Vergabepraxis & -recht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
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VPRRS 2014, 0658OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.03.2013 - Verg 53/12
1. Funktionale Leistungsbeschreibungen sind nicht nur dort, wo ein bestimmter Erfolg geschuldet ist, sondern auch bei Dienstleistungen zulässig.
2. Qualitätsorientierte Reinigungsdienstleistungen können hinsichtlich qualitativer Kriterien wie Schulungskonzept und organisatorischer Umsetzung (teil-) funktional ausgeschrieben werden. Jedoch unterliegt auch die funktionale Leistungsbeschreibung gewissen Anforderungen an die Bestimmtheit. Die Kriterien für die spätere Angebotsbewertung müssen festliegen und das Leistungsziel, die Rahmenbedingungen sowie die wesentlichen Einzelheiten der Leistung in der Weise bekannt sein, dass mit Veränderungen nicht mehr zu rechnen ist.
3. Die Angebotswertung ist vergaberechtswidrig, wenn der Auftraggeber die abgegebenen Angebote nicht anhand der bekannt gegebenen Zuschlagskriterien und Gewichtungsregeln miteinander verglichen, sondern der Wertung „Standards“ zugrunde gelegt hat, die er erst nach Angebotsöffnung los- und niederlassungsübergreifend entwickelt und den Bietern nicht bekanntgegeben hat.
4. Die Tätigkeit der eingesetzten Wertungskommission und die Ermittlung der „Standards“ sind in den Vergabeakten zu dokumentieren.
VolltextVPRRS 2014, 0586
VK Köln, Beschluss vom 06.10.2014 - VK VOL 21/2013
1. Eine Aufhebung der Ausschreibung wegen Änderungen der Ausschreibungsbedingungen kommt nicht in Betracht, wenn der Auftraggeber an seinem eigentlichen Beschaffungsvorhaben festhält. Eine Aufhebung des Vergabeverfahrens ist in einem solchen Fall nur dann veranlasst, wenn die Änderungen so weitreichend sind, dass von einem völlig neuen Beschaffungsvorhaben auszugehen ist oder sich wegen dieser Änderungen dem vergaberechtlichen Transparenzgebot nur durch eine Aufhebung und Neuausschreibung Rechnung getragen werden kann.
2. Für die Feststellung, ob eine bestimmte Tätigkeit Gegenstand eines Fachloses ist, ist insbesondere von Belang, ob sich für spezielle Arbeiten mittlerweile ein eigener Markt herausgebildet hat. Diese Voraussetzung erfüllt die Wahrnehmung von Aufgaben des erweiterten Rettungsdienstes für den Fall eines Massenanfalls von Verletzten nicht.
VolltextVPRRS 2014, 0653
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.11.2014 - 15 Verg 6/14
1. Haben die Mitglieder einer Bietergemeinschaft (BIEGE) nur einen unerheblichen Marktanteil und werden sie erst durch das Eingehen der BIEGE in die Lage versetzt, ein Angebot abzugeben und am Wettbewerb teilzunehmen, ist die Bildung einer BIEGE vergaberechtlich nicht zu beanstanden.
2. An der Vereinbarkeit der Regelung in § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB mit dem zugrunde liegenden Europarecht bestehen keine Zweifel.
3. Das Verbot der Vermischung von Zuschlags- und Eignungskriterien ist zwischenzeitlich so intensiv und wiederholt behandelt und thematisiert worden, dass sich ein durchschnittliches Unternehmen, das nicht völlig unerfahren auf dem maßgeblichen Markt ist und sich für einen größeren öffentlichen Auftrag interessiert, vor diesem Thema nicht verschließen kann. Dies gilt insbesondere im Anwendungsbereich der VOL/A-EG, weil in diesem Regelungswerk das Gebot der Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterien besonders deutlich zu Tage tritt. Einen Verstoß gegen dieses Verbot muss der Bieter daher unverzüglich rügen.
VPRRS 2014, 0652
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14.11.2014 - 15 Verg 10/14
1. Eine Dienstleistungskonzession ist eine vertragliche Konstruktion, die sich von einem Dienstleistungsauftrag nur dadurch unterscheidet, dass der Konzessionär das zeitweilige Recht zur Nutzung der ihm übertragenen Dienstleistung erhält und gegebenenfalls ihm zusätzlich ein Preis gezahlt wird.
2. Für die Unterscheidung zwischen Dienstleistungsauftrag und -konzession ist maßgeblich, ob die vereinbarte Art der Vergütung im Recht des Leistungserbringers besteht, die Dienstleistung zu verwerten, und die Übernahme des mit der fraglichen Dienstleistung verbundenen Betriebsrisikos durch den Leistungserbringer zur Folge hat.
3. Sieht die Ausschreibung eine Zuzahlung des Auftraggebers vor, liegt keine Dienstleistungskonzession vor, wenn die Zuwendung ein solches Gewicht hat, dass ihr kein bloßer Zuschusscharakter beigemessen werden kann, sondern zur Folge hat, dass die Einkünfte, die der Dienstleister für seine Leistungen erzielt, zu einem Entgelt führen, das weitab von einer äquivalenten Gegenleistung liegt.
4. Können die voraussichtlichen Investitionskosten durch einen Zuschuss des Auftraggebers nicht sicher amortisiert werden und kann der Auftragnehmer sogar Verluste erleiden, wird das betriebswirtschaftliche Risiko nicht vollständig oder nicht wenigstens zu einem ganz wesentlichen Teil ausgeglichen.
5. Für die Überprüfung der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen ist der Rechtsweg zur Vergabekammer und zum Vergabesenat nicht gegeben. Welcher Rechtsweg hierfür eröffnet ist, richtet sich danach, ob das streitige Rechtsverhältnis dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Rechtszug zuzuordnen ist. Für die Zuordnung ist nicht das Ziel, sondern die Rechtsform staatlichen Handelns maßgeblich.
VolltextVPRRS 2014, 0603
VK Lüneburg, Beschluss vom 29.09.2014 - VgK-36/2014
1. In der VOF gibt es keine Regelung zu unangemessenen Preisen und somit keine Verpflichtung des Auftraggebers, besonders niedrige Preise auf ihre Auskömmlichkeit hin zu untersuchen.
2. Sind im Rahmen des Architektenwettbewerbs bereits bestimmte Leistungen erbracht worden, ist eine Kürzung des Honorars bzw. eine Verrechnung mit dem bereits erhaltenen Preisgeld möglich. Der Bieter muss kein hundertprozentiges Leistungsbild (mehr) anbieten. Vielmehr ist eine angemessene Senkung des betreffenden Leistungsbilds und somit auch des Honorars zulässig.
3. Im VOF-Verhandlungsverfahren kann der Auftraggeber auch preisliche Forderungen stellen.
VolltextVPRRS 2014, 0602
VK Lüneburg, Beschluss vom 26.08.2014 - VgK-31/2014
1. Der Änderung der Vergabeunterlagen steht es gleich, wenn ein Bieter zwar keine sichtbaren Änderungen an den Vergabeunterlagen vornimmt, in einem Begleitschreiben zum Angebot aber Vorbehalte vornimmt.
2. Eine vom Wortsinn her nicht mehr gedeckte abweichende Interpretation der Leistungsbeschreibung im Angebot des Bieters steht einer Abänderung der Vergabeunterlagen gleich.
3. Gibt der Auftraggeber in den Vergabeunterlagen keine qualitativen Mindestkriterien für ein Schulungskonzept vor, kann er das Angebot eines Bieters trotz eines erkennbaren Minderleistungsansatzes gegenüber dem Angebot eines anderen Bieters nicht vom Vergabeverfahren ausschließen.
4. Um den Zugang zum Nachprüfungsverfahren zu eröffnen, bedarf es der Darlegung zumindest einer konkreten, nicht völlig vagen und pauschal behaupteten Vergaberechtsverletzung. Eine aufs Geradewohl oder ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung ist unzulässig und damit unbeachtlich.
5. Bis zur Reform des GWB zur Umsetzung der neuen EU-Vergaberichtlinien auch und zur Anpassung der Rügefrist auf 10 bzw. 15 Kalendertage darf die Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB nicht mehr abweichend angewendet werden.
VolltextVPRRS 2014, 0607
KG, Beschluss vom 26.09.2014 - Verg 5/14
Zu öffentlichen Vergaben, bei denen die Ausschreibung das Erfordernis der Tariftreue enthält.*)
VolltextVPRRS 2014, 0604
VK Köln, Beschluss vom 01.08.2014 - VK VOL 6/2014
1. Gemäß § 102 GWB unterliegt nur die Vergabe öffentlicher Aufträge der Nachprüfung durch die Vergabekammern. Der Rechtsweg zu den Vergabekammern ist daher nicht eröffnet und ein Nachprüfungsantrag damit unzulässig, wenn weder ein Vertrag mit einem konkreten Dienstleister geschlossen wurde noch konkrete Vertragsverhandlungen begonnen haben.
2. Ein vorbeugender Rechtsschutz ist den §§ 102 ff GWB fremd.
VolltextVPRRS 2014, 0587
OLG Schleswig, Beschluss vom 04.11.2014 - 1 Verg 1/14
1. Eine Leistungserweiterung oder "Aufstockung" von 1.673 auf 1.876 (+ 194) Rettungsmittelwochenstunden ist als selbstständiger öffentlicher Auftrag einzuordnen, der einer vergaberechtlichen Nachprüfung zugänglich ist.
2. Die Unwirksamkeit einer vergaberechtswidrigen "Direktvergabe" muss innerhalb der 30-Tages-Frist des § 101b Abs. 2 Satz 1 GWB geltend gemacht werden.
VolltextVPRRS 2014, 0589
OLG Celle, Beschluss vom 30.10.2014 - 13 Verg 8/14
1. Die §§ 102 ff GWB gewähren nur dann Primärrechtsschutz, wenn sich der Nachprüfungsantrag auf ein konkretes - wenn auch nur materielles - Vergabeverfahren bezieht, das begonnen wurde und noch nicht abgeschlossen ist.
2. Ein Fortsetzungsfeststellungsantrag ist grundsätzlich zulässig, wenn ein Anspruch auf Schadensersatz möglich ist. Der Schaden kann auch in der Gebührenforderung eines Anwalts liegen, welchen der Bieter mit der Prüfung der Vergabeunterlagen und der Rüge beauftragt hat.
3. Die abstrakte Wiederholungsgefahr in einem anderen, zukünftigen Verfahren genügt nicht zur Begründung eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses.
VolltextVPRRS 2014, 0600
VK Bund, Beschluss vom 15.10.2014 - VK 2-83/14
1. Kalkulationsvorgaben durch den öffentlichen Auftraggeber sind im Ausgangspunkt vergaberechtlich zugelassen. Solche Vorgaben beschränken zwar die Kalkulationsfreiheit der Bieter und "kanalisieren" auch den Preiswettbewerb, beruhen jedoch auf der Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers. Allerdings sind sie transparent aufzustellen.
2. Eine Unterschreitung der Kostenschwelle zieht keinen automatischen Ausschluss des betreffenden Angebots nach sich. Vielmehr ist der Auftraggeber verpflichtet, die Angemessenheit des Angebots aufzuklären. Deshalb muss die konkrete Höhe der Aufgreifschwelle nicht bekanntgegeben werden.
3. Richtet der Auftraggeber ein konkretes Aufklärungsverlangen an den Bieter, ist es grundsätzlich dessen Sache, Zweifel an der Auskömmlichkeit seines Angebotes zu entkräften. Der Auftraggeber ist weder verpflichtet noch berechtigt, Anforderungen für eine erfolgreiche Aufklärung anzugeben.
4. Kommt der Bieter dem Aufklärungsverlangen des Auftraggebers nicht oder nur unzureichend nach, ist sein Angebot vom weiteren Vergabeverfahren auszuschließen.
VolltextVPRRS 2014, 0596
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 09.04.2014 - 1 VK LSA 19/13
Die mehrfache negative Wertung des Auftretens des Geschäftsführers eines Bieters in der Präsentation verstößt gegen das Erfordernis der Gewährleistung diskriminierungsfreien Wettbewerbs, der Gleichbehandlung und der Transparenz.
VolltextVPRRS 2014, 0601
VK Nordbayern, Beschluss vom 31.07.2014 - 21.VK-3194-25/14
1. Zur (fehlenden) Öffentlichen-Auftraggeber-Eigenschaft einer Kreisvereinigung der Lebenshilfe e.V.*)
2. Erhält ein ASt trotz des ausdrücklichen Hinweises der Vergabekammer zur Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrages seinen Antrag in vollem Umfang aufrecht, kann ein Verschulden der VSt nach § 128 Abs. 3 Satz 3 GWB nur hinsichtlich der Hälfte der Kosten gesehen werden, die auch bei Antragsrücknahme entstanden wären, da der ASt durch eine Rücknahme des Antrages nach Hinweis auf dessen Unzulässigkeit die anfallenden Verfahrenskosten aufgrund der gesetzlichen Kostenfolge des § 128 Abs. 3 Satz 4 GWB auf die Hälfte hätte reduzieren können.*)
VolltextVPRRS 2014, 0590
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 04.09.2014 - 1 VK LSA 12/14
1. Der Anwendungsbereich der Sektorenrichtlinie ist eng umgrenzt. Es kann dahinstehen, ob die Antragsgegnerin selbst Sektorenleistungen vergibt. Sie vergibt aber den Auftrag für eine Vielzahl von Auftraggebern, von denen nur ein einige Unternehmen entsprechende Tätigkeiten im Sektorenbereich erbringen. Es ist den übrigen klassischen öffentlichen Auftraggebern verwehrt, das weniger strenge Vergaberecht anzuwenden.*)
2. Durch das Unterlassen der europaweiten Ausschreibung wurde weiterhin die Wahrnehmung des Primärrechtsschutzes deutlich erschwert. Dies zeigt sich daran, dass keine Information im Sinne des § 101a GWB erfolgte, weil man sich an die v. g. Vorschrift nicht gebunden fühlte. Die Durchführung eines europaweiten Verfahrens stellt für die Bieter nicht nur eine Formalität dar, sondern hat direkten Einfluss auf ihre Chancen.*)
3. Ein Eingangsvermerk dient der Beweissicherung. Er muss daher in einem förmlichen Verfahren den Aussteller erkennen lassen. Der Eingangsvermerk soll sicherstellen, dass der Wettbewerb zwischen den Bietern unter gleichen Voraussetzungen stattfindet und nicht einzelne Bieter ihr Angebot nachträglich verändern. Er soll dokumentieren, dass die Angebote fristgemäß eingegangen sind.*)
VolltextVPRRS 2014, 0592
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.11.2014 - Verg 20/14
1. Ein lediglich mittelbares Auftragsinteresse auf Erlangen von Aufträgen aus einem Nachunternehmerverhältnis kann eine Antragsbefugnis nicht begründen.*)
2. Wenn der Auftraggeber den Zeitpunkt der Telefax-Bieterinformation so wählt (hier: Gründonnerstag 2014), dass sich die Frist für die Anbringung eines Nachprüfungsantrags faktisch von zehn auf drei Tage reduziert, ist ihm verwehrt, sich mit Erfolg auf eine Verletzung der Rügeobliegenheit zu berufen.*)
VolltextVPRRS 2014, 0591
VK Lüneburg, Beschluss vom 08.10.2014 - VgK-37/2014
1. Auch bei der freihändigen Vergabe von IB-Dienstleistungen müssen Auftraggeber auf die Frist des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB hinweisen, um sich auf dessen Präklusionswirkung berufen zu können.
2. Diese Hinweispflicht entfällt selbst dann nicht, wenn der Bieter bereits bei Erhebung der Rüge anwaltlich vertreten ist.
VolltextVPRRS 2014, 0572
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.02.2014 - 1 VK 2/14
1. Geforderte Erklärungen und Nachweise, die bis zum Ablauf der Angebotsabgabefrist nicht vorgelegt wurden, können nachgefordert werden. Das gilt nicht nur für leistungsbezogene technische Merkmale oder allgemeine Nachweise, sondern grundsätzlich auch für fehlende Angebotsteile.
2. Allein die Tatsache, dass eine Position möglicherweise falsch kalkuliert wurde, vermag nichts daran zu ändern, dass bei eindeutiger Formulierung die in der Position enthaltene Leistung auch angeboten wurde.
3. Vergleichbar sind Referenzen, wenn die darin enthaltene Leistung der ausgeschriebenen Leistung so nahe kommt und ähnelt, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung eröffnet.
VolltextVPRRS 2014, 0569
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.07.2014 - 1 VK 32/14
1. Voraussetzung für die (Interims-)Vergabe eines öffentlichen Auftrags im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb aus dringlichen zwingenden Gründen ist, dass (a) die Auftragsvergabe - wie etwa bei Leistungen des ÖPNV oder der Schülerbeförderung - unbedingt erforderlich sein muss, (b) aus zwingenden Gründen die vorgeschriebenen Fristen nicht eingehalten werden können, (c) der Auftraggeber diese Gründe nicht vorhersehen konnte und (d) die Umstände, die die zwingende Dringlichkeit begründen, "auf keinen Fall" dem Verhalten des Auftraggebers zuzuschreiben sind.
2. Im Bereich der Daseinsvorsorge kann Dringlichkeit aus einer besonderen Gefahrensituation heraus für eine gewisse Zeit auch dann gegeben sein kann, wenn sie im Übrigen auf von dem Auftraggeber zu vertretenden Umständen beruht. Der Aspekt der Zurechenbarkeit und Vorhersehbarkeit tritt in diesen Fällen hinter die Notwendigkeit der Kontinuität der Versorgungsleistung zurück.
VolltextVPRRS 2014, 0585
EuGH, Urteil vom 06.11.2014 - Rs. C-42/13
Art. 45 Richtlinie 2004/18/EG in Verbindung mit Art. 2 Richtlinie 2004/18/EG sowie der Gleichbehandlungsgrundsatz und die Transparenzpflicht sind in dem Sinne auszulegen, dass es ihnen nicht zuwiderläuft, wenn ein Wirtschaftsteilnehmer von einem Vergabeverfahren ausgeschlossen wird, weil er der in den Ausschreibungsunterlagen unter Androhung des Ausschlusses bei Nichterfüllung vorgesehenen Verpflichtung nicht nachgekommen ist, seinem Angebot eine Erklärung beizufügen, wonach gegen die in diesem Angebot als technischer Leiter dieses Wirtschaftsteilnehmers bezeichnete Person weder ein strafrechtliches Verfahren läuft noch eine strafrechtliche Verurteilung stattgefunden hat, selbst wenn dem öffentlichen Auftraggeber nach Ablauf der Frist für die Einreichung der Angebote eine solche Erklärung übermittelt wurde oder dargelegt wird, dass die betreffende Person irrtümlicherweise als technischer Leiter bezeichnet wurde.*)
VolltextVPRRS 2014, 0575
VK Münster, Beschluss vom 02.10.2014 - VK 13/14
1. Gegenstand einer vergaberechtlichen Überprüfung können gemäß VOL/A 2009 § 9 EG Abs. 1 c auch Vertragsentwürfe sein, wenn diese Entwürfe zu Ausschreibungsbedingungen für die Bieter werden und somit Bestandteil der Vergabeunterlagen sind.*)
2. Eine zivilrechtlich ausgerichtete Kontrolle und Bewertung eines Vertragsentwurfs findet grundsätzlich nicht statt. Kommt es vergaberechtlich für die Entscheidung im Nachprüfungsverfahren aber darauf an, sind solche Rechtsnormen inzident zu prüfen.*)
3. Eine Leistungsbeschreibung kann "unzumutbar" i.S.v. § 8 EG Abs. 1 VOL/A 2009 sein, wenn die Leistungsbeschreibung den Bietern branchen- und markttypische Risiken auferlegt, die üblicherweise aus der Sphäre des öffentlichen Auftraggebers stammen. Das muss im Einzelfall anhand der tatsächlichen Gegebenheiten überprüft werden.*)
4. Die Grenze der "Zumutbarkeit" ist jedenfalls erreicht, wenn die Vergabeunterlagen unerfüllbare (rechtliche) Anforderungen enthalten.*)
VPRRS 2014, 0571
OLG Frankfurt, Beschluss vom 05.03.2014 - 11 Verg 1/14
1. Eine vorzeitige Gestattung des Zuschlags kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Das von Gesetzes wegen mit dem Nachprüfungsantrag eintretende Zuschlagsverbot dient der Durchsetzung des Anspruchs auf effektiven Primärrechtsschutz.
2. Im Falle der vorzeitigen Zuschlagsgestattung wird der Primärrechtsschutz irreversibel ausgeschlossen. Das ist nur ausnahmsweise gerechtfertigt. Selbst die mangelnde Erfolgsaussicht eines Nachprüfungsantrags kann für sich genommen die Gestattung des vorzeitigen Zuschlags nicht rechtfertigen, ohne dass ein besonderes Beschleunigungsinteresse des Auftraggebers hinzutritt.
3. Eine besondere Eilbedürftigkeit kann nicht auf das Allgemeininteresse an einer wirtschaftlichen Auftragserfüllung gestützt werden.
VolltextVPRRS 2014, 0580
VK Lüneburg, Beschluss vom 20.06.2014 - VgK-15/2014
(Ohne amtlichen Leitsatz)
VolltextVPRRS 2014, 0583
VK Brandenburg, Beschluss vom 28.03.2013 - VK 38/12
(Ohne amtlichen Leitsatz)
VolltextVPRRS 2014, 0577
VK Lüneburg, Beschluss vom 10.07.2014 - VgK-17/2014
(Ohne amtlichen Leitsatz)
VolltextVPRRS 2014, 0568
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.10.2014 - 1 VK 41/14
1. Verlangt der Antragsgegner nicht mit der gebotenen Klarheit und Eindeutigkeit, dass Angaben ausschließlich in den dafür vorgesehenen Zellen zu machen sind, kann ein Angebot nicht bereits deshalb ausgeschlossen werden, weil der Bieter den zur Verfügung stehenden Platz im Vordruck durch das Hinzufügen von Angaben im Angebotsschreiben erweitert hat.
2. Ist der Wertungsbereich "Qualifikation der objektbezogenen Personen in Bezug auf Unterhaltsreinigung" in die Bereiche "Technische/r Betriebsleiter/in", "Objektleiter/in" und "Vorarbeiter/in" untergliedert, ergibt sich mit hinreichender Bestimmtheit, dass der Auftraggeber jeweils eine von den Bietern zu benennende Person und deren Qualifikation bewertet. Eine Vielzahl von Personen darf daher nicht genannt werden.
VolltextVPRRS 2014, 0567
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 07.05.2014 - 15 Verg 4/13
1. Die Festlegung, welche Leistungsnachweise gefordert werden, muss bereits in der Bekanntmachung benannt werden. Die Anforderungen des Auftraggebers müssen dabei eindeutig und erschöpfend formuliert sein, damit die Bieter anhand des Bekanntmachungstextes unzweideutig erkennen können, welchen Anforderungen die Eignung unterliegt; ein Verweis auf die Vergabeunterlagen genügt nicht.
2. Hat der Auftraggeber nachträglich Mindestanforderungen zur technischen Leistungsfähigkeit gestellt, kann der Ausschluss eines Bieters nicht darauf gestützt werden, er besitze nicht die notwendige technische Eignung.
VolltextVPRRS 2014, 0557
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.07.2014 - 1 VK 30/14
1. Voraussetzung für die (Interims-)Vergabe eines öffentlichen Auftrags im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb aus dringlichen zwingenden Gründen ist, dass (a) die Auftragsvergabe - wie etwa bei Leistungen des ÖPNV oder der Schülerbeförderung - unbedingt erforderlich sein muss, (b) aus zwingenden Gründen die vorgeschriebenen Fristen nicht eingehalten werden können, (c) der Auftraggeber diese Gründe nicht vorhersehen konnte und (d) die Umstände, die die zwingende Dringlichkeit begründen, "auf keinen Fall" dem Verhalten des Auftraggebers zuzuschreiben sind.
2. Im Bereich der Daseinsvorsorge kann Dringlichkeit aus einer besonderen Gefahrensituation heraus für eine gewisse Zeit auch dann gegeben sein, wenn sie im Übrigen auf vom Auftraggeber zu vertretenden Umständen beruht. Der Aspekt der Zurechenbarkeit und Vorhersehbarkeit tritt in diesen Fällen hinter die Notwendigkeit der Kontinuität der Versorgungsleistung zurück.
VolltextVPRRS 2014, 0558
VK Lüneburg, Beschluss vom 17.04.2014 - VgK-09/2014
Ist nach den Bewerbungsbedingungen die Höhe der mittleren Abwassergebühr im Vertragszeitraum aus der Summe der Kosten von Schmutz- und Regenwasser dividiert durch die Abwassermenge zu ermitteln, sind lediglich die gebührenfähigen Kosten einzubeziehen, also gerade nicht der Anteil, der auf die Straßenentwässerung fällt. Jedes andere Verständnis ist fernliegend.
VolltextVPRRS 2014, 0563
VK Hessen, Beschluss vom 24.02.2014 - 69d-VK-05/2014
1. Bei Großveranstaltungen mit erheblicher Breitenwirkung ist im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 115 Abs. 2 Satz 1 GWB dem Interesse der Allgemeinheit an einem sicheren und geordneten Ablauf der Veranstaltung Vorrang gegenüber dem Antragstellerinteresse, auf die Erteilung des Auftrags bis zum Ende des Nachprüfungsverfahrens zuzuwarten, einzuräumen, wenn das Allgemeininteresse durch verzögerte Zuschlagserteilung erheblich beeinträchtigt werden würde. Je größer eine Veranstaltung ist, umso komplexer sind Bedarf und Anforderungen an Sicherheit und Ordnung; dies benötigt nach allgemeiner Lebenserfahrung einen entsprechenden Zeitaufwand bei Planung, Vorbereitung und Organisation im Vorfeld der Veranstaltung.*)
2. Bei der nach § 115 Abs. 2 Satz 3 GWB gebotenen Berücksichtigung der Aussicht des Antragstellers im Vergabeverfahren, den Auftrag zu erhalten, stellen dessen Platzierung und Chance auf Zuschlagserteilung ein wichtiges Indiz dar.*)
3. Die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrags dürfen Gegenstand der Interessenabwägung sein (§ 115 Abs. 2 Satz 4 GWB). Sollten sie berücksichtigt werden, sind sie ein wichtiges Indiz für die Entscheidung über den Antrag gemäß § 115 Abs. 2 Satz 1 GWB.*)
4. Angaben von Wirtschaftsauskunfteien zur Bonität und zum Krediturteil stellen Werturteile dar. Eine von der Wirtschaftsauskunftei angegebene „sehr schwache Bonität“ führt nicht an sich zur Verneinung der Eignung; insbesondere ist aufgrund dieser Einschätzung nicht zwingend zu erwarten, dass der Bewerber die Leistung nicht erfüllen und den Auftrag nicht einwandfrei ausführen wird.*)
VolltextVPRRS 2014, 0561
VK Bund, Beschluss vom 21.10.2014 - VK 2-81/14
1. Es ist grundsätzlich Sache des öffentlichen Auftraggebers, die Kriterien für die Zuschlagsentscheidung zu bestimmen. Danach kann Zuschlagskriterium alleine der Preis oder das wirtschaftlich günstigste Angebot sein. Will der Auftraggeber den Zuschlag auf das wirtschaftlich günstigste Angebot erteilen, hat er in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen mitzuteilen, wie er die Wertungskriterien gewichtet.
2. Es ist dem Auftraggeber verwehrt, Kriterien zu verwenden, die dem Zweck der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots zuwiderlaufen. Die Festlegungen dürfen auch nicht dazu führen, dass Kriterien keine Rolle mehr spielen, die bekannt gegebene Gewichtung faktisch missachtet oder der Grundsatz der Selbstbindung an die Gewichtung missachtet wird.
3. Die Formulierung „Im Verhältnis dazu erhalten die anderen Bieter eine Prozentzahl, die sich entsprechend der prozentualen Abweichung ihres Angebotes von dem des günstigsten Angebotes reduziert.“ lässt keine eindeutige Auslegung zu und ist daher intransparent.
VolltextVPRRS 2014, 0559
VK Nordbayern, Beschluss vom 24.09.2014 - 21.VK-3194-26/14
1. Vom grundsätzlichen Gebot der Produktneutralität darf nur abgewichen werden, wenn dies ausnahmsweise durch die Art der geforderten Leistung gerechtfertigt ist. In solchen Fällen ist eine Beschränkung oder Einengung des Wettbewerbs als Folge des Bestimmungsrechts des öffentlichen Auftraggebers grundsätzlich hinzunehmen. Dieses Bestimmungsrecht des Auftraggebers ist jedoch in einem offenen Vergabeverfahren nicht grenzenlos. Nur solange die Anforderung nicht dazu führt, dass die Ausschreibung faktisch auf ein Produkt zugeschnitten ist und die Anforderung objektiv sach- und auftragsbezogen ist, wird dem Grundsatz der Vergabe im Wettbewerb und der Wahrung der Bietervielfalt hinreichend Rechnung getragen.*)
2. Die europäische Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG (VKR) hat in Art. 23 Abs. 8 die Ausnahme der produktscharfen Spezifikation uneingeschränkt unter die Vorgabe des Zusatzes "oder gleichwertig" gestellt. Die für den nationalen Bereich noch weit gehende Aussage des § 7 Abs. 4 VOL/A, wonach der Zusatz "oder gleichwertiger Art" dann entfallen kann, wenn ein sachlicher Grund die Produktvorgabe rechtfertigt, wird damit für die EU-weite Vergabe nur unter diesem Vorbehalt möglich. Der scheinbare Widerspruch, dass bei einem ausschließlich brauchbaren Produkt der Zusatz "oder gleichwertig" keinen Sinn ergibt, weil ja eben nichts anderes erwünscht ist, löst sich unter der Prämisse des EU-Rechts auf, das offensichtlich davon ausgeht, dass es einem Auftraggeber gar nicht wirklich möglich ist, EU-weit abzuschätzen, welche Möglichkeiten der Markt bietet. Art. 23 Abs. 8 VKR wurde wortgleich in § 8 EG Abs. 7 VOL/A übernommen. Damit ist bei einer EU-weiten Vergabe zwingend eine Produktvorgabe mit dem Zusatz "oder gleichwertig" zu versehen.*)
VolltextVPRRS 2014, 0555
VK Nordbayern, Beschluss vom 24.09.2014 - 21.VK-3194-24/14
1. Vom grundsätzlichen Gebot der Produktneutralität darf nur abgewichen werden, wenn dies ausnahmsweise durch die Art der geforderten Leistung gerechtfertigt ist. In solchen Fällen ist eine Beschränkung oder Einengung des Wettbewerbs als Folge des Bestimmungsrechts des öffentlichen Auftraggebers grundsätzlich hinzunehmen. Dieses Bestimmungsrecht des Auftraggebers ist jedoch nicht grenzenlos. Nur solange die Anforderung nicht dazu führt, dass die Ausschreibung faktisch auf ein Produkt zugeschnitten ist und die Anforderung objektiv sach- und auftragsbezogen ist, wird dem Grundsatz der Vergabe im Wettbewerb und der Wahrung der Bietervielfalt hinreichend Rechnung getragen.*)
2. Die europäische Richtlinie 2004/18/EG (Vergabekoordinierungsrichtlinie) hat in Art. 23 Abs. 8 die Ausnahme der produktscharfen Spezifikation uneingeschränkt unter die Vorgabe des Zusatzes "oder gleichwertig" gestellt. Die für den nationalen Bereich noch weit gehende Aussage des § 7 Abs. 4 VOL/A, wonach der Zusatz "oder gleichwertiger Art" dann entfallen kann, wenn ein sachlicher Grund die Produktvorgabe rechtfertigt, wird damit für die EU-weite Vergabe nur unter diesem Vorbehalt möglich. Der scheinbare Widerspruch, dass bei einem ausschließlich brauchbaren Produkt der Zusatz "oder gleichwertig" keinen Sinn ergibt, weil ja eben nichts anderes erwünscht ist, löst sich unter der Prämisse des EU-Rechts auf, das offensichtlich davon ausgeht, dass es einem Auftraggeber gar nicht wirklich möglich ist, EU-weit abzuschätzen, welche Möglichkeiten der Markt bietet. Art. 23 Abs. 8 VKR wurde wortgleich in § 8 EG Abs. 7 VOL/A übernommen. Damit ist bei einer EU-weiten Vergabe zwingend eine Produktvorgabe mit dem Zusatz "oder gleichwertig" zu versehen.*)
VolltextVPRRS 2014, 0553
OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.04.2014 - 11 Verg 1/14
1. Dem Auftraggeber steht bei der Entscheidung, welche Anforderungen er an die Eignung der Bieter stellen will, und bei der Bewertung der Referenzen ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Er ist aber an die von ihm aufgestellten und bekannt gegebenen Anforderungen gebunden ist und darf hiervon nicht nachträglich zugunsten einzelner Bieter abweichen.
2. Fordert der Auftraggeber zum Nachweis der Eignung der Bieter Referenzen über frühere Aufträge, steht es zwar weitgehend in seinem Ermessen, welche Anforderungen er an die Referenzen stellen will. Fordert er aber ausdrücklich Referenzen über Aufträge "vergleichbarer Art und Größe", darf er nur solche Referenzen berücksichtigen, die vergleichbare Leistungen nachweisen.
3. Bei dem Begriff "vergleichbare Leistung" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der anhand des Wortlauts der Vergabeunterlagen und von Sinn und Zweck der geforderten Angaben ist. Dabei bedeutet die Formulierung "vergleichbar" nicht "gleich" oder gar "identisch", sondern, dass die Leistungen im technischen oder organisatorischen Bereich einen gleich hohen oder höheren Schwierigkeitsgrad hatten.
4. Erschließt sich der vermeintliche Vergaberechtsverstoß nicht unmittelbar aus der Vorabinformation, sondern muss aus dem Inhalt der Vorabinformation unter Verwendung mutmaßlich bereits vorhandener Kenntnisse über den Konkurrenten, der den Zuschlag erhalten soll, der Rückschluss auf eine vermeintlich vergaberechtswidrige Eignungsprüfung gezogen werden, ist dem Bieter eine mittlere Rügefrist von zwei bis vier Tagen zuzugestehen.
VolltextVPRRS 2014, 0551
VK Sachsen, Beschluss vom 27.06.2014 - 1/SVK/020-13
1. Ein Feststellungsinteresse kann dann gegeben sein, wenn die Feststellung einer Rechtsverletzung der Vorbereitung eines Schadensersatzprozesses dienen soll. Ein Feststellungsinteresse ist aber nur dann anzuerkennen, wenn ein entsprechender Prozess mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist und nicht offenbar aussichtslos erscheint.*)
2. Wird bei der Vergabe von Rettungsdienstleistungen in den Vergabeunterlagen Bezug auf die einschlägigen Bereichs- und Maßnahmenpläne genommen, so müssen diese den Bietern auch übermittelt werden.*)
3. Will der Auftraggeber im Rahmen der Eignungsprüfung von den Bietern vorgelegte Konzepte berücksichtigen, so muss er den Bietern zumindest die daran gestellten Mindestanforderungen mitteilen.*)
VolltextVPRRS 2014, 0549
OLG Naumburg, Beschluss vom 22.09.2014 - 2 Verg 2/13
1. Ein öffentlicher Auftraggeber ist auch nach dem Abschluss seiner Eignungsprüfung (hier: durch Bekanntgabe des Ergebnisses des Teilnahmewettbewerbs) berechtigt und verpflichtet, neue tatsächliche Umstände, von denen er vor der Zuschlagserteilung Kenntnis erlangt und die - bezogen auf den zu vergebenden Auftrag - geeignet sind, nunmehr Zweifel an der Eignung eines ausgewählten Bewerbers zu begründen, zu berücksichtigen und erneut in die Eignungsprüfung einzutreten (entgegen OLG Hamm, Urteil vom 12.09.2012 - 12 U 50/12, IBRRS 2012, 3790).*)
2. Zweifel an der Zuverlässigkeit eines Bewerbers oder Bieters im Hinblick auf die Verletzung vertraglicher Verpflichtungen in früheren Vertragsverhältnissen können nicht nur dann berücksichtigt werden, wenn sie als "schwere Verfehlung" zu charakterisieren sind.*)
3. Zum Erklärungswert einer Verpflichtungserklärung eines Nachunternehmers.*)
VolltextVPRRS 2014, 0546
VK Münster, Beschluss vom 05.08.2014 - VK 10/14
1. Eine Vergabestelle kann eine öffentliche Ausschreibung aufgrund von sachlichen Gründen jederzeit aufheben, da kein Kontrahierungszwang besteht*)
2. Zu einer Fortführung eines Vergabeverfahrens kann eine Vergabestelle nur "verpflichtet" werden, wenn eine Scheinaufhebung vorliegt.*)
3. In einem Nachprüfungsverfahren werden grundsätzlich nur Verstöße gegen Vergabebestimmungen geprüft. Außerhalb des Vergaberechts liegende Rechtsnormen werden inzident überprüft, wenn sich daraus Rechtsfragen ergeben, die zwingend zu klären sind, um eine vergaberechtliche Entscheidung in einem Nachprüfungsverfahren treffen zu können.*)
VolltextVPRRS 2014, 0548
VK Nordbayern, Beschluss vom 10.07.2014 - 21.VK-3194-16/14
1. Gemäß § 19 EG Abs. 6 Satz 2 VOL/A darf auf Angebote, deren Preise in offenbarem Missverhältnis zur Leistung stehen, ein Zuschlag nicht erteilt werden. Dies ist dann der Fall, wenn der Auftragnehmer bei einem Unterkostenangebot Gefahr liefe, in wirtschaftliche Schwierigkeiten zu geraten und der Auftrag nicht oder nicht ordnungsgemäß, insbesondere nicht mängelfrei, zu Ende geführt wird. Hinsichtlich der Gefahr einer nicht vertragsgerechten Leistung hat die VSt eine Prognoseentscheidung zu treffen, die von der Kammer nur beschränkt überprüfbar ist.*)
2. Die Frage der preislichen Angemessenheit hat sich grundsätzlich auf die Gesamtauftragssumme zu beziehen. Nur wenn sich ergibt, dass der Wert der Leistung zum Gesamtbetrag der Gegenleistung in einem beachtlichen Missverhältnis steht, kann von einer Unangemessenheit des Preises gesprochen werden. Als Aufgreifschwelle ist ein Preisabstand ab 10 % bzw. 20 % des bestplatzierten Angebots zum nächstgünstigsten Angebot relevant. Auch die Kostenschätzung des Auftraggebers ist heranzuziehen.*)
3. Der Auftraggeber darf die Ausschlussentscheidung nur aufgrund feststehender Tatsachengrundlagen treffen. Den Nachteil der Nichterweislichkeit eines ungewöhnlichen Angebots oder eines Missverhältnisses zwischen Preis und Leistung hat im Nachprüfungsverfahren der Auftraggeber zu tragen. Der Ausschluss von Angeboten allein aufgrund von Vermutungen, Wahrscheinlichkeiten oder Empfehlungen ist nicht zulässig.*)
VolltextVPRRS 2014, 0544
VK Südbayern, Beschluss vom 11.09.2014 - Z3-3-3194-1-34-07/14
1. Die Präqualifikation eines Bieters ist sowohl bei der formalen als auch bei der materiellen Eignungsprüfung zu berücksichtigen. Aspekte, die gegen die Eignung sprechen, sind der positiven Eignungsaussage durch die Präqualifikation wertend gegenüberzustellen.*)
2. Eine Vergabestelle, die selbst keine eigenen Erfahrungen mit dem betreffenden Bieter hat, kann grundsätzlich gesicherte Erfahrungen der von ihr beauftragten Büros - wie Architekt und Projektsteuerer - heranziehen, ohne dass es dazu eines gesonderten Hinweises in der Bekanntmachung bedarf.*)
3. Ansonsten darf die materielle Prüfung der Zuverlässigkeit nicht zu einer nachträglichen Verschärfung der bekannt gemachten Eignungsanforderungen führen.*)
4. Die Vergabestelle darf die Erfahrungen der von ihr beauftragten Büros nicht ungeprüft zur Begründung der Unzuverlässigkeit eines Bieters heranziehen. Sie muss zumindest prüfen, ob ein Büro ein Eigeninteresse hat, einen bestimmten Bieter als unzuverlässig erscheinen zu lassen.*)
5. Vor einem Ausschluss wegen mangelnder Zuverlässigkeit aufgrund der Erfahrungen der von der Vergabestelle beauftragten Büros ist dem Bieter Gelegenheit zu geben, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Dazu ist im Regelfall eine Anhörung des Bieters erforderlich.*)
6. Die Prognoseentscheidung bezüglich der Zuverlässigkeit muss jedenfalls anhand einer ausreichend ermittelten und bewerteten Tatsachengrundlage erfolgen.*)
VolltextVPRRS 2014, 0532
VK Bund, Beschluss vom 11.08.2014 - VK 1-54/14
Die Änderung des Beschaffungsbedarfs durch den Auftraggeber ist ein hinreichender sachlicher Grund, das Vergabeverfahren aufzuheben.
VolltextVPRRS 2014, 0535
VK Lüneburg, Beschluss vom 18.09.2014 - VgK-30/2014
1. Eine freihändige Vergabe zulässig, wenn die Leistung aufgrund von Umständen, die der Auftraggeber nicht voraussehen konnte, besonders dringlich ist und die Gründe für die besondere Dringlichkeit nicht dem Verhalten des Auftraggebers zuzuschreiben sind.
2. Die freihändige Vergabe ermöglicht die weitestgehende Reduktion der Förmlichkeit des Verfahrens. Die Anforderungen an die Dringlichkeit sind dementsprechend am höchsten.
3. Die Feststellung der besonderen Dringlichkeit erfordert eine Abwägung im Einzelfall. In die Abwägung einzustellen sind die grundsätzliche Pflicht des Auftraggebers zur Durchführung eines wettbewerblichen und transparenten Vergabeverfahrens und die durch das Ereignis bedrohten Rechtsgüter.
4. Die Anforderungen an die besondere Dringlichkeit sind im Wesentlichen dieselben, wie jene, die an die „zwingende“ Dringlichkeit oberhalb der Schwellenwerte gestellt werden. Die besondere Dringlichkeit muss objektiv nachweisbar vorliegen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn bedeutende Rechtsgüter, wie etwa Leib und Leben und hohe Vermögenswerte, unmittelbar gefährdet sind.
VolltextVPRRS 2014, 0704
VK Berlin, Beschluss vom 26.08.2014 - VK B 1-10/14
1. Die Vergabe öffentlicher Aufträge erfolgt im Wege transparenter Vergabeverfahren. Dies beinhaltet auch, dass interessierte Unternehmen aus den Vergabeunterlagen ausreichend Kenntnis von den Bedingungen der nachgefragten Leistungen erhalten.
2. Eine vom Auftraggeber vorgegebene Eigenerklärung verstößt gegen das Transparenzgebot, wenn aus der Eigenerklärung nicht deutlich wird, dass die von dem Bieter gemachten Angaben zur Anwendung eines Tarifvertrags vom Auftraggeber der Eignungsprüfung dahingehend zugrunde gelegt werden würden, dass die Angabe des aus Sicht des Auftraggebers „falschen“ oder keines Tarifvertrags zu einer negativen Prognoseentscheidung führen würde.
VolltextVPRRS 2014, 0536
OLG München, Beschluss vom 25.09.2014 - Verg 10/14
Es ist unstatthaft, im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit des Angebotspreises auf die Einzelposten abzustellen.
VolltextVPRRS 2014, 0538
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18.10.2013 - 1 VK LSA 06/13
1. Eine Aufhebung nach § 20 EG VOL/A 2009 kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn Gründe vorliegen, die vom Auftraggeber nicht zu vertreten sind und ihm vorher auch nicht hätten bekannt sein konnten.
2. Auch wenn die Beschaffungsabsicht nur teilweise wegfällt, kann ein Vergabeverfahren aufgehoben werden.
3. Die Ankündigung eines möglichen Verstoßes gegen Vergaberecht ist nicht mit Rechtsverstoß selbst vergleichbar. Rügeverpflichtung besteht nicht vor Berufung auf den Vergabevorbehalt.
VolltextVPRRS 2014, 0527
OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.04.2014 - 2 Kart 2/13
1. Bei der Vergabe von energiewirtschaftsrechtlichen Wegenutzungsrechten muss das Auswahlverfahren so gestaltet werden, dass die am Netzbetrieb interessierten Unternehmen erkennen können, worauf es der Gemeinde bei der Auswahlentscheidung ankommt.
2. Das im Zusammenhang mit Auswahl- und Vergabeentscheidungen bestehende Diskriminierungsverbot schließt eine Verpflichtung zur Transparenz ein. Aus dem Transparenzgebot folgt als allgemeiner Grundsatz diskriminierungsfreier Auswahlverfahren die Pflicht zur Offenlegung der Entscheidungskriterien der Gemeinde. Diese müssen ebenso wie ihre Gewichtung Wettbewerbsteilnehmern rechtzeitig vor Angebotsabgabe mitgeteilt werden.
3. Das Diskriminierungsverbot schließt das allgemeine Gebot ein, eine Auswahlentscheidung allein nach sachlichen Kriterien zu treffen.
VolltextVPRRS 2014, 0533
VK Bund, Beschluss vom 16.06.2014 - VK 1-38/14
1. Die Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien bzw. die Berücksichtigung eines "Mehr an Eignung" im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsbewertung ist grundsätzlich unzulässig.
2. Die Abgrenzung, ob einzelne Wertungskriterien Eignungs- oder Zuschlagskriterien darstellen, richtet sich danach, ob diese schwerpunktmäßig ("im Wesentlichen") mit der Beurteilung der fachlichen Eignung der Bieter für die Ausführung des betreffenden Auftrags (dann bieterbezogenes Eignungskriterium) oder mit der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots (dann auftragsbezogenes Zuschlagskriterium) zusammenhängen. Als Zuschlagskriterien dürfen nur Kriterien zur Anwendung kommen, die mit dem Gegenstand des Auftrags zusammenhängen, das heißt die sich auf eine Leistung beziehen, die den Gegenstand des Auftrags bildet.
3. Hat lediglich ein Mitglied einer Bietergemeinschaft gegenüber dem Auftraggeber Verstöße gegen das Vergaberecht bemängelt, ist die Bietergemeinschaft mit ihrem Vorbringen nicht präkludiert, wenn sich die weiteren Bietergemeinschaftsmitglieder der Erklärung nicht entgegen setzen, sondern durch die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens (auch) in ihrem Namen nach außen hin zu verstehen geben, dass sie die Rechtsfolgen des Rügeschreibens für und gegen sich wirken lassen wollen.
VolltextVPRRS 2014, 0523
VK Lüneburg, Beschluss vom 13.08.2014 - VgK-29/2014
1. Aus einer langen Frist zur Abgabe des Teilnahmeantrags folgt nicht auch automatisch eine verkürzte Frist zur Abgabe des Angebots. Vielmehr beträgt die Angebotsabgabefrist mindestens 40 weitere Tage gerechnet vom Tage der Absendung der Aufforderung zur Angebotsabgabe an. Diese Frist kann der Auftraggeber in Fällen besonderer Dringlichkeit durch eine gesondert zu begründende Entscheidung verkürzen.
2. Bei der Angebotsabgabefrist gemäß § 12 EG Abs. 5 Satz 2 VOL/A handelt es sich um eine bieterschützende Vorschrift. Die Fristenregelung soll sicherstellen, dass alle Bieter ein ordnungsgemäßes Angebot erstellen können. Eine Verkürzung nahezu auf das Minimum kann dazu führen, dass einem geeigneten Bewerber die Teilnahme in sachlich nicht gerechtfertigter Weise erschwert.
3. Ein sich jedes Jahr nach gleichem Muster wiederholender Vorgang ist kein unvorhersehbares Ereignis. Das gilt auch dann, wenn dieser Vorgang zu Änderungen im Leistungsbedarf führt.
4. Bis zur Anpassung der Rügefrist im Rahmen der Reform des GWB zur Umsetzung der neuen EU-Vergaberichtlinien ist eine Rüge, die innerhalb einer Frist von 10 bzw. 15 Kalendertage ab Erkennbarkeit des Vergaberechtsverstoßes erhoben wurde, noch als unverzüglich anzusehen.
VolltextVPRRS 2014, 0522
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.08.2014 - 1 VK 33/14
1. Hat der Auftraggeber den Eindruck, dass ein Preis ungewöhnlich niedrig ist, verlangt er vom Bieter Aufklärung (VOL/A 2009 § 19 EG Abs. 6 Satz 1).
2. Ein Anlass für das Aufklärungsverlangen besteht dann, wenn zwischen dem Angebotspreis und dem nächsthöheren Gebot ein Abstand von 10% bis 20% vorliegt.
3. Besteht kein Anlass für das Aufklärungsverlangen, ist dieses unberechtigt und verletzt den Bieter in seinen Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB.
4. § 19 EG Abs. 6 Satz 2 VOL/A 2009 dient in erster Linie dem Schutz des Auftraggebers. Soweit er sich auf diesen beruft, trägt der Auftraggeber den Nachteil der Nichterweislichkeit eines ungewöhnlich niedrigen Angebots.
VolltextVPRRS 2014, 0531
VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 22.06.2010 - 1 VK 5/10
(Ohne amtlichen Leitsatz)
VolltextVPRRS 2014, 0528
OLG Celle, Beschluss vom 24.09.2014 - 13 Verg 9/14
1. Die Angabe der Vergabestelle als Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren und im Verfahren der sofortigen Beschwerde ist regelmäßig dahingehend auszulegen, dass Antragsgegner die hinter der Vergabestelle stehende juristische Person ist, für die die Vergabestelle gehandelt hat.*)
2. Zur Wahl eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb.*)
3. Dass ein dringender Grund für die Wahl eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb fehlt, ist nicht deshalb i.S.d. § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 3 GWB erkennbar, weil die Dringlichkeit nicht näher begründet ist.*)
4. Einer Bieterin droht aufgrund der fehlerhaften Wahl des Verhandlungsverfahrens ein Schaden i.S.d. § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB unabhängig davon, ob ihr bisher abgegebenes Angebot zuschlagsfähig war und ob der Auftraggeber tatsächlich Verhandlungen mit anderen Bietern geführt hat.*)
VolltextVPRRS 2014, 0521
VK Sachsen, Beschluss vom 08.07.2014 - 1/SVK/020-14
1. Gemäß § 19 EG Abs. 3 lit d) VOL/A müssen solche Angebote von der Wertung ausgeschlossen werden, die Änderungen oder Ergänzungen an den Vertragsunterlagen enthalten. Der aus diesen Änderungen folgende Ausschluss ist zwingend, dem Auftraggeber steht keinerlei Ermessenspielraum zu.*)
2. Die Pflicht der Beteiligten zur Verfahrensförderung und die Verpflichtung der Nachprüfungsinstanzen, den relevanten Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, stehen in einer Wechselwirkung. Kommt ein Verfahrensbeteiligter seiner Förderungspflicht nicht nach, reduziert sich zu seinen Lasten die Aufklärungspflicht der Kontrollinstanzen. Müssten, um auf ein erstmaliges Vorbringen in der mündlichen Verhandlung angemessen reagieren zu können, weitere Bieter zum Vergabenachprüfungsverfahren zusätzlich beigeladen und ihnen rechtliches Gehör gewährt werden, würde dies zu einer erheblichen Verfahrensverzögerung führen, weshalb ein solcher Vortrag als verspätet anzusehen und zurückzuweisen ist.*)
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