Vergabepraxis & -recht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
4933 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2022
VPRRS 2022, 0171VK Südbayern, Beschluss vom 30.05.2022 - 3194.Z3-3_01-21-61
1. Ein öffentlicher Auftraggeber ist nicht verpflichtet im Vergabeverfahren zu überprüfen, ob die Bieter ihre mit dem Angebot verbindlich eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen auch einhalten werden; vielmehr darf er sich grundsätzlich auch ohne Überprüfung auf die Leistungsversprechen der Bieter verlassen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.01.2020 - Verg 20/19, VPRRS 2020, 0082).*)
2. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn der Antragsgegner den Auftragsgegenstand in den Vergabeunterlagen in weiten Teilen funktional über zu lösende Aufgaben beschrieben hat.*)
3. Hat sich ein Bieter allerdings auf eine Ausführungsvariante festgelegt und bringt ein Mitbewerber gegen diese Art der Ausführung konkrete, substantiierte und auf den Einzelfall bezogene Einwände vor, die das Leistungsversprechen dieses Bieters als zweifelhaft erscheinen lassen, muss der öffentliche Auftraggeber bereit und in der Lage sein, das Leistungsversprechen des Bieters effektiv zu verifizieren.*)
4. Der öffentliche Auftraggeber ist in der Wahl seiner Überprüfungsmittel grundsätzlich frei und nicht auf eine bestimmte Methode oder bestimmte Mittel der fachlichen Prüfung festgelegt. Das vom Auftraggeber gewählte Mittel zur Überprüfung muss jedoch geeignet und die Mittelauswahl frei von sachwidrigen Erwägungen getroffen worden sein (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.01.2020 - Verg 20/19, VPRRS 2020, 0082).*)
VolltextVPRRS 2022, 0156
KG, Beschluss vom 10.05.2022 - Verg 1/22
1. Auch im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb muss ein Mindestmaß an Wettbewerb gewährleistet sein und es müssen zumindest drei Angebote eingeholt werden.
2. Der öffentliche Auftraggeber kann Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb vergeben, wenn äußerst dringliche, zwingende Gründe im Zusammenhang mit Ereignissen, die der betreffende öffentliche Auftraggeber nicht voraussehen konnte, es nicht zulassen, die Mindestfristen einzuhalten, die für das offene und das nichtoffene Verfahren sowie für das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb vorgeschrieben sind.
3. Die Umstände zur Begründung der äußersten Dringlichkeit dürfen nicht dem öffentlichen Auftraggeber zuzurechnen sein. Das ist anzunehmen, wenn die Verzögerungen voraussehbar waren.
VolltextVPRRS 2022, 0146
KG, Beschluss vom 10.05.2022 - Verg 2/22
1. Maßgeblich für die Eignungsprüfung nach § 57 Abs. 1 VgV sind alleine die in der Auftragsbekanntmachung festgelegten Eignungskriterien und die dort für ihren Beleg geforderten Nachweise (§ 122 Abs. 4 Satz 2 GWB, § 48 Abs. 1 VgV). Gefordert werden kann danach nur, was sich der Ausschreibung nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (§§ 133, 157 BGB) nach dem Empfängerhorizont der angesprochenen Unternehmen entnehmen lässt.*)
2. Die vergaberechtswidrige Erteilung eines Interimsauftrag über Leistungen, die Gegenstand eines Vergabeverfahrens sind, zu dem ein Vergabenachprüfungsverfahren anhängig ist, stellt einen Verstoß gegen das Zuschlagsverbot aus § 169 Abs. 1 GWB dar und kann in dem laufenden Nachprüfungsverfahren gerügt werden. Erledigt sich das Vergabeverfahren, das Gegenstand dieses Nachprüfungsverfahrens war, ist die Verletzung des Zuschlagsverbotes durch die vergaberechtswidrige Interimsvergabe auf Antrag eines Beteiligten nach Maßgabe der § 168 Abs. 2 Satz 2, § 178 Satz 3 GWB festzustellen.*)
VolltextVPRRS 2022, 0141
VK Bund, Beschluss vom 19.01.2022 - VK 1-138/21
1. Grundsätzlich entspricht es der normalen Rollen- und Risikoverteilung im Wettbewerb, wenn sich ein Vorauftragnehmer an der Ausschreibung eines Folgeauftrags beteiligt.
2. Wettbewerbsvorsprünge eines Bieters, der sich aufgrund der Ausführung eines Vorauftrags bereits auf die Besonderheiten des Auftraggebers eingestellt hat, bedürfen anders als die Mitwirkung eines sog. Projektanten an der Vorbereitung des Vergabeverfahrens keines Ausgleichs durch den Auftraggeber.
VolltextVPRRS 2022, 0131
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.06.2021 - 1 VK 14/21
1. Lässt sich die Identität des Bieters bei einem elektronischen Angebot eindeutig feststellen, darf es nicht deshalb ausgeschlossen werden, weil es über ein fremdes Benutzerkonto hochgeladen wurde.
2. Von einer Vergabeplattform aufgestellte Nutzungsbedingungen, die die Nutzung eines fremden Accounts verbieten, sind keine Formvorgaben der Vergabestelle.
VolltextVPRRS 2022, 0130
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 31.05.2021 - 1 VK 11/21
1. Ausnahmsweise können öffentliche Aufträge zur Ausübung zentraler Beschaffungstätigkeiten an eine zentrale Beschaffungsstelle vergeben werden, ohne ein Vergabeverfahren durchzuführen.
2. Eine zentrale Beschaffungsstelle ist ein öffentlicher Auftraggeber, der für andere öffentliche Auftraggeber dauerhaft Liefer- und Dienstleistungen beschafft, öffentliche Aufträge vergibt oder Rahmenvereinbarungen abschließt (zentrale Beschaffungstätigkeit)
3. Ein Unternehmen, dass satzungsgemäß Einkaufsdienstleistungen für Universitätskliniken, Krankenhäuser und andere Einrichtungen im Gesundheitswesen unter Wettbewerbsbedingungen erbringt, ohne über eine marktbezogene Sonderstellung zu verfügen, handelt gewerblich und ist kein öffentlicher Auftraggeber.
VolltextVPRRS 2022, 0128
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.03.2021 - 1 VK 1/21
1. Ein öffentlicher Auftraggeber verfügt bei der Angebotswertung über einen Beurteilungsspielraum, da diese anhand der von ihm festgelegten und damit für ihn bindenden Zuschlagskriterien eine Gesamtschau zahlreicher Einzelumstände beinhaltet.
2. Die Bewertungsentscheidung eines öffentlichen Auftraggebers ist auch in Relation zu den übrigen Angeboten, insbesondere demjenigen des Zuschlagsprätendenten, daraufhin zu überprüfen, ob die jeweiligen Noten im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben wurden.
3. Es steht einer transparenten und wettbewerbskonformen Auftragsvergabe regelmäßig nicht entgegen, wenn der öffentliche Auftraggeber für die Erfüllung qualitativer Wertungskriterien Noten mit zugeordneten Punktwerten vergibt, ohne dass die Vergabeunterlagen weitere konkretisierende Angaben dazu enthalten, wovon die jeweils zu erreichende Punktzahl konkret abhängen soll.
VolltextVPRRS 2022, 0126
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.04.2021 - 1 VK 10/21
1. Angebote von Unternehmen, die nicht die geforderten oder nachgeforderten Unterlagen enthalten, sind von der Wertung auszuschließen.
2. Leistungsbezogene Unterlagen, die die Wirtschaftlichkeitsbewertung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien betreffen, können nicht nachgefordert werden.
3. Das Recht auf Akteneinsicht ist durch den Verfahrensgegenstand des Nachprüfungsverfahrens beschränkt. Den entscheidungsrelevanten Sachverhalt bestimmt der Antragsteller durch die "Themen", die er in seiner Antragsschrift benennt.
4. Ist Verfahrensgegenstand der Ausschluss des Angebots des Antragstellers wegen der Nichtvorlage einer Eigenerklärung, bedarf es zur Durchsetzung seiner Rechte im Nachprüfungsverfahren keiner Akteneinsicht.
VolltextVPRRS 2022, 0122
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10.08.2021 - 15 Verg 10/21
1. Wettbewerbe sind keine Vergabeverfahren, sondern Auslobungsverfahren, die dem Auftraggeber aufgrund vergleichender Beurteilung durch ein Preisgericht mit oder ohne Verteilung von Preisen zu einem Plan oder einer Planung verhelfen sollen.
2. Allerdings unterliegen nicht nur Beschaffungsmaßnahmen eines förmlichen Vergabeverfahrens der Nachprüfung, sondern jedes materielle Beschaffungsverfahren des öffentlichen Auftraggebers.
3. Ist in einem Realisierungswettbewerb der Planungswettbewerb dem Verhandlungsverfahren vorgelagert, kann daher bereits im Rahmen des Planungswettbewerbs eine Nachprüfung erfolgen.
VolltextVPRRS 2022, 0116
OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.04.2022 - 11 Verg 11/21
Auch Unterkriterien und ihre Gewichtung sind aus Transparenzgründen bekanntzugeben. Eine Veröffentlichung der Bewertungsmethode ist dagegen, soforn die vom EuGH (Urteil vom 14.07.2016 - Rs. C-6/15 - Dimarso, VPRRS 2016, 0281) aufgezeigten Grenzen eingehalten werden, unabhängig vom Vorliegen einer funktionalen Ausschreibung nicht erforderlich.*)
VolltextVPRRS 2022, 0091
VK Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2021 - VK 11/21
1. Dienstleistungskonzessionen sind entgeltliche Verträge, mit denen Konzessionsgeber ein Unternehmen mit der Erbringung von Dienstleistungen betrauen und bei denen die Gegenleistung entweder allein in dem Recht zur Verwertung der Dienstleistungen oder in diesem Recht zuzüglich einer Zahlung besteht.
2. Eine Dienstleistungskonzession ist im Wesentlichen dadurch gekennzeichnet, dass die Gegenleistung des Auftraggebers nicht in Form der Zahlung einer Vergütung erfolgt, sondern in der Verleihung des Rechts, die zu erbringende Dienstleistung entgeltlich zu verwerten, wobei das Risiko hierfür beim Auftragnehmer liegt.
3. Wenn die Zahlung von Dritten erbracht wird, folgt daraus, dass der Dienstleistungserbringer das Betriebsrisiko der fraglichen Dienstleistung übernimmt.
VolltextVPRRS 2022, 0103
VK Lüneburg, Beschluss vom 22.02.2022 - VgK-3/2022
1. Die Bewertung des öffentlichen Auftraggebers erfolgt auf der Grundlage, ob und inwieweit das Angebot die vorgegebenen Zuschlagskriterien erfüllt.
2. Die Zuschlagskriterien müssen so festgelegt und bestimmt sein, dass die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleistet wird, der Zuschlag nicht willkürlich erteilt werden kann und eine wirksame Überprüfung möglich ist, ob und inwieweit die Angebote die Zuschlagskriterien erfüllen.
3. Dem öffentlichen Auftraggeber steht bei der Bewertung grundsätzlich ein weiter Beurteilungsspielraum zu, der nur eingeschränkt überprüfbar ist.
4. Eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums ist regelmäßig (nur) anzunehmen, wenn das vorgegebene Vergabeverfahren nicht eingehalten worden ist, nicht von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen wird oder sachwidrige Erwägungen einbezogen werden, oder wenn der im Rahmen der Beurteilungsermächtigung einzuhaltende Beurteilungsmaßstab nicht zutreffend angewendet wird oder das Ermessen auf null reduziert war und der Auftraggeber dies verkannt hat.
5. Ein Geschäftsgeheimnis ist eine Information, die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist und die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist und bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht.
6. Zwar sind Angebotsteile oder Teile der Dokumentation, die Rückschlüsse auf Angebotsinhalte zulassen, nicht per se von der Akteneinsicht ausgenommen. Die Vergabekammer darf jedoch nicht ohne Anhörung der Betroffenen über eine Akteneinsicht entscheiden, weil sie nicht anstelle eines Bieters über den Umfang seiner Geschäftsgeheimnisse entscheiden kann.
VolltextVPRRS 2022, 0081
VK Westfalen, Beschluss vom 21.10.2021 - VK 2-41/21
1. Öffentliche Auftraggeber, die Aufträge nicht im Rahmen ihrer Sektorentätigkeit vergeben, sind dem allgemeinen Vergaberecht unterworfen, selbst wenn sie auch oder vornehmlich eine Sektorentätigkeit ausüben. Eine "Infizierung" aller Tätigkeitsfelder der betreffenden Einheit durch die Sektorentätigkeit findet nicht statt (vgl. EuGH, Urteil vom 10.04.2008 Rs. C-393/06, IBRRS 2008, 1138 = VPRRS 2008, 0102).*)
2. Maßgeblich ist insoweit, ob eine Beschaffung einer in § 102 GWB aufgeführten Tätigkeit im engeren Sinne der Sektorentätigkeit dient (vgl. EuGH, Urteil vom 16.06.2006 - Rs. C-462/03). Es genügt nicht, dass die Dienstleistungen einen positiven Beitrag zu den Tätigkeiten des Auftraggebers leisten und dessen Rentabilität erhöhen (vgl. EuGH, Urteil vom 28.10.2020 - Rs. C-521/18, IBRRS 2020, 3214 = VPRRS 2020, 0322).*)
3. Vor dem Hintergrund größtmöglichem Wettbewerbs muss zudem die "Janusköpfigkeit" der §§ 100 ff. GWB Berücksichtigung finden. Während die Sektoreneigenschaft einen grundsätzlich vom Vergaberecht befreiten privaten Akteur verpflichtet, eine Ausschreibung unter Berücksichtigung vergaberechtlicher Vorgaben durchzuführen, gewährt die Einordnung einer Tätigkeit als Sektorentätigkeit der öffentlichen Hand erhebliche vergaberechtliche Erleichterungen.*)
4. So soll der private Akteur, der aufgrund seiner Sektorentätigkeit in einem äußerst eng umgrenzten Feld tätig ist, in seiner daraus resultierende Auswahl- und Durchsetzungsmacht bei Vertragsschlüssen mit Dritten "eingehegt" werden. Andererseits soll die öffentliche Hand nur ausnahmsweise die Privilegierung einer "Sektorenvergabe" genießen dürfen.*)
5. Die Festlegung von CPV-Codes im Rahmen einer Ausschreibung durch den Auftraggeber dürfte nicht dazu führen, dass der Vergaberechtsweg verkürzt oder gar aufgehoben wird. Die maßgeblichen CPV-Codes mögen zwar einen Anhaltspunkt bieten, ob besondere vergaberechtlich privilegierte Leistungen Gegenstand einer Ausschreibung sind. Ein Automatismus zur Privilegierung besteht hierdurch freilich nicht. Denn ob es sich um soziale oder andere besondere Dienstleistungen handelt, ist immer auch eine Frage, inwieweit sie aufgrund ihrer Natur nach lediglich eine begrenzte grenzüberschreitende Dimension haben und in einem besonderen Kontext erbracht werden, der sich aufgrund unterschiedlicher kultureller Traditionen in den einzelnen Mitgliedstaaten stark unterschiedlich darstellt.*)
6. Grundsätzlich ist bei langfristigen Bedarfen - insbesondere bei wiederkehrenden Leistungen - eine erhebliche Beschränkung der Vertragslaufzeit unzulässig. Denn hierin wird regelmäßig ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 VgV gesehen, der eine Unterteilung einer Auftragsvergabe in der Absicht, die Bestimmungen des Vergaberechts zu umgehen, sanktioniert. Freilich gibt es Ausnahmekonstellationen, in denen auch kurze Vertragslaufzeiten zulässig sind.*)
7. Jedoch mag ein ungewisser Umstand grundsätzlich nicht dazu führen, dass aufgrund von Unwägbarkeiten kurze Vertragslaufzeiten mit der Konsequenz geschlossen werden, dass die maßgeblichen Aufträge dem Vergaberecht entzogen werden.*)
VolltextVPRRS 2022, 0078
VK Westfalen, Beschluss vom 13.08.2021 - VK 3-26/21
1. Sofern für einzelne Leistungsbestandteile ein eigener funktionierender Markt existiert und die Leistungserbringung nicht aus einer Hand erfolgen muss, erfolgt die Beschaffung losweise.*)
2. Die Beantwortung der Frage, ob technische oder wirtschaftliche Gründe es im Sinne des Gesetzes "erfordern", von einer Losbildung abzusehen, setzt eine Bewertung voraus. Dabei steht dem Auftraggeber wegen der dabei anzustellenden prognostischen Überlegungen eine Einschätzungsprärogative zu.*)
3. Die Frage, ob gemäß § 97 Abs. 4 GWB Fachlose zu bilden sind, ist für jede in Betracht kommende Leistung getrennt zu beantworten. Das bedeutet zum einen, dass die "wirtschaftlichen oder technischen Gründe", die die Norm verlangt, sich auf die jeweilige Leistung beziehen müssen, die für eine getrennte Losvergabe in Betracht kommt. Globale, also das gesamte Vorhaben betreffende Überlegungen können nur dann berücksichtigt werden, wenn sie auch und gerade die jeweilige Leistung erfassen. Andererseits ist damit auch klar, dass die Entscheidung über die Bildung eines Fachloses für eine bestimmte Leistung keine Aussage darüber trifft, ob auch für andere Leistungen Fachlose zu bilden sind, oder ob der "Rest" des geplanten Projekts einheitlich vergeben werden kann.*)
4. Gründe, die im Verantwortungsbereich des Auftraggebers liegen, können grundsätzlich keine Gesamtvergabe rechtfertigen. Die Sicherstellung ausreichender Personalkapazitäten liegt im Verantwortungsbereich des Antragsgegners. Steigende Personalkosten auf Grund von notwendigen Neueinstellungen können daher grundsätzlich keine Gesamtlosvergabe begründen.*)
5. Das Vergaberecht sieht grundsätzlich keine "Flucht ins vergabefreie Privatrecht" vor, indem viele Leistungen "gesamt" an einen Auftragnehmer vergeben werden, damit dieser dann, ohne dem Vergaberecht unterworfen zu sein, die einzelnen Leistungsbestandteile an Nachunternehmer vergibt.*)
VolltextVPRRS 2022, 0070
OLG Frankfurt, Beschluss vom 17.02.2022 - 11 Verg 8/21
1. Die Ausschreibung eines Rahmenvertrags, durch den sich ein privater Dienstleister gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber verpflichtet, eine Vermittlungszentrale für hoheitlich veranlasste Abschleppdienstleistungen zu betreiben, verstößt gegen § 97 Abs. 1 GWB, wenn der private Dienstleister ein Vermittlungsregister für Abschleppunternehmen führen soll und wenn er insoweit Auswahlentscheidungen treffen muss (und darf), die ausschließlich dem öffentlichen Auftraggeber obliegen. Dies gilt auch dann, wenn die Vermittlungszentrale bei der Beauftragung der registrierten Abschleppunternehmen strikt nach einem von vorneherein festgelegten Reihum-Verfahren vorgehen muss.*)
2. Wenn der Ausschreibung ein fehlerhaftes Verständnis von der Zulässigkeit der Delegation von Vergabeentscheidungen zu Grunde liegt und deshalb bei Fortbestand der Beschaffungsabsicht eine Neuorientierung der Aufgabenstellung der Vermittlungszentrale notwendig wird, dann ist die Aufhebung des Vergabeverfahrens durch die Vergabekammer nicht zu beanstanden.*)
VolltextVPRRS 2022, 0060
VK Bund, Beschluss vom 03.02.2022 - VK 2-2/22
Geht aus den Ausschreibungsunterlagen hervor, dass der Auftraggeber vorrangig Logistikunternehmen ansprechen will, schließt dies zwar die Teilnahme von Pharmagroßhändlern nicht aus, zeigt aber, dass der Auftraggeber darauf verzichtet hat, als Auftragnehmer ausschließlich Pharmagroßhändler vorzusehen.
VolltextVPRRS 2022, 0046
VK Berlin, Beschluss vom 09.06.2021 - VK B 1-12/20
1. Eine Leistungsbeschreibung ist eindeutig, wenn die Bieter sie ohne große Auslegungsbemühungen verstehen können. Die Vergabeunterlagen müssen so gefasst sein, dass alle durchschnittlich fachkundigen Bieter diese bei Anwendung der üblichen Sorgfalt in gleicher Weise auslegen können.
2. Die Leistung muss derart erschöpfend beschrieben sein, dass sie alle preisrelevanten Faktoren beinhaltet, mithin Art und Zweck der Leistung, die erforderlichen Teilleistungen, Funktions- und Leistungsanforderungen sowie die Bedingungen, Umstände und sonstigen Anforderungen.
3. Der Auftraggeber ist verpflichtet, die Leistungsbeschreibung so auszugestalten, dass eine vernünftige Kalkulation und die Abgabe vergleichbarer Angebote ermöglicht werden. Eine Grenze bildet insoweit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und findet sich im Mach- und Zumutbaren.
4. Auch wenn die vergaberechtlichen Regelungen nicht mehr das Verbot der Auferlegung eines ungewöhnlichen Wagnisses beinhalten, muss die Leistungsbeschreibung dem Bieter gleichwohl eine vernünftige kaufmännische Kalkulation ermöglichen.
5. Vergaberechtlich nicht zu beanstanden ist es, wenn der Auftraggeber den Bietern die Beschaffung von Informationen überlässt, sofern sich Bieter mit geringem Aufwand fehlende Daten selbst beschaffen können und die Vergleichbarkeit der Angebote bei einer solchen Vorgehensweise nicht gefährdet ist.
6. Eine Aufhebung aus anderen schwerwiegenden Gründen ist nur rechtmäßig, sofern nachträgliche, nicht vorhersehbare oder anfängliche, bei pflichtgemäßer Sorgfalt nicht erkennbare Umstände vorliegen.
7. Dokumentationsmängel stellen keine schwerwiegenden, zur Aufhebung der Ausschreibung berechtigenden Gründe dar. Wenn der Auftraggeber die Aufhebung des Vergabeverfahrens selbst schuldhaft herbeiführt, liegt eine rechtswidrige Aufhebung vor.
VolltextVPRRS 2022, 0042
VK Bund, Beschluss vom 21.01.2022 - VK 2-131/21
1. Auch bei einem offenen Verfahren ist der öffentliche Auftraggeber berechtigt, Mindestanforderungen hinsichtlich der technischen Bewertung festzulegen.
2. Ein Angebot, das die Mindestpunktzahl nicht erreicht, entspricht grundsätzlich nicht den Bedürfnissen des öffentlichen Auftraggebers und muss bei der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots nicht berücksichtigt werden.
3. Hat der Auftraggeber für die Konzeptbewertung ein Wertungssystem nach Schulnoten aufgestellt, kann er nicht sämtliche denkbaren konzeptionellen Lösungsansätze der Bieter vorhersehen und abstrakt vorab bewerten. Dementsprechend sind das Wertungssystem bzw. die Vorgaben, unter welchen konkreten Bedingungen ein Konzept mit welcher Note zu bewerten ist, zwangsweise nicht abschließend bestimmt.
4. Dass ein Wertungskriterium keinen Bezug zum Auftragsgegenstand hat, ist ein für einen durchschnittlichen Bieter erkennbarer Vergaberechtsverstoß, der rechtzeitig gerügt werden muss, um zulässiger Gegenstand im Nachprüfungsverfahren zu sein.
VolltextVPRRS 2022, 0036
VK Lüneburg, Beschluss vom 18.06.2021 - VgK-17/2021
1. Der öffentliche Auftraggeber ist verpflichtet, das Vergabeverfahren von Anbeginn fortlaufend so zu dokumentieren, dass die einzelnen Stufen des Verfahrens, die einzelnen Maßnahmen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen festgehalten werden.
2. Es ist nicht zu beanstanden, wenn eine Bewertungsmethode festgelegt, bekannt gemacht und angewendet wird, nach der das Angebot, das im Vergleich zu den anderen Angeboten die Erwartungen des Auftraggebers am besten erfüllt, die Maximalpunktzahl beim jeweiligen Unterkriterium erhält. Eine relative Bewertungsmethode ist als solche zulässig.
3. Der öffentliche Auftraggeber muss aber nach Eröffnung der Angebote seine maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so eingehend dokumentieren, dass nachvollziehbar ist, welche konkreten Details des jeweiligen Konzepts ausschlaggebend für die Punktevergabe gewesen sind. Die Begründung muss dazu alle Informationen enthalten, die notwendig sind, um die Entscheidungen des Auftraggebers nachvollziehen zu können.
4. ...
VPRRS 2021, 0298
LG Magdeburg, Urteil vom 15.09.2021 - 7 O 1109/21
1. Die Begleitung von Vergabeverfahren durch Rechtsanwendung ist von der Rechtsberatung in Vergaberechtsfragen abzugrenzen.
2. Die Zulässigkeit von Rechtsberatung in Vergabeverfahren richtet sich nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz und den hiermit verbundenen Öffnungsklauseln.
3. Auftragsberatungsstellen von Kammern dürfen Leistungen für Vergabeverfahren nur anbieten oder sich um diese bewerben, soweit dies vom gesetzlichen Auftrag gedeckt ist.
VolltextVPRRS 2022, 0020
VK Berlin, Beschluss vom 18.01.2022 - VK B 1-52/21
1. Der öffentliche Auftraggeber hat grundsätzlich mehrere Bieter zur Angebotsabgabe aufzufordern. Das gilt für alle Verfahrensarten und somit auch für das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb.
2. Der Begriff des Auftrags in § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV ist weit zu verstehen und beinhaltet nicht nur zivilrechtliche Verträge. Jegliche rechtliche Verbindung, die Rückschlüsse auf die berufliche und technische Leistungsfähigkeit zulässt, unabhängig vom Vorliegen eines Vertrags oder der zivil- oder öffentlich-rechtlichen Natur, ist ein Auftrag i.S.d. § 46 Abs. 3 Nr. 1 GWB.
VolltextVPRRS 2022, 0021
VK Berlin, Beschluss vom 18.01.2022 - VK B 1-43/21
1. Öffentliche Aufträge werden an geeignete Unternehmen vergeben, wobei ein Unternehmen geeignet ist, wenn es die durch den öffentlichen Auftraggeber im Einzelnen zur ordnungsgemäßen Ausführung des öffentlichen Auftrags festgelegten Kriterien (Eignungskriterien) erfüllt.
2. Kann auf dieser Grundlage unter Beachtung der Vorgaben für die Eignungsprüfung nicht festgestellt werden, dass ein Unternehmen die Eignungskriterien erfüllt, ist es zwingend vom Vergabeverfahren auszuschließen.
3. Der Begriff des Auftrags in § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV ist weit zu verstehen und beinhaltet nicht nur zivilrechtliche Verträge. Die Frage, ob das Rechtsverhältnis zivil- oder öffentlich-rechtlicher Natur ist, spielt keine Rolle. Auch ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis kann ein Auftrag i. S. des § 46 VgV und damit eine ausreichende Grundlage für eine Referenz sein.
VolltextVPRRS 2022, 0008
OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13.12.2021 - 1 M 60/21
1. Der öffentliche Auftraggeber hat für eine korrekte Zurverfügungstellung des mit dem Angebot vorzulegenden Formularsatzes zu sorgen.
2. Angebote, die nicht form- oder fristgerecht eingegangen sind, sind nur dann zwingend auszuschließen, wenn der Bieter dies zu vertreten hat. Dies ist nicht der Fall, wenn die nicht formgerechte Abgabe eines Angebots wegen Unvollständigkeit der geforderten Erklärungen auf Verschulden des Auftraggebers beruht.
3. Der Auftraggeber hat allen Bietern/Bewerbern die gleichen Informationen zukommen zu lassen und ihnen die Chance zu geben, innerhalb gleicher Fristen zu gleichen Bedingungen Angebote abzugeben. Er ist verpflichtet, den Bietern, den vorgesehenen Verfahrensablauf mitzuteilen, davon nicht überraschend oder willkürlich abzuweichen und die Entscheidung über die Auslese der Bieter nach den bekannt gemachten Kriterien zu treffen.
4. Die Regelung des § 21 Abs. 1 VwVfG ist ebenso wie gegebenenfalls vorrangig zum Zuge kommende Bestimmungen über den gesetzlichen Ausschluss nach § 20 VwVfG oder § 33 KVG-SA Ausdruck des Gebots der Unbefangenheit von allen Personen, die für eine Behörde in einem Verwaltungsverfahren entscheidungsbezogene Tätigkeiten ausüben, unabhängig von ihrem formellen Status.*)
VolltextVPRRS 2022, 0007
VK Bund, Beschluss vom 01.12.2021 - VK 1-116/21
1. Der Bieter trägt grundsätzlich das Risiko der Übermittlung und des rechtzeitigen und vollständigen Eingangs seines Angebots. Er muss sein Angebot so rechtzeitig auf den Weg bringen und den Übermittlungsvorgang beginnen, dass es vor Fristablauf an der vorgesehenen Stelle eingegangen ist. Dies gilt sowohl für analoge als auch digitale Angebote.
2. Technische Probleme bei der Übermittlung seines Angebots sind dem Bieter allerdings dann nicht zuzurechnen, wenn der öffentliche Auftraggeber als Nutzerin einer elektronischen Vergabeplattform Umstände anzulasten sind, die in seinem alleinigen Verantwortungsbereich liegen (hier verneint).
3. Treten technische Schwierigkeiten beim Betrieb der verwendeten elektronischen Mittel auf, sind die Folgen danach zu beurteilen, wessen Sphäre sie zuzuordnen sind. Schwierigkeiten auf Auftraggeberseite dürfen nicht zu Lasten der Anbieterseite gehen.
4. Vom Bieter selbst zu verantwortende Schwierigkeiten gehen zu seinen Lasten. Diese zählen zum Übermittlungsrisiko, das üblicherweise vom Absender zu tragen ist.
VolltextOnline seit 2021
VPRRS 2021, 0306VK Südbayern, Beschluss vom 28.10.2021 - 3194.Z3-3_01-21-27
1. Für Zuschlagskriterien nach § 58 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VgV wird der nach § 127 Abs. 3 GWB grundsätzlich nötige Auftragsbezug um das Erfordernis verschärft, dass die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann.*)
2. Ein Zuschlagskriterium, mit dem die Qualität des eingesetzten Personals anhand der Strukturierung und Verständlichkeit des Vortrags bei einer Bieterpräsentation bewertet werden soll, hat regelmäßig nur dann den nötigen Auftragsbezug nach § 127 Abs. 3 GWB, wenn die Tätigkeit der referierenden Personen im zu vergebenden Auftrag gerade auch das Präsentieren bzw. Vortragen beinhaltet.*)
3. Wird anhand einer Präsentation die Struktur und Verständlichkeit des Vortrags eines Projektleiterteams bewertet, müssen die Vor- und Nachteile des jeweiligen Vortrags aus der Dokumentation nachvollzogen werden können. Dazu kann es erforderlich sein, dass auch der Vortrag selbst auf geeignete Weise dokumentiert wird.*)
4. Die Dokumentation ist in einem solchen Fall jedenfalls unzureichend, wenn nicht auszuschließen ist, dass die Struktur und Verständlichkeit des Vortrags anderer - nicht zu bewertender - Personen in die Wertung eingeflossen ist.*)
5. Verschiedene Niederlassungen eines Einzelunternehmens können sich uneingeschränkt auf Unternehmensreferenzen dieses Unternehmens berufen, auch wenn die entsprechende Niederlassung diese nicht erarbeitet hat. Daran ändert auch die apothekenrechtliche Verantwortung des Apothekers einer Filialapotheke gem. § 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 ApoG nichts.*)
VolltextVPRRS 2021, 0302
VK Bund, Beschluss vom 29.10.2021 - VK 2-109/21
1. Die im Vorabinformationsschreiben mitzuteilenden Gründe der Nichtberücksichtigung müssen so aussagekräftig sein, dass sie es einem betroffenen Bieter ermöglichen, die Zuschlagsentscheidung zu prüfen und zu beurteilen, ob ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet wird.
2. Der Antrag auf Einleitung eines Vergabenachprüfungsverfahrens ist unzulässig, soweit mehr als 15 Kalendertage nach Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind (§ 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB).
3. Fällt das Fristende auf einen Samstag, Sonntag oder auf einen Feiertag, wird das Fristende auf den Ablauf des nächsten Werktags hinausgeschoben.
VolltextVPRRS 2021, 0281
EuGH, Urteil vom 07.09.2021 - Rs. C-927/19
1. Art. 58 Richtlinie 2014/24/EU ist dahin auszulegen, dass die Verpflichtung der Wirtschaftsteilnehmer nachzuweisen, dass sie einen bestimmten durchschnittlichen Jahresumsatz in dem vom betreffenden öffentlichen Auftrag abgedeckten Tätigkeitsbereich erzielen, ein Eignungskriterium darstellt, das sich auf die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit dieser Wirtschaftsteilnehmer i.S.v. Abs. 3 dieser Vorschrift bezieht.*)
2. Art. 58 Abs. 3 i.V.m. Art. 60 Abs. 3 Richtlinie 2014/24/EU ist dahin auszulegen, dass ein Wirtschaftsteilnehmer in dem Fall, dass der öffentliche Auftraggeber verlangt hat, dass die Wirtschaftsteilnehmer einen bestimmten Mindestumsatz in dem vom betreffenden öffentlichen Auftrag abgedeckten Bereich erzielt haben, sich zum Nachweis seiner wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit nur dann auf die Einkünfte berufen darf, die von einem vorübergehenden Unternehmenszusammenschluss, dem er angehörte, erzielt wurden, wenn er im Rahmen eines bestimmten öffentlichen Auftrags tatsächlich zur Ausübung einer Tätigkeit dieses Konsortiums beigetragen hat, die derjenigen entspricht, die Gegenstand des öffentlichen Auftrags ist, für den dieser Wirtschaftsteilnehmer seine wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit nachweisen will.*)
3. Art. 58 Abs. 4 sowie Art. 42 und 70 Richtlinie 2014/24/EU sind dahin auszulegen, dass sie gleichzeitig mit einer in einer Ausschreibung enthaltenen technischen Vorgabe angewandt werden können.*)
4. Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 4, Art. 1 Abs. 3 und 5 sowie Art. 2 Abs. 1 b Richtlinie 89/665/EWG sind dahin auszulegen, dass eine Entscheidung eines öffentlichen Auftraggebers, mit der es abgelehnt wird, einem Wirtschaftsteilnehmer als vertraulich geltende Informationen, die in den Bewerbungsunterlagen oder im Angebot eines anderen Wirtschaftsteilnehmers enthalten sind, mitzuteilen, eine Handlung darstellt, die Gegenstand einer Nachprüfung sein kann, und dass dann, wenn der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet das Verfahren zur Vergabe des betreffenden öffentlichen Auftrags durchgeführt wird, vorgesehen hat, dass derjenige, der eine Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers anfechten möchte, verpflichtet ist, vor der Anrufung des Gerichts einen Verwaltungsrechtsbehelf einzulegen, dieser Mitgliedstaat auch vorsehen kann, dass einer Klage gegen diese den Zugang verweigernden Entscheidung ein solcher vorheriger Verwaltungsrechtsbehelf vorausgehen muss.*)
5. Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 4 und Art. 1 Abs. 3 und 5 Richtlinie 89/665/EWG sowie Art. 21 Richtlinie 2014/24/EU sind im Licht des allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatzes einer guten Verwaltung dahin auszulegen, dass ein öffentlicher Auftraggeber, der mit einem Antrag eines Wirtschaftsteilnehmers auf Mitteilung der als vertraulich geltenden Informationen, die im Angebot eines Wettbewerbers, an den der Auftrag vergeben wurde, enthalten sind, befasst ist, nicht verpflichtet ist, diese Informationen mitzuteilen, wenn deren Übermittlung zu einem Verstoß gegen die Vorschriften des Unionsrechts über den Schutz vertraulicher Informationen führen würde, und zwar auch dann nicht, wenn der Antrag des Wirtschaftsteilnehmers im Rahmen eines Nachprüfungsantrags dieses Wirtschaftsteilnehmers betreffend die Rechtmäßigkeit der Bewertung des Angebots des Wettbewerbers durch den öffentlichen Auftraggeber gestellt wird. Lehnt der öffentliche Auftraggeber die Übermittlung solcher Informationen ab oder weist er den Verwaltungsrechtsbehelf eines Wirtschaftsteilnehmers bezüglich der Rechtmäßigkeit der Beurteilung des Angebots des betreffenden Wettbewerbers zurück und lehnt dabei die Übermittlung ab, so muss er das Recht des Antragstellers auf eine gute Verwaltung gegen das Recht des Wettbewerbers auf Schutz seiner vertraulichen Informationen abwägen, damit seine Ablehnungsentscheidung oder seine Zurückweisungsentscheidung begründet ist und dem Recht eines abgelehnten Bieters auf eine wirksame Nachprüfung nicht seine praktische Wirksamkeit genommen wird.*)
6. Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 4 und Art. 1 Abs. 3 und 5 Richtlinie 89/665/EWG sowie Art. 21 Richtlinie 2014/24/EU sind im Lichte des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass das zuständige nationale Gericht, das mit einer Klage gegen eine Entscheidung eines öffentlichen Auftraggebers befasst ist, mit der es abgelehnt wird, einem Wirtschaftsteilnehmer als vertraulich geltende Informationen mitzuteilen, die in den Unterlagen enthalten sind, die der Wettbewerber, an den der Auftrag vergeben wurde, übermittelt hat, oder mit einer Klage gegen eine Entscheidung eines öffentlichen Auftraggebers, mit der der gegen eine solche Ablehnungsentscheidung eingelegte Verwaltungsrechtsbehelf zurückgewiesen wird, verpflichtet ist, das Recht des Klägers auf einen wirksamen Rechtsbehelf gegen das Recht von dessen Wettbewerber auf Schutz seiner vertraulichen Informationen und seiner Geschäftsgeheimnisse abzuwägen. Zu diesem Zweck muss dieses Gericht, das notwendigerweise über die erforderlichen Informationen, einschließlich vertraulicher Informationen und Geschäftsgeheimnisse, verfügen muss, um in voller Kenntnis der Umstände entscheiden zu können, ob diese Informationen übermittelt werden dürfen, alle relevanten tatsächlichen und rechtlichen Aspekte prüfen. Außerdem muss es diesem Gericht möglich sein, die Ablehnungsentscheidung oder die Entscheidung über die Zurückweisung des Verwaltungsrechtsbehelfs für nichtig zu erklären, wenn sie rechtswidrig sind, und die Sache gegebenenfalls an den öffentlichen Auftraggeber zurückzuverweisen oder, wenn das nationale Recht es dazu ermächtigt, sogar selbst eine neue Entscheidung zu treffen.*)
7. Art. 57 Abs. 4 Richtlinie 2014/24/EU ist dahin auszulegen, dass ein nationales Gericht, das mit einem Rechtsstreit zwischen einem von der Vergabe eines Auftrags ausgeschlossenen Wirtschaftsteilnehmer und einem öffentlichen Auftraggeber befasst ist, von der von Letzterem vorgenommenen Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Verhaltens des Wirtschaftsteilnehmers, an den der Auftrag vergeben wurde, abweichen und folglich in seiner Entscheidung alle notwendigen Konsequenzen daraus ziehen kann. Hingegen kann ein solches Gericht nach dem Äquivalenzgrundsatz den Gesichtspunkt eines vom öffentlichen Auftraggeber begangenen Beurteilungsfehlers nur dann von Amts wegen berücksichtigen, wenn das nationale Recht dies zulässt.*)
8. Art. 63 Abs. 1 Unterabs. 2 Richtlinie 2014/24/EU i.V.m. Art. 57 Abs. 4 und 6 dieser Richtlinie ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der, wenn sich ein Wirtschaftsteilnehmer, der Mitglied eines Konsortiums von Wirtschaftsteilnehmern ist, bei seinen Auskünften zur Überprüfung des Fehlens von Gründen für einen Ausschluss des Konsortiums oder zur Überprüfung, ob dieses die Eignungskriterien erfüllt, einer schwer wiegenden Täuschung schuldig gemacht hat, ohne dass seine Partner von dieser Täuschung Kenntnis hatten, gegen alle Mitglieder dieses Konsortiums eine Maßnahme zum Ausschluss von jedem öffentlichen Vergabeverfahren verhängt werden kann.*)
VolltextVPRRS 2021, 0266
VK Bund, Beschluss vom 18.09.2020 - VK 2-51/20
1. Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 VgV, wonach der Auftraggeber sicherzustellen hat, dass der Wettbewerb durch die Teilnahme eines vorbefassten Unternehmens nicht verzerrt wird, erfasst nicht den bisherigen Auftragnehmer.
2. Wettbewerbsvorsprünge eines Bieters, der sich aufgrund eines Vorauftrags bereits auf die Besonderheiten des Auftraggebers eingestellt hat, bedürfen keines Ausgleichs durch den Auftraggeber. Es entspricht der normalen Rollen- und Risikoverteilung im Wettbewerb, sich zum Markteintritt zu qualifizieren.
VolltextVPRRS 2021, 0255
EuGH, Urteil vom 02.09.2021 - Rs. C-722/19
1. Das Unionsrecht, insbesondere Art. 43 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die Konzessionsvergabe, ist dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung, nach der ein Konzessionsvertrag ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens zu erneuern ist, während das geltende nationale Recht vorsah, dass eine solche Konzession grundsätzlich an mehrere - höchstens vier - Wirtschaftsteilnehmer zu vergeben ist, in einem Fall, in dem der Konzessionsvertrag an einen einzigen Konzessionsnehmer vergeben wurde, dann nicht entgegensteht, wenn mit dieser nationalen Regelung eine Klausel angewendet wird, die im ursprünglichen Konzessionsvertrag enthalten war und eine solche Erneuerung als Option vorsah.*)
2. Das Unionsrecht, insbesondere Art. 43 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2014/23, ist dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung, nach der zwei Jahre vor dem Ablauf der Konzession über deren Erneuerung entschieden wird und mit der die im ursprünglichen Konzessionsvertrag vorgesehenen Modalitäten der Zahlung der vom Konzessionsnehmer geschuldeten finanziellen Gegenleistung geändert werden, so dass neue und höhere Einnahmen für den Staatshaushalt gewährleistet sind, dann nicht entgegensteht, wenn diese Änderung nicht wesentlich im Sinne von Art. 43 Abs. 4 der Richtlinie ist.*)
3. Art. 43 Abs. 4 der Richtlinie 2014/23 und Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21.12.1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 2014/23 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass ein Wirtschaftsteilnehmer gegen eine Entscheidung, mit der eine Konzession erneuert wird, einen Rechtsbehelf mit der Begründung einlegen kann, dass die Durchführungsbedingungen des ursprünglichen Konzessionsvertrags wesentlich geändert worden sind, auch wenn er nicht am ursprünglichen Verfahren zur Vergabe der Konzession teilgenommen hat, sofern er zu dem Zeitpunkt, zu dem die Konzession zu erneuern ist, ein Interesse an der Erteilung der Konzession nachweisen kann.*)
VolltextVPRRS 2021, 0254
EuGH, Urteil vom 02.09.2021 - Rs. C-721/19
1. Das Unionsrecht, insbesondere Art. 43 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die Konzessionsvergabe, ist dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung, nach der ein Konzessionsvertrag ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens zu erneuern ist, während das geltende nationale Recht vorsah, dass eine solche Konzession grundsätzlich an mehrere – höchstens vier – Wirtschaftsteilnehmer zu vergeben ist, in einem Fall, in dem der Konzessionsvertrag an einen einzigen Konzessionsnehmer vergeben wurde, dann nicht entgegensteht, wenn mit dieser nationalen Regelung eine Klausel angewendet wird, die im ursprünglichen Konzessionsvertrag enthalten war und eine solche Erneuerung als Option vorsah.*)
2. Das Unionsrecht, insbesondere Art. 43 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2014/23, ist dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung, nach der zwei Jahre vor dem Ablauf der Konzession über deren Erneuerung entschieden wird und mit der die im ursprünglichen Konzessionsvertrag vorgesehenen Modalitäten der Zahlung der vom Konzessionsnehmer geschuldeten finanziellen Gegenleistung geändert werden, so dass neue und höhere Einnahmen für den Staatshaushalt gewährleistet sind, dann nicht entgegensteht, wenn diese Änderung nicht wesentlich im Sinne von Art. 43 Abs. 4 der Richtlinie ist.*)
3. Art. 43 Abs. 4 der Richtlinie 2014/23 und Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21.12.1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 2014/23 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass ein Wirtschaftsteilnehmer gegen eine Entscheidung, mit der eine Konzession erneuert wird, einen Rechtsbehelf mit der Begründung einlegen kann, dass die Durchführungsbedingungen des ursprünglichen Konzessionsvertrags wesentlich geändert worden sind, auch wenn er nicht am ursprünglichen Verfahren zur Vergabe der Konzession teilgenommen hat, sofern er zu dem Zeitpunkt, zu dem die Konzession zu erneuern ist, ein Interesse an der Erteilung der Konzession nachweisen kann.*)
VolltextVPRRS 2021, 0235
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.08.2021 - 1 VK 37/21
1. Eine Aussage, dass vergaberechtliche Vorgaben einzuhalten sind, darf Bewerbenden nicht negativ ausgelegt werden. Dies wären sonst sachfremde Erwägungen.
2. Ad-hoc-Fragen als offene Fragen sind ein zulässiges Mittel, die Qualifikation des eingesetzten Personals zu bewerten.
3. Ist der Inhalt der Fragerunde strittig, liegt ein Dokumentationsmangel vor, wenn keine umfassende Protokollierung stattfindet.
VolltextVPRRS 2021, 0252
OLG Schleswig, Beschluss vom 16.09.2021 - 54 Verg 1/21
1. Ein öffentlicher Auftrag ist ein entgeltlicher Vertrag eines öffentlichen Auftraggebers zur Beschaffung von Leistungen, während die Konzession typischerweise ein Dreiecksverhältnis (öffentlicher Auftraggeber, Dienstleistungserbringer, Nutzer der Dienstleistung) und eine Verlagerung wirtschaftlicher Risiken voraussetzt.
2. Eine Dienstleistungskonzession ist der Vertrag eines öffentlichen Auftraggebers mit einem Wirtschaftsteilnehmer, aufgrund dessen letzterer eine Dienstleistung unter Übernahme des wirtschaftlichen Risikos zu erbringen hat, wobei er dadurch entlohnt wird, dass er die aus der Erbringung der Dienstleistung am Markt erzielten Einkünfte behalten darf. Die zusätzliche Bezahlung durch den öffentlichen Auftraggeber ist möglich, aber nicht notwendig.
3. Bei reinen Miet- und Pachtverträgen beschafft die öffentliche Hand hingegen nichts, sondern bietet selbst eine Leistung an und verwertet eigenes Vermögen. Beschaffungselemente können vorliegen, sobald eine Miet-/Pachtvertrag dem Mieter/Pächter Pflichten zur Erbringung einer Leistung auferlegt.
VolltextVPRRS 2021, 0180
VK Bund, Beschluss vom 11.06.2021 - VK 1-44/21
1. Aufklärungsgespräche dienen lediglich der Klärung etwaiger Zweifel, nicht aber der Behebung von Verständnisproblemen. Dass letztere nicht auftreten, obliegt der Sorgfalt des Bieters - sein Angebot muss aus sich heraus verständlich sein.
2. Ergänzungen oder inhaltliche Nachbesserungen des wertungsrelevanten Konzepts darf der Auftraggeber im Rahmen eines etwaigen Aufklärungsgesprächs nicht berücksichtigen.
3. Bei der Wertung von Angeboten steht dem Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum zu, der nur daraufhin überprüft werden darf, ob das vorgeschriebene Bewertungsverfahren eingehalten, der Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt, die vom Auftraggeber aufgestellten Vorgaben beachtet und in die Wertung keine sachfremden Erwägungen eingeflossen sind.
4. Nachzuprüfen ist aber nicht nur die Benotung des Angebots des betreffenden Antragstellers als solche, sondern auch, ob die jeweiligen Wertungspunkte insbesondere im Vergleich zur Wertung des Zuschlagsprätendenten plausibel vergeben wurden.
5. Seinen Beurteilungsspielraum hat der Auftraggeber erst dann überschritten, wenn seine Wertung unvertretbar, ein anderes Wertungsergebnis also zwingend ist.
6. Auch wenn eine Wertungsentscheidung fehlerhaft ist, führt dies nicht zur Begründetheit des Nachprüfungsantrags, wenn der antragstellende Bieter durch den Wertungsfehler nicht in seinen Rechten verletzt ist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn sein Angebot nicht zu bezuschlagen ist, weil es auch bei einer besseren Bewertung nicht auf den ersten Wertungsplatz kommt.
VolltextVPRRS 2021, 0249
EuGH, Urteil vom 06.10.2021 - Rs. C-598/19
Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat vorbehaltlich der Wahrung der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit durch diesen Mitgliedstaat nicht verwehrt, über die in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen hinaus zusätzliche Voraussetzungen zu verlangen und damit bestimmte Wirtschaftsteilnehmer, die die Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllen, von den Verfahren zur Vergabe vorbehaltener öffentlicher Aufträge auszuschließen.*)
VolltextVPRRS 2021, 0212
VK Sachsen, Beschluss vom 27.05.2021 - 1/SVK/004-21
Die Beantwortung der Frage, ob eine juristische Person des Privatrechts (hier: eine GmbH) ihre im Allgemeininteresse liegende Aufgabe auf nichtgewerbliche Art erfüllt, hat anhand einer Gesamtbetrachtung aller erheblichen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte zu erfolgen. Entscheidend ist, ob die Gesellschaft ganz oder teilweise außerhalb der Marktmechanismen operiert.
VolltextVPRRS 2021, 0208
VK Lüneburg, Beschluss vom 19.01.2021 - VgK-54/2020
1. Versäumt der Auftraggeber seine Wartepflicht aus § 134 Abs. 2 GWB und erteilt er einem Bieter den Zuschlag bereits einen Tag nach Absendung der Vorabinformation, ist der zwischen dem Auftraggeber und dem Bieter geschlossene Vertrag (zunächst) schwebend unwirksam.
2. Der Vertrag wird nicht für unwirksam erklärt, wenn ein Bieter, dessen Angebot zwingend vom Vergabeverfahren auszuschließen ist, einen Nachprüfungsantrag stellt.
VolltextVPRRS 2021, 0204
VK Bund, Beschluss vom 22.07.2021 - VK 2-57/21
1. Die Pflicht zur Prüfung ungewöhnlich niedriger Preise soll nicht nur den Auftraggeber, sondern auch die übrigen Bieter schützen. Daraus folgt auch eine Pflicht des Auftraggebers, die Preisprüfung nachvollziehbar zu dokumentieren.
2. Es ist nicht erforderlich, dass der Auftraggeber jede einzelne Preisdifferenz in allen Einzelpreisen zwischen Zuschlagsdestinatär und Vergleichsangebot aufklärt. Preisunterschiede liegen in der Natur des Wettbewerbs. Prüfungsmaßstab ist vielmehr, ob ein ungewöhnlich günstiges Angebot erwarten lässt, dass der Auftrag ordnungsgemäß durchgeführt werden wird.
3. Auch Altverträge können im Rahmen der Preisprüfung herangezogen werden. Wichtig ist nur, dass eine Angleichung an die aktuelle Situation, so infolge Zeitablaufs oder teilweise anderer abgefragter Leistungen, stattfindet.
VolltextVPRRS 2021, 0203
VK Lüneburg, Beschluss vom 23.06.2021 - VgK-19/2021
1. Beabsichtigt der Auftraggeber, eine Leistung im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb zu vergeben, hat er eine systematische Markterkundung vorzunehmen und die technischen Gründe, die gegen das Vorhandensein eines Wettbewerbs sprechen, in nachvollziehbarer Tiefe zu dokumentieren.
2. Ein durch die Untätigkeit des öffentlichen Auftraggebers entstandener Zeitdruck rechtfertigt keine Vergabe im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb.
3. Was Menschen nicht kreativ erschaffen, sondern konstruktiv nach Vorgaben errichten sollen, kann auch eindeutig und erschöpfend beschrieben werden.
4. Im Bereich des (wasserwirtschaftlichen) Anlagenbaus einschließlich der Steuerungstechnik und im Bereich der Telekommunikation haben sich eigenständige Anbietermärkte etabliert, so dass der öffentliche Auftraggeber die Bildung von Fachlosen zumindest prüfen muss.
VolltextVPRRS 2021, 0199
VK Sachsen, Beschluss vom 11.06.2021 - 1/SVK/006-21
1. Für die Frage der Nichtgewerblichkeit i.S.d. § 99 Nr. 2 GWB ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen, im Rahmen derer alle erheblichen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte und die Voraussetzungen, unter denen die entsprechende Tätigkeit ausgeübt wird, zu berücksichtigen sind.*)
2. Im Bereich des sozialen Wohnungsbaus tätige kommunale Wohnungsbaugesellschaften sind in der Regel als öffentliche Auftraggeber i.S.v. § 99 Nr. 2 GWB anzusehen.*)
3. Fehler in der Wertung sind unbeachtlich, wenn diese die Bieterreihenfolge nicht ändern und somit eine Beeinträchtigung der Aussichten auf Erhalt des Zuschlags ausgeschlossen ist.*)
VolltextVPRRS 2021, 0197
OLG Naumburg, Urteil vom 28.08.2020 - 7 U 30/20
1. Wird eine Sache beschädigt, kann der Geschädigte vom Schädiger den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen.
2. Wegen der sich aus § 249 Abs. 2 BGB ergebenden Ersetzungsbefugnis hat der Geschädigte die freie Wahl der Mittel zur Schadensbehebung und darf zur Beseitigung des Schadens grundsätzlich den Weg einschlagen, der den eigenen Interessen am besten zu entsprechen scheint, ohne auf die kostengünstigste Wiederherstellung der beschädigten Sache beschränkt gewesen zu sein
3. Allerdings kann der Geschädigte als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen.
4. Der zuständige Straßenbaulastträger verstößt nicht gegen seine Schadensminderungspflicht, wenn er ein sog. Ölwehr-Unternehmen, mit dem er als Ergebnis eines Vergabeverfahrens die Beseitigung von Fahrbahnverunreinigungen durch Öle, Treib- und Kraftstoffe sowie Fahrzeugbetriebsmittel vereinbart hat, mit der Beseitigung von ausgetretenem Flüssigdünger beauftragt.
VolltextVPRRS 2021, 0192
OLG Brandenburg, Urteil vom 16.06.2021 - 11 U 16/18
1. Ein vor dem 01.01.2018 geschlossener Vertrag über die Erbringung von Leistungen der Sicherheits- und Gesundheitskoordination ist - sofern sich aus der getroffenen Vereinbarung nicht etwas anderes ergibt - als Dienstvertrag mit werkvertraglichen Elementen zu qualifizieren.
2. Die Vorschriften des Vergaberechts sind keine Verbotsgesetze i.S.v. § 134 BGB, deren Missachtung zur Nichtigkeit des Vertrags führt. Auch verstößt ein unter Nichteinhaltung des Vergaberechts geschlossener Vertrag nicht ohne Weiteres gegen die guten Sitten.
3. Treffen die Parteien eines SiGeKo-Vertrags keine Regelung dazu, nach welchen Grundsätzen der SiGeKo für seine Tätigkeiten vergütet wird, wenn sich auf der Baustelle Verzögerungen ergeben, enthält der Vertrag eine Lücke, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen ist.
4. Die ergänzende Vertragsauslegung kann ergeben, dass dem SiGeKo ein einseitiges, nach billigem Ermessen auszuübendes Leistungsbestimmungsrecht für die ihm zu gewährende Vergütung zusteht.
VolltextVPRRS 2021, 0185
VK Sachsen, Beschluss vom 07.12.2020 - 1/SVK/030-20
1. Werden in den Vergabeunterlagen keine besonderen Anforderungen an die zu gewährleistende Datensicherheit erhoben, sondern wird lediglich pauschal gefordert, dass der Datenschutz und die Datensicherheit gewährleistet sein müssen, genügt es, wenn der Bieter die technischen und organisatorischen Maßnahmen näher aufgegliedert und darstellt, wie die Zugriffs- und Weitergabekontrolle oder auch Pseudonymisierung und Verschlüsselung von Daten technisch wie personell erfolgen werden.*)
2. Ein Auftraggeber darf den Angaben eines Bieters vertrauen und darf sich auf Leistungsversprechen, die sie in ihren Angeboten gemacht haben, grundsätzlich verlassen. Nur wenn sich aus dem Angebot Zweifel ergeben, die das Leistungsversprechen eines Bieters als nicht plausibel erscheinen lassen und sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Bieter die auftraggeberseitig gesetzten Vorgaben möglicherweise nicht einhalten kann, ist der Auftraggeber gehalten, eine Aufklärung herbeizuführen. Ohne eine solche, ist er weder verpflichtet noch in der Lage, die von den Bietern gemachten Angaben auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. Aus diesem Grund normiert § 124 Abs. 1 Nr. 9 c GWB als harte Sanktion für vorsätzlich oder fahrlässig irreführende Angaben einen fakultativen Ausschlussgrund.*)
VolltextVPRRS 2021, 0184
VK Sachsen, Beschluss vom 03.05.2021 - 1/SVK/001-21
1. Der geschätzte Vertragswert einer Dienstleistungskonzession ist nach einer objektiven Methode zu berechnen, deren Wahl nicht die Absicht verfolgen darf, die Anwendung des 4. Teils des GWB bzw. der KonzVgV zu umgehen.*)
2. Bei einer Dienstleistungskonzession besteht das dem Konzessionsnehmer zufließende Entgelt prinzipiell nicht in der direkten Zahlung einer Vergütung, sondern in der Übertragung eines Nutzungsrechts für die Dauer der Vertragslaufzeit, welches funktionell den Charakter eines Entgelts hat und dieses gewissermaßen ersetzt. Der Vertragswert der Konzession berechnet sich aus dem nach ex-ante-Sicht prognostizierten und geschätzten Gesamtumsatz, den der Konzessionsnehmer während der Vertragslaufzeit als Gegenleistung für seine Dienstleistungen, die Gegenstand der Konzession sind, unmittelbar und direkt erhält.*)
3. Dementsprechend sind als direkte Einnahmen, die ein Konzessionsnehmer für das Betreiben eines Weinfestes erzielt, die Mieten für die einzelnen Marktstände anzusehen. Hierbei handelt es sich um das Entgelt, das von den Nutzern der Dienstleistung (hier Mieter/Betreiber der Marktstände) erbracht wird. Weitere Einnahmen wären beispielsweise Eintrittsgelder, soweit der Zutritt zum Weinfest über ein Eintrittsgeld üblich ist.*)
4. Die Einnahmen aus den Verkäufen an den einzelnen Marktständen stellen dahingegen keine zu berücksichtigende Gegenleistung i.S.d. § 2 Abs. 3 KonzVgV dar, auch nicht unter Berücksichtigung des § 2 Abs. 4 Nr. 2 KonzVgV, denn solche Entgelte sind lediglich die vertraglich vereinbarten Gegenleistungen für die Leistungen der Vertragspartner des Konzessionsnehmers.*)
VolltextVPRRS 2021, 0149
VK Nordbayern, Beschluss vom 30.03.2021 - RMF-SG21-3194-6-6
1. Der Mitbewerber hat einen Anspruch darauf, dass der Auftraggeber eine ermessensfehlerfreie Entscheidung darüber trifft, ob ein ungewöhnlich niedriges Angebot angenommen werden kann.*)
2. Ein Antragsteller ist in seinen Rechten verletzt, wenn ein Wertungskriterium bzw. die Unterkriterien intransparent und keiner eindeutigen Auslegung zugänglich sind. Alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens müssen klar, präzise und eindeutig formuliert werden, so dass zum einen alle mit der üblichen Sorgfalt handelnden Unternehmen die genaue Bedeutung dieser Bedingungen und Modalitäten verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können und zum anderen der Auftraggeber tatsächlich überprüfen kann, ob die Teilnahmeanträge oder Angebote die für den betreffenden Auftrag geltenden Kriterien erfüllen.*)
3. Eine Rechtsverletzung des Antragstellers und ein drohender Schaden gem. § 160 Abs. 2 GWB liegt bereits dann vor, wenn der Vortrag des Antragstellers ergibt, dass er im Fall eines ordnungsgemäßen neuerlichen Vergabeverfahrens bessere Chancen auf den Zuschlag haben könnte als in dem beanstandeten Verfahren.*)
VolltextVPRRS 2021, 0169
VK Westfalen, Beschluss vom 05.05.2021 - VK 1-12/21
§ 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB verlangt lediglich, dass hinreichende Anhaltspunkte für eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung vorliegen; Gewissheit über diese Ausschlussgründe muss nicht bestehen.*)
VolltextVPRRS 2021, 0167
OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.06.2021 - 1 U 203/20
1. Zu der Frage der Erforderlichkeit eines Schadenersatzbetrags, der auf der Grundlage eines vergaberechtlichen Auftrags berechnet wird.*)
2. Eine antizipierte Schadenminderungspflicht in Form der Festlegung von Einzelpreisen für bestimmte Maßnahmen besteht im Rahmen eines zulässig gewählten Vergabeverfahrens nicht.*)
VolltextVPRRS 2021, 0165
VK Bund, Beschluss vom 04.06.2021 - VK 2-43/21
Der Auftraggeber kann bei der Schätzung des Auftragswerts von einem vergleichbaren Vorauftrag ausgehen. Dabei sind erkennbare Veränderungen wie z. B. ein generell gestiegenes Preisniveau zu berücksichtigen.
VolltextVPRRS 2021, 0163
OLG Jena, Beschluss vom 09.04.2021 - Verg 2/20
1. Auch wenn das Kindergartenrecht öffentlich-rechtlich geprägt ist, sind die Vergabenachprüfungsinstanzen und nicht die Verwaltungsgerichte zuständig, wenn Streit über die Auswahl des Betreibers besteht. Unerheblich ist auch, ob der zu erteilende Auftrag als privat- oder öffentlich-rechtlicher Vertrag zu qualifizieren ist.
2. Für die Vergabe von Verträgen über den Betrieb eines Kindergartens sieht das Vergaberecht keine Einschränkung seines Anwendungsbereichs vor. Der Betrieb eines Kindergartens unterfällt der Kategorie "Dienstleistungen des Gesundheits- und Sozialwesens und zugehörige Dienstleistungen".
3. Sieht sich der Betreiber des Kindergartens keinem Risiko ausgesetzt, seine Kosten nicht decken zu können, weil diese vom Auftraggeber vollständig ausgeglichen werden, liegt auch keine ausschreibungsfreie Dienstleistungskonzession vor.
VolltextVPRRS 2021, 0153
EuGH, Urteil vom 20.05.2021 - Rs. C-6/20
1. Die Art. 2 und 46 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.03.2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der der öffentliche Auftraggeber in einer Bekanntmachung als qualitatives Auswahlkriterium verlangen muss, dass die Bieter bereits bei Abgabe ihres Angebots den Nachweis erbringen, dass sie über eine Registrierung oder eine Zulassung verfügen, die nach den Vorschriften erforderlich ist, die für die Tätigkeit, die Gegenstand des betreffenden öffentlichen Auftrags ist, gelten, und die von der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats der Ausführung des Auftrags erteilt wurde, auch wenn sie in dem Mitgliedstaat, in dem sie niedergelassen sind, bereits über eine entsprechende Registrierung oder Zulassung verfügen.*)
2. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes ist dahin auszulegen, dass er nicht von einem öffentlichen Auftraggeber geltend gemacht werden kann, der im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags zur Einhaltung der nationalen Vorschriften des Lebensmittelrechts von den Bietern verlangt hat, dass sie bereits bei Abgabe ihres Angebots über eine Registrierung oder eine Zulassung durch die zuständige Behörde des Mitgliedstaats der Auftragsausführung verfügen.*)
VolltextVPRRS 2021, 0156
VK Lüneburg, Beschluss vom 05.02.2021 - VgK-50/2020
1. Der öffentliche Auftraggeber kann unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit einen Bieter zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme ausschließen, wenn der Bieter eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat.
2. Hinzu tritt das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal, dass der zu vergebende Auftrag mit dem früheren Auftrag, in dem die Vertragsverletzung stattgefunden haben soll, vergleichbar sein muss.
3. Gesteht ein Bieter ein, dass er in einem früheren Vertrag eine wesentliche Anforderung erheblich oder fortlaufend mangelhaft erfüllt hat, muss der Auftraggeber ihm die Gelegenheit geben, die Maßnahmen darzulegen, die geeignet sind, weiteres Fehlverhalten zu verhindern.
4. Die Vergabekammer kann im Konsens der Verfahrensbeteiligten die mündliche Verhandlung auch in digitaler Form durchführen.
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