Vergabepraxis & -recht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
4933 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2020
VPRRS 2020, 0109OLG Saarbrücken, Urteil vom 20.02.2020 - 4 U 52/18
1. Beauftragt der Bürgermeister ein Unternehmen ohne vorherige Ausschreibung mit der Durchführung von Baumfällarbeiten und stellt das Unternehmen der Gemeinde dafür keine Kosten in Rechnung, sondern darf es im Gegenzug das Schnittgut behalten und selbst verwerten, macht sich der Bürgermeister nicht wegen Vorteilsnahme strafbar.
2. Die richterliche Entscheidung, dem Anzeigenden, der ein Ermittlungsverfahren durch eine vorsätzlich oder leichtfertig erstattete unwahre Anzeige veranlasst hat, die Kosten des Verfahrens und die dem Beschuldigten erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen (§ 469 StPO), stellt ein sog. urteilsersetzendes Erkenntnis i.S.d. § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB dar.*)
VolltextVPRRS 2020, 0080
OLG Rostock, Beschluss vom 05.02.2020 - 17 Verg 4/19
Die Mitgliedschaft in einem bürgerlich-rechtlichen Verein stellt für sich genommen keinen dem Vergaberecht unterliegenden Beschaffungsgegenstand dar. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Mitgliedschaft Voraussetzung ist, um Dienstleistungen (§ 103 Abs. 1, 4 GWB) des Vereins aufgrund separat abzuschließender Austauschverträge - im vorliegenden Fall Beherbergungsverträge - in Anspruch zu nehmen.*)
VolltextVPRRS 2020, 0083
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.10.2019 - Verg 6/19
1. Grundlage für den Zuschlag ist die Bewertung des öffentlichen Auftraggebers, ob und inwieweit das Angebot die vorgegebenen Zuschlagskriterien erfüllt. Bei der Wertung der Angebote genießt der öffentliche Auftraggeber einen Beurteilungsspielraum.
2. Auch wenn dem Auftraggeber bei der Bewertung und Benotung ein Beurteilungsspielraum zusteht, sind seine diesbezüglichen Bewertungsentscheidungen daraufhin überprüfbar, ob die jeweiligen Noten im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben wurden.
3. Die Gründe für die Auswahlentscheidung und den Zuschlag sind zu dokumentieren. Bedient sich der Auftraggeber ausschließlich eines aus qualitativen Aspekten zusammengesetzten Kriterienkatalogs, bei dem die Angebote hinsichtlich der Qualitätskriterien mittels eines Benotungssystems bewertet werden, muss er seine für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so eingehend dokumentieren, dass nachvollziehbar ist, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Benotung eingegangen sind.
4. Die Begründung muss alle Informationen enthalten, die notwendig sind, um die Entscheidungen des öffentlichen Auftraggebers nachvollziehen zu können. Bei Wertungsentscheidungen hat der öffentliche Auftraggeber darzulegen, nach welchen konkreten Gesichtspunkten die Bewertung erfolgt.
VolltextVPRRS 2020, 0067
OLG Dresden, Beschluss vom 21.08.2019 - Verg 5/19
1. Verträge im Bereich des Breitbandausbaus nach dem sog. Wirtschaftlichkeitslückenmodell stellen Dienstleistungskonzessionen dar, wenn der Schwerpunkt der Tätigkeit nicht auf dem Errichten, sondern auf dem Betrieb eines Breitbandnetzes liegt und der Betreiber das (eingeschränkte) Betriebsrisiko trägt.
2. Die Anwendbarkeit der Bereichsausnahme des § 149 Nr. 8 GWB ist auch einschlägig, wenn der Konzessionsgeber die Bereitstellung öffentlicher Kommunikationsnetze dadurch realisiert, dass er sich bei der Ausführung der Dienste externer Dritter bedient. Es ist nicht erforderlich, dass er das Kommunikationsnetz selbst betreibt.
VolltextVPRRS 2020, 0075
VG Dresden, Beschluss vom 14.08.2019 - 4 L 416/19
1. Bei den Verträgen, die nach dem Auswahlverfahren im Wirtschaftlichkeitslückenmodell nach der Richtlinie des Bundesministers für Verkehr und digitale Infrastruktur für die Förderung zur Unterstützung des Breitbandausbaus geschlossen werden, handelt es sich um öffentlich-rechtliche Verträge.*)
2. Die Mitteilungen an die Bieter über das Ergebnis des Auswahlverfahrens sind keine Verwaltungsakte.*)
VolltextVPRRS 2020, 0069
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 03.05.2019 - 2 VK LSA 27/18
1. Ein Bieter kann nicht verlangen, dass sich der Auftraggeber bei der Festlegung des Beschaffungsbedarfs an seinen Bedürfnissen orientiert.
2. Der Auftraggeber ist weder berechtigt noch verpflichtet, bestehende Wettbewerbsvorteile oder -nachteile potentieller Bieter durch die Gestaltung der Vergabeunterlagen "auszugleichen".
VolltextVPRRS 2020, 0054
VK Nordbayern, Beschluss vom 04.09.2019 - RMF-SG21-3194-4-41
1. Kalkulationsvorgaben durch den öffentlichen Auftraggeber sind vergaberechtlich zugelassen, auch wenn sie die Kalkulationsfreiheit der Bieter beschränken und in gewissem Umfang auch den Preiswettbewerb "kanalisieren".
2. Weicht ein Bieter von den Kalkulationsvorgaben nach den Vergabeunterlagen ab, wird sein Angebot von der Wertung ausgeschlossen.
3. Das Risiko der fehlerhaften Übermittlung einer elektronischen Erklärung trägt der Erklärende.
VolltextVPRRS 2020, 0050
EuGH, Urteil vom 27.11.2019 - Rs. C-402/18
Die Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.03.2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge ist dahin auszulegen, dass:
- sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die den Teil des Auftrags, den der Bieter als Unterauftrag an Dritte vergeben darf, auf 30% beschränkt;
- sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die die Möglichkeit, für die an Unterauftragnehmer vergebenen Leistungen Preisabschläge vorzunehmen, auf höchstens 20% gegenüber den sich aus dem Zuschlag ergebenden Preisen beschränkt.*)
VolltextVPRRS 2020, 0019
VK Lüneburg, Beschluss vom 19.09.2019 - VgK-33/2019
1. Die Eignungskriterien sind in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung aufzuführen. Eine bloße Verweisung in der Auftragsbekanntmachung auf die Vergabeunterlagen oder auf "Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen" ist unzulässig.
2. Fehlen die erforderlichen Angaben, sind die Eignungsanforderungen nicht wirksam aufgestellt und die Nachweise nicht wirksam gefordert. Das stellt einen schwer wiegenden Mangel dar, der die Rückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor Auftragsbekanntmachung erfordert.
3. Werden die Angebote nicht alleine nach ihrem Preis und/oder den Kosten bewertet, stehen dem Auftraggeber verschiedene Bewertungsmethoden für die Ermittlung des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses bzw. Kosten-Leistungs-Verhältnisses und damit wirtschaftlichsten Angebots zur Verfügung.
4. Es unterfällt dem Beurteilungsspielraum des öffentlichen Auftraggebers, wie er die Bewertung organisiert und strukturiert. Das gewählte System muss allerdings vor allem in sich widerspruchsfrei und rechnerisch richtig umgesetzt sein.
5. Der öffentliche Auftraggeber hat berechtigte (hier: kalkulationsrelevante) Bieterfragen - gegebenenfalls unter angemessener Verlängerung der Angebotsfrist - zu beantworten.
VolltextVPRRS 2020, 0017
VK Lüneburg, Beschluss vom 29.10.2019 - VgK-38/2019
1. Bei der Ermittlung, ob Unterlagen nachgefordert werden dürfen, ist zwischen unternehmensbezogenen und leistungsbezogenen Unterlagen zu differenzieren. Eine Korrektur von fehlerhaften Unterlagen ist nur bezüglich unternehmensbezogener Unterlagen zulässig.
2. Unternehmensbezogen sind solche Unterlagen, die die Eignungsprüfung betreffen. Leistungsbezogen dagegen welche, die die Angebotswertung betreffen.
3. Kalkulationstabellen an den Mindestlohn sind leistungsbezogene Unterlagen. Sie haben keinen Einfluss auf die Eignung der Bieter, sondern ausschließlich auf ihre Angebote.
4. Bei der Beurteilung, ob eine fehlende Position lediglich eine unwesentliche Einzelposition ist, steht dem Auftraggeber ein gewisser Beurteilungsspielraum zu.
5. Die Unwesentlichkeit kann sich entweder aus der Relation des Preises für die betreffende Position zum Gesamtangebotspreis ergeben oder aber aus der Relation der (Un-)Wichtigkeit der angebotenen Position zur Gesamtbauleistung.
VPRRS 2020, 0039
VK Sachsen, Beschluss vom 17.07.2019 - 1/SVK/017-19
1. Verträge im Bereich Breitbandausbau nach dem sogenannten Wirtschaftlichkeitslückenmodell stellen Dienstleistungskonzessionen dar, soweit ein - wenn auch nur eingeschränktes - Betriebsrisiko besteht.*)
2. Die Bereichsausnahme des § 149 Nr. 8 GWB ist weit auszulegen und im Regelfall für Breitbandausschreibungen nach dem Wirtschaftlichkeitslückenmodell einschlägig.*)
3. Dem Auftraggeber wird die Bereitstellung oder der Betrieb eines öffentlichen Kommunikationsnetzes auch bei Einschaltung von Dritten i.S.d. § 149 Nr. 8 GWB ermöglicht. Es ist nicht erforderlich, dass der Auftraggeber selbst das öffentliche Kommunikationsnetz bereitstellt oder betreibt, damit die Bereichsausnahme einschlägig ist.*)
VolltextVPRRS 2020, 0036
OLG Celle, Urteil vom 09.01.2020 - 13 W 56/19
Im Unterschwellenbereich besteht keine generelle Informations- und Wartepflicht entsprechend § 134 GWB.*)
VolltextVPRRS 2020, 0010
OLG Naumburg, Beschluss vom 04.10.2019 - 7 Verg 3/19
1. Was Inhalt eines Angebots ist, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Übermittelt ein Bieter bei elektronischer Angebotsabgabe die zwingend auszufüllenden Formblätter der Vergabeunterlagen jeweils einmal in unausgefüllter Weise mit dem Original-Dateinamen und zugleich einmal in ausgefüllter Weise mit einem Zusatz der laufenden Nummerierung seiner Angebotsunterlagen im ansonsten identischen Dateinamen, so ist das Gesamtangebot dahin auszulegen, dass es jeweils mit den ausgefüllten Formblättern als abgegeben gilt.*)
2. Fordert der Auftraggeber eine elektronische Übermittlung der Angebote in Textform, so genügt der Bieter, welcher die auszufüllenden Formblätter in allen Textfeldern maschinenschriftlich ausfüllt, diesen Formerfordernissen auch dann, wenn die - ursprünglich für Angebote in Papierform entworfenen und weiter verwendeten - Formblätter eine Unterschriftenzeile vorsehen und der Bieter die Formulare nicht ausdruckt, unterschreibt und wieder einscannt.*)
VolltextVPRRS 2020, 0031
VK Rheinland, Beschluss vom 10.09.2015 - VK VOL 15/2014
ohne amtlichen Leitsatz
VolltextOnline seit 2019
VPRRS 2019, 0388EuGH, Urteil vom 03.10.2019 - Rs. C-285/18
1. Eine Situation, in der ein öffentlicher Auftraggeber im Rahmen eines Verfahrens, das zu einem Zeitpunkt eingeleitet wurde, als die Richtlinie 2004/18/EG noch in Kraft war und das zum Abschluss eines Vertrags nach der Aufhebung dieser Richtlinie, d. h. nach dem 18.04.2016, führte, an eine juristische Person, über die er eine Kontrolle wie über seine eigenen Dienststellen ausübt, einen öffentlichen Auftrag vergibt, fällt in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/24/EU, wenn der öffentliche Auftraggeber nach diesem Zeitpunkt endgültig über die Frage entschieden hat, ob er zu einem vorherigen Aufruf zum Wettbewerb für die Vergabe eines öffentlichen Auftrags verpflichtet war.*)
2. Art. 12 Abs. 1 Richtlinie 2014/24/EU ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, mit der ein Mitgliedstaat den Abschluss von internen Aufträgen u. a. davon abhängig macht, dass die Vergabe eines öffentlichen Auftrags es nicht erlaubt, die Qualität der erbrachten Dienstleistungen, ihre Bezahlbarkeit oder ihre Kontinuität zu gewährleisten, nicht entgegensteht, solange die Wahl zu Gunsten einer besonderen Art und Weise der Dienstleistungserbringung, die in einem der Vergabe öffentlicher Aufträge vorgelagerten Stadium getroffen wurde, die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Nichtdiskriminierung, der gegenseitigen Anerkennung, der Verhältnismäßigkeit und der Transparenz beachtet.*)
3. Art. 12 Abs. 1 Richtlinie 2014/24/EU in Verbindung mit dem Transparenzgrundsatz ist dahin auszulegen, dass die Bedingungen, von denen die Mitgliedstaaten den Abschluss interner Aufträge abhängig machen, durch spezielle und klare Bestimmungen des positiven Rechts über das öffentliche Auftragswesen zu verlautbaren sind, die insbesondere hinreichend zugänglich und in ihrer Anwendung vorhersehbar sein müssen, um jede Gefahr von Willkür zu vermeiden, was hier vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist.*)
4. Der Abschluss eines internen Auftrags, der die Bedingungen von Art. 12 Abs. 1 a bis c Richtlinie 2014/24/EU erfüllt, ist nicht schon an sich mit dem Unionsrecht vereinbar.*)
VolltextVPRRS 2019, 0384
VK Rheinland, Beschluss vom 19.11.2019 - VK 40/19
1. § 9 Abs. 2 VgV und § 53 Abs. 1 VgV gelten für alle Arten von Vergabeverfahren. Demgemäß müssen im Verhandlungsverfahren indikative und finale Angebote in Textform vorliegen. Dies umfasst auch Konzepte zur Auftragsdurchführung, die Gegenstand der Angebotsbewertung sind. Eine Angebotswertung allein auf der Grundlage mündlicher Ausführungen der Bieter in einem Päsentationstermin ist unzulässig. Solche Ausführungen dürfen nur ergänzend herangezogen werden.*)
2. Es verstößt gegen das Transparenzgebot, Bietern erst zu Beginn eines Präsentationstermins das Bewertungsverfahren mitzuteilen.*)
VolltextVPRRS 2019, 0383
VK Rheinland, Beschluss vom 02.12.2019 - VK 42/19
1. Der öffentliche Auftraggeber kann bei der Prüfung der Angebote keine neuen Eignungskriterien einführen.*)
2. Die Eignungskriterien dürfen ausschließlich die in § 122 Abs. 2 Satz 2 GWB genannten Kategorien betreffen.*)
VolltextVPRRS 2019, 0367
VK Rheinland, Beschluss vom 05.06.2019 - VK 11/19
1. In Fällen, in denen weitere mögliche Vergabeverstöße erst während des Nachprüfungsverfahrens bekannt werden, ist es aus verfahrensökonomischen Gründen und im Hinblick auf den Beschleunigungsgrundsatz zulässig, diese ohne vorherige Rüge in das laufende Nachprüfungsverfahren einzubeziehen.*)
2. Bei Vergabeverstößen, die sich in der Spähre der Vergabestelle abspielen oder die das Angebot eines Mitbewerbers betreffen, ist hinsichtlich des Darlegungserfordernisses nach § 161 Abs. 2 GWB (Stichwort "Vortrag ins Blaue") ein großzügiger Maßstab anzulegen.*)
3. Ein öffentlicher Auftraggeber hat selbst zu entscheiden, welche Anforderungen er an seinen künftigen Auftragnehmer zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen Durchführung des ausgeschriebenen Auftrags stellen will und bestimmt auch selbst, welche Eignungsbelege er verlangt.*)
4. In Fällen einer beabsichtigten Teststellung hat der Auftraggeber den Teilnehmern am Vergabeverfahren diese Absicht grundsätzlich vor Angebotserstellung bekanntzumachen.*)
5. Tatbestandsvoraussetzungen für die Ablehnung eines Angebots wegen nicht nachgewiesener Rechtmäßigkeit einer staatlichen Beihilfe ist, dass die Beihilfeleistung ursächlich für den ungewöhnlich niedrigen Angebotspreis ist.*)
VolltextVPRRS 2019, 0360
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.10.2019 - 15 B 856/19
1. Notwendige Voraussetzung für die wirksame Aufhebung eines Vergabeverfahrens ist, dass der öffentliche Auftraggeber für seine Aufhebungsentscheidung einen sachlichen Grund hat, so dass eine Diskriminierung einzelner Bieter ausgeschlossen und seine Entscheidung nicht willkürlich ist oder bloß zum Schein erfolgt.*)
2. Ein öffentlicher Auftraggeber kann grundsätzlich nicht verpflichtet werden, einen Auftrag auf der Grundlage einer Ausschreibung zu erteilen, die er als fehlerhaft erkannt hat.*)
3. Die Beendigung eines Vergabeverfahrens, das durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet, ist jedenfalls dann sachgerecht, wenn das zugehörige vorläufige Rechtsschutzverfahren rechtskräftig zuungunsten der öffentlichen Hand abgeschlossen wurde.*)
VolltextVPRRS 2019, 0337
VK Lüneburg, Beschluss vom 27.09.2019 - VgK-34/2019
1. Ein Energieversorgungsunternehmen in der Rechtsform einer GmbH nach deutschem Recht, an der ein ausländischer EU-Staat über eine Holding beteiligt ist und das zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, ist ein öffentlicher Auftraggeber.
2. Die Rügefrist beginnt mit der positiven Kenntnis des Bieters von einem Vergaberechtsverstoß des Auftraggebers und endet mit Ablauf von zehn Kalendertagen. Es ist unschädlich, wenn der Bieter erst am zehnten Tag der Frist Rüge erhoben und nur wenige Stunden später einen Nachprüfungsantrag gestellt hat.
3. Eine Pflichtverletzung des Auftraggebers in Bezug auf die Informationspflicht wird geheilt, wenn er die Gründe für seine Entscheidung im Nachprüfungsverfahren nachschiebt.
VolltextVPRRS 2019, 0333
VK Berlin, Beschluss vom 13.09.2019 - VK B 1-13/19
1. Ist ein Vertrag als Rahmenvereinbarung ausgestaltet, bietet er dem öffentlichen Auftraggeber die Möglichkeit, Bedarfe flexibel zu decken und Leistungsänderungen bzw. insbesondere -erweiterungen einseitig abzurufen.
2. Der Auftraggeber hat bei der Ausübung seines Leistungsbestimmungsrechts das Vergaberecht zu beachten. Danach erfordern wesentliche Änderungen eines öffentlichen Auftrags während der Vertragslaufzeit ein neues Vergabeverfahren.
3. Bleibt unklar, welche Leistungsänderungen und -erweiterungen unter § 132 GWB fallen und welche von der nicht als solche gekennzeichneten Rahmenvereinbarung abgedeckt sein sollen, ist das Verfahren intransparent. Für einen Bieter muss eindeutig erkennbar sein, wann und in welchem Umfang eine einseitige Leistungsänderung für den Auftraggeber möglich sein und wann eine separate Beschaffung im Wege eines neuen Vergabeverfahrens erfolgen wird.
4. Das bloße Inaussichtstellen eines Vertrags über einen noch nicht bestehenden Bedarf sowie eine doppelt zu vergebende Rahmenvereinbarung verstößt gegen die Grundsätze der Diskriminierungsfreiheit, der Transparenz und des Gebots des fairen Wettbewerbs sowie gegen das Missbrauchsverbot nach § 21 Abs. 1 Satz 3 VgV.
5. Die Begrenzung der Laufzeit einer Rahmenvereinbarung dient nicht nur dem Schutz des Wettbewerbs, sondern zugleich auch der Verringerung von Kalkulationsrisiken. Eine Bindungsfrist von 16 Jahren ist unzumutbar.
VolltextVPRRS 2019, 0336
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.10.2019 - 1 VK 52/19
1. Ein Auftraggeber hat bei der Teststellung kein Recht und erst recht keine Pflicht, unterstützend einzugreifen.
2. Ein Vergaberechtsverstoß allein reicht nicht aus, um einen Nachprüfungsantrag zum Erfolg zu verhelfen. Hinzukommen muss, dass dem Antragsteller durch den Vergaberechtsverstoß ein Schaden entsteht.
VolltextVPRRS 2019, 0348
VK Bund, Beschluss vom 04.10.2019 - VK 1-73/19
1. Der Ausschluss eines Angebots wegen Nichterfüllung der Mindestanforderungen an die technische und berufliche Leistungsfähigkeit setzt voraus, dass die Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung ordnungsgemäß bekannt gemacht wurden.
2. Ein allgemeiner Verweis in der Auftragsbekanntmachung auf "Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen" lässt nicht zu, dass in- oder ausländische Bewerber ohne Weiteres erkennen können, welche persönlichen und wirtschaftlichen Anforderungen sie erfüllen müssen, um erfolgreich an dem Vergabeverfahren teilnehmen zu können.
3. Ein in der Auftragsbekanntmachung enthaltener Link, mit dem gebührenfrei ein uneingeschränkter und vollständiger direkter Zugang zu den Auftragsunterlagen ermöglicht wurde, kann die Mitteilung der Eignungskriterien und der geforderten Nachweise in der Auftragsbekanntmachung nicht ersetzen.
VolltextVPRRS 2019, 0329
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.10.2019 - Verg 66/18
1. Ein Auftrag zur Errichtung eines digitalen Alarmierungssystems für die nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr ist nicht als Bau-, sondern als Liefer- bzw. Dienstauftrag zu qualifizieren.
2. Der öffentliche Auftraggeber hat die Leistungsbeschreibung in einer Weise zu fassen, dass sie allen am Auftrag interessierten Unternehmen den gleichen Zugang zum Vergabeverfahren gewährt.
3. In der Leistungsbeschreibung darf nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren verwiesen werden, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden. Solche Verweise sind nur zulässig, wenn sie durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt sind.
4. Eine Produktvorgabe aus technischen Gründen ist sachlich gerechtfertigt, wenn im Interesse der Systemsicherheit und Funktion eine wesentliche Verringerung von Risikopotentialen (Risiko von Fehlfunktionen, Kompatibilitätsproblemen) bewirkt wird (hier verneint).
VPRRS 2019, 0302
VK Rheinland, Beschluss vom 26.03.2019 - VK 5/19
1. Ein Auftraggeber darf den Bietern verbindliche Preisobergrenzen vorgeben. Deren Angemessenheit ist für ihre Rechtmäßigkeit ohne Bedeutung.*)
2. Die Wahl des offenen Verfahrens ist grundsätzlich auch dann zulässig, wenn die Voraussetzungen eines Verhandlungsverfahrens vorliegen.*)
VolltextVPRRS 2019, 0298
VK Bund, Beschluss vom 29.07.2019 - VK 2-48/19
1. Wesentliche Änderungen eines öffentlichen Auftrags während der Vertragslaufzeit erfordern ein neues Vergabeverfahren. Wesentlich sind solche Änderungen, die dazu führen, dass sich der öffentliche Auftrag erheblich von dem ursprünglich vergebenen öffentlichen Auftrag unterscheidet. Das gilt auch für Rahmenvereinbarungen.
2. Werden die in einer Rahmenvereinbarung angegebenen Mengen überschritten, dürfen nur im Rahmen des nach § 132 GWB Zulässigen ohne neues Vergabeverfahren weitere Einzelabrufe erfolgen.
3. Entschließt sich der Auftraggeber, ohne Inanspruchnahme der Möglichkeiten aus § 132 GWB ein neues Vergabeverfahren durchzuführen, ist dies stets die bessere Alternative.
4. Sinn und Zweck eines Vergabenachprüfungsverfahrens ist es nicht, einen zu Beschaffungszwecken eröffneten Wettbewerb zu verhindern, sondern einen chancengleichen und rechtskonformen Vergabewettbewerb zu gewährleisten. Ein Nachprüfungsantrag, der darauf gerichtet ist, ein Vergabeverfahren von vornherein zu verhindern, ist deshalb unzulässig.
VolltextVPRRS 2019, 0301
VK Bund, Beschluss vom 29.07.2019 - VK 1-47/19
1. Der eindeutige Inhalt eines Angebots kann nach Ablauf der Angebotsabgabefrist nicht – auch nicht im Rahmen eines Aufklärungsgesprächs – geändert werden.
2. Liegt der Angebotspreis eines Bieters zwischen 10 und 20% unter dem nächsthöheren Angebotspreis, handelt es sich um ein sog. Unterkostenangebot, das der Auftraggeber vor einer endgültigen Zuschlagsentscheidung prüfen muss.
3. Unterkostenangebote sind nicht per se unzulässig. Ein Bieter ist grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, nur solche Preise zu verlangen, die seine Kosten decken.
4. Es steht im Ermessen des öffentlichen Auftraggebers, ob er den Zuschlag auf ein Unterkostenangebot erteilt oder ablehnt. Dabei sind insbesondere die erheblichen Risiken zu berücksichtigen, die mit Unterkostenangeboten grundsätzlich verbunden sein können.
VolltextVPRRS 2019, 0294
VK Bund, Beschluss vom 22.08.2019 - VK 1-51/19
Die Standortentscheidung des Auftraggebers und die damit verbundene Vorgabe, dass die Leistung an einem bestimmten Ort zu erbringen ist, ist als eine der eigentlichen Beschaffung vorgelagerte Entscheidung hinzunehmen. Eine Verletzung vergaberechtlicher Ansprüche kann hieraus nicht abgeleitet werden.
VolltextVPRRS 2019, 0293
OLG Jena, Beschluss vom 12.06.2019 - 2 Verg 1/18
1. Wird mit dem Zuschlag ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag erteilt, kann dieser nicht mehr aufgehoben werden.
2. Dem Vergaberecht nicht zugehörige oder dessen Anwendung vorgelagerte Fragen - insbesondere aus anderen Rechtsgebieten - sind im Nachprüfungsverfahren grundsätzlich nicht zu prüfen; etwas anderes gilt nur bei Vorliegen einer vergaberechtlichen Anknüpfungsnorm. Die Frage der Kommunalrechtmäßigkeit des Kreistagsbeschlusses entzieht sich der Beurteilung durch die Vergabenachprüfungsinstanzen.
3. Öffentliche Dienstleistungsaufträge, die nicht vom Vorrang des allgemeinen Vergaberechts erfasst werden, können direkt an einen internen Betreiber vergeben werden.
4. Die Grundrechte privater Unternehmer stehen einer - auch weitgehenden - Nutzung der Direktvergabemöglichkeit durch eine zuständige Behörde solange nicht entgegen, als die Direktvergabe nicht mit dem Ziel der Verdrängung privater Konkurrenz und damit missbräuchlich erfolgt; diesbezüglich sind strenge Anforderungen zu stellen.
VolltextVPRRS 2019, 0289
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10.08.2018 - 2 VK LSA 21/17
1. Zur Abgrenzung zwischen Empfangs- und Pförtnerdiensten einerseits und Sicherheits- und Bewachungsdiensten andererseits.
2. Untergeordnete Überwachungstätigkeiten (hier: Kontrolle von Überwachungskameras) stehen der Einordnung einer Tätigkeit als Empfangs- und Pförtnerdienst nicht entgegen.
3. Die Bestimmung der Gewichtung der Zuschlagskriterien obliegt allein dem öffentlichen Auftraggeber. Die Angabe des Zuschlagskriteriums "Qualität" ist aufgrund seiner Pauschalität allerdings nicht ausreichend.
VolltextVPRRS 2019, 0287
VK Bund, Beschluss vom 12.07.2019 - VK 1-35/19
1. Hat ein Bieter nicht sämtliche Kostenfaktoren berücksichtigt und infolge dessen ein Unterkostenangebot abgegeben, muss der Auftraggeber prüfen, ob er dieses Angebot annehmen kann oder nicht. Unterkostenangebote sind nicht per se unzulässig.
2. Der Auftraggeber hat dabei die erheblichen Risiken zu berücksichtigen, die mit Unterkostenangeboten grundsätzlich verbunden sein können, wie etwa dem Risiko, dass der Auftragnehmer infolge der zu geringen Vergütung in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten könnte und den Auftrag deshalb nicht vollständig zu Ende führen wird.
3. Auch wenn zum Zeitpunkt der Angebotswertung nicht sicher beurteilt werden kann, ob und wie wahrscheinlich sich diese Risiken verwirklichen, hat der Auftraggeber ein rechtlich gebundenes Ermessen dergestalt, dass der Zuschlag grundsätzlich abzulehnen ist, wenn verbleibende Ungewissheiten nicht zufriedenstellend aufgeklärt werden können.
4. Eine "zufriedenstellende Aufklärung" liegt erst dann vor, wenn der Auftraggeber bei seiner Entscheidung, ob auf ein Unterkostenangebot der Zuschlag zu erteilen ist, Art und Umfang der im konkreten Fall drohenden Gefahren für eine wettbewerbskonforme Auftragserledigung berücksichtigt und dokumentiert hat.
VolltextVPRRS 2019, 0272
VK Rheinland, Beschluss vom 29.07.2019 - VK 26/19
1. Die Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals können bei der Angebotswertung als Zuschlagskriterien berücksichtigt werden, wenn die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann.
2. Die Zulassung auftragsbezogener Qualifikationsmerkmale als Zuschlagskriterium ist nicht auf solche Aufträge beschränkt, bei denen Dienstleistungen spezifisch intellektuellen Charakters erbracht werden sollen.
3. Es ist einem Bieter nicht zuzumuten, personelle und sächliche Mittel zur Auftragsausführung zu beschaffen, noch ehe er weiß, ob er überhaupt den Zuschlag für den Auftrag bekommt.
4. Bieter sind auch nicht gehalten, bereits unterschriftsreife Verträge auszuhandeln, oder gar rechtsverbindliche Vorverträge zur Personalbeschaffung abzuschließen.
5. Ein Bieter ist ferner nicht verpflichtet, in seinem Betrieb bereits verfügbares Personal für die Auftragsausführung einzusetzen.
6. Vergabeunterlagen müssen zwar klar und verständlich sein. Das schließt aber nicht aus, dass Bieter oder Bewerber die Unterlagen auslegen müssen, um das Verlangte zu erkennen.
7. Für die Auslegung maßgeblich ist die Perspektive eines verständigen und mit der ausgeschriebenen Leistung vertrauten Unternehmens, das über das für eine Angebotsabgabe oder die Abgabe eines Teilnahmeantrags erforderliche Fachwissen verfügt.
8. In vergaberechtswidriger Weise nicht mehr eindeutig sind Vergabeunterlagen lediglich dann, wenn fachkundigen Unternehmen auch nach Auslegungsbemühungen mehrere Auslegungsmöglichkeiten verbleiben oder das zutreffende Verständnis der Vergabeunterlagen eine besondere Gesamtschau erfordert, die von den Bietern oder Bewerbern im Vergabewettbewerb erfahrungsgemäß nicht geleistet wird oder nicht geleistet werden kann. Nur eine derartige Unklarheit geht zu Lasten des Auftraggebers.
VolltextVPRRS 2019, 0270
OLG München, Beschluss vom 22.07.2019 - Verg 14/18
1. Die Beschaffung von Telekommunikationsdiensten unterliegt grundsätzlich dem allgemeinen Vergaberecht.
2. Von der Verpflichtung zur Anwendung des Vergaberechts ausgenommen sind solche Beschaffungen, die der Auftraggeber für die Ausübung von bisher der sog. Sektorenrichtlinie unterfallenden Tätigkeiten benötigt.
3. Die Freistellung vom allgemeinen Vergaberecht erstreckt sich nur auf Beschaffungen für die Bereitstellung oder den Betrieb öffentlicher Kommunikationsnetze und die Bereitstellung von elektronischen Kommunikationsdiensten für die Öffentlichkeit.
VolltextVPRRS 2019, 0266
VK Bund, Beschluss vom 31.07.2019 - VK 2-50/19
1. Im Rahmen der Vergabe arbeitsmarktpolitischer Dienstleistungen kommt dem Auftraggeber bei Festlegung der Zuschlagskriterien ein großer Ermessenspielraum zu; er definiert mit seinen Zuschlagskriterien, was für ihn das wirtschaftlichste Angebot ist. Es ist ihm kein "Nummerus clausus" der Zuschlagskriterien vorgegeben.
2. Eine qualitätvolle Auftragsausführung und damit ebenfalls die Wirtschaftlichkeit eines Angebots im Bereich arbeitsmarktpolitischer Dienstleistungen wird nicht allein durch das konkret handelnde Personal determiniert, sondern umfassender und vorrangig von der Fähigkeit eines Bieters, eine insgesamt zielführende Maßnahme zu organisieren.
3. Hat ein Bieter in der Vergangenheit gute Vermittlungserfolge erzielt, spricht das dafür, dass er in der Lage ist, auch zukünftig eine qualitätvolle Maßnahme als Gesamtpaket realisieren zu können, u. a. auch dafür, dass er in der Lage ist, geeignetes Personal zu akquirieren, ohne dass es sich zwingend um die identischen Personen handeln muss, welche die vorherigen Maßnahmen durchgeführt haben.
4. Der Auftraggeber für die Bewertung arbeitsmarktpolitischer Dienstleistungen Zuschlagskriterien festlegen, die auf Erfolge aus der Vergangenheit Bezug nehmen.
5. Stellt die Vergabe von (hier:) zwei Punkten den Normalfall dar, wonach das Konzept den Anforderungen entspricht, also weder herausragende Besonderheiten noch Defizite aufweist, bedarf die Vergabe von zwei Punkten keiner besonderen, über die reine Punktebenotung hinausgehenden Begründung im Vergabevermerk.
6. Aufgrund der Bedeutung der Dokumentation bei Bewertungen anhand von schulnotenähnlichen Vorgaben ist in Fällen, in denen ein Bieter eine "kreative Idee" in seinem Konzept aufweist, der das Potential für die Vergabe von drei Punkten innewohnt, eine Begründung in die Bewertung aufzunehmen, aus welchen Gründen das Konzept letztendlich doch nicht die Maximalpunktzahl vergeben hat.
7. Die Rügeobliegenheit besteht nur, wenn der vermeintliche Vergabefehler für einen durchschnittlichen Bieter erkennbar war. Eine solche Erkennbarkeit, die auch im Rechtssinn gegeben sein muss, ist in Bezug auf die vermeintliche Europarechtswidrigkeit einer Vorgabe in den Vergabeunterlagen, die exakt mit der nationalen rechtlichen Regelung übereinstimmt, nicht gegeben.
VolltextVPRRS 2019, 0265
VK Brandenburg, Beschluss vom 17.05.2019 - VK 3/19
1. Eine eindeutig und transparent abgefasste Leistungsbeschreibung ist auch dann für die Angebotskalkulation maßgeblich, wenn der Bieter sie für nicht fachgerecht hält.
2. Ist ein Bieter der Auffassung, die ausgeschriebene Leistung sei nicht fachgerecht, muss er dies vor Ablauf der Angebotsfrist entweder über eine Bieterfrage klären oder eine Rüge anbringen.
3. Hat ein Bieter nur Kapazitäten, um zwei der ausgeschriebenen vier Lose auszuführen, bewirbt sich aber dennoch auf alle Lose, ist keines seiner Angebote zuschlagsfähig.
VolltextVPRRS 2019, 0262
VK Rheinland, Beschluss vom 12.03.2018 - VK K 2/18
1. Die §§ 97 ff. GWB sowie die Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV) sind auf den Betrieb von Spielhallen nicht anwendbar.*)
2. Bei dem Betrieb einer Spielhalle handelt es sich nicht um eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe, mit welcher der öffentliche Auftraggeber einen Auftragnehmer betraut.*)
3. Der Gesetzgeber hat die einzelnen Glücksspielformen unterschiedlichen Regelungsregimen unterworfen.*)
VolltextVPRRS 2019, 0398
VK Berlin, Beschluss vom 12.06.2019 - VK B 1-10/19
1. Die Begründung eines Nachprüfungsantrags muss die behauptete Rechtsverletzung mit einer konkreten Sachverhaltsdarstellung beschreiben.
2. Beruft sich ein Unternehmen auf marktbekannte Informationen, nach denen ein Konkurrent eine unzureichende Lösung angeboten haben soll, muss er diese Informationen und Quellen konkret erläutern.
3. Berufst sich ein Antragsteller darauf, das ein preislich günstigeres Angebot eines Konkurrenten nicht den Anforderungen des Auftraggebers entsprechen kann und ein Leistungsausfall droht, muss er seine Gründe dafür konkret vortragen.
4. Ist der Preis das einzige Zuschlagskriterium, ist die Bieterinformation ausreichend begründet, wenn es die Aussage enthält, es gebe niedrigere Angebote. Der Auftraggeber ist nicht verpflichtet, in seiner Vorabinformation Ränge oder Platzierungen anzugeben.
VolltextVPRRS 2019, 0258
VK Rheinland, Beschluss vom 09.07.2019 - VK 20/19
1. Ein Angebot ist zwingend vom weiteren Vergabeverfahren auszuschließen, wenn es Änderungen oder Ergänzungen an Vergabeunterlagen vornimmt.
2. Die Vergabeunterlagen umfassen alle Angaben, die erforderlich sind, um dem Bewerber oder Bieter eine Entscheidung zur Teilnahme am Vergabeverfahren zu ermöglichen. Darunter fallen auch die Angabe der Eignungs- und Zuschlagskriterien.
3. Eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen wird immer dann angenommen, wenn das Angebot von den in diesen Unterlagen genannten Vorgaben abweicht, also der Bieter etwas anderes anbietet als vom Auftraggeber nachgefragt, so dass Angebot und Nachfrage nicht übereinstimmen.
4. Ob Angebot und Nachfrage übereinstimmen, erfolgt durch eine Feststellung und anschließende Gegenüberstellung dessen, was der Auftraggeber gefordert hat, mit dem, was vom Bieter angeboten wurde.
VolltextVPRRS 2019, 0253
VK Sachsen, Beschluss vom 25.06.2019 - 1/SVK/013-19
1. Enthält ein Leistungsverzeichnis in weiten Teilen Ca.-Angaben zu den Produktabmessungen und Leistungswerten, so führt dies zu unklaren und undefinierbaren Toleranzbereichen in der Auslegung und Bestimmung etwaig noch zulässiger Abweichungen von den genannten Parametern.*).
2. Eindeutig im vergaberechtlichen Sinn ist eine Leistungsbeschreibung i.S.v. § 121 Abs. 1 GWB, § 31 Abs. 2 Nr. 1 VgV nur, wenn sie verbindliche Minimal- und Maximalwerten enthält. Solange den Vergabeunterlagen keine Erläuterungen zu entnehmen sind, welche Abweichungen von den Ca.-Werten (noch) möglich sind und daher vom öffentlichen Auftraggeber akzeptiert werden, sind die Angebote untereinander nicht vergleichbar.*)
VolltextVPRRS 2019, 0401
OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.08.2019 - 11 Verg 3/19
1. Der Antrag auf Feststellung, dass der Beschwerdeführerin bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vergabeverfahrens der Zuschlag zu erteilen gewesen wäre, ist unzulässig, weil im Nachprüfungsverfahren nicht mit Bindungswirkung erklärt werden kann, ob für den Bieter eine echte Chance auf den Zuschlag bestanden hat (§ 181 GWB) oder ob dem Bieter bei ordnungsgemäßem Verlauf des Vergabeverfahrens der Zuschlag hätte erteilt werden müssen. Diese Fragen sind erst in einem möglicherweise nachfolgenden Schadensersatzprozess vom Zivilgericht autonom zu prüfen.*)
2. Wenn im Leistungsverzeichnis einer Ausschreibung für Bestatterdienstleistungen zugunsten einer Polizeidienststelle ein Leistungsbereich für die zu erbringenden Leistungen (Anfahrt, Aufnahme und Bergung, Einsargung, Beförderung zum Verbringungsort, Aufbringung bzw. Abstellung am Verbringungsort) örtlich umschrieben und in diesem Rahmen vorgeschrieben ist, dass der Leistungserbringer einen Kühlraum zur Zwischenlagerung einer bestimmten Anzahl von Leichen vorhalten muss, so ist die Frage, ob sich die Kühlräume in dem örtlich umschriebenen Leistungsbereich befinden, kein Eignungskriterium im Sinne von § 42 VgV.*)
VolltextVPRRS 2019, 0226
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 03.06.2019 - 3 VK LSA 13/19
1. Weicht ein Angebot für die Erbringung von Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen, auf das der Zuschlag erteilt werden soll, um mindestens 10 % vom nächsthöheren Angebot ab, hat der öffentliche Auftraggeber die Kalkulation des Angebots zu überprüfen. Im Rahmen dieser Überprüfung ist der Bieter verpflichtet, die ordnungsgemäße Kalkulation nachzuweisen.
2. Es ist zulässig, auf ein ungewöhnlich niedriges Angebot den Zuschlag zu erteilen, solange die Prognose gerechtfertigt ist, dass der Bieter auch zu diesem Preis die Leistung zuverlässig und vertragsgerecht erbringen kann. Der Auftraggeber hat insoweit sorgfältig zu prüfen und zu erwägen, ob ein ungewöhnlich niedriges Angebot berücksichtigt und gegebenenfalls bezuschlagt werden kann.
3. Die Prüfung eines ungewöhnlich niedrigen Angebots und gegebenenfalls dessen Wertung ist vom Auftraggeber ordnungsgemäß zu dokumentieren.
VolltextVPRRS 2019, 0243
VK Bund, Beschluss vom 17.07.2019 - VK 2-36/19
1. Der öffentliche Auftraggeber darf den Zuschlag auf ein Angebot ablehnen, wenn er nach einer Prüfung die geringe Höhe des angebotenen Preises nicht zufriedenstellend aufklären kann.
2. Im Dienstleistungsbereich löst eine Abweichung von 20 % zum nächsten Angebot eine Preisprüfungspflicht aus (sog. Aufgreifschwelle).
3. Eine nicht zufriedenstellende Aufklärung setzt voraus, dass die pflichtgemäß durchgeführte und ausgewertete Aufklärung keine gesicherte Tatsachengrundlage ergeben hat, die es rechtfertigt festzustellen, dass das Angebot nicht ungewöhnlich niedrig, sondern vielmehr angemessen ist.
4. Es gilt bei nicht ausreichender Plausibilisierung eines sehr niedrigen Preises ein Regel-Ausnahme-Verhältnis für den Angebotsausschluss. Es kann dem Auftraggeber nicht als Vergabefehler angelastet werden, wenn er im Sinne dieses Regel-Ausnahme-Verhältnisses entscheidet.
5. Erfolgt die Wertung von Konzepten an dem Maßstab "überzeugend", muss dieser Begriff nicht nochmals gesondert konkretisiert werden, wenn für den fachkundigen Bieter in einer Gesamtschau aller Vorgaben deutlich wird, worauf es dem Auftraggeber ankommt.
6. Ein durchschnittlicher Bieter muss keine Kenntnis von der komplexen vergaberechtlichen Einordnung einer Rahmenvereinbarung bzw. der Rechtsprechung zur Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien haben. Derart schwierige Rechtsfragen lösen demzufolge keine Rügeobliegenheit des Bieters aus.
VolltextVPRRS 2019, 0220
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29.06.2018 - 1 VK LSA 44/17
1. Öffentliche Auftraggeber können ihre öffentlichen Dienstleistungen im Wege einer Zusammenarbeit gemeinschaftlich erbringen. Diese Zusammenarbeit ist nicht auf bestimmte Dienstleistungen beschränkt, sondern kann alle Arten von Tätigkeiten erfassen.
2. Voraussetzung für eine vergabefreie interkommunale Zusammenarbeit ist, dass eine allen Kooperationspartnern gleichermaßen obliegende Aufgabe wahrgenommen wird, ein kooperatives Konzept vorliegt und die Zusammenarbeit im öffentlichen Interesse liegt.
VolltextVPRRS 2019, 0229
VK Westfalen, Beschluss vom 19.07.2019 - VK 2-13/19
1. Der Nachweis einer Betriebshaftpflichtversicherung stellt eine zulässige Mindestanforderung in Bezug auf die Eignung der Bewerber dar, die zwingend vorliegen muss.
2. Auch in einem Vergabeverfahren nach der Sektorenvergabeverordnung ist ein Angebot vom Wettbewerb auszuschließen, wenn geforderte Eignungsnachweise nicht vorgelegt werden.
3. Beteiligt sich ein Konzernunternehmen als Einzelbieter an einem Vergabeverfahren, wird mit der Vorlage einer auf eine Schwestergesellschaft ausgestellten Versicherungsbestätigung nur dann der Nachweis einer Betriebshaftpflichtversicherung erbracht, wenn der potentielle Auftragnehmer zu den mitversicherten Unternehmen gehört.
VolltextVPRRS 2019, 0189
VK Thüringen, Beschluss vom 29.03.2019 - 250-4003-10402/2019-E-002-SHL
1. Angebote von Unternehmen, die nicht die geforderten oder nachgeforderten Unterlagen enthalten, sind von der Wertung auszuschließen.
2. Der Begriff der (Angebots-)Unterlagen ist in einem sehr weiten Sinn zu verstehen. Hierunter fallen u. a. Eigenerklärungen sowie sonstige Angaben in dem Angebot des Bieters.
3. Leistungsbezogene Unterlagen, die die Wirtschaftlichkeitsbewertung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien betreffen, können nicht nachgefordert werden.
4. Der Ausschlusstatbestand des § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV und die Bestimmungen über die Möglichkeit der Nachforderung von Unterlagen nach § 56 Abs. 2, 3 VgV gelten auch in einem Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb, wenn der Auftraggeber für die (indikativen) Angebot der Bieter eine mit dem Angebotsabgabeschluss gleichwertige Ausschlussfrist festgesetzt hat.
VolltextVPRRS 2019, 0190
EuGH, Urteil vom 19.06.2019 - Rs. C-41/18
Art. 57 Abs. 4 Buchst. c und g der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach die gerichtliche Anfechtung der von einem öffentlichen Auftraggeber wegen erheblicher Mängel bei der Ausführung eines öffentlichen Auftrags getroffenen Entscheidung, diesen zu kündigen, die Beurteilung der Zuverlässigkeit des von dieser Kündigung betroffenen Teilnehmers durch den öffentlichen Auftraggeber, der eine neue Ausschreibung durchführt, in der Phase der Auswahl der Bieter ausschließt.*)
VolltextVPRRS 2019, 0186
VK Thüringen, Beschluss vom 07.02.2019 - 250-4003-262/2019-E-001-EIC
Ein Krankenhausbetreiber in der Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH, dessen Gesellschafter ein Landkreis und kirchliche Stiftungen sind, ist kein öffentlicher Auftraggeber, wenn er Umsatzerlöse in zweistelliger Millionenhöhe erzielt, so dass von einer überwiegenden öffentlichen Finanzierung nicht ausgegangen werden kann, und der Landkreis als (Minderheits-)Gesellschafter die Geschäftsführung nicht maßgeblich beaufsichtigt.
VolltextVPRRS 2019, 0181
OLG Naumburg, Beschluss vom 11.09.2018 - 7 Verg 4/18
1. Im Antragsverfahren nach § 169 Abs. 2 Satz 5 GWB ist vom Beschwerdegericht eine eigenständige Abwägung nach § 169 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 GWB vorzunehmen.*)
a) Die Gestattung der vorzeitigen Zuschlagserteilung allein wegen fehlender Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrags kommt nur in solchen Fällen in Betracht, in denen sich die Unzulässigkeit bzw. Unbegründetheit des Nachprüfungsantrags im Rahmen einer summarischen Prüfung sofort und auf den ersten Blick erschließt. Gegen eine evident fehlende Erfolgsaussicht spricht es, wenn der Vorsitzende der Vergabekammer die Entscheidungsfrist unter Verweis auf die Schwierigkeiten des Falls wiederholt verlängert hat.*)
b) Ein besonderes Beschleunigungsinteresse des Auftraggebers ergibt sich nicht allein daraus, dass eine nicht unerhebliche Verzögerung bei der Erteilung des Zuschlags eingetreten ist. Die pauschale Behauptung, dass ihr "finanzielle Schäden bis hin zum Scheitern des Großbauprojekts" drohten, rechtfertigt eine vorzeitige Zuschlagsgestattung nicht; hierzu bedarf es der Vereinzelung und der Untersetzung, z. B. durch Vorlage eines Bescheids über die Fristbindung der Fördermittel. Die Verzögerung muss auf Umständen beruhen, die sich einer geordneten Projektplanung von vornherein entziehen; mit der Möglichkeit einer verzögerten Zuschlagserteilung wegen eines Nachprüfungsverfahrens muss der Auftraggeber grundsätzlich rechnen.*)
2. Verlangt der öffentliche Auftraggeber von den Bewerbern die Vorlage einer personenbezogenen Referenzliste (hier: für Erfahrungen mit der Bewirtschaftung von Fördermitteln für Gemeinschaftsaufgaben) und legt der Bewerber lediglich eine unternehmensbezogene Referenzliste vor, ist vor einer negativen Bewertung bzw. einem Ausschluss zu prüfen, ob die Erklärung unter Einbeziehung des Kontextes des Teilnahmeantrags (also durch Auslegung) dahingehend verstanden werden kann, dass eine bestimmte Person alle Projekte der Referenzliste bearbeitet hat.*)
VolltextVPRRS 2019, 0178
VK Thüringen, Beschluss vom 14.05.2019 - 250-4003-11842/2019-N-003-GTH
1. Ein ungewöhnlich niedrig erscheinendes Angebot wird nicht automatisch von der Wertung ausgeschlossen. Es besteht zunächst nur der Verdacht, dass das Angebot ungewöhnlich niedrig ist. Diesen Verdacht kann der Bieter gegenüber dem Auftraggeber durch entsprechende Erklärungen und die Vorlage seiner Kalkulation und anderer Unterlagen ausräumen.
2. Die Verpflichtung des Auftraggebers zur Aufklärung der Angemessenheit des Angebots gebietet es, den Bieter durch explizite positions- bzw. titelbezogene Anfragen Gelegenheit zu einer Aufklärung der auffälligen Positionen oder Titel zu geben und den Verdacht eines ungewöhnlich niedrigen Angebotspreises auszuräumen.
VolltextVPRRS 2019, 0147
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.04.2019 - 9 S 75/17
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob ein Verstoß gegen das beihilferechtliche Durchführungsverbot aus Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV vorliegt, weil die in Rede stehende Beihilfe auf einer gegenüber der Kommission nicht notifizierten Rechtsgrundlage beruht, ist - wie auch sonst allgemein im Beihilferecht der Union - der Zeitpunkt der Beihilfegewährung. Dies ist der Zeitpunkt, in dem der Beihilfeempfänger nach dem geltenden nationalen Recht einen Rechtsanspruch auf die Beihilfe erwirbt (vgl. EuGH, Urteil vom 21.03.2013 - Rs. C-129/12 -, Magdeburger Mühlenwerke GmbH ./. Finanzamt Magdeburg).*)
Volltext