülerbeförderung müssen mindestens an den Rückseiten mit zwei zusätzlichen Fahrtrichtungsanzeigern ausgerüstet sein. Erklärt ein Bieter, in der Vergangenheit Schulbusse ohne zusätzliche Blinker eingesetzt zu haben, ist dies ein Verstoß gegen die zwingende Regelung zum Schutz der zu befördernden Schüler, der an der Eignung des Bieters zweifeln lässt.
2. Der Auftraggeber hat sein Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt, wenn er diesen Verstoß im Rahmen der Eignungsprüfung nicht berücksichtigt hat.
3. Originalformulare der Vergabeunterlagen dürfen nicht durch eigene Formulare ersetzt werden.
4. Meint ein Bieter, dass sein Angebot unrechtmäßig ausgeschlossen wurde, ist ein Nachprüfungsantrag ohne vorherige rechtzeitige Rüge unzulässig.
VolltextVPRRS 2016, 0419
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28.09.2016 - 1 VK LSA 12/16
1. Selbst geringfügige Abweichungen von den Vorgaben der Vergabestelle genügen für einen Angebotsausschluss. Ein Bieter muss grundsätzlich davon ausgehen, dass ein Auftraggeber die Leistung genauso erhalten möchte, wie er sie in den Vertragsunterlagen festgelegt hat.*)
2. Die Vergabeunterlagen werden unzulässig geändert, wenn anstelle des geforderten Formblatts "Tourenblatt je Einzellos" ein eigenes Formblatt eingereicht wird. Dabei ist unerheblich, ob zwischen den tatsächlich verwendeten und den zwingend zu verwendenden Formblättern inhaltliche Unterschiede bestehen.
3. Ein Auftraggeber verhält sich widersprüchlich, wenn er einerseits annimmt, bestimmte Erklärungen von einem Bieter rechtlich nicht nachfordern zu können, andererseits aber genau diese Unterlagen bei anderen Bietern nachfordert.
VolltextVPRRS 2016, 0415
VK Nordbayern, Beschluss vom 13.09.2016 - 21.VK-3194-15/16
1. Üblicherweise werden Referenzen für die Eignungsprüfung herangezogen. Diese müssen sich nicht auf identische, aber vergleichbare Leistungen beziehen. Werden für die geforderten ausgeschriebenen Leistungen keine Referenzen angegeben, kann daraus geschlossen werden, dass der Bieter nicht über die notwendigen Kenntnisse zur Ausführung dieser Leistung verfügt.
2. Die Präqualifikation in der VOB soll das Basisgeschehen am Bau abdecken. Spezielle Bauleistungen (hier: Aluminium-Pfosten-Riegel-Fassadenkonstruktion) sind nicht grundsätzlich durch den Leistungsbereich Metallbauarbeiten abgedeckt. *)
3. Nach § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB a.F. ist ein Antrag unzulässig, wenn mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind. Eine Präklusion tritt nur ein, wenn die Bieter in der Bekanntmachung über die Antragsfrist belehrt wurden. *)
VolltextVPRRS 2016, 0414
VK Westfalen, Beschluss vom 21.09.2016 - VK 1-30/16
1. Privatschulen, die als eingetragene Vereine i.S. des BGB gegründet wurden, sind öffentliche Auftraggeber i.S. des § 98 Nr. 2 GWB.*)
2. Die Aufhebung einer öffentlichen Ausschreibung steht in der alleinigen Verantwortung des öffentlichen Auftraggebers. Dieser kann - auch unabhängig von etwaigen Aufhebungsgründen - seine Ausschreibung aufheben oder auch teilaufheben oder zurückversetzen.*)
VolltextVPRRS 2016, 0413
VK Westfalen, Beschluss vom 16.08.2016 - VK 1-29/16
1. Die Vorgaben für die "Bewertung" der Angebote muss ein Auftraggeber offenlegen. Er kann seine Bewertungsmethode nicht nach Erhalt der Angebote einfach ändern.*)
2. Die Eignung der Bieter kann erneut geprüft werden, wenn der zu Grunde gelegte Sachverhalt unvollständig war und nicht ausreichend aufgeklärt wurde. Die erneute Beurteilungsentscheidung kann von der Vergabekammer sogleich im Nachprüfungsverfahren überprüft werden.*)
VolltextVPRRS 2016, 0411
VK Brandenburg, Beschluss vom 17.11.2015 - VK 20/15
1. Ein Zuschlagskriterium der Wertungsmatrix (hier: Unterkriterium "Baukosten" des Zuschlagskriteriums "Preis/Honorar") kann im Nachprüfungsverfahren nicht mehr beanstandet werden, wenn im vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb eine Frist zur Abgabe des Angebots angegeben war und innerhalb dieser Frist keine Rüge des Wertungskriteriums erfolgte.
2. Durch die Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen erkennbare Vergabeverstöße sind spätestens bis zum Ablauf der Angebots- oder Bewerbungsfrist zu rügen. Andernfalls ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig.
3. Zweck der Rügeobliegenheit ist es, etwaige Vergaberechtsfehler im frühestmöglichen Stadium zu korrigieren und zu verhindern, dass am Vergabeverfahren beteiligte Bieter erkannte oder erkennbare Verstöße gegen das Vergaberecht sammeln und so lange mit einer Beanstandung warten, bis klar sei, dass ihre Spekulation, den Zuschlag zu erhalten, nicht aufgegangen ist.
4. Erkennbar ist ein Verstoß, der sich bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt erschließt. Es ist dabei nicht auf einen Vergaberechtsexperten, sondern auf den fachkundigen Bieter mit den üblichen Kenntnissen aus dem durch die spezielle Ausschreibung angesprochenen Bieterkreis abzustellen.
VolltextVPRRS 2016, 0418
VK Bund, Beschluss vom 08.04.2016 - VK 1-104/15
(ohne amtlichen Leitsatz)
VolltextVPRRS 2016, 0416
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.09.2016 - Verg 13/16
Nicht erfüllbare Ausschreibungsbedingungen sind unzulässig und verletzen potentielle Bieterunternehmen in ihren Rechten.
VolltextVPRRS 2016, 0409
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.04.2016 - 1 VK 3/16
1. Die Eignungsprüfung dient dazu, die Bieter zu ermitteln, die zur Erbringung der konkret nachgefragten Leistung nach Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit generell in Betracht kommen und die unzureichend qualifizierten Unternehmen auszusortieren.
2. Neben den in der Vergabebekanntmachung geforderten Nachweisen, anhand derer der Auftraggeber die entsprechende Prüfung durchführen will, dürfen auch eigene Erfahrungen mit den Bietern aus der Vergangenheit in die Prognoseentscheidung einbezogen werden.
3. Ein Bieter kann nicht aufgrund des Hinweises "Ein Bewohner hat den Wachdienst beschuldigt, dass er für diesen Schulden eintreiben sollte." als ungeeignet ausgeschlossen werden, wenn sich diese Aussage nicht beweisen ließ.
4. Zwar hat der Auftraggeber einen Beurteilungsspielraum, der nur eingeschränkt überprüfbar ist. Dieser ist jedoch überschritten, wenn ein unzutreffender, nicht hinreichend ermittelter oder überprüfter Sachverhalt zugrunde gelegt wird oder sachwidrige Erwägungen einbezogen werden.
VolltextVPRRS 2016, 0406
VK Sachsen, Beschluss vom 30.08.2016 - 1/SVK/016-16
1. Ein öffentlicher Auftraggeber ist nicht gehalten, sich durch eine Markterkundung einen Überblick über die vorhandenen technischen Lösungen zur Befriedigung seines Beschaffungsbedarfs zu verschaffen, um so die Voraussetzungen für eine produktneutrale Ausschreibung herzustellen. Ob eine andere (technische) Lösung möglich ist, muss daher nicht notwendigerweise vom Auftraggeber untersucht werden, denn eine Pflicht zur Markterkundung würde zu einer unangemessenen Verrechtlichung der Beschaffungsentscheidung führen.*)
2. Eine produktspezifische Ausschreibung kann dann sachlich gerechtfertigt sein, wenn bspw. die Ersetzung vorhandener Produkte kostenintensiver wäre, langjähriges Know-How von Mitarbeiter verloren ginge, der aufzubringende Zeit- und Kostenaufwand deutlich größer wäre, ernsthafte Kompatibilitätsprobleme zu befürchten wären oder ein erhebliches Risikopotential für Fehlfunktionen bestünde. Ebenso darf ein Auftraggeber zur Wahrung der Zuverlässigkeit von Forschungsergebnissen und Funktionsfähigkeit seiner Arbeitsabläufe, die der Fortführung von jahrelangen Forschungsreihen dienen auf "Nummer sicher" gehen und eine Vergabe so gestalten, dass die mit der Beschaffung verbundenen Risiken möglichst überschaubar gehalten werden.*)
3. Bei der Untersuchung, ob von einem öffentlichen Auftraggeber für eine produktspezifische Festlegung des Beschaffungsbedarfes hinreichende, objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind, kann zu seinen Gunsten berücksichtigt werden, dass dieser in einem knappen Zeitrahmen mit begrenzten Ressourcen über eine hohe Anzahl von Einzelprodukten mit hohen Einzelstückzahlen zu entscheiden hatte.*)
4. Eine einzige, pauschale Begründung in der Leistungsbeschreibung ist nicht ausreichend, um die Produktspezifizierung für 313 unterschiedliche Produkte zu rechtfertigen. Es kann auch keinen begründungsfreien, pauschalen, prozentualen Toleranzbereich einer im Übrigen gerechtfertigten produktspezifischen Gesamtvergabe geben. Dies würde in die Zukunft gedacht Missbrauchsfälle produzieren und außer Acht lassen, dass eine den Wettbewerb begrenzende Festlegung des Auftraggebers nur in Ausnahmefällen erfolgen darf.*)
VolltextVPRRS 2016, 0408
VK Westfalen, Beschluss vom 08.09.2016 - VK 1-27/16
1. Die "Plausibilität der Kalkulation" ist kein unternehmensbezogener Eignungsnachweis, sondern dies stellt eine leistungsbezogene Anforderung dar. Eignungs- und Zuschlagskriterien dürfen nicht miteinander vermengt werden. *)
2. Bestehen hinsichtlich der Kalkulation eines Bieters Unklarheiten und soll der Bieter aufgrund dessen ausgeschlossen werden, muss der Auftraggeber dieses Angebot zunächst aufklären. *)
3. Bei der Fortsetzungsfeststellungsklage kommt es nicht darauf an, ob Verschulden vorliegt. Entscheidend ist lediglich das Vorliegen eines erledigenden Ereignisses.*)
VolltextVPRRS 2016, 0407
VK Brandenburg, Beschluss vom 07.01.2016 - VK 24/15
1. Eine fehlende Angabe von Kontaktdaten "Telefon oder E-Mail" der Referenzgeber rechtfertigen keinen sofortigen Ausschluss des Angebotes. Dies gilt selbst dann, wenn der Auftraggeber die Angaben zu den Referenzen mittels des Vordrucks "Eigenerklärung zur Eignung" als Mindestanforderungen zur Angebotsabgabe gefordert hat.
2. Geforderte, aber nicht angegebene Kontaktdaten sind fehlende Erklärungen, also keine inhaltlichen, sondern formale Mängel des Angebots.
3. Der Auftraggeber ist verpflichtet, die fehlenden Angaben nachzufordern. Das Angebot darf erst ausgeschlossen werden, wenn der Bieter dem Nachforderungsverlangen nicht oder nicht rechtzeitig nachgekommen ist.
VolltextVPRRS 2016, 0219
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.05.2016 - 1 VK 21/16
1. Zuschlags- und Unterkriterien, deren Gewichtung sowie der Bewertungsmaßstab sind den Bietern vollständig offenzulegen.
2. Durch Bekanntgabe der für die Angebotswertung vorgesehenen Bewertungsregeln zur konkreten Anwendung der Zuschlags- und Unterkriterien müssen die Bieter deren Tragweite erkennen können.
VolltextVPRRS 2016, 0398
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 27.06.2016 - 3 VK LSA 17/16
1. Eine als "Verhandlungsverfahren" bezeichnete freihändige Vergabe zur Verpachtung einer Kantine für ein Jahr wegen unvorhergesehener Kündigung des Pächters ist zulässig, wenn sich diese Umstände aus dem Protokoll zum Bietergespräch eindeutig ergeben.
2. Die Antragstellerin ist verpflichtet, die Verpflegung von Studenten, Fortbildungsteilnehmer und Auszubildenden aus Fürsorgegründen sicherzustellen. Auf Grund der abgeschiedenen Ortslage ist dies ein dringender Grund für eine freihändige Vergabe, der umfassend dokumentiert wurde. Dringlichkeit besteht nicht nur in Katastrophenfällen.
3. Die Antragstellerin konnte nicht vorhersehen, dass der Pächter so kurzfristig kündigt. Führen dringende Gründe dazu, dass vorgeschriebene Fristen nicht eingehalten werden können, ist dies nicht automatisch dem Auftraggeber zuzurechnen.
4. Darüber hinaus berücksichtigt die Antragstellerin den Wettbewerbsgrundsatz, indem die freihändige Vergabe nur für ein Jahr erfolgt und anschließend neu ausgeschrieben werden soll.
VolltextVPRRS 2016, 0397
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26.10.2016 - 3 VK LSA 35/16
1. Entspricht das Angebot eines Bieters nicht den Vorgaben der Leistungsbeschreibung (hier: vollautomatische Dienstplansoftware für die Feuerwehr), ist es nicht zuschlagsfähig und damit zwingend auszuschließen.
2. Kann der Bieter im Rahmen der Produktpräsentation nicht nachweisen, dass die angebotene Software die ausgeschriebene, gewünschte Leistung erfüllt und in der Lage ist, die Planung der Dienste unter Berücksichtigung der Fähig- und Fertigkeiten, Qualifikationen, verfügbaren Ressourcen und medizinischen Informationen möglichst ausgewogen und gerecht zu verteilen, ohne dass personelle Ressourcen nötig sind, entspricht das Angebot nicht der Ausschreibung.
3. Es steht im Ermessen des Auftraggebers, welche Anforderungen er an die von ihm ausgeschriebene gewünschte Leistung stellt. Er hat das Recht, die Einzelheiten des Auftrages zu bestimmen und ist in der Auswahl der von ihm zu beschaffenden Leistungen frei.
VolltextVPRRS 2016, 0401
VK Westfalen, Beschluss vom 28.10.2016 - VK 1-33/16
1. Ob eine Aufgabe "nichtgewerblicher Art" i. S. v. § 99 Nr. 2 GWB 2016 vorliegt, kann nicht abstrakt festgestellt werden, sondern ist durch Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls zu ermitteln.*)
2. Aus den Gesamtumständen muss man schlussfolgern können, dass die jeweilige juristische Person des Privatrechts nicht den gängigen Marktmechanismen unterworfen ist, sondern bedingt durch die Nähe zu einer staatsbezogenen Einrichtung wirtschaftliche Vorteile hat, die ihr eine marktbezogene Sonderstellung im Verhältnis zu anderen Wettbewerbern einräumt.*)
3. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, dass zwischen den Beteiligten verbindliche Mechanismen vertraglich festgelegt worden sind, die dem Unternehmen die Sicherheit einer Bestandsgarantie geben und dessen Insolvenz verhindern bzw. eine finanzielle Unterstützung auch bei fortdauernder Unwirtschaftlichkeit garantieren. Es muss lediglich möglich erscheinen, dass der Staat als Anteilseigner Maßnahmen ergreifen würde, die zur Verhinderung einer Insolvenz erforderlich sind.*)
4. Darüber hinaus kommt es nicht darauf an, in welchem Umfang das Unternehmen im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art erfüllt. Diese Aufgaben können auch einen nur geringfügigen Teil der Gesamttätigkeit des Unternehmens ausmachen, damit insgesamt ein öffentlicher Auftraggeber gemäß § 99 Nr. 2 GWB 2016 vorliegt.*)
VolltextVPRRS 2016, 0393
OLG Frankfurt, Beschluss vom 09.03.2015 - 11 W 47/14
1. Die Gemeinden sind verpflichtet, im Auswahlverfahren zur Vergabe energierechtlicher Wegenutzungsrechte keinen Bewerber ungerechtfertigt zu beeinträchtigen und ihn weder unbillig zu behindern noch zu diskriminieren.
2. Aus der Bindung der Gemeinden an das Diskriminierungsverbot ergeben sich sowohl verfahrensbezogene als auch materielle Anforderungen an die Auswahlentscheidung. Das Auswahlverfahren muss so gestaltet werden, dass die am Netzbetrieb interessierten Unternehmen erkennen können, worauf es der Gemeinde bei der Entscheidung ankommt.
3. Es besteht eine Pflicht zur Offenlegung aller vorgesehenen Entscheidungskriterien bereits vor Abgabe des Angebots, wobei eine solche im ersten Verfahrensbrief genügt. Das gilt auch für sog. Unterkriterien und für die Gewichtung der Kriterien und Unterkriterien.
VolltextVPRRS 2016, 0392
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13.06.2016 - 1 VK LSA 07/16
1. Die Ermittlung der Wirtschaftlichkeit einer Leistung (hier: Breitbandausbau) kann als Planungsleistung nicht auf ein einheitliches Leistungsbild der HOAI gestützt werden, sondern stellt eine Detailplanung dar.
2. Ob der Schwellenwert für eine europaweite Ausschreibung erreicht wird, richtet sich bei Dienstleistungsaufträgen, die im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht werden sollen, nach dem geschätzten Auftragswert.
3. Ausschlaggebend für die Schätzung des Auftragswertes ist der Tag, an dem das Vergabeverfahren eingeleitet wird.
VolltextVPRRS 2016, 0386
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.2016 - Verg 47/15
1. Der öffentliche Auftraggeber ist bei der Beschaffungsentscheidung für ein bestimmtes Produkt, eine Herkunft, ein Verfahren oder dergleichen im rechtlichen Ansatz ungebunden und weitestgehend frei. Das Vergaberecht regelt nicht, was der öffentliche Auftraggeber beschafft, sondern nur die Art und Weise der Beschaffung.
2. Im Interesse einer Öffnung des Beschaffungsmarkts der öffentlichen Hand für den Wettbewerb darf der Auftraggeber in technischen Anforderungen nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren verweisen darf, wenn dies nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist oder bestimmte Unternehmen oder Produkte dadurch ausgeschlossen oder begünstigt werden.
3. Der öffentliche Auftraggeber darf den ausgeschriebenen Auftrag auf die Lieferung der Produkte eines Herstellers beschränken, wenn die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist, vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist, solche Gründe tatsächlich vorhanden sind und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert.
VolltextVPRRS 2016, 0385
OLG Dresden, Beschluss vom 29.09.2016 - Verg 4/16
Ein Modellvorhaben nach § 63 SGB V ist nicht als öffentlich-öffentliche Kooperation anzusehen, sondern als entgeltlicher, öffentlicher Dienstleistungsauftrag, der dem Vergaberecht unterliegt.
VolltextVPRRS 2016, 0384
OLG Dresden, Beschluss vom 21.09.2016 - Verg 5/16
1. Ein Vergabeverfahren ohne Teilnahmewettbewerb darf immer nur die ultima ratio bilden darf. Selbst in dringenden Fällen ist regelmäßig ein Wettbewerb durchzuführen.
2. Als Gründe, die eine Direktvergabe ohne Beteiligung anderer Marktteilnehmer ermöglichen, kommen nur akute Gefahrensituationen in Betracht, die zum Schutz von Leib und Leben ein sofortiges, die Einhaltung von Fristen ausschließendes Handeln erfordern.
3. Auch wenn die Erwägungen für eine Direktvergabe weder Eingang in die Vergabeakte gefunden haben noch in der Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union angesprochen worden sind, ist es dem Auftraggeber nicht verwehrt, sich im Vergabenachprüfungsverfahren darauf zu berufen.
VolltextVPRRS 2016, 0361
VK Thüringen, Beschluss vom 06.05.2016 - 250-4003-3747/2016-N-007-EIC
1. Die VOL/A 2009 fordert die vertrauliche Behandlung der Angebote und ihrer Anlagen. Dies schließt die Möglichkeit der Einsichtnahme durch Bieter in die Angebote von Mitbewerbern aus.
2. Wenngleich die VOL/A 2009 - anders als noch die VOL/A 2006 - das ausdrückliche Verbot, wonach dem Auftragnehmer kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden darf, nicht mehr enthält, hat dieses weiterhin Gültigkeit. Das ergibt sich zum einen aus dem Willkürverbot, zum anderen aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgebot.
VolltextVPRRS 2016, 0354
VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12.05.2016 - VK-SH 5/16
1. Ziel eines Nachprüfungsverfahrens ist die Durchsetzung eines Anspruchs des antragstellenden Unternehmens auf Beachtung der seinen Schutz betreffenden Vergabevorschriften, nicht aber aller sonstigen Rechtsvorschriften.
2. Ausgangspunkt für die Frage, welche vergaberechtlichen Vorschriften auch subjektiven Bieterschutz vermitteln, ist die Schutznormlehre. Danach hat eine objektiv-rechtliche Bestimmung, die für das öffentliche Auftragswesen relevant ist, dann Schutzcharakter, wenn sie zumindest auch den Zweck hat, den Betroffenen zu begünstigen (hier verneint für Art. 4 Abs. 5 VO (EG) 1370/2007).
VolltextVPRRS 2016, 0370
OLG Saarbrücken, Beschluss vom 27.06.2016 - 1 Verg 2/16
1. Allein die Tatsache, dass sich potentielle Wettbewerber zu einer Bietergemeinschaft zusammenschließen und sich aufgrund dessen keine Konkurrenz machen, führt nicht automatisch dazu, dass die entsprechende Abrede rechtswidrig ist.
2. Eine als Bieter auftretende Bietergemeinschaft muss darlegen, dass ihre Bildung und Angebotsabgabe nicht gegen Wettbewerbsrecht verstößt. Diese Darlegung hat jedoch nicht schon mit Angebotsabgabe des zu erfolgen, sondern sie muss erst auf eine gesonderte Aufforderung des Auftragsgebers zur Erläuterung der Gründe für die Bildung der Bietergemeinschaft erfolgen.
3. Wenn ein Bieter erfährt, dass er nur Platz 3 einnimmt und ihm nicht mitgeteilt wird, wer der zweitplazierte Bieter ist, muss er sich - wenn er ein Vergabenachprüfungsverfahren einleiten will - bei der Vergabestelle erkundigen, wer der vor ihm platzierte Bieter ist und vortragen, dass und weshalb (auch) dessen Angebot nicht bezuschlagt werden darf.
4. Eine Rüge ist entbehrlich, wenn die Vergabestelle keiner Kritik zugänglich ist und von vorneherein eindeutig zu erkennen gibt, dass sie unumstößlich an einer Entscheidung festhält.
VPRRS 2016, 0343
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20.01.2016 - 3 VK LSA 75/15
1. Gemäß § 14 Absatz 1 LVG-SA hat der öffentliche Auftraggeber ungewöhnlich niedrige Angebote, auf die der Zuschlag erfolgen soll, zu überprüfen. Dies gilt unabhängig von der nach Teil A der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) und Teil A der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A) vorgegebenen Prüfung ungewöhnlich niedrig erscheinender Angebote. Weicht nach § 14 Absatz 2 LVG-SA ein Angebot für die Erbringung von Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen, auf das der Zuschlag erteilt werden soll, um mindestens 10 v. H. vom nächsthöheren Angebot ab, so hat der öffentliche Auftraggeber die Kalkulation des Angebots zu überprüfen. Im Rahmen dieser Überprüfung ist der Bieter verpflichtet, die ordnungsgemäße Kalkulation nachzuweisen.*)
2. Gemäß § 16 Abs. 6 VOL/A verlangen die Auftraggeber vom Bieter Aufklärung, wenn ein Angebot im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheint. Auf Angebote, deren Preise in offenbarem Missverhältnis zur Leistung stehen, darf der Zuschlag nicht erteilt werden.*)
VolltextVPRRS 2016, 0338
VK Hessen, Beschluss vom 21.01.2016 - 69d-VK-3/2016
1. An die Schadensdarlegung gemäß § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB sind keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Sie muss lediglich schlüssig sein und ein Schaden muss denkbar sein. Eine völlig vage und pauschale Behauptung einer Rechtsverletzung reicht jedoch nicht aus.*)
2. Die Frist zur Vorabbekanntmachung gemäß Art. 7 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 i.V.m. § 8a Abs. 2 Satz 2 PBefG dient dazu, dass potentielle Betreiber eines öffentlichen Personenverkehrsdienstes angemessen auf die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge für Personenverkehr reagieren können; sie dient nicht dem Konkurrentenschutz. Die Klärung der Frage, ob die Auftraggeber zuvor geprüft haben, ob eine ausreichende Verkehrsbedienung durch eigenwirtschaftliche Verkehrsleistungen möglich ist, gehört deshalb nicht zum Prüfungsumfang im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren nach den §§ 102 ff GWB.*)
VolltextVPRRS 2016, 0373
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.06.2016 - Verg 6/16
1. Auch die Vergabe "lediglich" nachrangiger Dienstleistungen unterliegt einer Vergabenachprüfung, wenn es sich um einen öffentlichen Auftrag handelt, der von einem öffentlichen Auftraggeber vergeben werden soll und der den maßgeblichen Auftragsschwellenwert erreicht oder überschreitet.
2. Der Fahrkartenvertrieb über stationäre personenbediente Verkaufsstellen kann im Gegensatz zu dem Vertrieb über Fahrkartenautomaten, e-Ticket, Online-Shop und Mobile Ticketing als eigenständiges Fachlos angesehen werden.
3. Kann die benötigte Leistung auch in Form einer Losvergabe erbracht werden, ist zu prüfen, ob von einer losweisen Vergabe ausnahmsweise abgesehen werden kann, etwa weil wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern.
4. Der Dienstleistungsauftrag, über stationäre Vertriebswege (personenbedienter Verkauf in Kundenzentren, Verkaufsstellen, Videoreisezentren und Vertriebsagenturen sowie Fahrausweisautomaten und Entwerter) und standortunabhängige Vertriebswege (Abo-Vertrieb, Mobile Ticket und Online-Shop) Fahrscheine zu verkaufen, kann eindeutig und erschöpfend beschrieben werden.
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