Vergabepraxis & -recht.

Volltexturteile nach Sachgebieten
4952 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2013
VPRRS 2013, 0079
Generalanwalt beim EuGH, Schlussanträge vom 15.12.2011 - C-368/10
1. Nach der Richtlinie 2004/18 ist die Berücksichtigung ökologischer und sozialer Belange in Vergabeverfahren durch den öffentlichen Auftraggeber durchaus zulässig, was eine Bezugnahme in den Ausschreibungsbedingungen auf Gütezeichen aus den Bereichen Umwelt und fairer Handel ausdrücklich einschließt.
2. Allerdings darf der öffentliche Auftraggeber nicht verlangen, dass die an ihn zu liefernden Waren ein ganz konkretes Gütezeichen tragen, sondern muss andere Gütezeichen und auch Waren ohne jedes Gütezeichen zulassen, sofern ihre Umwelteigenschaften und die Bedingungen, unter denen sie hergestellt und gehandelt werden, den vom öffentlichen Auftraggeber gestellten Anforderungen gleichwertig sind.
3. Außerdem darf der öffentliche Auftraggeber bei der Vergabe seines Auftrags nicht die allgemeine Einkaufspolitik der Bieter berücksichtigen, sondern nur ihr Einkaufsverhalten in Bezug auf die konkret zu liefernden Produkte. Verlangt der öffentliche Auftraggeber von den Bietern Informationen und Nachweise zur Nachhaltigkeit ihrer Produkte und ihrer Geschäftspolitik, so muss diese Anforderung einen hinreichenden Bezug zum Auftragsgegenstand haben und konkret abgefasst sein.

VPRRS 2013, 0078

OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.08.2010 - Verg W 5/09
Ein Mangel in der Dokumentation eines Vergabeverfahrens führt dazu, dass bei allen Vorgängen, deren Rekonstruktion misslingt bzw. mit Zweifeln behaftet bleibt, der Bewertung des Vergabeverfahrens diejenige tatsächliche Alternative zugrunde zu legen ist, die nach dem unstreitigen Vorbringen und dem schlüssigen Vorbringen des Antragstellers möglich erscheint.

VPRRS 2013, 0067

VK Bund, Beschluss vom 30.11.2012 - VK 2-131/12
1. Die Rügeobliegenheit entsteht erst mit der Erlangung der positiven Kenntnis von dem im Nachprüfungsverfahren geltend gemachten Vergabeverstoß. Zur Kenntnis gehört zum einen das Wissen von denjenigen Tatsachen, aus denen sich der geltend gemachte Vergabefehler ergibt; notwendig ist außerdem die zumindest laienhafte rechtliche Wertung, dass es sich in dem betreffenden Punkt um ein rechtlich zu beanstandendes Vergabeverfahren handelt.
2. Der Begriff der wettbewerbsbeschränkenden Abrede ist mit Blick auf den Wettbewerbsgrundsatz weit auszulegen. Er ist nicht auf gesetzeswidriges Verhalten beschränkt, sondern umfasst auch alle sonstigen Absprachen und Verhaltensweise eines Bieters, die mit dem vergaberechtlichen Wettbewerbsgebot unvereinbar sind. Deshalb ist bereits die bloße Verletzung des Vertraulichkeitsgrundsatzes, das heißt die Kenntnis vom Inhalt eines konkurrierenden Angebots, als ausschlussbegründender Verstoß gegen den Leistungswettbewerb angesehen.
3. Allein der Umstand, dass ein Bieter ein eigenes Angebot einreicht und zugleich bei einem anderen Angebot als Nachunternehmer eingesetzt werden soll, genügt nicht einmal bei Konkurrenz um ein und denselben Auftrag, um daraus die für einen Angebotsausschluss erforderliche Kenntnis der Bieter vom Inhalt des jeweils anderen Angebots und damit einen Verstoß gegen den Geheimwettbewerb schlussfolgern zu können.

VPRRS 2013, 0065

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.04.2012 - Verg 9/12
(ohne amtlichen Leitsatz)

VPRRS 2013, 0063

VK Bund, Beschluss vom 30.05.2012 - VK 2-41/12
(ohne amtlichen Leitsatz)

VPRRS 2013, 0060

VK Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27.08.2012 - VK 2-23/12
1. Ein öffentlicher Auftraggeber, der im Hinblick auf die Eignungsprüfung die Vorlage bestimmter Unterlagen als Mindestanforderung verlangt, ist hieran gebunden und darf nicht zugunsten eines Bieters auf die Erfüllung der Mindestanforderung verzichten.
2. Der dem öffentlichen Auftraggebern bei der Eignungsprüfung grundsätzlich zustehende Beurteilungs- und Ermessensspielraum wird durch die Festlegung von Mindestanforderungen eingeengt. Erfüllt ein Bieter die Mindestanforderungen nicht, ist er zwingend von der Wertung auszuschließen

VPRRS 2013, 0054

VK Bund, Beschluss vom 27.04.2011 - VK 2-33/11
(ohne amtlichen Leitsatz)

VPRRS 2013, 0053

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.06.2011 - Verg 52/11
(Ohne amtlichen Leitsatz)

VPRRS 2013, 0050

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.12.2012 - Verg 29/12
1. Die Vergabebekanntmachung muss Mindestanforderungen konkret bezeichnen und darf sich nicht damit begnügen, auf die Vergabeunterlagen zu verweisen.
2. Bei der Forderung nach polizeilichen Führungszeugnissen der eingesetzten Mitarbeiter handelt es sich um eine (Mindest-) Eignungsanforderung, weil die persönliche Integrität von Mitarbeitern die Zuverlässigkeit des Bieters berührt.
3. Der Auftraggeber kann Mindestanforderungen an die Eignung nur stellen, wenn sie in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen und ihm angemessen sind. Diese Voraussetzungen sind bei der Forderung nach polizeilichen Führungszeugnissen im Zusammenhang mit der Reinigung von Räumen einer Universität nicht erfüllt.

VPRRS 2013, 0046

VK Hessen, Beschluss vom 27.04.2012 - 69d VK-12/2012
1. Eine Vorgabe in den Verdingungsunterlagen, die den automatischen Ausschluss eines Angebots für den Fall vorsieht, dass die Gewährung eines Skontos zur Unterschreitung eines Mindest-Stundenverrechnungssatzes führt, ist nicht zulässig. Dies würde die Einführung eines eigenständigen Ausschlussgrundes in das Vergabeverfahren durch den Antragsgegner bedeuten, der durch die VOL/A EG nicht vorgesehen ist und einen Bieter in seiner Kalkulationsfreiheit beschränken würde, (vgl. 1. VK Bund, Beschluss vom 27. Dezember 2011 – Az.: VK 1 – 159/11 - ; ebenso 2. VK Bund, Beschluss vom 4. Juli 2011 – Az.: VK 2 – 61/11 - jeweils zitiert nach juris).*)
2. Auch eine Überprüfung des Angebotes auf Einhaltung des Stundenverrechnungssatzes ist nicht angezeigt, denn der Skonto hat grundsätzlich keinen Einfluss auf einen Stundenverrechnungssatz. Bei der Gewährung eines Skontos handelt es sich nicht um einen Preisnachlass, sondern vielmehr um den aufschiebend bedingten Teilerlass der Forderung für den Fall fristgerechter Zahlung. Der Skonto ist die Inaussichtstellung einer Prämie für zügige bzw. fristgerechte Zahlung, also eine Zahlungsmodalität, die weder die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Ausführung der Leistung noch den Preis als solchen ändert (vgl. BayObLG, Beschluss vom 9. September 2004 – Az.: Verg 018/04 - zitiert nach juris).*)
3. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es auch unbedenklich, ein Skonto in den Vergleichspreis einzubeziehen (vgl. BGH Urteil vom 26. Oktober 1999 Az.: - X ZR 30/98 (Düss.) - in NZBau 2000, S. 35/38.). Skontoabzüge können bei der Bewertung aber nur dann berücksichtigt werden, wenn die Bedingungen für den Skontoabzug klar und vollständig sind und die gestellten Bedingungen realistischer Weise eintreten (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 19. November 2009 – Az.: 11 Verg 4/09 - zitiert nach juris). Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn als Zahlungsziel mindestens 21 Tage angegeben werden.*)
4. Grundsätzlich liegt die Entscheidung, ob und wie eine Skontogewährung im Angebot gewertet werden soll, bei der jeweiligen Vergabestelle. Eine solche Bewertung kann auftraggeberseits auch ausgeschlossen werden, dies lässt jedoch keinen Rückschluss auf die grundsätzliche Unzulässigkeit der Bewertung eines Skontos zu.*)

VPRRS 2013, 0045

VK Arnsberg, Beschluss vom 14.05.2012 - VK 6/12
Die Forderung nach Durchführung eines Funktionstest ist unzulässig, wenn nur ein Bieter über die hierfür erforderlichen technischen Voraussetzungen verfügt und die anderen Bieter deshalb kein Angebot abgeben können.

VPRRS 2013, 0044

VK Bremen, Beschluss vom 22.06.2012 - VK 1/12
(ohne)

VPRRS 2013, 0040

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.11.2012 - Verg 69/11
1. Kann Klärschlamm in einem Zementwerk verbrannt und die dabei entstehende Wärme dazu genutzt werden, weiteren Klärschlamm als Vorstufe vor dem Verbrennen zu trocknen und wird die entstehende Asche als Ersatz für sonst benötigte mineralische Primärrohstoffe in der Herstellung von Zementklinkern verwendet, so handelt es sich bei dem Abfall um Abfall zur Verwertung und nicht zur Entsorgung.
2. Damit unterliegt ein Auftrag zur Verwertung bzw. Entsorgung des Klärschlamms dem Vergaberecht, eine "Abstimmungsvereinbarung über die Entsorgung von Klärschlamm" zwischen dem Kläranlagenbetreiber und der 100%-igen Tochter eines Kreises ohne vorherige Ausschreibung ist damit unwirksam.

VPRRS 2013, 0039

VK Südbayern, Beschluss vom 21.12.2012 - Z3-3-3194-1-22-05/12
1. Auftraggeber können Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb dann vergeben, wenn im Anschluss an einen Wettbewerb der Auftrag an den Gewinner oder an einen Preisträger des Wettbewerbes vergeben werden muss. Im letzteren Fall müssen alle Preisträger des Wettbewerbes zur Teilnahme an den Verhandlungen aufgefordert werden.
2. Wird ein Auftrag nach einem Realisierungswettbewerb an den Gewinner vergeben, ohne dass davor eine entsprechende Bekanntmachung veröffentlicht wurde, so handelt es sich um eine unzulässige de-facto-Vergabe.

VPRRS 2013, 0038

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.12.2012 - Verg 38/12
1. Sind in der Ausschreibung Nettopreise gefordert und werden im Angebot versehentlich Bruttopreise angegeben, so rechtfertigt dies keinen Ausschluss des Angebots, sofern die Preise einfach umgerechnet werden können.
2. Die fälschliche Angabe von Bruttopreisen ist auch nicht als Änderung an den Vertragsunterlagen zu sehen und rechtfertigt damit auch keinen Ausschluss des Angebots.
3. Eine innerhalbt von fünf bzw. sechs Kalendertagen nach Kenntnis vom Vergaberechtsverstoß erhobene Rüge ist als unverzüglich anzusehen.

VPRRS 2013, 0037

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.11.2012 - Verg 42/12
1. Kalkulationsvorgaben durch den öffentlichen Auftraggeber beschränken zwar die Kalkulationsfreiheit des Bieters, sind aber von der Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers gedeckt.
2. Kalkuliert der Bieter mit einem fiktiv herabgesetzten Stundenlohn, weil der Tarifvertrag in Zukunft auslaufen wird, sind aber keine Anhaltspunkte vorhanden, die die tatsächliche Herabsetzung des Stundenlohns vermuten lassen, liegt darin ein zwingender Ausschlussgrund vom Vergabeverfahren wegen Änderung der Vertragsunterlagen.
3. Zwingende Ausschlussgründe sind in jedem Stadium des Vergabeverfahrens sowie im Nachprüfungsverfahren zu beachten, ungeachtet dessen, zu welchem Zeitpunkt sich ein öffentlicher Auftraggeber darauf berufen hat.
4. Hat der Auftraggeber in der Vergabebekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen die von ihr intern festgelegte sog. Aufgreifschwelle nicht mitgeteilt, sind die anzubringenden Zuschläge aber branchenbekannt, so stellt dies keinen Rechtsverstoß dar, der zur Nichtbeachtung des Ausschlussgrundes führen würde.
5. Zweifel an der Unparteilichkeit eines Mitgliedes der Verabekammer können nur durch einen vernünftigen Grund gerechtfertigt werden. Ein solcher ist nur in Erwägung zu ziehen, wenn nicht nur ein kollegiales Verhältnis, sondern auch ein engeres persönliches Verhältnis zwischen dem Mitglied der Vergabekammer und einem gegnerischen Verfhrensbeteiligten oder Sachverständigen besteht.

VPRRS 2013, 0036

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.11.2012 - Verg 38/12
1. Der Auftraggeber ist bei der Angebotsprüfung verpflichtet, den wahren Willen des Bieters durch Auslegung zu ermitteln.
2. Gibt ein Bieter in seinem Angebot Bruttopreisen anstelle der geforderten Nettopreise, so ist der Ausschluss des Angebots aus der Wertung nicht ohne Weiteres gerechtfertigt, wenn es dem Auftraggeber zumutbar ist, durch relativ einfache Rechenoperation die Brutto- in Nettopreise umzurechnen. Eine solche einfache Umrechnung stellt keine Änderung der Vergabeunterlagen dar.

VPRRS 2013, 0034

LG Köln, Urteil vom 07.11.2012 - 90 O 59/12
1. Bei der Vergabe einer Strom-Konzession haben die Bieter einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf diskriminierungsfreie und sachlich gerechtfertigte Durchführung des Ausschreibungsverfahrens.
2. Die strengen Anforderungen des Vergaberechts sind auf das Auswahlverfahren für Konzessionsverträge nicht anwendbar, so dass auch das Nachprüfungsverfahren mit der nach § 107 Abs. 3 GWB bestehenden Rügeverpflichtung keine unmittelbare Geltung beansprucht. Jedoch ist § 107 Abs. 3 GWB Ausdruck des auch die Bieterseite schon im Rahmen der vorvertraglichen Beziehung treffenden Erfordernisses eines fairen Umgangs und einer Rücksichtnahme auf die Interessen des Verhandlungspartners. Der Bieter muss deshalb erkannte Rechtsverstöße unverzüglich rügen.
3. Stützt der Bieter seine Rüge auf ein Gutachten, in dessen Besitz er nicht auf offiziellem Wege gelangt ist, ist bereits zweifelhaft, ob er als zuverlässiger Verhandlungs- und Vertragspartner eines langfristigen Konzessionsvertrags in Betracht kommt.

VPRRS 2013, 0032

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.11.2012 - Verg 28/12
1. Der Antragsteller ist im Nachprüfungsverfahren auch dann antragsbefugt, wenn er kein Angebot abgegeben hat. Dies ist dann der Fall, wenn er einen gewichtigen Vergabeverstoß rügt, der bereits die grundlegenden Rahmenbedingungen der Ausschreibung berührt.
2. Die Anordnung einer Limitierung der Angebote auf fünf von 21 Losen ist eine Vergabebedingung, die im Falle ihrer Rechtswidrigkeit einen gewichtigen Vergabeverstoß darstellen würde.
3. Die Loslimitierung bei der Vergabe von Dienstleistungen für die Gebäudereinigung ist zulässig, wenn der Auftraggeber dadurch die Reinigungssicherheit und Streuung des wirtschaftlichen und technischen Risikos gewährleisten will. Einer darüber hinausgehenden Begründung und Dokumentation in den Vergabeakten bedarf es nicht.

VPRRS 2013, 0031

VK Münster, Beschluss vom 17.01.2013 - VK 22/12
1. Die Vergabestelle kann bereits in der Bekanntmachung ihr Ermessen i.S.v. § 19 Abs. 3 SektVO ausüben und die Interessenten darauf hinweisen, dass bestimmte Eignungsnachweise nicht nachgefordert werden.*)
2. Ihre Ermessenserwägungen kann die Vergabestelle auch in einem Nachprüfungsverfahren noch konkretisieren, solange keine Manipulationsgefahr besteht.*)
3. Fehlerhafte Eignungsnachweise, bei denen ganz geringfügige materiell-inhaltliche Auswirkungen nicht ausgeschlossen werden können, sind keine "fehlenden" Erklärungen i.S.v. § 19 Abs. 3 SektVO, so dass keine Nachforderungsmöglichkeit besteht.*)

VPRRS 2013, 0030

VK Bund, Beschluss vom 20.12.2012 - VK 3-132/12
1. Definiert der Auftraggeber die kaufmännischen Rahmenbedingungen des abzuschließenden Vertrags, indem er neben Pauschalpreiselementen auch solche Vergütungsbestandteile vorgibt, die vom Erfolg des Auftragnehmers abhängig sind, liegt in der Abgabe eines Pauschalpreises eine Abweichung von den Vergabeunterlagen.
2. Werden Preise nicht an der vom Auftraggeber dafür vorgesehenen und damit an der richtigen Stelle angegeben, fehlt es im Rechtssinne an der Angabe des geforderten Preises.
VPRRS 2013, 0029

OLG Naumburg, Beschluss vom 06.12.2012 - 2 Verg 5/12
1. Ein Nachprüfungsantrag ist unzulässig, wenn eine Mehrheit von (einheitlich handelnden) Auftraggebern im Antrag entgegen § 108 Abs. 2 Nr. 2 GWB nicht ordnungsgemäß bezeichnet ist. Die Grundsätze der notwendigen Streitgenossenschaft sind im Nachprüfungsverfahren entsprechend anzuwenden.*)
2. Eine Rubrumsänderung von Amts wegen ist ausgeschlossen, wenn eine versehentliche Falschbezeichnung des Antragsgegners nicht vorliegt und einer ergänzenden Auslegung des Nachprüfungsantrags die eindeutige (einschränkende) Bestimmung des Inhaltsadressaten entgegen steht.*)
3. Eine subjektive Erweiterung des Nachprüfungsantrags entfaltet ihre Wirksamkeit erst mit der Vornahme; sie ist nicht geeignet, nach Versäumung einer als Ausschlussfrist geregelten Antragsfrist (hier § 101b Abs. 2 S. 2 GWB) den Zugang zum vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren wiederzueröffnen.*)
4. Die Vorschrift des § 101b Abs. 2 S. 2 GWB ist im Hinblick auf Art. 2f Abs. 1 lit. a) 1. Anstrich der Richtlinie 89/665/EWG i.d.F. der Richtlinie 2007/66/EG unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass die Bekanntmachung der Auftragsvergabe nur dann die Ausschlussfrist von 30 Kalendertagen in Gang setzt, wenn in der Bekanntmachung die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers begründet wird.*)

VPRRS 2013, 0027

VK Münster, Beschluss vom 12.09.2012 - VK 18/12
(Ohne amtlichen Leitsatz)

VPRRS 2013, 0025

VK Nordbayern, Beschluss vom 20.11.2012 - 21.VK-3194-26/12
1. Ein Verstoß gegen die Fristenregelung des § 101a Abs. 1 GWB führt gemäß §101b Abs. 1 GWB zur Unwirksamkeit des beabsichtigten Vertrages von Anfang an.*)
2. Nach § 8 EG Abs. 1 VOL/A ist eine Leistung so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und dass miteinander vergleichbare Angebote zu erwarten sind. Selbst in einem Verhandlungsverfahren muss der Auftraggeber klare Vorstellungen über die Funktionen und Ziele der nachgefragten Leistung haben. Der Auftraggeber hat die Pflicht, den Beschaffungsbedarf mit größtmöglicher Bestimmtheit festzulegen, ebenso müssen Leistungsziel, Rahmenbedingungen und wesentliche Einzelheiten der Leistung feststehen.*)
3. Ohne vor Angebotsabgabe die Zuschlagskriterien festzulegen, kann eine transparente Angebotswertung nicht erfolgen. Darin ist eine Verletzung des Transparenzgrundsatzes zu sehen, die dazu führen muss, dass das Verfahren ab den Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe zu wiederholen ist.*)

VPRRS 2013, 0023

BVerwG, Beschluss vom 20.12.2012 - 3 B 35.12
1. Der Beantwortung der Frage, ob eine landesrechtliche Regelung zum rettungsdienstlichen Genehmigungsverfahren (hier: zu § 11 RettDG-SA) gegen Vergabe- und Unionsrecht verstößt, kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu.
2. Die Nichtbeachtung von revisiblem Recht bei der Anwendung und Auslegung von irrevisiblem Landesrecht kann eine Zulassung der Revision allenfalls dann rechtfertigen, wenn die Auslegung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundes- oder unionsrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft.

VPRRS 2013, 0022

VK Düsseldorf, Beschluss vom 09.01.2013 - VK-29/2012-L
1. Die Einführung von tatsächlichen oder vermeintlichen Inhalten des Angebots eines Mitbewerbers in das Nachprüfungsverfahren ist nicht als Beeinträchtigung geschützter Interessen des betroffenen Konkurrenten anzusehen, wenn der Bieter nur das vorträgt, was bei der Vergabekammer ohnehin bewusst wahrgenommen wird.
2. Ziel des TVgG-NRW ist es zu vermeiden, dass Unternehmen bei der Ausführung öffentlicher Aufträge untertariflich entlohnte Beschäftigte einsetzen. Kernelement des Gesetzes ist die Verankerung eines Mindestlohns, um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten. Damit entfaltet die in § 10 Abs. 1 TVgG-NRW ausgesprochene Prüfungspflicht zugleich drittschützende Wirkung.

VPRRS 2013, 0020

VK Lüneburg, Beschluss vom 26.11.2012 - VgK-40/2012
1. Die Vergabeunterlagen bei Aufforderung zur Teilnahme an einem Verhandlungsverfahren oder zur Teilnahme an einem wettbewerblichen Dialog müssen mindestens alle vorgesehenen Zuschlagskriterien enthalten, einschließlich deren Gewichtung oder die absteigende Reihenfolge der ihnen zuerkannten Bedeutung. Zuschlagskriterien sind dabei einzelne Kriterien mit einem konkreten, sachlichen Bezug zum Auftragsgegenstand. "Bestmögliche Erfüllung der Bedürfnisse und Anforderungen" ist kein geeignetes Zuschlagskriterium.
2. Wird die Gewichtung der Zuschlagkriterien nicht zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Teilnahme am Wettbewerb angegeben, müssen die Gründe hierfür dokumentiert werden.
3. Im Laufe eines wettbewerblichen Dialogs dürfen Zuschlagskriterien nicht mehr geändert, sondern nur konkretisiert werden.
VPRRS 2013, 0018

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 09.10.2012 - 15 Verg 12/11
1. Dienstleistungskonzessionen sind vertragliche Konstruktionen, die sich von einem Dienstleistungsauftrag nur dadurch unterscheiden, dass der Konzessionär das zeitweilige Recht zur Nutzung der ihm übertragenen Dienstleistung erhält und gegebenenfalls die zusätzliche Zahlung eines Preises vorgesehen ist. Charakteristisch für eine Dienstleistungskonzession ist, dass der Konzessionär bei der Verwertung der ihm übertragenen Leistung dergestalt den Risiken des Marktes ausgesetzt ist, dass er das damit einhergehende Betriebsrisiko ganz oder zumindest zu einem wesentlichen Teil übernimmt
2. Ob und inwieweit der Konzessionär das Betriebsrisiko zu einem wesentlichen Teil übernimmt, ist unter Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der konkreten Marktbedingungen und vertraglichen Vereinbarungen zu beurteilen. Wird neben dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung zusätzlich ein Preis gezahlt, kann je nach den Umständen des Einzelfalles zweifelhaft sein, ob der Vertrag als Dienstleistungskonzession oder öffentlicher Dienstleistungsauftrag zu werten ist.
3. Ein Vertrag kann jedenfalls dann nicht als Dienstleistungskonzession angesehen werden, wenn die zusätzliche Vergütung oder Aufwandsentschädigung ein solches Gewicht hat, dass ihr bei wertender Betrachtung kein bloßer Zuschusscharakter mehr beigemessen werden kann.
VPRRS 2013, 0016

OLG München, Beschluss vom 17.01.2013 - Verg 30/12
1. Wird für die Leistungserbringung spezielles Gerät verlangt, so ist es ausreichend, wenn der Bieter durch Eigenerklärung versichert, zu Leistungsbeginn über eine entsprechende Maschine zu verfügen, es sei denn die Vergabeunterlagen verlangen ausdrücklich, dass die Gerätschaften bereits bei Angebotsabgabe vorhanden sein müssen.
2. Rein interne Vorgänge beim Auftragnehmer können keine Rechte der Bieter berühren.
3. Der Auftraggeber ist nicht verpflichtet, genau darzulegen welche Überlegungen für ihn bei der Konzeption der Ausschreibungsbedingungen leitend waren.

VPRRS 2013, 0014

VK Nordbayern, Beschluss vom 04.12.2012 - 21.VK-3194-29/12
1. Nach § 15 EG Abs. 1 Nr. 1 VOB/A darf der Auftraggeber nach Öffnung der Angebote von einem Bieter Aufklärung verlangen, um sich über seine Eignung, insbesondere seine technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, zu unterrichten. Verweigert ein Bieter die geforderten Aufklärungen und Angaben oder lässt er die ihm gesetzte angemessene Frist unbeantwortet verstreichen, so kann sein Angebot unberücksichtigt bleiben.
Eine gesetzte Frist von 2 Arbeitstagen ist unangemessen. Die VOB/A sagt nichts zur Länge der Frist. Für die Angemessenheit der Frist kommt es auf den Inhalt und den Umfang der verlangten Angebotsaufklärung an, sie ist deshalb jeweils anhand der Umstände des Einzelfalls zu bemessen.*)
2. Lässt der Bieter die ihm gesetzte angemessene Frist unbeantwortet verstreichen, so kann sein Angebot unberücksichtigt bleiben (§ 15 EG Abs. 2 VOB/A). Dies bedeutet, dass es im Ermessen des Auftraggebers liegt, ob er die Fristverletzung mit einem Ausschluss belegt. Wurde bei der Fristsetzung das Ermessen bereits ausgeübt und bei Nichteinhaltung eine Nichtberücksichtung als zwingend festgelegt, muss die Vergabestelle die Bieter auf diese Ausschlussfrist unmissverständlich hinweisen oder sonst kenntlich machen, dass es sich um eine letzte und abschließende Möglichkeit zur Beantwortung eines Aufklärungsverlangens handelt.*)
3. Transport- und Entsorgungsleistungen sind keine Bauleistungen und müssen deshalb nicht mit dem Angebot in der Nachunternehmerliste angegeben werden.*)

VPRRS 2013, 0011

VK Bund, Beschluss vom 12.12.2012 - VK 3-129/12
1. Nur die Vergabe öffentlicher Aufträge unterliegt der Nachprüfung durch die Vergabekammer. Einer Überprüfung nicht zugänglich sind Sachverhalte, bei denen der Auftraggeber die fragliche Leistung in Eigenleistung und damit selbst erbringt.
2. Ein Vertrag zwischen zwei selbstständigen Rechtspersonen ist kein öffentlicher Auftrag, wenn sich die Beziehung zwischen den Vertragsparteien bei der im Vergaberecht gebotenen funktionalen Betrachtungsweise so darstellt, als würde der Auftraggeber den Auftrag selbst erledigen.

VPRRS 2013, 0010

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.11.2012 - Verg 8/12
Nicht ordnungsgemäß geforderte Eignungsnachweise dürfen anerkanntermaßen keine Berücksichtigung bei der Eignungsprüfung finden. Die sich danach ergebende Verringerung des Eignungsniveaus ist im Hinblick auf die Durchführbarkeit der Eignungsprüfung gleichwohl vergaberechtlich irrelevant.

VPRRS 2013, 0009

VGH Hessen, Beschluss vom 11.12.2012 - 8 B 1668/12
Die Vergabe der Rettungsdienstleistungen weist keine Binnenmarktrelevanz auf, wenn sich auf die europaweite Bekanntmachung der Leistungen nur deutsche bzw. Unternehmen mit Sitz auch in Deutschland bewerben.

VPRRS 2013, 0007

VGH Hessen, Beschluss vom 23.07.2012 - 8 B 2244/11
1. Auf die Vergabe von Rettungsdienstleistungen, die in Hessen als Dienstleistungskonzession vergeben werden (Konzessionsmodell), findet § 97 Abs. 7 GWB weder unmittelbar noch analog Anwendung.*)
2. Das vor Beauftragung eines Dritten nach § 5 Abs. 2 HRDG durchzuführende verwaltungsrechtliche Auswahlverfahren hat den Zweck, den geeignetsten Anbieter von Rettungsdienstleistungen zu finden; Wettbewerb ist in diesem Zusammenhang Mittel und nicht Zweck des Auswahlverfahrens.*)
3. Ein zu Recht vom weiteren Auswahlverfahren ausgeschlossener Anbieter kann sich unter Berufung auf Art. 3 Abs. 1, 12 Abs. 1 bzw. 14 GG oder - bei Binnenmarktrelevanz des Auftrags - auf Art. 49 bzw. 56 AEUV gegen seinen Ausschluss wenden. Es wird jedoch durch eine - nach seiner Auffassung rechtswidrige - Vergabe des Auftrags an einen Dritten nicht in seinen Rechten verletzt.*)

VPRRS 2013, 0006

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.01.2013 - Verg 26/12
1. Bei der Beschaffung sog. strategischer Partnerschaften (ÖPP) durch kommunale Netzunternehmen besteht eine Ausschreibungspflicht nach GWB, wenn - ungeachtet des gewählten Beteiligungsmodells - der Vertrag jedenfalls (auch) Dienstleistungen zum Gegenstand hat, die wertmäßig den maßgebenden Schwellenwert erreichen oder übersteigen.*)
2. Die Entscheidung für eine Getrennt- oder Zusammenvergabe von Wegekonzession und Eingehung einer ÖPP unterliegt der Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers. Deren Ausübung ist vergaberechtlich nicht zu beanstanden, sofern dafür sachlich gerechtfertigte Gründe vorliegen, die eine Ungleichbehandlung oder Diskriminierung von Bewerbern, und zwar allein wegen der Trennung der Verfahren, ausschließen.*)
3. Eine lediglich befürchtete oder vermutete Voreingenommenheit der Kommune bei der späteren Vergabe der Verteilnetzkonzession rechtfertigt keinen Eingriff in die Ausschreibung der ÖPP.*)
4. Bei Eingehung einer ÖPP sind zugesagte Renditen - als nach § 3 Abs. 2 KAV unzulässige Finanzleistungen - nur zu bewerten, wenn sie als eine spezifische Gegenleistung für die Einräumung von Wegenutzungsrechten vereinbart oder gewährt werden.*)
5. Bei der Vergabe dürfen - dieses mit Blick auf die finanzielle Situation der Kommune und eine Begrenzung ihrer unternehmerischen Risiken - auch wirtschaftliche Ziele sowie kommunale Einflussmöglichkeiten auf das gemeinsame Netzunternehmen berücksichtigt werden.*)
6. Eine marktbeherrschende Stellung der Kommune bei Wegenutzungsverträgen ist einer kommunalen Netzgesellschaft bei Ausschreibung einer strategischen Partnerschaft nicht zuzurechnen.*)

VPRRS 2013, 0005

OLG Bremen, Beschluss vom 09.10.2012 - Verg 1/12
1. Derjenige, der die ausgeschriebene Dienstleistung bereits bislang durchgeführt hat, ist nahezu zwangsläufig besser mit der Materie vertraut als Außenstehende, die die für das Angebot und die Kalkulation wesentlichen Informationen den Angebotsunterlagen und eigenen Erfahrungswerten entnehmen müssen.
2. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass die Vergabestelle zur Wahrung der Chancengleichheit gezwungen wäre, den bisherigen Dienstleister aus der Ausschreibung auszuschließen. Dies wäre nicht damit zu vereinbaren, dass auch dieser Dienstleister Anspruch auf Gleichbehandlung bei der Auftragsvergabe hat.
3. Es entspräche auch nicht den berechtigten Interessen der Vergabestelle, von Ausschreibung zu Ausschreibung bei Dienstleistungen zu einem Wechsel des Vertragspartners gezwungen zu werden.

VPRRS 2013, 0004

VG Halle, Urteil vom 15.11.2012 - 1 A 27/11
Die Pflicht zur wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung von Zuwendungen gebietet es dem Zuwendungsempfänger, eingeräumte Skonti auch zu nutzen.*)

VPRRS 2013, 1836

VK Sachsen, Beschluss vom 06.09.2013 - 1/SVK/028-13
1. Ein Bieter muss bei Angebotsabgabe nicht unbedingt über alle technischen und personellen Kräfte verfügen oder stets eine den ausgeschriebenen Auftrag abdeckende logistische Reserve vorweisen oder bspw. sämtliche Räumlichkeiten vorhalten die er für die Ausführung des Auftrages benötigt. Es genügt, dass der Bieter in der Lage ist, sich bis zur Auftragserteilung die erforderlichen Mittel zu beschaffen. Ansonsten wären die Bieter in Unkenntnis darüber, ob sie den Auftrag erhalten oder nicht, zu Investitionen gezwungen, die sich für den Fall, dass sie den Auftrag nicht erhalten, als wirtschaftlich unsinnig erweisen.*)
2. Die Eignungsprüfung des öffentlichen Auftraggebers hat sich auch darauf zu erstrecken, ob ein Bieter auch rechtlich in der Lage ist, die ausgeschriebene Leistung zu erbringen. Dies gilt jedenfalls in solchen Fällen, in denen bspw. aufgrund des sensiblen Leistungsgegenstandes (Entsorgung kontaminierter Böden und Wassergemische) die Leistungsfähigkeit eines Bieters in dieser Hinsicht zweifelhaft erscheint.*)
3. Ein Bieter ist an seine einmal abgegebene Erklärung zur Eignung resp. Leistungsfähigkeit gebunden. Maßgeblicher Zeitpunkt der Beurteilung der Leistungsfähigkeit ist zunächst der Zeitpunkt, in welchem die Angebote abzugeben bzw. nachgeforderte Unterlagen vorzulegen waren und die Aufklärungsverhandlungen abgeschlossen sind. Denn dann kann der öffentliche Auftraggeber anhand der vorliegenden Unterlagen feststellen, welches Angebot das wirtschaftlich günstigste ist und ob die Bieter geeignet sind. Die Vergabestelle darf einem Bieter nicht so lange und so oft Gelegenheit geben, sein Angebot bzw. seine Unterlagen nachzubessern, bis dieser alle Anforderungen der Ausschreibung erfüllt.*)

VPRRS 2013, 0003

VK Bund, Beschluss vom 23.05.2002 - VK 2 - 16/02
(ohne amtlichen Leitsatz)

VPRRS 2013, 0002

VK Bund, Beschluss vom 18.10.2012 - VK 2-77/12
1. Das Gebot der Berücksichtigung mittelständischer Interessen (Mittelstandsklausel) gilt auch im Bereich der Hilfsmittelbeschaffung durch gesetzliche Krankenkassen.
2. Ob ein Unternehmen groß oder mittelständisch ist, entscheidet sich nicht nach statischen Kriterien, sondern unter wettbewerblichen Gesichtspunkten nach den jeweils herschenden Marktverhältnissen, die auf unterschiedlichen Märkten unterschiedlich ausgeprägt sein können.
3. Von einem öffentlichen Auftraggeber kann keine umfassende, in der Sache vollkommen und mit absoluter Sicherheit zutreffende Marktanalyse erwartet werden. Es reicht aus, wenn sie plausibel und im Vergabeverfahren hinreichend mit Tatsachenfeststellungen belegt ist.
4. Werden im Vergabeverfahren Gebietslose definiert, in denen ein Bieter ein Exklusivrecht zur Leistungserbringung erhält, so liegt ein möglicher Zuwachs bei den Fallzahlen in der Natur der Sache. Die sich daraus ergebenden logistischen und betriebswirtschaflichen Schwierigkeiten müssen jedem Bieter von vornherein bekannt sein.

VPRRS 2013, 0001

VK Bund, Beschluss vom 12.11.2012 - VK 1-109/12
1. Werden in einen bestehenden Vertrag neue Bedingungen eingeführt, die die Zulassung anderer Bieter oder die Annahme eines anderen Angebots erlaubt hätten, oder wird der Auftrag in großem Umfang auf ursprünglich nicht vorgesehene Dienstleistungen erweitert, sind diese Änderungen des bestehenden Vertrags so wesentlich, dass es sich um eine neue Vergabe eines öffentlichen Auftrags handelt.
2. Der Auftraggeber kann Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb vergeben, wenn ein Auftragnehmerwechsel infolge erneuter Vergabe zu technischen Problemen und Unvereinbarkeiten führen würde. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn der Auftragnehmerwechsel lediglich zu rechtlichen Problemen infolge vertraglicher Bindungen führen würde.
3. Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb ist auch in Fällen besonderer Dringlichkeit zulässig. Dies heißt jedoch nicht, dass der Auftraggeber nur mit einem Bieter in Kontakt kommen soll. Vielmehr gebietet der Wettbewerbsgrundsatz, dass der Auftragnehmer auch bei anderen Bietern Angebote einholen kann, wenn dies sinnvoll ist und zu keiner zeitlichen Verzögerung führt.

Online seit 2012
VPRRS 2012, 0438
OLG München, Beschluss vom 06.12.2012 - Verg 25/12
1. Zur Frage, wann eine Aufhebung der Ausschreibung wegen grundlegender Änderungen der Vergabeunterlagen rechtmäßig ist.*)
2. Bei einer produktspezifischen Ausschreibung kann der Bieter ein zweites Hauptangebot einreichen, welches andere Fabrikate enthält als das vorgesehene Leitfabrikat.*)

VPRRS 2012, 0455

VK Köln, Beschluss vom 04.10.2012 - VK VOF 18/2012
Fehlende Antragsbefugnis wegen Nichtabgabe eines Angebots; Projektantenproblematik wegen Vorbefassung.*)

VPRRS 2012, 0437

EuGH, Urteil vom 19.12.2012 - Rs. C-159/11
Das Recht der Union über die Vergabe öffentlicher Aufträge steht einer nationalen Regelung entgegen, die es erlaubt, ohne Ausschreibung einen Vertrag zu schließen, mit dem öffentliche Einrichtungen eine Zusammenarbeit vereinbaren, wenn - was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist - ein solcher Vertrag nicht die Wahrnehmung einer diesen Einrichtungen gemeinsam obliegenden öffentlichen Aufgabe zum Gegenstand hat, nicht nur durch Erfordernisse und Überlegungen bestimmt wird, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammenhängen, oder geeignet ist, einen privaten Dienstleistungserbringer besser zu stellen als seine Wettbewerber.*)

VPRRS 2012, 0436

VK Lüneburg, Urteil vom 03.09.2012 - VgK-29/2012
1. Eine geforderte Darstellung branchenüblicher begleitender Dienstleistungen genügt den Anforderungen an die Leistungsbeschreibung, wenn sie sich auf in der Branche bekannte Stichworte beschränkt.
2. Funktionale Leistungsbeschreibungen und pauschalierte einheitliche Versorgungspreise als Mittel der Kostensenkung im Gesundheitswesen sind nicht vergaberechtswidrig.
3. Ein im öffentlichen Auftragswesen erfahrener Bieter muss hinreichend eigene Rechtskenntnisse besitzen, um auch ohne anwaltliche Beratung die Problematik eines einheitlichen Versorgungspreises und unverständlichen Managementkonzepts zu erkennen. Anders ist dies, wenn eine atypische Marktsituation vorliegt.
4. Es besteht keine Verpflichtung des Bieters zur zeitnahen Durchsicht der Vertragsunterlagen im Hinblick auf etwaige Vergabeverstöße.

VPRRS 2012, 0435

OLG München, Beschluss vom 06.12.2012 - Verg 29/12
1. Bei der Auslegung der Rüge eines nicht anwaltlich vertretenen Bieters ist in höherem Maße wie bei einem Anwaltsschriftsatz darauf abzustellen, was der Bieter vernünftigerweise meint und will.*)
2. Zur Begründung der Entscheidung, dass ein Bieter einen unangemessen hohen Preis verlangt, darf jedenfalls dann auch auf Erkenntnisse aus einem nachfolgenden Verhandlungsverfahren zurückgegriffen werden, wenn eine Nichtberücksichtigung dieser Erkenntnisse mutmaßlich letztlich zu keinem anderen Ergebnis führen würde.*)
VPRRS 2012, 0434

VK Lüneburg, Beschluss vom 03.09.2012 - VgK-28/2012
1. Der Bieter ist nicht zur zeitnahen Durchsicht der Vertragsunterlagen verpflichtet. Etwas anderes kann dann gelten, wenn er detailierte Kenntisse von einem möglichen Vergabeverstoß hat.
2. Ein im öffentlichen Auftragswesen erfahrener Bieter muss auch ohne anwaltliche Beratung den Unterschied zwischen einem offenen Verfahren und einem nicht offenen Verfahren mit vorheriger öffentlicher Aufforderung zur Teilnahme erkennen können. Anders ist dies nur, wenn es sich um eine atypische Marktsituation handelt.
3. Wird die Lieferung von nur funktional beschriebenen Produkten zusammen mit der Lieferung des gesamten Zubehörs und der zugehörigen Dienstleistungen vergeben, ist das Verfahren mit vorheriger öffentlicher Aufforderung zur Teilnahme zulässig, weil die vertraglichen Spezifikationen nicht hinreichend genau festgelegt werden können.
4. Der Abschluss eines Rahmenvertrages ohne garantierte Abnahmeverpflichtung stellt kein ungewöhnliches Wagnis dar, wenn eine Bevorratung mit den ausgeschriebenen Produkten weder besondere Lagerstätten erfordert, noch es mit gravierenden Bedarfsschwankungen zu rechnen ist.

VPRRS 2012, 0433

VK Nordbayern, Beschluss vom 19.09.2012 - 21.VK-3194-17/12
1. Im Rahmen der Prüfung, ob vom künftigen Auftragnehmer die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen erwartet werden kann, hat die Vergabestelle eine Prognoseentscheidung zu treffen. Hierbei hat die Vergabestelle einen Beurteilungsspielraum, der von der Nachprüfungsinstanz nur daraufhin überprüft werden kann, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten worden ist, ob der Auftraggeber die von ihm selbst aufgestellten Bewertungsvorgaben beachtet hat, der zugrunde liegende Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt worden ist, keine sachwidrigen Erwägungen angestellt worden sind und nicht gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen worden ist.*)
2. Die Mitwirkung eines Sachverständigen oder Beraters am Vergabeverfahren und an der Vorbereitung der Entscheidung über den Zuschlag ist zulässig. Sie darf jedoch die Grenze bloßer Unterstützung nicht überschreiten. Der Berater soll die objektiven Entscheidungsgrundlagen aufklären, die in der fachlichen Praxis als für die vorzunehmende Beurteilung maßgeblich und geeignet angesehen werden und diese für den Auftraggeber nachvollziehbar darlegen.*)
3. Eine mangelhafte Dokumentation alleine stellt jedoch noch keine Verletzung der Bieterrechte dar, sondern dies ist nur dann der Fall, wenn sich aus der fehlenden Dokumentation kausal eine Verletzung von Bieterrechten ableiten lässt.*)

VPRRS 2012, 0431

VK Bund, Beschluss vom 21.11.2012 - VK 3-126/12
1. Der Begriff der wettbewerbswidrigen Abrede ist weit auszulegen. Er ist nicht auf gesetzwidriges Verhalten beschränkt, sondern erfasst alle Verhaltensweisen eines Bieters, die mit dem vergaberechtlichen Wettbewerbsverbot unvereinbar sind.
2. Mit dem vergaberechtlichen Wettbewerbsgebot ist es insbesondere unvereinbar, wenn ein Bieter, dem das Angebot oder zumindest wesentliche Angebotsgrundlagen eines Mitbewerbers um den Zuschlag bekannt sind, am Bieterwettbewerb teilnimmt.
VPRRS 2012, 0426

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.11.2012 - Verg 12/12
1. Die Angabe eines Preises von 0,00 Euro ist jedenfalls dann eine Preisangabe im vergaberechtlichen Sinn, wenn der Bieter diese näher begründet oder erläutert hat. Eine solche Begründung oder Erläuterung stellt keine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen dar.
2. Der Begriff der "fehlenden" Erklärungen in § 11 Abs. 3 VOF ist weit auszulegen und umfasst auch fehlende Preisangaben.
3. Die Vorschrift des § 11 Abs. 3 VOF räumt dem Auftraggeber kein Ermessen ein. Fehlen Preisangaben, ist der Auftraggeber dazu verpflichtet, diese beim Bieter nachzufordern.
