Vergabepraxis & -recht.

Volltexturteile nach Sachgebieten
4952 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2016
VPRRS 2016, 0220
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.04.2016 - 15 Verg 1/16
1. Ein Angebotsausschluss wegen einer unzulässigen Änderung oder Ergänzung der Vergabeunterlagen setzt voraus, dass die Leistungsbeschreibung eindeutig ist. Verstöße gegen interpretierbare oder missverständliche bzw. mehrdeutige Angaben in den Vergabeunterlagen führen somit nicht zum Angebotsausschluss.
2. Eine Leistungsbeschreibung ist eindeutig und vollständig, wenn sie Art und Umfang der geforderten Leistung mit allen dafür maßgebenden Bedingungen zur Ermittlung des Leistungsumfangs zweifelsfrei erkennen lässt, keine Widersprüche in sich, zu den Plänen oder zu anderen vertraglichen Regelungen enthält und alle für die Leistung spezifischen Bedingungen und Anforderungen benennt.
3. Eine eindeutige Leistungsbeschreibung muss den Bietern ermöglichen, ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten zu kalkulieren. Dabei müssen die Bieter die für die Auftragsdurchführung wesentlichen Begleitumstände kennen oder zumindest zuverlässig abschätzen können.

VPRRS 2016, 0236

VK Bund, Beschluss vom 30.05.2016 - VK 2-31/16
Die Eingrenzung auf regionale Referenzmaßnahmen führt zu einer Bevorzugung des bisherigen Auftragnehmers und zu einer unverhältnismäßigen Benachteiligung nicht ortsansässiger Bieter, wenn sie in der Sache nicht erforderlich ist, um der legitimen Intention des Auftraggebers zu entsprechen.

VPRRS 2016, 0232

VK Bund, Beschluss vom 04.03.2016 - VK 1-4/16
1. Mindestanforderungen an die technische Leistungsfähigkeit müssen bereits in der Bekanntmachung bekanntgegeben werden; in den Vergabeunterlagen sind allenfalls noch Konkretisierungen dieser Anforderungen zulässig.
2. Prüft der Auftraggeber das Angebot des erstplatzierten Bieters in seiner Gesamtheit und in Bezug auf auffällige Einzelpositionen, fordert er Erklärungen bzw. Unterlagen (insbesondere die Urkalkulation) an und wird es in einem Bietergespräch aufgeklärt, muss das Angebot selbst dann nicht von der Wertung ausgeschlossen werden, wenn es preislich 37% vor dem Angebot des zweitplatzierten Bieters liegt.

VPRRS 2016, 0226

OLG Naumburg, Beschluss vom 15.04.2016 - 7 Verg 1/16
1. Öffentliche Aufträge sind entgeltliche Verträge von öffentlichen Auftraggebern mit Unternehmern über die Beschaffung von Leistungen, die Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen zum Gegenstand haben, ferner Baukonzessionen und Auslobungsverfahren, die zur Dienstleistungsaufträgen führen. Dienstleistungskonzessionen zählen nicht zu den öffentlichen Aufträgen.
2. Unter einer Dienstleistungskonzession ist eine vertragliche Konstruktion zu verstehen, die sich von einem Dienstleistungsauftrag dadurch unterscheidet, dass der den allgemeinen Risiken des Marktes ausgesetzte Konzessionär das zeitweilige Recht zur Nutzung der ihm übertragenen Dienstleistung enthält und gegebenenfalls die zusätzliche Zahlung eines Preises vorgesehen ist.
3. Für die Überprüfung der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen ist der Rechtsweg zu den vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen nicht gegeben.

VPRRS 2016, 0230

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.02.2016 - Verg 28/15
1. Der dem öffentlichen Auftraggeber bei der Vorbereitung und Durchführung von Ausschreibungen zumutbare Prüfungsaufwand ist mit Rücksicht auf den vergaberechtlich bezweckten, möglichst raschen Abschluss des Vergabeverfahrens durch Erteilen des Zuschlags, aber auch wegen der dem öffentlichen Auftraggeber bei der Angebotswertung in nicht unbegrenztem Umfang zu Gebote stehenden verwaltungsmäßigen und finanziellen Ressourcen, zu beschränken.
2. Der Auftraggeber hat nur die ihm zumutbaren Prüfungen anzustellen und darf die Vergabeentscheidung auf gesicherte (unbestrittene, bewiesene oder beweisbare) Erkenntnisse stützen, sofern die Entscheidung denn vertretbar ist.

VPRRS 2016, 0224

OLG Saarbrücken, Beschluss vom 18.05.2016 - 1 Verg 1/16
1. Der Vergabestelle steht im Sinne eines geordneten Vergabeverfahrens "als Herrin des Vergabeverfahrens" auch die Möglichkeit offen, klare Regeln für Bieterfragen vorzugeben.
2. Sind Rückfragen der Bieter bis zu einem bestimmten Termin an den Auftraggeber zu richten, liegt kein Verstoß gegen die Dokumentationspflicht vor, wenn ein nach dem festgelegten Zeitpunkt geführtes Telefonat nicht dokumentiert wird.

VPRRS 2016, 0221

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.2016 - Verg 52/15
1. Entspricht die elektronische Signatur nicht den Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers, werden Zweifel begründet, ob das Angebot eindeutig und nachprüfbar dem Bieter zuzuordnen ist und, ob der Bieter den (gesamten) Angebotsinhalt rechtsverbindlich erklären wollte.
2. Zweifel an der Rechtsverbindlichkeit des Angebotsinhalts führen nicht zum zwingenden Angebotsausschluss. Das Angebot ist vielmehr auszulegen. Erst wenn die Zweifel nicht durch Auslegung ausgeräumt werden können, ist das Angebot auszuschließen.
3. Gibt der Auftraggeber zu erkennen, von seiner Entscheidung unter keinen Umständen abrücken zu wollen, kann die Rügeobliegenheit ausnahmsweise entfallen.
VPRRS 2016, 0218

OLG Frankfurt, Beschluss vom 03.05.2016 - 11 Verg 12/15
1. Eine unzulässige De-facto-Vergabe kann auch im Falle von Vertragsänderungen nur innerhalb von sechs Monaten nach Vertragsabschluss geltend gemacht werden. Auf den Zeitpunkt der Änderung kann für den Fristbeginn nur dann abgestellt werden, wenn die Änderung isoliert angegriffen werden kann.*)
2. Ein unterlegener Bieter kann im Rahmen eines Vergabenachprüfungsverfahrens nicht verlangen, dass der Auftraggeber im Rahmen seines Vertragsverhältnisses mit dem bezuschlagten Bieter von etwaigen Leistungsstörungsrechten Gebrauch macht.*)

VPRRS 2016, 0205

OLG Dresden, Beschluss vom 04.11.2014 - Verg 5/14
1. Die Erstbeschaffung von Arzneimitteln zwecks Bestückung von Rettungsfahrzeugen stellt kein berufsmäßiges Inverkehrbringen von Arzneimitteln im Sinne des Arzneimittelgesetzes dar.
2. Die Übernahme des vorhandenen Rettungsmittelbestands vom bisherigen Leistungserbringer ist mit den Vorgaben des Arzneimittel- und des Apothekengesetzes vereinbar.

VPRRS 2016, 0217

OLG München, Beschluss vom 02.06.2016 - Verg 15/15
1. Der Auftraggeber hat die betroffenen Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, den Namen des Unternehmens, dessen Angebot angenommen werden soll, mitzuteilen sowie über die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebots und über den frühesten Zeitpunkt des Vertragsabschlusses unverzüglich in Textform zu informieren. Eine telefonische Mitteilung genügt dem Formerfordernis nicht.
2. Einem Bieter, der sich an dem beanstandeten Vergabeverfahren durch die Abgabe eines Gebots beteiligt hat, droht regelmäßig auch dann im Sinne von § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB ein Schaden durch eine Verletzung von Vergabevorschriften, wenn statt einer europaweiten Ausschreibung ein nationales Vergabeverfahren eingeleitet wurde.
3. Von einem Geschäftsführer bzw. Inhaber kleinen Busunternehmen mit kleinem Fuhrpark und regionalem Tätigkeitsschwerpunkt können keine genauen Kenntnisse über die maßgeblichen Schwellenwerte und die Berechnung des Auftragswerts erwartet werden.

VPRRS 2016, 0189

OLG Celle, Urteil vom 17.03.2016 - 13 U 141/15 (Kart)
1. Gemeinden handeln beim Abschluss von Konzessionsverträgen als Unternehmen im Sinne des Kartellrechts und haben dabei eine marktbeherrschende Stellung.
2. Als marktbeherrschende Anbieter der Wegenutzungsrechte in ihrem Gebiet sind die Gemeinden dazu verpflichtet, den Konzessionär für den Betrieb eines Energieversorgungsnetzes in einem diskriminierungsfreien Wettbewerb auszuwählen.
3. Die Auswahl des Konzessionärs muss in einem transparenten Verfahren erfolgen und ist vorrangig an Kriterien auszurichten, die die Ziele des § 1 EnWG konkretisieren. Das Auswahlverfahren muss so gestaltet werden, dass die am Netzbetrieb interessierten Unternehmen erkennen können, worauf es der Gemeinde bei der Auswahlentscheidung ankommt.

VPRRS 2016, 0215

VK Bund, Beschluss vom 29.04.2016 - VK 2-23/16
1. Angebote, bei denen Änderungen oder Ergänzungen an den Vertragsunterlagen vorgenommen wurden, sind zwingend auszuschließen. Ob der Bieter nicht das angeboten hat, was der Auftraggeber nachgefragt hat, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln.
2. Der Auftraggeber darf den Inhalt des Angebots aufklären. Eine Aufklärung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn Restzweifel ausgeräumt werden sollen, um dem Auftraggeber eine ordnungsgemäße Wertung des Angebots zu ermöglichen.
3. Eine Angebotsaufklärung darf nicht dazu führen, dass einem nicht annahmefähigen Angebot nachträglich zur Annahmefähigkeit verholfen wird, indem der Angebotsinhalt nachträglich geändert und erst so in Übereinstimmung zur Leistungsbeschreibung gebracht wird.

VPRRS 2016, 0213

VK Bund, Beschluss vom 19.01.2016 - VK 1-124/15
Ein Verfahren zur Vergabe von Arzneimittel-Rahmenrabattvereinbarungen nach dem sog. „Kaskadenprinzip“ ist für den Ersatzversorger nicht unzumutbar und nicht vergaberechtswidrig.

VPRRS 2016, 0211

VK Bund, Beschluss vom 21.01.2016 - VK 1-132/15
1. Vertragliche Regelungen sind allenfalls dann vergaberechtswidrig, wenn für den Bieter eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation unzumutbar ist.
2. Die Zumutbarkeitsschwelle liegt bei Rahmenverträgen regelmäßig höher als bei anderen Verträgen, denn Rahmenvereinbarungen wohnen naturgemäß erhebliche Kalkulationsrisiken inne, die typischerweise vom Bieter zu tragen sind.

VPRRS 2016, 0204

EuGH, Urteil vom 18.02.2016 - Rs. C-446/14
1. Damit eine nationale Maßnahme als staatliche Beihilfe qualifiziert werden kann, muss es sich (1) um eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handeln, (2) die Maßnahme geeignet sein, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, (3) dem Begünstigten durch sie ein Vorteil gewährt werden und (4) sie den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.
2. Als staatliche Beihilfen gelten Maßnahmen gleich welcher Art, die mittelbar oder unmittelbar Unternehmen begünstigen können oder die als wirtschaftlicher Vorteil anzusehen sind, den das begünstigte Unternehmen unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte.
3. Eine staatliche Maßnahme ist keine Beihilfe, wenn sie einen Ausgleich für Leistungen zur Erfüllung von Gemeinwohlverpflichtungen bildet und sie keine Verbesserung der Wettbewerbsstellung des begünstigten Unternehmens bewirkt.

VPRRS 2016, 0203

VK Bund, Beschluss vom 13.04.2016 - VK 2-19/16
1. Weichen Angebote von den Vorgaben der Vergabeunterlagen ab, sind sie zwingend auszuschließen. Aufgrund der für den Bieter einschneidenden Konsequenzen kommt ein Ausschluss allerdings nur dann in Betracht, wenn die Vorgaben eindeutig und erschöpfend beschrieben worden sind, so dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen mussten und vergleichbare Angebote zu erwarten waren (hier verneint).
2. Es obliegt dem Auftraggeber, die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen bekannt zu geben. Inwieweit dabei eine Verpflichtung besteht, Unterkriterien auszudifferenzieren, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
3. Die Grenze, ab der das Offenlassen konkreter Bewertungsmaßstäbe vergaberechtswidrig ist, ist jedenfalls dann überschritten, wenn die Bieter nicht mehr angemessen über die Kriterien informiert sind, anhand derer das wirtschaftlichste Angebot ermittelt wird.

VPRRS 2016, 0197

OLG Bremen, Beschluss vom 29.01.2016 - 2 Verg 3/15
1. Ein VOF-Verhandlungsverfahren kann nicht unter den in § 17 VOB/A 2012, § 20 EG VOB/A 2012 oder in § 17 VOL/A 2009 genannten Voraussetzungen aufgehoben werden. Die VOF setzt nur die Möglichkeit eines Verzichts auf die Auftragserteilung voraus, ohne dessen Voraussetzungen zu regeln.
2. Die Aufhebung eines vom Auftraggeber trotz Kenntnis einer ungesicherten Finanzierung eingeleiteten Vergabeverfahrens ist nicht möglich, da der Auftragnehmer insoweit Vertrauensschutz genießt.
3. Da sich das VOF-Verhandlungsverfahren als dynamischer Prozess darstellt, in dem sich durch Verhandlungen Veränderungen ergeben können, sind Modifikationen solange vom Verfahren gedeckt, wie die Identität als solche gewahrt bleibt und kein "Aliud" entsteht.

VPRRS 2016, 0196

VG Köln, Beschluss vom 25.02.2016 - 6 L 2029/15
1. Ein presserechtlicher Auskunftsanspruch besteht nicht, soweit diesem Vorschriften über die Geheimhaltung entgegenstehen.
2. Angebote auch nach Abschluss des Vergabeverfahrens vertraulich zu behandeln sind. Daraus ergibt sich, dass die Inhalte der Angebote - der Kaufpreis eingeschlossen - auch Dritten gegenüber geheim zu halten sind.

VPRRS 2016, 0194

VK Thüringen, Beschluss vom 14.01.2015 - 250-4003-7807/2014-E-01-G
1. Ein sog. Nichtoffenes Verfahren mit vorausgehendem Teilnahmewettbewerb unterscheidet sich von den anderen Vergabearten dadurch, dass der vorgeschaltete Teilnahmewettbewerb zunächst dazu dient, fachlich geeignete Bewerber auszuwählen. Anschließend werden die so ausgewählten Bewerber zur Angebotsabgabe aufgefordert.
2. Der Wechsel eines Partners einer Bietergemeinschaft zwischen Teilnahmewettbewerb und Angebotseinreichung ist unzulässig und führt zum Ausschluss des Angebots der (neuen) Bietergemeinschaft.

VPRRS 2016, 0195

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.12.2015 - Verg 20/15
1. Bieter, denen das Angebot eines Erzeugnisses patentrechtlich untersagt werden kann, sind als nicht leistungsfähig anzusehen. Sie sind vom Bieterwettbewerb als ungeeignet auszuschließen.
2. Die Patentverletzung ist im Rahmen der Eignungswertung im Vergabenachprüfungsverfahren inzident zu überprüfen.

VPRRS 2016, 0186

VK Brandenburg, Beschluss vom 16.06.2015 - VK 9/15
1. Ein nicht fristgerecht eingegangenes Angebot ist zwingend von der Wertung auszuschließen, es sei denn, der verspätete Eingang wurde durch Umstände verursacht, die dem Bieter nicht zuzurechnen sind.
2. Das Risiko der Übermittlung und des rechtzeitigen Eingangs seines Angebots beim Auftraggeber hat der Bieter zu tragen. Ein verspäteter Eingang des Angebots ist ihm nur dann nicht zuzurechnen, wenn die Verspätung entweder vom Auftraggeber oder von niemandem, z.B. aufgrund von Naturereignissen oder anderen unabwendbaren Ereignissen, zu vertreten ist.

VPRRS 2016, 0185

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.05.2015 - 1 VK 15/15
1. Die Forderung nach Benennung der Nachunternehmer und das Verlangen von Verpflichtungserklärungen bereits mit dem Angebot ist in der Regel unzumutbar und deshalb grundsätzlich unzulässig.
2. Ist es zwingend notwendig, dass die Nachunternehmer und deren Konzepte und Möglichkeiten dem Auftraggeber bekannt sind, um überhaupt eine Wertung durchführen zu können, stellt die Forderung, die Nachunternehmer mit der Angebotsabgabe zu benennen, ausnahmsweise keine unzumutbare Forderung dar.

VPRRS 2016, 0184

VK Bund, Beschluss vom 24.03.2016 - VK 2-15/16
1. Hat ein Bieter Änderungen oder Ergänzungen an den Vertragsunterlagen vorgenommen, ist das betreffende Angebot zwingend auszuschließen. Dem Auftraggeber steht insoweit kein Ermessen zu.
2. Ob der Bieter nicht das angeboten hat, was der Auftraggeber nachgefragt hat, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln.
3. Aufgrund der für den Bieter einschneidenden Konsequenzen kommt ein Ausschluss nur dann in Betracht, wenn die Vorgaben eindeutig und erschöpfend beschrieben worden sind, so dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen mussten und vergleichbare Angebote zu erwarten waren.
4. Im Rahmen der Rechenprüfung hat der Auftraggeber der Frage nachzugehen, ob der Rechenweg und das Rechenergebnis im jeweiligen Angebot korrekt sind. Im Anwendungsbereich der VOL/A 2009 gibt es allerdings keine Regelung, wie zu verfahren ist, wenn mathematische Fehler festgestellt werden. Ist die Ursache des Fehlers unklar, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, wie das Angebot insoweit auszulegen ist.

VPRRS 2016, 0183

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.02.2016 - Verg 41/15
1. Bieter, die in Vergabeverfahren vorsätzlich unzutreffende Erklärungen in Bezug auf ihre Eignung abgegeben haben, können von der Teilnahme am Wettbewerb ausgeschlossen werden.
2. Die von öffentlichen Auftraggebern gestellten Anforderungen an die Eignung sind allerdings - ebenso wie die zum Beleg der Eignung geforderten Nachweise - bereits in der Bekanntmachung anzugeben.
3. Die Forderung des Auftraggebers, offen zu legen, ob und welches Schwesterunternehmen sich ebenfalls am Wettbewerb beteiligt, verstößt gegen das Gebot des Geheimwettbewerbs.

VPRRS 2016, 0158

VK Bund, Beschluss vom 09.09.2015 - VK 1-82/15
1. Der öffentliche Auftraggeber grundsätzlich zur sog. produktneutralen Ausschreibung verpflichtet; insbesondere darf der Beschaffungsgegenstand nicht auf bestimmte Produkte eines bestimmten Herstellers beschränkt werden.
2. Von diesem Grundsatz darf der Auftraggeber ausnahmsweise abweichen, wenn dies durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist.
3. Eine Markterforschung oder Markterkundung, ob eine andere Lösung (mit Wettbewerbsprodukten) möglich ist, ist in diesem Fall aber nicht erforderlich.

VPRRS 2016, 0180

VG Augsburg, Urteil vom 23.02.2016 - 3 K 15.1070
Eine unterbliebene Losbildung bei der Auftragsvergabe durch den Auftraggeber stellt einen schweren Vergaberechtsverstoß dar, der den Zuwendungsgeber zur Rückforderung einer gewährten staatlichen Zuwendung (hier: zur Ersetzung eines alten Feuerwehrfahrzeugs) berechtigt.

VPRRS 2016, 0179

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21.12.2015 - 2 VK LSA 33/15
1. Nur die Vergabe öffentlicher Aufträge unterliegt der Nachprüfung durch die Vergabekammern (vgl. § 102 GWB).*)
2. Eine Dienstleistungskonzession ist dadurch gekennzeichnet, dass die Gegenleistung für die geschuldeten Dienste in dem Recht zur Verwertung der vertragsgegenständlichen Dienstleistungen auf eigene Verantwortung und überwiegend auf eigenes Risiko besteht, sei es ohne oder zuzüglich der Zahlung eines Preises.*)

VPRRS 2016, 0172

OLG Koblenz, Beschluss vom 20.04.2016 - Verg 1/16
1. Der Auftraggeber ist grundsätzlich berechtigt, sich bei der zu seinem Leistungsbestimmungsrecht gehörenden Festlegung des Leistungsorts oder des Orts, an dem mit der Leistungserbringung begonnen werden soll, in erster Linie an seinen eigenen Bedürfnissen zu orientieren.*)
2. Die damit unter Umständen verbundene Beschränkung des Wettbewerbs insbesondere in Form einer potentiellen Benachteiligung nicht ortsansässiger Unternehmen ist hinzunehmen, wenn die Ortswahl sachlich legitimiert ist, die Vergabebedingungen zur Erreichung des legitimen Zwecks geeignet sind und die Ungleichbehandlung sich auf das Notwendige beschränkt, also verhältnismäßig ist.*)
3. Der Auftraggeber ist nicht verpflichtet, den Wettbewerb dadurch zu fördern, dass er einen Teil der Leistung, die er vergeben will, selbst erbringt und so Unternehmen die Bewerbung um die übrige Leistung erleichtert.*)
4. Dem Auftraggeber ist es untersagt, die Vergabebedingungen so zu gestalten, dass sich faktisch nur Unternehmen um den Auftrag bewerben können, die entweder ortsansässig sind oder mit einem ortsansässigen Unternehmen zusammenarbeiten.*)
5. (Mindest-)Anforderungen an die Eignung dürfen nicht dem Zweck dienen, Auftraggeber vor Problemen und Risiken zu bewahren, die nichts mit der Eignung des (potentiellen) Vertragspartners zu tun haben, sondern z. B. auf Besonderheiten und Schwierigkeiten eines bestimmten Marktes zurückzuführen sind.*)

VPRRS 2016, 0174

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 17.12.2015 - 2 VK LSA 8/15
Im Sinne der Rechtsprechung ist eine Änderung eines Vertrags als Neuvergabe anzusehen, wenn sie wesentlich andere Merkmale aufweist, als der ursprüngliche Auftrag und damit den Willen der Parteien zur Neuverhandlung wesentlicher Bestimmungen dieses Vertrags erkennen lässt (vgl. EuGH, Urteil vom 19.06.2008 - Rs. C-454/06, IBRRS 2008, 1720 = VPRRS 2008, 0166). Eine Änderung ist hiernach u. a. als wesentlich anzusehen, wenn Bedingungen eingeführt werden, die möglicherweise die Zulassung anderer als der ursprünglich zugelassenen Unternehmen oder die Annahme eines anderen als des ursprünglich angenommenen Angebots erlaubt hätten, wenn sie Gegenstand des ursprünglichen Vergabeverfahrens gewesen wäre.*)

VPRRS 2016, 0173

VK Nordbayern, Beschluss vom 31.03.2016 - 21.VK-3194-02/16
1. Die Antragsfrist des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB ist nicht relevant, wenn die VSt auf die Frist in der Bekanntmachung nicht hingewiesen hat.*)
2. Hat ein Bieter zwar alle Erklärungen abgegeben und das Leistungsverzeichnis vollständig ausgefüllt, jedoch subjektiv die Absicht, die Ausführung der Leistung abweichend vom Angebot durchzuführen, fehlt diesem Bieter die notwendige Zuverlässigkeit.*)
3. Bedient sich ein Bieter der Fähigkeiten Dritter zur Leistungserbringung, so muss die VSt auch die Eignung der Dritten vor Zuschlagserteilung prüfen können. Hierzu kann sie mit dem Angebot zunächst die Angabe von Nachunternehmerleistungen fordern.*)
4. Bei der Abgrenzung von Nachunternehmerleistungen und reinen Hilfsleistungen kommt es entscheidend darauf an, welche konkreten Leistungen nach dem ausgeschriebenen Vertrag im Einzelnen zu erbringen sind.*)

VPRRS 2016, 0171

BVerwG, Beschluss vom 18.03.2016 - 3 B 16.15
Es verstößt gegen das bei der Auswahlentscheidung für die Erbringung von Bodenabfertigungsdiensten zu beachtende Transparenzgebot, wenn für die Auswahlentscheidung maßgebliche Unterkriterien erst nach der Öffnung der Bewerbungsunterlagen festgelegt und gewichtet werden.*)

VPRRS 2016, 0170

OLG Koblenz, Beschluss vom 16.03.2016 - 1 Verg 8/13
1. Die Bundesländer haben die Gesetzgebungskompetenz für die Vorgabe eines vergabespezifischen Mindestlohns.*)
2. Ein Bieter, dessen Angebot zu Recht ausgeschlossen wurde, kann einen letztlich aus dem Gleichbehandlungsgebot abgeleiteten Anspruch darauf haben, dass der Auftraggeber derzeit von der Beauftragung eines anderen Bieters Abstand nimmt, das laufende Vergabeverfahren entweder in ein früheres Stadium zurückversetzt oder aufhebt und ihm auf diese Weise eine zweite Chance zur Abgabe eines wertbaren Angebots gibt.*)
3. Die Eröffnung einer "zweiten Chance" durch eine darauf gerichtete Anordnung einer Vergabekammer oder eines Vergabesenats kommt allerdings nur in Betracht, wenn aufgrund der Sach- und Rechtslage am Schluss der (letzten) mündlichen Verhandlung feststeht, dass ein vergaberechtskonformer Zuschlag unmöglich ist und sich daran auch durch bloße Fortsetzung des Vergabeverfahrens nichts mehr ändern kann.*)
4. Es genügt nicht, wenn lediglich diese Möglichkeit im Raum steht, etwa weil noch die ergebnisoffene Prüfung konkurrierender Angebote durch den Auftraggeber auf Ausschlussgründe aussteht, die diesem einen Beurteilungsspielraum auf der Tatbestandsebene und/oder einen Ermessensspielraum bei der Rechtsfolge einräumen.*)
5. Ein Auftraggeber kann dem "Mehrwertsteuerproblem" im Zusammenhang mit förmlichen Zustellungen dadurch ausweichen, dass er auf jede Aufschlüsselung des Angebotspreises verzichtet und nur die Benennung des Endbetrags verlangt, den ein Bieter für den Fall der Beauftragung je Zustellung beanspruchen will.*)

VPRRS 2016, 0166

VK Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14.12.2015 - VK 1-14/15
1. Das Vergabeverfahren beginnt mit der Absendung der Bekanntmachung an das Veröffentlichungsorgan. Bei der im Amtsblatt der EU bekannt gegebenen Absicht der Direktvergabe handelt es sich um eine durch die Nachprüfungsbehörden überprüfbare Entscheidung eines öffentlichen Auftraggebers.*)
2. Die Überprüfung einer Vergabeentscheidung setzt voraus, dass sie nach außen erkennbar und in für den Auftraggeber verbindlicher Form erfolgt ist. Dokumente und Arbeitsunterlagen, die Vergabeentscheidungen erst vorbereiten, sowie Ankündigungen und Absichtserklärungen im Vorfeld von Ausschreibungen sind grundsätzlich nicht überprüfbar.*)
3. Die Direktvergabe eines Auftrags auf der Basis von Art. 5 Abs. 4 VO (EG) 1370/2007 (Bagatellvergabe) setzt das Vorliegen einer Dienstleistungskonzession voraus. Es ist Aufgabe des Auftraggebers die Gründe, die für das Vorliegen einer Dienstleistungskonzession sprechen, nachvollziehbar und plausibel zu dokumentieren.*)

VPRRS 2016, 0161

VK Südbayern, Beschluss vom 15.03.2016 - Z3-3-3194-1-03-01/16
1. Öffentliche Auftraggeber können nicht deshalb auf einen Aufhebungsgrund nach 17 EG Abs. 1 Nr. 2 VOB/A 2012 berufen, weil sie geltend machen, dass sie den Beschaffungsbedarf nunmehr anders definieren und ausschreiben würden. Die Gründe, die eine Aufhebung nach 17 EG Abs. 1 Nr. 2 VOB/A 2012 rechtfertigen sollen, dürfen nicht der Vergabestelle zurechenbar sein.*)
2. Bieter müssen die Aufhebung des Vergabeverfahrens, von engen Ausnahmen abgesehen, nicht nur dann hinnehmen, wenn sie von einem der in den einschlägigen Bestimmungen der Vergabe- und Vertragsordnungen (§ 17 Abs. 1, § 17 EG Abs. 1 VOB/A 2012; § 17 Abs. 1, § 20 EG Abs. 1 VOL/A 2009) aufgeführten Gründe gedeckt und deshalb rechtmäßig ist. Vielmehr bleibt es der Vergabestelle aus sachlichen Gründen, insbesondere bei einem geänderten Beschaffungsbedarf, grundsätzlich unbenommen, von einem Beschaffungsvorhaben auch dann Abstand zu nehmen, wenn dafür kein in den Vergabe- und Vertragsordnungen anerkannter Aufhebungsgrund vorliegt (Anschluss an BGH, Beschluss vom 20.03.2014 - X ZB 18/13, IBR 2014, 292).*)
3. Bei fortbestehender Beschaffungsabsicht hat der Auftraggeber darzulegen, inwieweit sich der Beschaffungsbedarf geändert hat. Die unkonkrete Behauptung, den Beschaffungsbedarf neu definieren zu wollen, reicht insbesondere dann nicht aus, wenn Indizien gegen eine Änderung des Beschaffungsbedarfs sprechen.*)

VPRRS 2016, 0163

VK Südbayern, Beschluss vom 24.11.2015 - Z3-3-3194-1-51-09/15
1. Ein Angebot eines Bieters, das in erheblichem Umfang Allgemeine Geschäftsbedingungen dieses Bieters einführen will, ist wegen Änderung der Vertragsunterlagen auch dann auszuschließen, wenn die Vertragsunterlagen bestimmte Modalitäten des Auftrags nicht regeln, da in diesen Fällen ergänzend die allgemeinen Regelungen des BGB gelten.*)
2. Die Rüge gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB muss - abgesehen von Fällen der Entbehrlichkeit - grundsätzlich vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens gegenüber der Vergabestelle erhoben werden.*)
3. Hat der Antragsteller eines Nachprüfungsverfahrens vor Eingang des Nachprüfungsantrags bei der Vergabekammer keine Rüge gegenüber der Vergabestelle erhoben, kann er die Rüge vor Übermittlung des Nachprüfungsantrags nach § 115 Abs. 1 GWB nachholen.*)

VPRRS 2016, 0160

OLG Celle, Beschluss vom 14.04.2016 - 13 Verg 11/15
1. Das Vergabeverfahren beginnt mit der Ausschreibung. Insoweit ist ein formelles Verständnis zu Grunde zu legen (Anschluss an OLG Koblenz, Beschluss vom 05.09.2002 - 1 Verg 2/02, IBR 2002, 623; OLG Jena, Beschluss vom 08.04.2003 - 6 Verg 9/02, IBRRS 2003, 1124).*)
2. Ein sog. Projektant ist nicht automatisch vom Vergabeverfahren auszuschließen. Dem Auftraggeber obliegt vielmehr die Pflicht, im Rahmen des Zumutbaren aufzuklären, ob ein Sachverhalt vorliegt, der die Chancengleichheit aller Teilnehmer beeinträchtigen kann. Dabei muss dem Projektanten vor einem etwaigen Ausschluss Gelegenheit gegeben werden, zum Vorliegen einer Wettbewerbsverzerrung Stellung zu nehmen und ggf. zu beweisen, dass eine etwaige erworbene Kenntnis den Wettbewerb nicht verfälschen kann.*)

VPRRS 2016, 0159

VK Lüneburg, Beschluss vom 28.01.2016 - VgK-50/2015
1. Angebote, bei denen Änderungen an den Vertragsunterlagen vorgenommen wurden, sind zwingend von der Angebotswertung auszuschließen.
2. Hat ein Bieter Zweifel an der rechtlichen oder auch fachlichen oder rechnerischen Richtigkeit der Vergabeunterlagen, hat er diese vor Ablauf der Angebotsfrist dem Auftraggeber - beispielsweise im Wege einer Bieteranfrage - anzuzeigen.
3. Relativiert und modifiziert der Bieter den in den Vergabeunterlagen angegebenen Leistungs- und Erfüllungsort, liegt eine zum zwingenden Ausschluss führende Änderungen an den Vertragsunterlagen vor.

VPRRS 2016, 0157

VK Bund, Beschluss vom 01.02.2016 - VK 1-122/15
1. Die zu vergebende Leistung ist eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen.
2. Maßgeblich für die Frage, ob die Vergabeunterlagen und insbesondere die Leistungsbeschreibung eindeutig und klar oder unklar bzw. missverständlich sind, ist der objektive Empfängerhorizont der potentiellen Bieter. Dabei ist auf einen verständigen und sachkundigen, mit den Beschaffungsleistungen vertrauten Bieter abzustellen.
3. Kann es sich bei einer Aussage des Auftraggebers zum Beschaffungsgegenstand sowohl um eine Konkretisierung als auch um eine Änderung der bereits zuvor geänderten Leistungsbeschreibung handeln, ist die zu vergebende Leistung unklar bzw. missverständlich beschrieben.

VPRRS 2016, 0155

VK Bund, Beschluss vom 26.02.2016 - VK 2-7/16
1. Da der erste Abschnitt der VOL/A 2009 in Bezug auf Vertragsänderungen oder -übernahmen ebenso wenig Regelungen enthält wie das GWB oder die VgV, ist die Frage der Wesentlichkeit einer Vertragsänderung und damit einer Neuausschreibungspflicht anhand allgemeiner vergaberechtlicher Grundsätze zu entscheiden.
2. Die Auswechslung des Dienstleistungserbringers trägt regelmäßig die Vermutung einer wesentlichen Veränderung des Vertrags in sich. Findet allerdings bei funktionaler Betrachtung nur eine Verschiebung des Auftrags innerhalb des Konzerns statt, liegt keine wesentliche Vertragsänderung vor.

VPRRS 2016, 0153

VK Sachsen, Beschluss vom 15.03.2016 - 1/SVK/045-15
1. Eine (vergaberechtliche) Annahmeerklärung muss für ihre zivilrechtliche Wirksamkeit mit einem entsprechenden Rechtsbindungswillen des Auftraggebers erklärt worden sein.*)
2. Nach § 7 EG Abs. 1 Satz 1 VOL/A 2009 dürfen von Bietern nur solche Eignungsnachweise gefordert werden, die durch den Gegenstand des Auftrags gerechtfertigt sind. Für den Betrieb einer abfallrechtlichen Müll-Umladestation ist eine Zertifizierung nach der Entsorgungsfachbetriebsverordnung durch den Gegenstand des Auftrags gerechtfertigt, selbst wenn die ausgeschriebenen Leistungen als solche ohne Zertifizierung erbracht werden könnten.*)
3. Da sich die Erstellung von Eigenerklärungen grundsätzlich in der Sphäre des Bieters abspielt, ist ein Auftraggeber regelmäßig nicht in der Lage, diesem vorsätzliches Handeln bei der Erstellung von Eigenerklärungen nachzuweisen. Soweit § 7 EG Abs. 1 Satz 2 VOL/A 2009 Auftraggeber ausdrücklich verpflichtet, grundsätzlich Eigenerklärungen zu verlangen, um den Nachweisaufwand der Bieter zu minimieren, kann von den Bietern als Gegengewicht eine erhöhte Sorgfaltspflicht bei der Abgabe solcher Eigenerklärungen verlangt werden. Auch eine leichtfertig ungenaue Abgabe oder die Abgabe einer Erklärung ins Blaue hinein kann ausreichen, um den Tatbestand des § 6 EG Abs. 6 e) VOL/A 2009 zu erfüllen.*)

VPRRS 2016, 0154

EuGH, Urteil vom 07.04.2016 - Rs. C-324/14
1. Art. 47 Abs. 2 und Art. 48 Abs. 3 Richtlinie 2004/18/EG sind in Verbindung mit Art. 44 Abs. 2 Richtlinie 2004/18/EG dahin auszulegen, dass
- damit jedem Wirtschaftsteilnehmer das Recht eingeräumt wird, sich für einen bestimmten Auftrag auf die Kapazitäten anderer Unternehmen ungeachtet des rechtlichen Charakters der zwischen ihm und diesen Unternehmen bestehenden Verbindungen zu stützen, sofern dem öffentlichen Auftraggeber gegenüber nachgewiesen wird, dass dem Bewerber oder Bieter die für die Ausführung dieses Auftrags erforderlichen Mittel der betreffenden Unternehmen tatsächlich zur Verfügung stehen;
- es nicht ausgeschlossen ist, dass die Ausübung dieses Rechts bei Vorliegen besonderer Umstände in Anbetracht des Gegenstands und der Ziele des betreffenden Auftrags eingeschränkt werden kann. Dies ist namentlich der Fall, wenn sich die Kapazitäten, über die ein Drittunternehmen verfügt und die für die Ausführung des Auftrags erforderlich sind, nicht auf den Bewerber oder Bieter übertragen lassen, so dass dieser sich nur dann auf die genannten Kapazitäten berufen kann, wenn sich das betreffende Drittunternehmen unmittelbar und persönlich an der Ausführung des Auftrags beteiligt.*)
2. Art. 48 Abs. 2 und 3 Richtlinie 2004/18/EG ist dahin auszulegen, dass der öffentliche Auftraggeber im Hinblick auf den Gegenstand und die Ziele eines bestimmten Auftrags unter besonderen Umständen im Interesse der ordnungsgemäßen Ausführung dieses Auftrags die Möglichkeit hat, in der Auftragsbekanntmachung oder den Verdingungsunterlagen ausdrücklich genaue Regeln anzugeben, nach denen sich ein Wirtschaftsteilnehmer auf die Kapazitäten anderer Unternehmen stützen kann, sofern diese Regeln mit dem Gegenstand und den Zielen des betreffenden Auftrags zusammenhängen und diesen angemessen sind.*)
3. Der in Art. 2 Richtlinie 2004/18/EG aufgestellte Grundsatz der gleichen und nicht diskriminierenden Behandlung der Wirtschaftsteilnehmer ist dahin auszulegen, dass er es unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens einem öffentlichen Auftraggeber untersagt, nach der Öffnung der Angebote, die im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags eingereicht worden sind, dem Ersuchen eines Wirtschaftsteilnehmers, der ein Angebot für den gesamten in Rede stehenden Auftrag abgegeben hat, stattzugeben, sein Angebot nur für die Zuteilung bestimmter Teile dieses Auftrags zu berücksichtigen.*)
4. Der in Art. 2 Richtlinie 2004/18/EG aufgestellte Grundsatz der gleichen und nicht diskriminierenden Behandlung der Wirtschaftsteilnehmer ist dahin auszulegen, dass er die Ungültigerklärung und die Wiederholung einer elektronischen Auktion, bei der ein Wirtschaftsteilnehmer, der ein zulässiges Angebot eingereicht hat, keine Aufforderung zur Teilnahme erhalten hat, auch dann verlangt, wenn nicht festgestellt werden kann, ob die Teilnahme des nicht berücksichtigten Wirtschaftsteilnehmers das Ergebnis der Auktion geändert hätte.*)
5. Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens können die Vorschriften von Art. 48 Abs. 3 Richtlinie 2004/18/EG nicht im Licht der Bestimmungen von Art. 63 Abs. 1 Richtlinie 2014/24/EU ausgelegt werden.*)

VPRRS 2016, 0145

VK Südbayern, Beschluss vom 29.01.2016 - Z3-3-3194-1-59-11/15
1. Ein Angebotsausschluss wegen Abweichung von der Leistungsbeschreibung kommt nur dann in Betracht, wenn sich, und sei es auch nur im Ergebnis einer Auslegung, ein letztlich eindeutiger und deshalb für die Bieter auch als solcher erkennbarer Ausschreibungswille ermitteln lässt, von dem sich des Angebot des betreffenden Bieters entfernt hat.*)
2. Die Vorgaben der Vergabeunterlagen sind nach dem objektiven Empfängerhorizont eines potentiellen fachkundigen Bieters auszulegen.*)
3. Verwendet der öffentliche Auftraggeber einen in technischen Regelwerken definierten Begriff - wie hier "Niveaugleicher Einstieg" gemäß Ziff. 2.3 der TSI PRM 2014 - in der Leistungsbeschreibung nicht, sondern einen anderen nicht definierten Begriff - hier "stufenfrei", kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die technische Spezifikation "Niveaugleicher Einstieg" doch von allen Bietern zu erbringen ist.*)

VPRRS 2016, 0142

VK Bund, Beschluss vom 01.02.2016 - VK 2-3/16
Vermitteln die Vergabeunterlagen den Bietern keine zuverlässigen Informationen darüber, wie und vor allem mit welcher Punktzahl die Angebote hinsichtlich der in der Bewertungsmatrix aufgestellten Anforderungen bewertet werden, sind sie intransparent.

VPRRS 2016, 0143

VK Südbayern, Beschluss vom 01.02.2016 - Z3-3-3194-1-58-11/15
1. Die Bildung von Bietergemeinschaften ist grundsätzlich zulässig und unterliegt nicht dem Generalverdacht der Kartellrechtswidrigkeit. Eine Vereinbarung verschiedener Unternehmen, sich mit einer Bietergemeinschaft an der Ausschreibung für einen bestimmten Auftrag zu beteiligen, ist gemäß § 1 GWB nur verboten, wenn die Vereinbarung geeignet ist, die Marktverhältnisse durch Beschränkung des Wettbewerbs spürbar zu beeinflussen (BGH, Urteil vom 13.12.1983 - KRB 3/83).*)
2. Existieren zureichende Anhaltspunkte dafür, dass es sich um eine unzulässige Bietergemeinschaft handelt, hat die Vergabestelle die Bietergemeinschaft aufzufordern, die Gründe für die Bildung der Bietergemeinschaft darzulegen. Dies kann insbesondere bei einem Angebot einer Bietergemeinschaft aus gleichartigen Unternehmen, die möglicherweise gesondert leistungsfähig wären, der Fall sein.*)
3. Auch bei gleichartigen Unternehmen ist der Zusammenschluss zu einer Bietergemeinschaft hinzunehmen, wenn dieser von den Unternehmen in der Erkenntnis getroffen wurde, dass eine selbständige Teilnahme an einer Ausschreibung wirtschaftlich nicht zweckmäßig und kaufmännisch nicht vernünftig wäre. Dabei kommt den Unternehmen eine nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbare Einschätzungsprärogative zu.*)

VPRRS 2016, 0141

VK Thüringen, Beschluss vom 13.03.2015 - 250-4003-1100/2015-E-002-SLF
Mit der Erklärung der Vergabestelle, einer Rüge abzuhelfen, das Vergabeverfahrens in den Stand vor Ausreichung der Vergabeunterlagen zurück zu versetzen und die Vergabeunterlagen um bisher nicht bekannt gegebene Unterkriterien zu ergänzen, erledigt sich das Nachprüfungsverfahren "in sonstiger Weise".

VPRRS 2016, 0137

VK Lüneburg, Beschluss vom 01.02.2016 - VgK-51/2015
1. Ein geringer Fehlbetrag in der Bilanz spricht nicht gegen die finanzielle Leistungsfähigkeit eines Bieters.
2. Technisch leistungsfähig ist ein Anbieter, dessen Referenzen die Erwartung rechtfertigen, dass er die zu vergebende Leistung genauso gut wie die Referenzleistungen erbringen wird. Je einfacher die zu vergebende Leistung ist, desto geringer sind die Anforderungen an die Vergleichbarkeit.
3. Erfahrungen mit gleichartigen Tätigkeiten dürfen nur dann gefordert werden, wenn die zu vergebende Tätigkeit hohe Anforderungen an die Erfahrung stellt.
4. Eine aufs Geradewohl oder "ins Blaue hinein" erhobene Rüge ist unzulässig und damit unbeachtlich. Die Vergabekammer ist in einem solchen Fall von der Notwendigkeit einer vollständigen Sachaufklärung von Amts wegen entbunden.
5. Erkennbare Vergaberechtsverstöße sind innerhalb einer Frist von 10 Tagen zu rügen.

VPRRS 2016, 0139

EuGH, Urteil vom 20.01.2016 - Rs. C-50/14
1. Die Art. 49 und 56 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die es zulässt, dass die örtlichen Behörden die Erbringung von Krankentransportdiensten im Wege der Direktvergabe ohne jegliche Bekanntmachung an Freiwilligenorganisationen vergeben, soweit der rechtliche und vertragliche Rahmen, in dem diese Organisationen tätig sind, tatsächlich zu dem sozialen Zweck und zu den Zielen der Solidarität und der Haushaltseffizienz beiträgt.*)
2. Wenn ein Mitgliedstaat es den Behörden erlaubt, für die Durchführung bestimmter Aufgaben unmittelbar auf Freiwilligenorganisationen zurückzugreifen, ist eine Behörde, die mit derartigen Organisationen Übereinkünfte schließen will, nach dem Unionsrecht nicht verpflichtet, vorher die Angebote verschiedener Organisationen zu vergleichen.*)
3. Ein Mitgliedstaat, der es erlaubt, dass die Behörden für die Durchführung bestimmter Aufgaben unmittelbar auf Freiwilligenorganisationen zurückgreifen und dass diese Organisationen bestimmte wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben, muss für die Ausübung dieser Tätigkeiten Grenzen festlegen. Diese Grenzen müssen allerdings gewährleisten, dass die genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten im Verhältnis zur Gesamtheit der von diesen Organisationen ausgeübten Tätigkeiten geringfügig sind und deren freiwillige Tätigkeit unterstützen.*)

VPRRS 2016, 0132

VK Lüneburg, Beschluss vom 18.12.2015 - VgK-45/2015
1. Der öffentliche Auftraggeber ist grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, Nachforschungen darüber anzustellen, ob ein Bieter eine schwere Verfehlung begangen hat, die seine Zuverlässigkeit und damit seine Eignung als Bewerber in Frage stellt.
2. Liegen dem Auftraggeber allerdings Anhaltspunkte dafür vor, dass der Geschäftsführer eines Bieterunternehmens rechtskräftig wegen Bestechung verurteilt ist, muss er sich Gewissheit verschaffen und Hinweisen nachgehen.
3. Verschließt sich der Auftraggeber bewusst vorliegenden Informationen und kommt er einer im Einzelfall bestehenden Aufklärungspflicht nicht nach, genügt bereits das "Kennen müssen" für einen Verstoß gegen § 6 EG Abs. 4 VOL/A 2009.

VPRRS 2016, 0126

VK Bund, Beschluss vom 22.02.2016 - VK 2-135/15
1. Eine Mindestanforderung an die Eignung ist ordnungsgemäß bekannt gemacht, wenn in der Bekanntmachung durch einen Link auf die Internetseite der Vergabestelle verwiesen wird und die interessierten Unternehmen durch bloßes Anklicken zum entsprechenden Formblatt gelangen können.
2. Mit der Formulierung, dass der Bieter "im Auftragsfalle Gewähr für die zur Verrichtung der vorgesehenen Tätigkeit notwendige Qualifikation und Eignung der Leiharbeitnehmer" zu leisten hat, wird ausdrücklich auf den Auftragsfall abgestellt. Damit unvereinbar ist eine Forderung, wonach der Bieter schon bei Angebotsabgabe geeignetes Personal in ausreichender Zahl verfügbar haben muss.
3. Auch bei einer Ausschreibung nach dem 1. Abschnitt der VOL/A 2009 ist bei unverändertem Sachverhalt ein Wiedereintritt in die Eignungsprüfung zulässig.

VPRRS 2016, 0127

OLG Celle, Beschluss vom 23.02.2016 - 13 U 148/15
1. Öffentliche Auftraggeber haben auch im Unterschwellenbereich sowie bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen das Primärrecht der Europäischen Union zu beachten, sofern ein grenzüberschreitendes Interesse am Auftrag zu bejahen ist.*)
2. Danach ist insbesondere das Transparenzgebot zu beachten. Auch außerhalb des Anwendungsbereiches der Vergabekoordinierungsrichtlinie sind hiernach alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens klar, präzise und eindeutig u. a. in der Vergabebekanntmachung zu formulieren, so dass zum einen alle gebührend informierten und mit der üblichen Sorgfalt handelnden Bieter die genaue Bedeutung dieser Bedingungen und Modalitäten verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können und zum anderen der Auftraggeber tatsächlich überprüfen kann, ob die Angebote der Bieter die für den betreffenden Auftrag geltenden Kriterien erfüllen.*)
3. Eine Grenze, ab der das Offenlassen konkreter Bewertungsmaßstäbe vergaberechtlich unzulässig ist, ist auch hier erreicht, wenn die aufgestellten Wertungsmaßstäbe so unbestimmt sind, dass die Bieter nicht mehr angemessen über die Kriterien und Modalitäten informiert werden, auf deren Grundlage das wirtschaftlich günstigste Angebot ermittelt wird, und sie in Folge dessen auch vor einer willkürlichen und/oder diskriminierenden Angebotsbewertung nicht mehr effektiv geschützt sind.*)
4. Auch außerhalb des Anwendungsbereiches der Vergabekoordinierungsrichtlinie ist ein Selbstausführungsgebot nur in Ausnahmefällen vergaberechtskonform.*)
