Vergabepraxis & -recht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
4933 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2013
VPRRS 2013, 0031VK Münster, Beschluss vom 17.01.2013 - VK 22/12
1. Die Vergabestelle kann bereits in der Bekanntmachung ihr Ermessen i.S.v. § 19 Abs. 3 SektVO ausüben und die Interessenten darauf hinweisen, dass bestimmte Eignungsnachweise nicht nachgefordert werden.*)
2. Ihre Ermessenserwägungen kann die Vergabestelle auch in einem Nachprüfungsverfahren noch konkretisieren, solange keine Manipulationsgefahr besteht.*)
3. Fehlerhafte Eignungsnachweise, bei denen ganz geringfügige materiell-inhaltliche Auswirkungen nicht ausgeschlossen werden können, sind keine "fehlenden" Erklärungen i.S.v. § 19 Abs. 3 SektVO, so dass keine Nachforderungsmöglichkeit besteht.*)
VolltextVPRRS 2013, 0030
VK Bund, Beschluss vom 20.12.2012 - VK 3-132/12
1. Definiert der Auftraggeber die kaufmännischen Rahmenbedingungen des abzuschließenden Vertrags, indem er neben Pauschalpreiselementen auch solche Vergütungsbestandteile vorgibt, die vom Erfolg des Auftragnehmers abhängig sind, liegt in der Abgabe eines Pauschalpreises eine Abweichung von den Vergabeunterlagen.
2. Werden Preise nicht an der vom Auftraggeber dafür vorgesehenen und damit an der richtigen Stelle angegeben, fehlt es im Rechtssinne an der Angabe des geforderten Preises.
VPRRS 2013, 0029
OLG Naumburg, Beschluss vom 06.12.2012 - 2 Verg 5/12
1. Ein Nachprüfungsantrag ist unzulässig, wenn eine Mehrheit von (einheitlich handelnden) Auftraggebern im Antrag entgegen § 108 Abs. 2 Nr. 2 GWB nicht ordnungsgemäß bezeichnet ist. Die Grundsätze der notwendigen Streitgenossenschaft sind im Nachprüfungsverfahren entsprechend anzuwenden.*)
2. Eine Rubrumsänderung von Amts wegen ist ausgeschlossen, wenn eine versehentliche Falschbezeichnung des Antragsgegners nicht vorliegt und einer ergänzenden Auslegung des Nachprüfungsantrags die eindeutige (einschränkende) Bestimmung des Inhaltsadressaten entgegen steht.*)
3. Eine subjektive Erweiterung des Nachprüfungsantrags entfaltet ihre Wirksamkeit erst mit der Vornahme; sie ist nicht geeignet, nach Versäumung einer als Ausschlussfrist geregelten Antragsfrist (hier § 101b Abs. 2 S. 2 GWB) den Zugang zum vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren wiederzueröffnen.*)
4. Die Vorschrift des § 101b Abs. 2 S. 2 GWB ist im Hinblick auf Art. 2f Abs. 1 lit. a) 1. Anstrich der Richtlinie 89/665/EWG i.d.F. der Richtlinie 2007/66/EG unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass die Bekanntmachung der Auftragsvergabe nur dann die Ausschlussfrist von 30 Kalendertagen in Gang setzt, wenn in der Bekanntmachung die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers begründet wird.*)
VolltextVPRRS 2013, 0027
VK Münster, Beschluss vom 12.09.2012 - VK 18/12
(Ohne amtlichen Leitsatz)
VolltextVPRRS 2013, 0025
VK Nordbayern, Beschluss vom 20.11.2012 - 21.VK-3194-26/12
1. Ein Verstoß gegen die Fristenregelung des § 101a Abs. 1 GWB führt gemäß §101b Abs. 1 GWB zur Unwirksamkeit des beabsichtigten Vertrages von Anfang an.*)
2. Nach § 8 EG Abs. 1 VOL/A ist eine Leistung so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und dass miteinander vergleichbare Angebote zu erwarten sind. Selbst in einem Verhandlungsverfahren muss der Auftraggeber klare Vorstellungen über die Funktionen und Ziele der nachgefragten Leistung haben. Der Auftraggeber hat die Pflicht, den Beschaffungsbedarf mit größtmöglicher Bestimmtheit festzulegen, ebenso müssen Leistungsziel, Rahmenbedingungen und wesentliche Einzelheiten der Leistung feststehen.*)
3. Ohne vor Angebotsabgabe die Zuschlagskriterien festzulegen, kann eine transparente Angebotswertung nicht erfolgen. Darin ist eine Verletzung des Transparenzgrundsatzes zu sehen, die dazu führen muss, dass das Verfahren ab den Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe zu wiederholen ist.*)
VolltextVPRRS 2013, 0023
BVerwG, Beschluss vom 20.12.2012 - 3 B 35.12
1. Der Beantwortung der Frage, ob eine landesrechtliche Regelung zum rettungsdienstlichen Genehmigungsverfahren (hier: zu § 11 RettDG-SA) gegen Vergabe- und Unionsrecht verstößt, kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu.
2. Die Nichtbeachtung von revisiblem Recht bei der Anwendung und Auslegung von irrevisiblem Landesrecht kann eine Zulassung der Revision allenfalls dann rechtfertigen, wenn die Auslegung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundes- oder unionsrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft.
VolltextVPRRS 2013, 0022
VK Düsseldorf, Beschluss vom 09.01.2013 - VK-29/2012-L
1. Die Einführung von tatsächlichen oder vermeintlichen Inhalten des Angebots eines Mitbewerbers in das Nachprüfungsverfahren ist nicht als Beeinträchtigung geschützter Interessen des betroffenen Konkurrenten anzusehen, wenn der Bieter nur das vorträgt, was bei der Vergabekammer ohnehin bewusst wahrgenommen wird.
2. Ziel des TVgG-NRW ist es zu vermeiden, dass Unternehmen bei der Ausführung öffentlicher Aufträge untertariflich entlohnte Beschäftigte einsetzen. Kernelement des Gesetzes ist die Verankerung eines Mindestlohns, um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten. Damit entfaltet die in § 10 Abs. 1 TVgG-NRW ausgesprochene Prüfungspflicht zugleich drittschützende Wirkung.
VolltextVPRRS 2013, 0020
VK Lüneburg, Beschluss vom 26.11.2012 - VgK-40/2012
1. Die Vergabeunterlagen bei Aufforderung zur Teilnahme an einem Verhandlungsverfahren oder zur Teilnahme an einem wettbewerblichen Dialog müssen mindestens alle vorgesehenen Zuschlagskriterien enthalten, einschließlich deren Gewichtung oder die absteigende Reihenfolge der ihnen zuerkannten Bedeutung. Zuschlagskriterien sind dabei einzelne Kriterien mit einem konkreten, sachlichen Bezug zum Auftragsgegenstand. "Bestmögliche Erfüllung der Bedürfnisse und Anforderungen" ist kein geeignetes Zuschlagskriterium.
2. Wird die Gewichtung der Zuschlagkriterien nicht zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Teilnahme am Wettbewerb angegeben, müssen die Gründe hierfür dokumentiert werden.
3. Im Laufe eines wettbewerblichen Dialogs dürfen Zuschlagskriterien nicht mehr geändert, sondern nur konkretisiert werden.
VPRRS 2013, 0018
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 09.10.2012 - 15 Verg 12/11
1. Dienstleistungskonzessionen sind vertragliche Konstruktionen, die sich von einem Dienstleistungsauftrag nur dadurch unterscheiden, dass der Konzessionär das zeitweilige Recht zur Nutzung der ihm übertragenen Dienstleistung erhält und gegebenenfalls die zusätzliche Zahlung eines Preises vorgesehen ist. Charakteristisch für eine Dienstleistungskonzession ist, dass der Konzessionär bei der Verwertung der ihm übertragenen Leistung dergestalt den Risiken des Marktes ausgesetzt ist, dass er das damit einhergehende Betriebsrisiko ganz oder zumindest zu einem wesentlichen Teil übernimmt
2. Ob und inwieweit der Konzessionär das Betriebsrisiko zu einem wesentlichen Teil übernimmt, ist unter Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der konkreten Marktbedingungen und vertraglichen Vereinbarungen zu beurteilen. Wird neben dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung zusätzlich ein Preis gezahlt, kann je nach den Umständen des Einzelfalles zweifelhaft sein, ob der Vertrag als Dienstleistungskonzession oder öffentlicher Dienstleistungsauftrag zu werten ist.
3. Ein Vertrag kann jedenfalls dann nicht als Dienstleistungskonzession angesehen werden, wenn die zusätzliche Vergütung oder Aufwandsentschädigung ein solches Gewicht hat, dass ihr bei wertender Betrachtung kein bloßer Zuschusscharakter mehr beigemessen werden kann.
VPRRS 2013, 0016
OLG München, Beschluss vom 17.01.2013 - Verg 30/12
1. Wird für die Leistungserbringung spezielles Gerät verlangt, so ist es ausreichend, wenn der Bieter durch Eigenerklärung versichert, zu Leistungsbeginn über eine entsprechende Maschine zu verfügen, es sei denn die Vergabeunterlagen verlangen ausdrücklich, dass die Gerätschaften bereits bei Angebotsabgabe vorhanden sein müssen.
2. Rein interne Vorgänge beim Auftragnehmer können keine Rechte der Bieter berühren.
3. Der Auftraggeber ist nicht verpflichtet, genau darzulegen welche Überlegungen für ihn bei der Konzeption der Ausschreibungsbedingungen leitend waren.
VolltextVPRRS 2013, 0014
VK Nordbayern, Beschluss vom 04.12.2012 - 21.VK-3194-29/12
1. Nach § 15 EG Abs. 1 Nr. 1 VOB/A darf der Auftraggeber nach Öffnung der Angebote von einem Bieter Aufklärung verlangen, um sich über seine Eignung, insbesondere seine technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, zu unterrichten. Verweigert ein Bieter die geforderten Aufklärungen und Angaben oder lässt er die ihm gesetzte angemessene Frist unbeantwortet verstreichen, so kann sein Angebot unberücksichtigt bleiben.
Eine gesetzte Frist von 2 Arbeitstagen ist unangemessen. Die VOB/A sagt nichts zur Länge der Frist. Für die Angemessenheit der Frist kommt es auf den Inhalt und den Umfang der verlangten Angebotsaufklärung an, sie ist deshalb jeweils anhand der Umstände des Einzelfalls zu bemessen.*)
2. Lässt der Bieter die ihm gesetzte angemessene Frist unbeantwortet verstreichen, so kann sein Angebot unberücksichtigt bleiben (§ 15 EG Abs. 2 VOB/A). Dies bedeutet, dass es im Ermessen des Auftraggebers liegt, ob er die Fristverletzung mit einem Ausschluss belegt. Wurde bei der Fristsetzung das Ermessen bereits ausgeübt und bei Nichteinhaltung eine Nichtberücksichtung als zwingend festgelegt, muss die Vergabestelle die Bieter auf diese Ausschlussfrist unmissverständlich hinweisen oder sonst kenntlich machen, dass es sich um eine letzte und abschließende Möglichkeit zur Beantwortung eines Aufklärungsverlangens handelt.*)
3. Transport- und Entsorgungsleistungen sind keine Bauleistungen und müssen deshalb nicht mit dem Angebot in der Nachunternehmerliste angegeben werden.*)
VolltextVPRRS 2013, 0011
VK Bund, Beschluss vom 12.12.2012 - VK 3-129/12
1. Nur die Vergabe öffentlicher Aufträge unterliegt der Nachprüfung durch die Vergabekammer. Einer Überprüfung nicht zugänglich sind Sachverhalte, bei denen der Auftraggeber die fragliche Leistung in Eigenleistung und damit selbst erbringt.
2. Ein Vertrag zwischen zwei selbstständigen Rechtspersonen ist kein öffentlicher Auftrag, wenn sich die Beziehung zwischen den Vertragsparteien bei der im Vergaberecht gebotenen funktionalen Betrachtungsweise so darstellt, als würde der Auftraggeber den Auftrag selbst erledigen.
VolltextVPRRS 2013, 0010
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.11.2012 - Verg 8/12
Nicht ordnungsgemäß geforderte Eignungsnachweise dürfen anerkanntermaßen keine Berücksichtigung bei der Eignungsprüfung finden. Die sich danach ergebende Verringerung des Eignungsniveaus ist im Hinblick auf die Durchführbarkeit der Eignungsprüfung gleichwohl vergaberechtlich irrelevant.
VolltextVPRRS 2013, 0009
VGH Hessen, Beschluss vom 11.12.2012 - 8 B 1668/12
Die Vergabe der Rettungsdienstleistungen weist keine Binnenmarktrelevanz auf, wenn sich auf die europaweite Bekanntmachung der Leistungen nur deutsche bzw. Unternehmen mit Sitz auch in Deutschland bewerben.
VolltextVPRRS 2013, 0007
VGH Hessen, Beschluss vom 23.07.2012 - 8 B 2244/11
1. Auf die Vergabe von Rettungsdienstleistungen, die in Hessen als Dienstleistungskonzession vergeben werden (Konzessionsmodell), findet § 97 Abs. 7 GWB weder unmittelbar noch analog Anwendung.*)
2. Das vor Beauftragung eines Dritten nach § 5 Abs. 2 HRDG durchzuführende verwaltungsrechtliche Auswahlverfahren hat den Zweck, den geeignetsten Anbieter von Rettungsdienstleistungen zu finden; Wettbewerb ist in diesem Zusammenhang Mittel und nicht Zweck des Auswahlverfahrens.*)
3. Ein zu Recht vom weiteren Auswahlverfahren ausgeschlossener Anbieter kann sich unter Berufung auf Art. 3 Abs. 1, 12 Abs. 1 bzw. 14 GG oder - bei Binnenmarktrelevanz des Auftrags - auf Art. 49 bzw. 56 AEUV gegen seinen Ausschluss wenden. Es wird jedoch durch eine - nach seiner Auffassung rechtswidrige - Vergabe des Auftrags an einen Dritten nicht in seinen Rechten verletzt.*)
VolltextVPRRS 2013, 0006
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.01.2013 - Verg 26/12
1. Bei der Beschaffung sog. strategischer Partnerschaften (ÖPP) durch kommunale Netzunternehmen besteht eine Ausschreibungspflicht nach GWB, wenn - ungeachtet des gewählten Beteiligungsmodells - der Vertrag jedenfalls (auch) Dienstleistungen zum Gegenstand hat, die wertmäßig den maßgebenden Schwellenwert erreichen oder übersteigen.*)
2. Die Entscheidung für eine Getrennt- oder Zusammenvergabe von Wegekonzession und Eingehung einer ÖPP unterliegt der Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers. Deren Ausübung ist vergaberechtlich nicht zu beanstanden, sofern dafür sachlich gerechtfertigte Gründe vorliegen, die eine Ungleichbehandlung oder Diskriminierung von Bewerbern, und zwar allein wegen der Trennung der Verfahren, ausschließen.*)
3. Eine lediglich befürchtete oder vermutete Voreingenommenheit der Kommune bei der späteren Vergabe der Verteilnetzkonzession rechtfertigt keinen Eingriff in die Ausschreibung der ÖPP.*)
4. Bei Eingehung einer ÖPP sind zugesagte Renditen - als nach § 3 Abs. 2 KAV unzulässige Finanzleistungen - nur zu bewerten, wenn sie als eine spezifische Gegenleistung für die Einräumung von Wegenutzungsrechten vereinbart oder gewährt werden.*)
5. Bei der Vergabe dürfen - dieses mit Blick auf die finanzielle Situation der Kommune und eine Begrenzung ihrer unternehmerischen Risiken - auch wirtschaftliche Ziele sowie kommunale Einflussmöglichkeiten auf das gemeinsame Netzunternehmen berücksichtigt werden.*)
6. Eine marktbeherrschende Stellung der Kommune bei Wegenutzungsverträgen ist einer kommunalen Netzgesellschaft bei Ausschreibung einer strategischen Partnerschaft nicht zuzurechnen.*)
VolltextVPRRS 2013, 0005
OLG Bremen, Beschluss vom 09.10.2012 - Verg 1/12
1. Derjenige, der die ausgeschriebene Dienstleistung bereits bislang durchgeführt hat, ist nahezu zwangsläufig besser mit der Materie vertraut als Außenstehende, die die für das Angebot und die Kalkulation wesentlichen Informationen den Angebotsunterlagen und eigenen Erfahrungswerten entnehmen müssen.
2. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass die Vergabestelle zur Wahrung der Chancengleichheit gezwungen wäre, den bisherigen Dienstleister aus der Ausschreibung auszuschließen. Dies wäre nicht damit zu vereinbaren, dass auch dieser Dienstleister Anspruch auf Gleichbehandlung bei der Auftragsvergabe hat.
3. Es entspräche auch nicht den berechtigten Interessen der Vergabestelle, von Ausschreibung zu Ausschreibung bei Dienstleistungen zu einem Wechsel des Vertragspartners gezwungen zu werden.
VolltextVPRRS 2013, 0004
VG Halle, Urteil vom 15.11.2012 - 1 A 27/11
Die Pflicht zur wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung von Zuwendungen gebietet es dem Zuwendungsempfänger, eingeräumte Skonti auch zu nutzen.*)
VolltextVPRRS 2013, 1836
VK Sachsen, Beschluss vom 06.09.2013 - 1/SVK/028-13
1. Ein Bieter muss bei Angebotsabgabe nicht unbedingt über alle technischen und personellen Kräfte verfügen oder stets eine den ausgeschriebenen Auftrag abdeckende logistische Reserve vorweisen oder bspw. sämtliche Räumlichkeiten vorhalten die er für die Ausführung des Auftrages benötigt. Es genügt, dass der Bieter in der Lage ist, sich bis zur Auftragserteilung die erforderlichen Mittel zu beschaffen. Ansonsten wären die Bieter in Unkenntnis darüber, ob sie den Auftrag erhalten oder nicht, zu Investitionen gezwungen, die sich für den Fall, dass sie den Auftrag nicht erhalten, als wirtschaftlich unsinnig erweisen.*)
2. Die Eignungsprüfung des öffentlichen Auftraggebers hat sich auch darauf zu erstrecken, ob ein Bieter auch rechtlich in der Lage ist, die ausgeschriebene Leistung zu erbringen. Dies gilt jedenfalls in solchen Fällen, in denen bspw. aufgrund des sensiblen Leistungsgegenstandes (Entsorgung kontaminierter Böden und Wassergemische) die Leistungsfähigkeit eines Bieters in dieser Hinsicht zweifelhaft erscheint.*)
3. Ein Bieter ist an seine einmal abgegebene Erklärung zur Eignung resp. Leistungsfähigkeit gebunden. Maßgeblicher Zeitpunkt der Beurteilung der Leistungsfähigkeit ist zunächst der Zeitpunkt, in welchem die Angebote abzugeben bzw. nachgeforderte Unterlagen vorzulegen waren und die Aufklärungsverhandlungen abgeschlossen sind. Denn dann kann der öffentliche Auftraggeber anhand der vorliegenden Unterlagen feststellen, welches Angebot das wirtschaftlich günstigste ist und ob die Bieter geeignet sind. Die Vergabestelle darf einem Bieter nicht so lange und so oft Gelegenheit geben, sein Angebot bzw. seine Unterlagen nachzubessern, bis dieser alle Anforderungen der Ausschreibung erfüllt.*)
VolltextVPRRS 2013, 0003
VK Bund, Beschluss vom 23.05.2002 - VK 2 - 16/02
(ohne amtlichen Leitsatz)
VolltextVPRRS 2013, 0002
VK Bund, Beschluss vom 18.10.2012 - VK 2-77/12
1. Das Gebot der Berücksichtigung mittelständischer Interessen (Mittelstandsklausel) gilt auch im Bereich der Hilfsmittelbeschaffung durch gesetzliche Krankenkassen.
2. Ob ein Unternehmen groß oder mittelständisch ist, entscheidet sich nicht nach statischen Kriterien, sondern unter wettbewerblichen Gesichtspunkten nach den jeweils herschenden Marktverhältnissen, die auf unterschiedlichen Märkten unterschiedlich ausgeprägt sein können.
3. Von einem öffentlichen Auftraggeber kann keine umfassende, in der Sache vollkommen und mit absoluter Sicherheit zutreffende Marktanalyse erwartet werden. Es reicht aus, wenn sie plausibel und im Vergabeverfahren hinreichend mit Tatsachenfeststellungen belegt ist.
4. Werden im Vergabeverfahren Gebietslose definiert, in denen ein Bieter ein Exklusivrecht zur Leistungserbringung erhält, so liegt ein möglicher Zuwachs bei den Fallzahlen in der Natur der Sache. Die sich daraus ergebenden logistischen und betriebswirtschaflichen Schwierigkeiten müssen jedem Bieter von vornherein bekannt sein.
VolltextVPRRS 2013, 0001
VK Bund, Beschluss vom 12.11.2012 - VK 1-109/12
1. Werden in einen bestehenden Vertrag neue Bedingungen eingeführt, die die Zulassung anderer Bieter oder die Annahme eines anderen Angebots erlaubt hätten, oder wird der Auftrag in großem Umfang auf ursprünglich nicht vorgesehene Dienstleistungen erweitert, sind diese Änderungen des bestehenden Vertrags so wesentlich, dass es sich um eine neue Vergabe eines öffentlichen Auftrags handelt.
2. Der Auftraggeber kann Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb vergeben, wenn ein Auftragnehmerwechsel infolge erneuter Vergabe zu technischen Problemen und Unvereinbarkeiten führen würde. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn der Auftragnehmerwechsel lediglich zu rechtlichen Problemen infolge vertraglicher Bindungen führen würde.
3. Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb ist auch in Fällen besonderer Dringlichkeit zulässig. Dies heißt jedoch nicht, dass der Auftraggeber nur mit einem Bieter in Kontakt kommen soll. Vielmehr gebietet der Wettbewerbsgrundsatz, dass der Auftragnehmer auch bei anderen Bietern Angebote einholen kann, wenn dies sinnvoll ist und zu keiner zeitlichen Verzögerung führt.
VolltextOnline seit 2012
VPRRS 2012, 0438OLG München, Beschluss vom 06.12.2012 - Verg 25/12
1. Zur Frage, wann eine Aufhebung der Ausschreibung wegen grundlegender Änderungen der Vergabeunterlagen rechtmäßig ist.*)
2. Bei einer produktspezifischen Ausschreibung kann der Bieter ein zweites Hauptangebot einreichen, welches andere Fabrikate enthält als das vorgesehene Leitfabrikat.*)
VolltextVPRRS 2012, 0455
VK Köln, Beschluss vom 04.10.2012 - VK VOF 18/2012
Fehlende Antragsbefugnis wegen Nichtabgabe eines Angebots; Projektantenproblematik wegen Vorbefassung.*)
VolltextVPRRS 2012, 0437
EuGH, Urteil vom 19.12.2012 - Rs. C-159/11
Das Recht der Union über die Vergabe öffentlicher Aufträge steht einer nationalen Regelung entgegen, die es erlaubt, ohne Ausschreibung einen Vertrag zu schließen, mit dem öffentliche Einrichtungen eine Zusammenarbeit vereinbaren, wenn - was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist - ein solcher Vertrag nicht die Wahrnehmung einer diesen Einrichtungen gemeinsam obliegenden öffentlichen Aufgabe zum Gegenstand hat, nicht nur durch Erfordernisse und Überlegungen bestimmt wird, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammenhängen, oder geeignet ist, einen privaten Dienstleistungserbringer besser zu stellen als seine Wettbewerber.*)
VolltextVPRRS 2012, 0436
VK Lüneburg, Urteil vom 03.09.2012 - VgK-29/2012
1. Eine geforderte Darstellung branchenüblicher begleitender Dienstleistungen genügt den Anforderungen an die Leistungsbeschreibung, wenn sie sich auf in der Branche bekannte Stichworte beschränkt.
2. Funktionale Leistungsbeschreibungen und pauschalierte einheitliche Versorgungspreise als Mittel der Kostensenkung im Gesundheitswesen sind nicht vergaberechtswidrig.
3. Ein im öffentlichen Auftragswesen erfahrener Bieter muss hinreichend eigene Rechtskenntnisse besitzen, um auch ohne anwaltliche Beratung die Problematik eines einheitlichen Versorgungspreises und unverständlichen Managementkonzepts zu erkennen. Anders ist dies, wenn eine atypische Marktsituation vorliegt.
4. Es besteht keine Verpflichtung des Bieters zur zeitnahen Durchsicht der Vertragsunterlagen im Hinblick auf etwaige Vergabeverstöße.
VolltextVPRRS 2012, 0435
OLG München, Beschluss vom 06.12.2012 - Verg 29/12
1. Bei der Auslegung der Rüge eines nicht anwaltlich vertretenen Bieters ist in höherem Maße wie bei einem Anwaltsschriftsatz darauf abzustellen, was der Bieter vernünftigerweise meint und will.*)
2. Zur Begründung der Entscheidung, dass ein Bieter einen unangemessen hohen Preis verlangt, darf jedenfalls dann auch auf Erkenntnisse aus einem nachfolgenden Verhandlungsverfahren zurückgegriffen werden, wenn eine Nichtberücksichtigung dieser Erkenntnisse mutmaßlich letztlich zu keinem anderen Ergebnis führen würde.*)
VPRRS 2012, 0434
VK Lüneburg, Beschluss vom 03.09.2012 - VgK-28/2012
1. Der Bieter ist nicht zur zeitnahen Durchsicht der Vertragsunterlagen verpflichtet. Etwas anderes kann dann gelten, wenn er detailierte Kenntisse von einem möglichen Vergabeverstoß hat.
2. Ein im öffentlichen Auftragswesen erfahrener Bieter muss auch ohne anwaltliche Beratung den Unterschied zwischen einem offenen Verfahren und einem nicht offenen Verfahren mit vorheriger öffentlicher Aufforderung zur Teilnahme erkennen können. Anders ist dies nur, wenn es sich um eine atypische Marktsituation handelt.
3. Wird die Lieferung von nur funktional beschriebenen Produkten zusammen mit der Lieferung des gesamten Zubehörs und der zugehörigen Dienstleistungen vergeben, ist das Verfahren mit vorheriger öffentlicher Aufforderung zur Teilnahme zulässig, weil die vertraglichen Spezifikationen nicht hinreichend genau festgelegt werden können.
4. Der Abschluss eines Rahmenvertrages ohne garantierte Abnahmeverpflichtung stellt kein ungewöhnliches Wagnis dar, wenn eine Bevorratung mit den ausgeschriebenen Produkten weder besondere Lagerstätten erfordert, noch es mit gravierenden Bedarfsschwankungen zu rechnen ist.
VolltextVPRRS 2012, 0433
VK Nordbayern, Beschluss vom 19.09.2012 - 21.VK-3194-17/12
1. Im Rahmen der Prüfung, ob vom künftigen Auftragnehmer die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen erwartet werden kann, hat die Vergabestelle eine Prognoseentscheidung zu treffen. Hierbei hat die Vergabestelle einen Beurteilungsspielraum, der von der Nachprüfungsinstanz nur daraufhin überprüft werden kann, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten worden ist, ob der Auftraggeber die von ihm selbst aufgestellten Bewertungsvorgaben beachtet hat, der zugrunde liegende Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt worden ist, keine sachwidrigen Erwägungen angestellt worden sind und nicht gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen worden ist.*)
2. Die Mitwirkung eines Sachverständigen oder Beraters am Vergabeverfahren und an der Vorbereitung der Entscheidung über den Zuschlag ist zulässig. Sie darf jedoch die Grenze bloßer Unterstützung nicht überschreiten. Der Berater soll die objektiven Entscheidungsgrundlagen aufklären, die in der fachlichen Praxis als für die vorzunehmende Beurteilung maßgeblich und geeignet angesehen werden und diese für den Auftraggeber nachvollziehbar darlegen.*)
3. Eine mangelhafte Dokumentation alleine stellt jedoch noch keine Verletzung der Bieterrechte dar, sondern dies ist nur dann der Fall, wenn sich aus der fehlenden Dokumentation kausal eine Verletzung von Bieterrechten ableiten lässt.*)
VolltextVPRRS 2012, 0431
VK Bund, Beschluss vom 21.11.2012 - VK 3-126/12
1. Der Begriff der wettbewerbswidrigen Abrede ist weit auszulegen. Er ist nicht auf gesetzwidriges Verhalten beschränkt, sondern erfasst alle Verhaltensweisen eines Bieters, die mit dem vergaberechtlichen Wettbewerbsverbot unvereinbar sind.
2. Mit dem vergaberechtlichen Wettbewerbsgebot ist es insbesondere unvereinbar, wenn ein Bieter, dem das Angebot oder zumindest wesentliche Angebotsgrundlagen eines Mitbewerbers um den Zuschlag bekannt sind, am Bieterwettbewerb teilnimmt.
VPRRS 2012, 0426
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.11.2012 - Verg 12/12
1. Die Angabe eines Preises von 0,00 Euro ist jedenfalls dann eine Preisangabe im vergaberechtlichen Sinn, wenn der Bieter diese näher begründet oder erläutert hat. Eine solche Begründung oder Erläuterung stellt keine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen dar.
2. Der Begriff der "fehlenden" Erklärungen in § 11 Abs. 3 VOF ist weit auszulegen und umfasst auch fehlende Preisangaben.
3. Die Vorschrift des § 11 Abs. 3 VOF räumt dem Auftraggeber kein Ermessen ein. Fehlen Preisangaben, ist der Auftraggeber dazu verpflichtet, diese beim Bieter nachzufordern.
VolltextVPRRS 2012, 0425
VK Lüneburg, Beschluss vom 10.07.2012 - VgK-21/2012
1. Um einen möglichst breiten Wettbewerb zu ermöglichen ist die umfassende Zulassung von Bietergemeinschaften zu Vergabeverfahren sachgerecht. Hinsichtlich Leistungsfähigkeit und Fachkunde kommt es dabei auf die Bietergemeinschaft insgesamt an. Die Tatsache, dass in einer aus mehreren Unternehmen bestehenden Bietergemeinschaft ein Unternehmen beteiligt ist, das erst seit kurzem existiert und deshalb geforderte Nachweise für eine Mindestzahl an Geschäftsjahren nicht vorweisen kann, führt daher nicht automatisch zur mangelnden Eignung der Bietergemeinschaft als Ganzes.
2. In Bezug auf die Zuverlässigkeit einer Bietergemeinschaft liegt es im berechtigten Interesse des Auftraggebers, dass jedes Mitglied der Bietergemeinschaft seine Zuverlässigkeit einzeln nachweist.
3. Bewerber, die im Vergabeverfahren vorsätzlich unzutreffende Erklärungen in Bezug auf ihre Eignung (Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit) abgegeben haben, können aus der Wertung ausgeschlossen werden. Es ist dem Auftraggeber überlassen zu entscheiden, ob sein Vertrauensverhältnis durch die Falschangaben so nachhaltig gestört ist, dass eine vertragliche Bindung nicht mehr zumutbar ist.
4. Erscheint dem Auftraggeber ein Angebot im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig, hat er vom Bieter Aufklärung zu verlangen und das Ergebnis bei der Entscheidung zu berücksichtigen.
5. Ein unangemessen niedriger Preis kann sich aufgrund eines Vergleichs mit den Konkurenzpreisen oder aufgrund von Erfahrungswerten ergeben. Dabei gibt es keine starren Grenzen, nach denen sich die Unangemessenheit eines Preises bemisst. Als Orientierung kann eine Differenz zum nächsthöheren Preis von mehr als 10% bei öffentlichen Bauaufträgen und von mehr als 20% im Liefer- und Dienstleistungsbereich gelten.
VolltextVPRRS 2012, 0423
OLG Koblenz, Beschluss vom 29.11.2012 - 1 Verg 6/12
Macht der Auftraggeber zur Bedingung für die Auftragsvergabe, dass der Auftragnehmer eine Zahlungsverpflichtung einzugehen hat, mit der faktisch eine umstrittene Forderung des Auftraggebers gegen einen Dritten erfüllt werden soll, handelt es sich um eine zusätzliche Anforderung an den Auftragnehmer, die nicht durch § 97 Abs. 4 S. 2, 3 GWB gedeckt und deshalb vergaberechtswidrig ist.*)
VolltextVPRRS 2012, 0422
VK Lüneburg, Beschluss vom 18.09.2012 - VgK-36/2012
1. Das Nachprüfungsverfahren dient nicht der allgemeinen Rechtmäßigkeitskontrolle. Es ist als Antragsverfahren ausgestaltet und verlangt grundsätzlich, dass der Antragsteller die Vergabefehler bezeichnet, die er zur Überprüfung stellen will.
2. Vergaberechtsfehler von Amts wegen aufzugreifen, kommt nur in Betracht, wenn ein Fehler vorliegt, der es unmöglich macht, das Vergabeverfahren fortzusetzen.
3. Der Auftraggeber hat in den Bewerbungsbedingungen oder der Aufforderung zur Angebotsabgabe nur die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung anzugeben, nicht jedoch Rechenwege offen zu legen. Allerdings kann ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vorliegen, wenn der nicht offengelegte Rechenweg einen Bieter daran hindert, sein Angebot optimal auf das Anforderungsprofil des Auftraggebers auszurichten.
VolltextVPRRS 2012, 0421
VK Bund, Beschluss vom 09.03.2012 - VK 2-175/11
1. Es ist hinreichend transparent und vergaberechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Auftraggeber in der Vergabebekanntmachung zu 50% auf das Wertungskriterium "Qualität" und zu 50% auf das Wertungskriterium "Preis" abstellt.
2. Das vergaberechtliche Transparenzgebot gebietet, dass der Auftraggeber neben den Zuschlagskriterien grundsätzlich auch deren Gewichtung im Voraus festlegt und publik macht. Diese Pflicht zur Bekanntgabe umfasst alle Informationen, die kalkulationserheblich sein können, also in aller Regel auch die Unterkriterien und deren Gewichtung einschließlich einer Bewertungsmatrix, soweit eine solche vorhanden ist.
VolltextVPRRS 2012, 0418
VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 19.10.2012 - VK-SH 28/12
1. Der öffentliche Auftraggeber hat unter Ausschöpfung seines Beurteilungsspielraums nachvollziehbar zu begründen und zu dokumentieren, dass objektive Gründe für die Notwendigkeit bestimmter Markenprodukte bestehen und damit ein Abweichen vom Gebot der Produktneutralität zulässig ist.*)
2. Bei der Entscheidung für eine Gesamtvergabe und gegen das Gebot der Losaufteilung gem. § 97 Abs. 3 Satz 3 GWB hat eine eingehende und für die Vergabenachprüfungsinstanz nachvollziehbare Abwägung unter Beachtung des Regel -Ausnahme-Verhältnisses zu erfolgen.*)
3. Eine unwirtschaftliche Zersplitterung als Rechtfertigung für eine Gesamtvergabe liegt nicht schon deshalb vor, weil das kleinere von insgesamt zwei Losen unter dem Schwellenwert für eine europaweite Ausschreibung läge und gemessen am Gesamtvolumen des Auftrags 10 Prozent ausmacht.*)
VolltextVPRRS 2012, 0416
EuGH, Urteil vom 29.11.2012 - Rs. C-182/11
In einem Fall, in dem mehrere öffentliche Stellen in ihrer Eigenschaft als öffentliche Auftraggeber gemeinsam eine Einrichtung zur Erfüllung ihrer Gemeinwohlaufgabe errichten oder eine öffentliche Stelle einer solchen Einrichtung beitritt, ist die durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union aufgestellte Voraussetzung für die Befreiung dieser Stellen von ihrer Verpflichtung, ein Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge nach den Vorschriften des Unionsrechts durchzuführen, nämlich dass diese Stellen über die Einrichtung gemeinsam eine Kontrolle wie über ihre eigenen Dienststellen ausüben, erfüllt, wenn jede dieser Stellen sowohl am Kapital als auch an den Leitungsorganen der Einrichtung beteiligt ist.*)
VolltextVPRRS 2012, 0415
VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 23.08.2012 - VK-SH 21/12
1. Die Voraussetzungen des § 101 b Abs. 2 GWB müssen nicht kumulativ vorliegen, vielmehr genügt es, dass eine der Alternativen gegeben ist. Die Regelung der 6-Monatsfrist des § 101 b Abs. 2 GWB dient nicht dem Zweck, dem Bieter auch bei früher positiver Kenntnis weitere 5 Monate Bedenkzeit zu gewähren, sondern dient der Schaffung von Rechtssicherheit für den Auftraggeber spätestens nach einem halben Jahr unabhängig von jeglicher Kenntnis. Sie kann daher nicht alternativ für den Fall genutzt werden, dass der Antrag nach § 101 b GWB aufgrund der 30-Tage-Regelung unzulässig ist.*)
2. Die Vergabekammer kann bei Unzulässigkeit des Antrages auch dann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, wenn sie den Antrag nach § 110 Abs. 2 Satz 1 GWB zugestellt - und damit eine offensichtliche Unzulässigkeit verneint - hat und erst später nach vertiefter Prüfung der Sach- und Rechtslage zur Überzeugung von der Unzulässigkeit des Antrags gelangt.*)
VolltextVPRRS 2012, 0413
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.11.2012 - Verg 24/12
1. Bei der Vergabe von Reinigungsleistungen stellt das Fehlen von Regelungen über eine Beteiligung des Auftragnehmers an Mängelfeststellungen sowie über Nachbesserungsrechte keine unzumutbare Risikoverlagerung dar, wenn das Ausschreibungskonzept des Auftraggebers darauf angelegt ist, im Sinn einer qualitätsorientierten Reinigung einen definierten Sauberkeitsstandard zu erreichen, und Nachbesserungen durch Folgereinigungen stattfinden.*)
2. Kraft seiner Bestimmungsfreiheit hinsichtlich der Regularien der Ausschreibung kann der Auftraggeber eine Loslimitierung vorsehen (im Anschluss an OLG Düsseldorf, Beschl. v. 07.12.2011 - Verg 88/11). Er darf diejenige Form der Loslimitierung wählen (Angebots- oder Zuschlagslimitierung), die ihm zweckmäßig erscheint. Dies ist nur beschränkt zu kontrollieren.*)
3. Die Darstellung eines Schulungskonzepts kann als Zuschlagskriterium herangezogen werden, sofern dieses im Rahmen der Konzeption der Ausschreibung Bestandteil der Dienstleistung (hier einer qualitätsorientierten Reinigung) ist.*)
VolltextVPRRS 2012, 0412
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.09.2012 - Verg 31/12
Bei Beschaffungsvorhaben, die wegen ihrer Komplexität eine Vielzahl von zum Teil schwierigen und erörterungsbedürftigen Rechtsfragen aufwerfen, ist eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung eher weniger zu erwarten.
VolltextVPRRS 2012, 0411
VK Lüneburg, Beschluss vom 04.10.2012 - VgK-38/2012
1. Von der Teilnahme am Wettbewerb können solche Bewerber ausgeschlossen werden, die im Vergabeverfahren vorsätzlich unzutreffende Erklärungen in Bezug auf ihre Eignung abgegeben haben. Durch diese Vorschrift sollen solche Bewerber ausgeschlossen werden können, die aufgrund ihres Verhaltens gegenüber dem Auftraggeber nicht vertrauenswürdig erscheinen.
2. Neben der aktiven Abgabe unzutreffender Erklärungen wird das Vertrauen öffentlicher Auftraggeber in gleicher Weise erschüttert, wenn der Bewerber die Abgabe von Erklärungen gezielt unterlässt. Der Ausschlusstatbestand ist deshalb auch erfüllt, wenn ein Bewerber falsche bzw. unvollständige Angaben aufrecht erhält bzw. nicht korrigiert hat. Denn auch dann verhindert der Bewerber, dass sich der Auftraggeber ein zutreffendes und vollständiges Bild von der Eignung machen kann.
VolltextVPRRS 2012, 0409
OLG München, Beschluss vom 22.11.2012 - Verg 24/12
1. Ein atypischer Nachprüfungsantrag nach § 107 Abs.3 S.1 Nr.4 GWB ist nur zulässig, wenn eine Nichtabhilfemitteilung ergangen ist.*)
2. Der Streitwert des atypischen Nachprüfungsverfahrens nach § 107 Abs.3 S.1 Nr.4 GWB kann gegenüber dem Regelstreitwert (§ 50 Abs.2 GKG) herabgesetzt werden.*)
VolltextVPRRS 2012, 0403
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31.10.2012 - Verg 17/12
1. Es ist Sache des Bieters, Zweifel an der Auskömmlichkeit seines Angebotes zu entkräften.
2. Eine Legaldefinition, was "Nachweise" im vergaberechtlichen Sinne sind, enthält die VOL/A nicht. Welche Unterlagen neben Eigenerklärungen als Nachweise beizubringen sind, kann die Vergabestelle in der Bekanntmachung und/oder den Vergabeunterlagen konkretisieren.
3. Konkretisiert die Vergabestelle die Anforderungen an vom Bieter zu stellende Nachweise nicht, kann sie einen Bieter nicht mit der Begründung ausschließen, er habe seiner Nachweispflicht nicht genügt.
VolltextVPRRS 2012, 0402
VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 20.07.2012 - VK-SH 16/12
1. "Nachgefordert" im Sinne des § 19 EG Absatz 2 Satz 1 VOL/A und somit fehlen können nur solche Nachweise, die überhaupt eindeutig mit Angebotsabgabe gefordert gewesen sind. Will ein Auftraggeber den Ausschluss eines Angebots auf einen fehlenden Nachweis stützen, muss dieser Nachweis unmissverständlich mit Angebotsabgabe gefordert gewesen sein.*)
2. Die vorherige Bekanntgabe der Zuschlagskriterien samt Gewichtung soll die Bewerber in die Lage versetzen zu erkennen, worauf es dem Auftraggeber in welchem Maße ankommt. Zur Vermeidung von Manipulationsmöglichkeiten ist mit der Bekanntgabe der Zuschlagskriterien sowie der Gewichtung dieser Zuschlagskriterien untereinander eine Selbstbindung des Auftraggebers verbunden.*)
3. Stellt der öffentliche Auftraggeber für ein qualitatives Zuschlagskriterium einen Fragenkatalog mit 106 gewünschten Merkmalen auf, zu denen die Bieter jeweils mit Ja oder Nein anzugeben haben, ob sie das jeweilige Merkmal anbieten, stellt es einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot dar, wenn der öffentliche Auftraggeber ein Angebot, das lediglich 86 dieser Merkmale erfüllt, mit der gleichen Punktzahl bewertet wie ein Angebot, das 102 dieser Merkmale erfüllt. Insofern liegt ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot auch dann vor, wenn Ungleiches ohne sachlichen Grund gleich behandelt wird.*)
VolltextVPRRS 2012, 0399
VK Bund, Beschluss vom 16.05.2012 - VK 1-37/12
(ohne amtlichen Leitsatz)
VolltextVPRRS 2012, 0447
VK Bund, Beschluss vom 21.09.2012 - VK 3-102/12
Beim Abschluss von Rabattvereinbarungen ist es nicht zu beanstanden, wenn die nachfragende Krankenkasse auf die N-Größen nach der PackungsV abstellt.
VolltextVPRRS 2012, 0396
VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 02.12.2011 - 1 VK 6/11
(Ohne amtlichen Leitsatz)
VolltextVPRRS 2012, 0395
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 03.09.2012 - 8 LA 187/11
1. Die Wahl der falschen Verfahrensart stellt einen schwerwiegenden Vergaberechtsverstoß dar, der den Zuwendungsgeber zur (teilweisen) Rückforderung der gewährten Zuwendung berechtigt.
2. Ob das Fehlverhalten dem Zuwendungsempfänger auch subjektiv vorzuwerfen ist, also auch ein schuldhafter Verstoß vorliegt, ist unerheblich.
VolltextVPRRS 2012, 0446
VK Bund, Beschluss vom 26.10.2012 - VK 2-107/12
1. Weder das spezielle sozialrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot (SGB V §§ 2, 12) noch das allgemeine haushaltsrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot sind bieterschützend.
2. Bei Arzneimittelausschreibungen durch gesetzliche Krankenkassen kommt es aus vergaberechtlicher Sicht entscheidend darauf an, ob die fraglichen Produkte aus medizinischer Sicht – also aus Sicht des verordnenden und somit im wirtschaftlichen Sinne nachfragenden Arztes – für austauschbar gehalten werden; ist dies der Fall, so besteht insoweit auch ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den fraglichen Produkten, so dass die entsprechenden Angebote auch im Sinne des § 8 EG Abs. 1 VOL/A miteinander vergleichbar sind.
VolltextVPRRS 2012, 0393
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 12.11.2012 - 13 ME 231/12
1. Überwiegendes spricht dafür, dass sich ein Rettungsdienstträger in einem verwaltungsrechtlichen Auswahlverfahren zur Erteilung einer Dienstleistungskonzession für die Durchführung des bodengebundenen Rettungsdienstes bei derzeit fehlenden speziellen rechtlichen Vorgaben an die existierenden Bestimmungen des förmlichen Vergaberechts anlehnen kann. Daraus ergibt sich, dass auch formelle Ausschlussfristen festgelegt werden dürfen, innerhalb derer vollständige Bewerbungsunterlagen vorzulegen sind.*)
2. Eine weithin greifende Vorverlagerung des gerichtlichen Rechtsschutzes "nicht zum Zuge gekommener" Dritter in den Zeitraum zwischen Auswahlentscheidung und Erlass eines Verwaltungsakts oder Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages kennt das allgemeine Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrecht im Gegensatz zum Vergaberecht nicht.*)
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