Vergabepraxis & -recht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
4933 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2012
VPRRS 2012, 0140VK Sachsen, Beschluss vom 04.10.2011 - 1/SVK/037-11
1. Werden verlangte Muster nicht oder unvollständig vorgelegt, kann das ausschlussrelevant sein, denn Muster und Proben sind unter den Begriff der Erklärungen zu fassen, da diese dazu dienen, Inhalt, Substanz oder Leistungsumfang des zu liefernden Produktes beispielhaft zu beschreiben.*)
2. Widersprechen sich Muster und schriftliches Angebot, ergibt sich für den Auftraggeber das Risiko dass der Bieter im Falle einer Beauftragung unter Berufung auf sein Muster Leistungen erbringt, die von dem Leistungsverzeichnis des Auftraggebers abweichen.*)
3. Auch eine Bemusterung unterliegt der Dokumentationspflicht. Eine unzureichende Dokumentation kann im Vergabenachprüfungsverfahren nicht durch Zeugenbeweis ersetzt werden.*)
VolltextVPRRS 2012, 0139
VK Sachsen, Urteil vom 08.11.2011 - 1/SVK/041-11
Gemäß § 19 EG Abs. 3 d VOL/A 2009 sind Angebote, die Änderungen an den Vergabeunterlagen aufweisen, zwingend von der Wertung auszuschließen. Dies gilt unabhängig davon, ob im Ergebnis mit dem angebotenen Produkt ein gleichwertiges Leistungsergebnis erzielt werden kann, wie mit dem laut Leistungsverzeichnis verlangten Fabrikat.*)
VolltextVPRRS 2012, 0138
VK Sachsen, Beschluss vom 10.02.2012 - 1/SVK/001-12
1. Die "Verlängerung" beschleunigter Vergabeverfahren aus Dringlichkeitsgründen wegen der aktuellen Wirtschaftslage bis Ende 2011 im Sinne der Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 19.12.2008 (IP/08/2040) ergibt sich aus der "NOTE TO THE MEMBERS OF THE ADVISORY COMMITTEE ON PUBLIC CONTRACTS" der Kommission vom 09.12.2010. Dieses Dokument hat nicht den Charakter einer "Ermächtigungsgrundlage" und hat damit weder einen normsetzenden bzw. normersetzenden Charakter.*)
2. Die Verkürzung der Bekanntmachungsfrist nach § 7 Abs. 2 VOF ist nur in eng zu fassenden Ausnahmefällen zulässig, weil dadurch der europaweite Wettbewerb faktisch zugunsten der beschleunigten Durchführung des Verfahrens begrenzt wird. Die Dringlichkeit setzt die nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilende Eilbedürftigkeit der beabsichtigten Beschaffung voraus.*)
3. Die Berücksichtigung des bloßen Nachunternehmereinsatzes als Kriterium im Teilnahmewettbewerb ist vergaberechtswidrig. Die Aussage, dass ein Teilnehmer Nachunternehmer einsetzt, lässt nicht ohne weitere Kenntnis der tatsächlichen Eignung den Rückschluss zu, dass der Bieter weniger geeignet ist als ein Bieter, der die Leistung als Eigenleistung erbringt. Für einen entsprechenden allgemeinen Erfahrungssatz fehlen sachgerechte Erwägungen. Ein "Kern" an eigener Leistungsfähigkeit darf nicht gefordert werden.*)
4. Auch unter Berücksichtigung der Interessen des Mittelstandes ist im Rahmen eines Teilnahmewettbewerbs eine Eingrenzung des Teilnehmerkreises zulässig. Insoweit ist es nicht zu beanstanden, wenn der Auftraggeber die Anforderungen so gestaltet, dass eine Abschichtung erfolgt, die eine Eingrenzung auf die zur Teilnahme am Angebotsverfahren vorgesehene Teilnehmerzahl ermöglicht und ein Losverfahren überflüssig macht.*)
VolltextVPRRS 2012, 0137
OLG Brandenburg, Beschluss vom 27.03.2012 - Verg W 13/11
1. Ob das Begehren eines Bieters, den Auftrag statt im offenen Verfahren nach VOL/A im Verhandlungsverfahren nach VOF erneut auszuschreiben, einen ihm drohenden Schaden verhindern kann, ist zweifelhaft, weil durch eine solche Maßnahme eine Verbesserung seiner Zuschlagschancen ausgeschlossen erscheint.*)
2. Die Erfassung und Kartierung von Biotopen und FFH-Lebensraumtypen stellen freiberufliche Dienstleistungen dar, die eine Aufgabe zum Gegenstand haben, deren Lösung vorab eindeutig und erschöpfend beschreibbar ist. Dass der Auftragnehmer dabei im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit geistig-schöpferisch tätig wird, steht dem nicht entgegen.*)
3. Ist offen, welchen Arbeitsanfall eine dem Inhalt nach hinreichend bestimmte Leistung verursachen wird, und fordert der Auftraggeber die Angabe eines Gesamtpreises, genügt die Leistungsbeschreibung nicht den Anforderungen an eine eindeutige und erschöpfende Beschreibung. Denn bei nicht hinreichend verlässlich abzuschätzendem Leistungsumfang ist eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation eines Gesamtpreises unmöglich, so dass keine miteinander vergleichbaren Angebote in preislicher Hinsicht zu erwarten sind.*)
4. Ist die vorherige Festlegung eines Gesamtpreises objektiv unmöglich, kommt nur ein Verhandlungsverfahren nach der VOL/A in Betracht.*)
VolltextVPRRS 2012, 0136
VK Sachsen, Beschluss vom 11.11.2011 - 1/SVK/042-11
1. Trägt ein Antragsteller in einem VOL/A Verfahren vor, dass er aus seiner Marktkenntnis heraus Zweifel an der Eignung des Beigeladenen habe, benennt er damit einen ausreichend konkreten Anhaltspunkt für den behaupteten Vergaberechtsverstoß. Da ein Bieter regelmäßig keinen Einblick in das Angebot eines Mitbewerbers hat, kann ein tiefgreifender Vortrag nicht verlangt werden. Dasselbe gilt, soweit ein Antragsteller geltend macht, der Beigeladene habe unauskömmlich kalkuliert, da es angesichts der eigenen Kalkulation unmöglich erscheine, dass ein anderer Bieter günstiger angeboten haben könne.*)
2. § 19 Abs. 6 EG VOL/A hat zumindest in dem Fall bieterschützende Wirkung, wenn durch den Auftraggeber überhaupt keine Auskömmlichkeitsprüfung vorgenommen worden ist. *)
3. Erklärt ein Bieter mit Angebotsabgabe, dass er für einen Teil der ausgeschriebenen Leistung die geforderten Referenzen nicht vorlegen könne, so ist es dem Auftraggeber verwehrt, die entsprechenden Referenzen nachzufordern. Das Angebot des jeweiligen Bieters ist dann zwingend wegen fehlender Eignung auszuschließen.*)
4. Eine Verlängerung einer nach § 19 Abs. 2 Satz 1 EG VOL/A gesetzten Frist zur Nachforderung von bereits mit Abgabe des Angebotes vorzulegenden Erklärungen und Nachweisen ist nicht möglich.*)
VolltextVPRRS 2012, 0135
VK Sachsen, Beschluss vom 10.02.2012 - 1/SVK/050-11
1. Bereits aus der Veröffentlichung einer Vorinformation kann eine Rechtsverletzung resultieren. Auch wenn die Absendung der Vorinformation noch keinen Beginn des Vergabeverfahrens darstellt, so kann sich in der Vorinformation der Wille der Vergabestelle manifestieren, ein bestimmtes, nunmehr bekanntgegebenes Vergabeprozedere durchführen zu wollen. Zudem ist der Bieter gehalten, jedweden Verfahrensverstoß unverzüglich nach Kenntnisnahme "frühestmöglich" zu monieren.*)
2. Der Begriff des Fachloses knüpft nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung an die bei der Auftragsausführung anfallenden Gewerke an, sofern diese sachlich abgrenzbar sind. Eine solche Abgrenzbarkeit lässt sich für Lärmschutzwandarbeiten im Zusammenhang mit Straßenbauarbeiten unproblematisch annehmen.*)
3. Das Gebot der Teilung der Aufträge in Fach- und Teillose als Regelfall ließe bei einer abstrakten Betrachtungsweise zunächst den Schluss zu, dass jede größere Baumaßnahme in einzelne Arbeitsschritte und Bauetappen oder auch Liefer- und Transportleistungen zu zerlegen ist, die in kleinteiligen Fachlosen zu vergeben wären. Deshalb sind die Argumente des Auftraggebers, die diesen zum Absehen von einer Fachlosvergabe bewogen haben zu bewerten, wobei der mit einer Fachlos- oder gewerkeweisen Vergabe allgemein verbundene Mehraufwand bei der Abwägung grundsätzlich unberücksichtigt bleibt. Die Entscheidung des Auftraggebers hierüber ist von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur darauf zu überprüfen, ob sie auf vollständiger und zutreffender Sachverhaltsermittlung und nicht auf einer Ermessensfehlbetätigung, namentlich auf Willkür, beruht.*)
4. Erst im Rahmen eines Vergabenachprüfungsverfahrens vorgetragene Überlegungen der Vergabestelle müssen nicht notwendigerweise unter dem Gesichtspunkt fehlender Dokumentation unberücksichtigt bleiben, denn es erscheint geradezu lebensfremd, zu verlangen, dass ein öffentlicher Auftraggeber alle denkbaren Varianten eines alternativen Bauablaufs höchst vorsorglich durchdeklinieren und zur Vergabeakte nehmen muss um so der ihm obliegenden Dokumentationspflicht zu genügen.*)
VolltextVPRRS 2012, 0134
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.03.2012 - Verg 78/11
1. Die Alttextilentsorgung stellt eine Dienstleistungskonzession dar, wenn die Vergabestelle nicht an den Verwertungserlösen beteiligt wird.
2. Alttextilien werden dem Auftragnehmer durch Bürger überlassen, so dass der Auftragnehmer keinen geldwerten Vorteil von der Vergabestelle erlangt.
3. Rechtlicher Rahmen der Vereinbarung zwischen Auftragnehmer und Vergabestelle ist eine gewerbliche Sammlung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG.
VolltextVPRRS 2012, 0133
OLG München, Beschluss vom 05.04.2012 - Verg 3/12
1. Ein Baukonzessionär, der für das ihm übertragene Bauvorhaben an Dritte isolierte Planungsaufträge vergibt, ist öffentlicher Auftraggeber nach § 98 Nr. 6 GWB.*)
2. Bei der Vergabe solcher Planungsleistungen hat der Baukonzessionär die allgemeinen und grundlegenden Regeln des Vergaberechts zu beachten.*)
VolltextVPRRS 2012, 0130
VK Sachsen, Urteil vom 05.03.2012 - 1/SVK/003-12
1. Ein Vergabenachprüfungsverfahren hat sich in der Sache erst dann erledigt, wenn der Auftraggeber den gerügten Punkten inhaltlich abgeholfen hat. Führt der Auftraggeber lediglich eine Neuwertung durch, bei der nicht alle behaupteten Vergaberechtsverstöße beseitigt werden, kann der Antragsteller diese in dem Vergabenachprüfungsverfahren weiter verfolgen.*)
2. Eine Prüfung der Auskömmlichkeit eines Angebotes nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SektVO ist nicht bereits dann veranlasst, wenn ein Bieter nicht vor Ort ansässig ist.*)
3. Eine Beschränkung der Zulassung von Nebenangeboten auf bestimmte Positionen des Leistungsverzeichnisses ist im Anwendungsbereich der Sektorenverordnung zulässig. Nebenangebote, die sich auf andere Positionen des Leistungsverzeichnisses beziehen, sind dann zwingend von der weiteren Wertung auszuschließen und dürfen nicht mehr berücksichtigt werden. Dies ergibt sich im Anwendungsbereich der SektVO aus den übergeordneten Gründen der Gleichbehandlung und der Transparenz.*)
VolltextVPRRS 2012, 0128
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.01.2012 - Verg 58/11
1. Eine Konzern-Klausel des Inhalts, dass einem Konzernunternehmen Vertretungsmacht für sämtliche Konzernunternehmen zugebilligt wird, verstößt gegen den Grundsatz, dass unter bestimmten Umständen ein Konzernunternehmen auch ohne andere Konzernunternehmen, ja sogar im Wettbewerb mit anderen Konzernunternehmen, sich an einem Vergabeverfahren beteiligen darf.
2. Die unbefristete (wenn auch mit einem Kündigungsrecht versehene) Laufzeit eines Rabattvertrages mit pharmazeutischen Unternehmern ist mit § 130a Abs. 8 S. 6 SGB V (soll für eine Laufzeit von zwei Jahren abgeschlossen werden) und § 4 Abs. 7 EG-VOL/A (= Art. 32 Abs. 2 UA 4 Richtlinie 2004/18/EG: darf - von Ausnahmefällen abgesehen - vier Jahre nicht überschreiten) nicht vereinbar.
3. Mit § 19 Abs. 3 lit. e) EG VOL/A ist nicht zu vereinbaren, wenn auch verspätete Angebote angenommen werden können.
4. Ein "offenes" Verfahren, das die Möglichkeit vorsieht, dass die Bieter unter bestimmten Umständen Vorschläge für Abänderungen machen können, die zu Verhandlungen führen, stellt eine nicht zulässige Verfahrensart dar.
VolltextVPRRS 2012, 0126
BGH, Beschluss vom 25.01.2012 - X ZB 3/11
a) Die Regelungen in § 128 Abs. 3 Satz 4 und 5 GWB in der durch das Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts (BGBl. I 2009 S. 779) erhaltenen Fassung sind dahin auszulegen, dass Gebühr und Auslagen der Vergabekammer bei anderweitiger Erledigung des Nachprüfungsverfahrens auch einem anderen Beteiligten als dem Antragsteller auferlegt werden können, wenn dies der Billigkeit entspricht, dass in Fällen der Antragsrücknahme oder anderweitigen Erledigung des Nachprüfungsverfahrens aber stets nur die Hälfte der Gebühr zu entrichten ist.*)
b) Wird das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer übereinstimmend für erledigt erklärt, kann eine Erstattung notwendiger Aufwendungen von Beteiligten weiterhin nicht angeordnet werden.*)
VolltextVPRRS 2012, 0123
OLG Koblenz, Beschluss vom 30.03.2012 - 1 Verg 2/11
1. Bei Gebäudereinigungsleistungen ist die Glasreinigung ein eigenständiges Fachlos, das grundsätzlich gesondert vergeben werden muss.*)
2. Eine Teillosvergabe macht eine mögliche Fachlosvergabe nicht entbehrlich.*)
3. Zweckmäßigkeitserwägungen können ein Absehen von einer Losvergabe nicht rechtfertigen.*)
4. Nachteile, die üblicherweise mit einer Losvergabe verbunden sind, muss der Auftraggeber nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich hinnehmen.*)
5. Ist es wegen zahlreicher Unwägbarkeiten (nahezu) unmöglich, eine tatsachengestützte, halbwegs plausible Prognose über mögliche Zusatzkosten einer Losvergabe zu erstellen, gilt der gesetzliche Regelfall.*)
VolltextVPRRS 2012, 0122
EuGH, Urteil vom 29.03.2012 - Rs. C-599/10
1. Art. 55 Richtlinie 2004/18/EG ist dahin auszulegen, dass er gebietet, dass die nationale Regelung eine Bestimmung enthält, die im Wesentlichen vorsieht, dass, wenn ein Bewerber einen ungewöhnlich niedrigen Preis ansetzt, der öffentliche Auftraggeber ihn schriftlich auffordert, diesen zu erläutern. Es ist allein Sache des nationalen Richters, anhand des gesamten Akteninhalts zu überprüfen, ob die betreffenden Bewerber aufgrund der Aufforderung zur Erläuterung ihres Angebots dessen Zusammensetzung ausreichend darlegen konnten.*)
2. Art. 55 Richtlinie 2004/18/EG steht dem Standpunkt eines öffentlichen Auftraggebers entgegen, der meint, er sei nicht verpflichtet, vom Bewerber eine Erläuterung eines ungewöhnlich niedrigen Preises zu verlangen.*)
3. Art. 2 Richtlinie 2004/18/EG steht nicht einer Bestimmung des nationalen Rechts entgegen, die im Wesentlichen vorsieht, dass der öffentliche Auftraggeber die Bewerber schriftlich dazu auffordern kann, ihr Angebot zu erläutern, ohne allerdings irgendeine Änderung des Angebots zu verlangen oder zu akzeptieren. Bei der Ausübung des Ermessens, über das der öffentliche Auftraggeber somit verfügt, hat er die verschiedenen Bewerber gleich und fair zu behandeln, so dass am Ende des Verfahrens zur Auswahl der Angebote und im Hinblick auf das Ergebnis dieses Verfahrens nicht der Eindruck entstehen kann, dass die Aufforderung zur Erläuterung den oder die Bewerber, an den bzw. die sie gerichtet war, ungerechtfertigt begünstigt oder benachteiligt hätte.*)
VolltextVPRRS 2012, 0114
VK Hamburg, Beschluss vom 30.08.2005 - VgK 2/05
(ohne amtlichen Leitsatz)
VolltextVPRRS 2012, 0111
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.03.2012 - Verg 82/11
Zu den Anforderungen an ein transparentes und verständliches Leistungsverzeichnis.
VolltextVPRRS 2012, 0107
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 07.04.2011 - 1 VK LSA 57/10
1. Es ist von einer unzureichenden Information im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB zwecks Eingreifens einer Rechtsbehelfsfrist auszugehen, wenn der AG ausschließlich auf § 107 GWB mit den Abdruck der Absätze 1 und 2 hinweist.*)
2. Eine Beeinträchtigung drittschützender vergaberechtlicher Bestimmungen zu Lasten eines Bieters liegt vor, wenn er gezwungen wird mit Bietern zu konkurrieren, die einem anderen Anforderungsprofil unterworfen wurden. Bei schweren Verstößen ist trotz Präklusion eine Aufhebung des Vergabeverfahrens ausnahmsweise durch die Kammer möglich.*)
VolltextVPRRS 2012, 0106
VK Nordbayern, Beschluss vom 09.02.2012 - 21.VK-3194-43/11
1. Das Transparenzgebot des § 97 Abs. 1 GWB i.V.m. §§ 8 EG Abs. 1, 19 EG Abs. 8 VOL/A verpflichtet den öffentlichen Auftraggeber, die Kriterien so klar zu definieren, dass alle Bieter gleichermaßen erkennen, worauf es bei der Wertung der Angebote entscheidend ankommen wird. Die vorzulegenden Nachweise müssen nach Inhalt, Art und Zeitpunkt der Vorlage eindeutig gefordert worden sein. Die Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers sind ggf. aus der objektiven Sicht eines verständigen, fachkundigen und mit der Ausschreibung vertrauten Bieters auszulegen.*)
2. Der Auftraggeber ist nicht verpflichtet, fehlende Erklärungen oder Nachweise nachzufordern. Dem steht der klare Wortlaut des § 19 EG Abs. 2 Satz 1 VOL/A entgegen. Es liegt vielmehr im Ermessen des Auftraggebers, ob er fehlende Erklärungen oder Nachweise nachfordert. Es ist anerkannt, dass der Begriff "kann" im Vergaberecht dem Auftraggeber ein Ermessen einräumt. Eine Nachforderungspflicht ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die entsprechende Regelung im Bereich der Bauaufträge ( § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A ) zwingend ist.*)
3. Bei der inhaltlichen Eignungsprüfung, zu der auch die Prüfung der Zuverlässigkeit des Bieters gehört, hat der Auftraggeber eine Prognoseentscheidung darüber zu treffen, ob von dem betreffenden Bieter unter allen heranzuziehenden Gesichtspunkten eine einwandfreie und vertragsgemäße Auftragsdurchführung zu erwarten ist. Hierbei hat die VSt einen Beurteilungsspielraum, der im Vergabenachprüfungsverfahren nur beschränkt nachprüfbar ist. Unter anderem ist zu prüfen, ob der der Eignungsprüfung zugrunde gelegte Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt und bei der Eignungsbewertung berücksichtigt worden ist, ob allgemeine Bewertungsmaßstäbe eingehalten worden sind und ob sachwidrige Erwägungen dabei eine Rolle gespielt haben. *)
VolltextVPRRS 2012, 0451
EuGH, Urteil vom 16.02.2012 - Rs. C-77/10
1. Die Art. 43 EG und 49 EG sowie die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Effektivität sind dahin auszulegen, dass sie es einem Mitgliedstaat, der unionsrechtswidrig eine Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern von der Vergabe von Konzessionen für die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ausgeschlossen hat und diesen Verstoß durch Ausschreibung einer großen Zahl von neuen Konzessionen beheben will, verbieten, die von den bestehenden Betreibern erworbenen Geschäftspositionen u. a. durch das Vorschreiben von Mindestabständen zwischen den Einrichtungen der neuen Konzessionäre und denen der bestehenden Betreiber zu schützen. - Costa/Cifone.*)
2. Die Art. 43 EG und 49 EG sind dahin auszulegen, dass sie Sanktionen wegen Sammelns von Wetten ohne Konzession oder polizeiliche Genehmigung gegen Personen, die an einen Wirtschaftsteilnehmer gebunden sind, der von einer Ausschreibung unionsrechtswidrig ausgeschlossen worden war, auch nach der Neuausschreibung zur Behebung dieses Unionsrechtsverstoßes entgegenstehen, soweit diese Ausschreibung und die daraus folgende Vergabe neuer Konzessionen den rechtswidrigen Ausschluss des Wirtschaftsteilnehmers von der früheren Ausschreibung nicht wirksam behoben haben.*)
3. Aus den Art. 43 EG und 49 EG, dem Grundsatz der Gleichbehandlung, dem Transparenzgebot und dem Grundsatz der Rechtssicherheit folgt, dass die Bedingungen und Modalitäten eines Vergabeverfahrens wie des in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden und insbesondere Bestimmungen, die wie Art. 23 Abs. 2 Buchst. a und Abs. 3 des Mustervertrags zwischen der Amministrazione Autonoma dei Monopoli di Stato und dem Zuschlagsempfänger über die Konzession betreffend Glücksspiele in Bezug auf andere Ereignisse als Pferderennen den Entzug von nach einer solchen Ausschreibung vergebenen Konzessionen vorsehen, klar, genau und eindeutig formuliert sein müssen; dies zu prüfen, ist Sache des vorlegenden Gerichts.*)
VolltextVPRRS 2012, 0450
EuGH, Urteil vom 16.02.2012 - Rs. C-72/10
1. Die Art. 43 EG und 49 EG sowie die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Effektivität sind dahin auszulegen, dass sie es einem Mitgliedstaat, der unionsrechtswidrig eine Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern von der Vergabe von Konzessionen für die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ausgeschlossen hat und diesen Verstoß durch Ausschreibung einer großen Zahl von neuen Konzessionen beheben will, verbieten, die von den bestehenden Betreibern erworbenen Geschäftspositionen u. a. durch das Vorschreiben von Mindestabständen zwischen den Einrichtungen der neuen Konzessionäre und denen der bestehenden Betreiber zu schützen. – Costa/Cifone.*)
2. Die Art. 43 EG und 49 EG sind dahin auszulegen, dass sie Sanktionen wegen Sammelns von Wetten ohne Konzession oder polizeiliche Genehmigung gegen Personen, die an einen Wirtschaftsteilnehmer gebunden sind, der von einer Ausschreibung unionsrechtswidrig ausgeschlossen worden war, auch nach der Neuausschreibung zur Behebung dieses Unionsrechtsverstoßes entgegenstehen, soweit diese Ausschreibung und die daraus folgende Vergabe neuer Konzessionen den rechtswidrigen Ausschluss des Wirtschaftsteilnehmers von der früheren Ausschreibung nicht wirksam behoben haben.*)
3. Aus den Art. 43 EG und 49 EG, dem Grundsatz der Gleichbehandlung, dem Transparenzgebot und dem Grundsatz der Rechtssicherheit folgt, dass die Bedingungen und Modalitäten eines Vergabeverfahrens wie des in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden und insbesondere Bestimmungen, die wie Art. 23 Abs. 2 Buchst. a und Abs. 3 des Mustervertrags zwischen der Amministrazione Autonoma dei Monopoli di Stato und dem Zuschlagsempfänger über die Konzession betreffend Glücksspiele in Bezug auf andere Ereignisse als Pferderennen den Entzug von nach einer solchen Ausschreibung vergebenen Konzessionen vorsehen, klar, genau und eindeutig formuliert sein müssen; dies zu prüfen, ist Sache des vorlegenden Gerichts.*)
VolltextVPRRS 2012, 0099
VK Nordbayern, Beschluss vom 03.02.2012 - 21.VK-3194-42/11
1. Darf ein Auftraggeber wegen unheilbarer Mängel des Vergabeverfahrens keinem Bieter den Zuschlag erteilen, hat ein Bieter bei der Neuausschreibung der Leistung eine "zweite Chance". In einem solchen Fall ist der Bieter auch ohne wertbares eigenes Angebot antragsbefugt.*)
2. Die am Auftrag interessierten Unternehmen müssen in die Lage versetzt werden, bei der Vorbereitung ihrer Angebote nicht nur vom Bestehen, sondern auch von der Tragweite der Zuschlagskriterien Kenntnis zu nehmen. Zur Tragweite gehört nicht nur die Gewichtung selbst, sondern auch die Umrechnungsformel bei der Wertung - wie etwa zur Umrechnung der Angebotspreise in Punkte.*)
VolltextVPRRS 2012, 0097
OLG Brandenburg, Beschluss vom 16.02.2012 - Verg W 1/12
1. Im Rahmen eines vergaberechtlichen Verhandlungsverfahrens gibt es immer nur ein gültiges Angebot eines jeden Bieters, das im Laufe des Verfahrens modifiziert und aktualisiert oder ausdrücklich unverändert aufrecht erhalten bleibt. Mit der Abgabe eines modifizierten Angebotes bringt der Bieter dem Erklärungsempfänger gegenüber zum Ausdruck, dass er das ursprüngliche Angebot nur in der modifizierten aktuellsten Fassung gegen sich gelten lassen möchte.
2. Zwar steht dem Sektorenauftraggeber grundsätzlich ein größerer Beurteilungsspielraum zu, jedoch ist es anerkannt, dass die allgemeinen vergaberechtlichen Grundsätze des § 97 GWB, insbesondere das Transparenz- und das Gleichbehandlungsgebot, auch in Vergabeverfahren nach der SektVO entsprechend gelten.
3. Die Bildung einer Bietergemeinschaft ist unzulässig, wenn sie eine wettbewerbsbeschränkende Abrede i.S. von § 1 GWB darstellt. Maßgeblich ist, ob ein Unternehmer bereit ist, sich allein um die Auftragsvergabe zu bewerben oder ob dem wirtschaftlich zweckmäßige und kaufmännisch vernünftige Gründe entgegenstehen. In solchen Fällen ist von der Zulässigkeit der Bietergemeinschfat auszugehen.
4. Von einem ungewöhnlich niedrigen Preis ist auszugehen, wenn der angebotene Gesamtpreis derart eklatant von dem an sich angemessenen Preis abweicht, dass eine genauere Überprüfung nicht im Einzelnen erforderlich ist und die Unangemessenheit sofort ins Auge fällt. dazu kommen muss eine Marktverdrängungsabsicht.
5. Es liegt eine gegen das Vergaberecht verstoßende Wettbewerbsverfälschung und -verzerrung vor, wenn ein Unternehmen der öffentlichen Hand eine für den Wettbewerb relevante Tätigkeit auf einem bestimmten Markt aufnimmt, obwohl es dies nicht darf, und darin durch den öffentlichen Auftraggeber durch die Auftragsvergabe unterstützt wird.
VolltextVPRRS 2012, 0096
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.12.2011 - Verg 81/11
1. Um als Rüge zu gelten, muss die fragliche Äußerung des späteren Antragstellers gegenüber der Vergabestelle nur erkennen lassen, dass er einen bestimmten Sachverhalt als Vergaberechtsverstoß ansieht und eine Abhilfe erwartet. Es dürfen keine hohen Anforderungen an den Wortlaut gestellt werden. Insbesondere muss eine Rüge nicht ausdrücklich als solche bezeichnet werden.
2. Die Rüge ist als geschäftsähnliche Handlung anzusehen. Für sie gilt deshalb u.a. § 130 BGB entsprechend. Zugang liegt vor, wenn das Rügeschreiben so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Umständen die Möglichkeit hat, von dessen Inhalt Kenntnis zu nehmen.
VolltextVPRRS 2012, 0095
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19.10.2011 - 2 VK LSA 05/11
1. Nach § 97 Abs. 1 GWB steht dem Bieter ein Anspruch auf ein transparentes Wettbewerbsverfahren zu. Dieses kann nicht gewährleistet werden, wenn die Regelungen der VOL/A EG nicht nachvollziehbar und auf alle Bieter im Sinne des § 97 Abs 2 GWB gleichermaßen angewendet werden. Anders als nach der herrschenden Meinung ist die Vorschrift des § 19 EG Abs. 6 VOL/A 2009 nach Auffassung der Vergabekammer uneingeschränkt bieterschützend.*)
2. Ein Bieter kann sich nicht zu seinem Vorteil auf ein angebliches Verbot berufen und gleichzeitig selbst dieses missachten.
3. Der Bieter trägt die Beweislast dafür, dass er trotz des niedrigen Angebots in der Lage ist, die Leistung auftragsgerecht zu erbringen und die Bedenken des Auftraggebers zu zerstreuen.*)
VolltextVPRRS 2012, 0094
VK Hessen, Beschluss vom 08.02.2012 - 69d-VK-02/2012
Ein vom Gesetzgeber nicht vorgesehenes Rechtsschutzverfahren für Vergaben unterhalb der Schwellenwerte kann nicht dadurch begründet werden, dass ein öffentlicher Auftraggeber einen Auftrag unterhalb des Schwellenwerts europaweit ausschreibt.
VolltextVPRRS 2012, 0093
VK Südbayern, Beschluss vom 31.01.2012 - Z3-3-3194-1-32-10/11
Sieht der einer Ausschreibung über die Busbeförderung von Schülern zu Grunde liegende Vertrag vor, dass Streckenführung, Haltestellen und Fahrzeiten genau einzuhalten sind und einigen sich Auftraggeber und Auftragnehmer nach Zuschlagserteilung auf eine abweichende Streckenführung, wird eine andere Leistung erbracht als ausgeschrieben war. Der Beförderungsvertrag über die geänderte Leistung ist dann nach § 101b Abs. 1 Nr. 2 GWB nichtig.
VolltextVPRRS 2012, 0092
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.12.2011 - Verg 79/11
1. Dem Vergaberecht unterliegen nicht nur Liefer- und Dienstleistungsverträge als solche, sondern auch Rahmenvereinbarungen hierüber.
2. Das EU-Recht schreibt nicht vor, dass Aufträge zwingend in Form - dem Vergaberecht unterliegender - "öffentlicher Aufträge" zu vergeben sind, wenn eine rechtmäßige Alternative wie z.B. Dienstleistungskonzession besteht.
3. § 73c Abs. 3 S. 3 SGB V stellt eine vergaberechtliche Sondervorschrift dar. Der nationale Gesetzgeber ist im Rahmen der Richtlinie 2004/18/EG sowie der Grundfreiheiten des AEUV durchaus berechtigt, bereichsspezifisches Vergaberecht zu schaffen, welches den allgemeinen Regeln (u.a. der VOL/A und der VOF) vorgehen kann. Aus diesem Grunde ist das Vorliegen dieser Vorschriften im Vergabenachprüfungsverfahren zu prüfen.
VolltextVPRRS 2012, 0089
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.12.2011 - Verg 74/11
1. Das Interesse am Auftrag besteht auch ohne Angebotsabgabe, wenn und soweit die geltend gemachten Vergaberechtsverstöße geeignet sind, den Antragsteller an der Unterbreitung eines chancenreichen Angebots gehindert oder erheblich beeinträchtigt zu haben.
2. Als Eignungsnachweis kann eine Erklärung über das Vorliegen eines Meisterbriefs vergaberechtskonform nur gefordert werden, wenn dies durch den Gegenstand des Auftrags gerechtfertigt ist und ihm angemessen ist.
3. Ein Geselle ist nicht nur zur Ausführung von Anordnungen, sondern zu selbstständigen Entscheidungen in der Lage. Allein aus dem Umstand, dass die Grundreinigung einer Schule oder eines Verwaltungsgebäudes gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 GebrMstrV Arbeitsprobe einer Meisterprüfung sein kann, folgt nicht, dass ein Geselle - oder auch eine angelernte Hilfskraft - nicht in der Lage ist, in einer Leistungsbeschreibung angegebene Arbeitsschritte einer Grundreinigung, die jeder für sich keineswegs anspruchsvoll und Gegenstand der Ausbildung zum Gebäudereiniger sind, auszuführen.
VolltextVPRRS 2012, 0088
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.12.2011 - Verg 73/11
1. Ein Nachprüfungsantrag ist nicht bereits deshalb unbegründet, weil sich der Vergabefehler möglicherweise nicht zum Nachteil des betroffenen Bieters ausgewirkt hat. Das gilt jedenfalls dann, wenn nicht auszuschließen ist, dass durch die Verfahrensweise der Vergabestelle die Chancen des Bieters beeinträchtigt werden.
2. Ohne eine eigene Markterkundung kann ein Auftraggeber nicht von der Leistungsfähigkeit nur bestimmter Bieter ausgehen.
VolltextVPRRS 2012, 0087
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.01.2012 - Verg 70/11
1. Anwaltsleistungen sind nach der VOF, nicht nach der VOL/A auszuschreiben.
2. Der Umstand, dass Anwaltsleistungen sog. nachrangige Dienstleistungen nach den Anhängen I B Kategorie 21 (Rechtsberatung) sind, hindert Nachprüfungsverfahren nach §§ 102 ff GWB nicht.
3. Angebote von Anwälten sind jedenfalls dann nicht als ungewöhnlich niedrig auszuschließen, solange sie sich innerhalb der Bandbreite einer zulässigen Rahmengebühr nach § 14 RVG halten, auch wenn dabei der Vergütungsrahmen nach unten ausgeschöpft worden ist.
VolltextVPRRS 2012, 0086
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.01.2012 - Verg 57/11
1. Dem Vergaberecht unterliegen nicht nur Liefer- und Dienstleistungsverträge als solche, sondern auch Rahmenvereinbarungen hierüber.
2. Die Rahmenvereinbarung selbst muss nicht die Merkmale eines öffentlichen Auftrages im Sinne des Art. 1 Abs. 2 lit. a) der Richtlinie 2004/18/EG erfüllen. Es reicht aus, wenn die Verträge, die durch die Rahmenvereinbarungen inhaltlich festgelegt sind, als öffentlicher Auftrag anzusehen sind.
3. EU-Recht schreibe nicht vor, dass Aufträge zwingend in Form - dem Vergaberecht unterliegender - öffentlicher Aufträge zu vergeben seien, wenn eine rechtmäßige Alternative wie z.B. eine Dienstleistungskonzession bestehe.
VolltextVPRRS 2012, 0085
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.01.2012 - Verg 52/11
1. Eine Fachlosvergabe ist die Regel, Gesamt- oder zusammenfassende Vergabe darf nach dem Willen des Gesetzgebers nur in Ausnahmefällen stattfinden.
2. Für die Feststellung, ob eine bestimmte Tätigkeit Gegenstand eines Fachloses ist, ist insbesondere von Belang, ob sich für spezielle Arbeiten mittlerweile ein eigener Markt herausgebildet hat.
3. Bei der Gebäudereinigung ist von einer Teilung in organisatorischer Hinsicht, im Hinblick auf Qualifikation und Entlohnung des eingesetzten Personals sowie im Marktauftritt und in der Wahrnehmung der Marktgegenseite in zwei voneinander getrennte Fachbereiche der Glas- und Unterhaltsreinigung auszugehen.
VolltextVPRRS 2012, 0084
EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - Rs. C-465/10
1. Art. 23 Abs. 1, 3. Gedankenstrich der Verordnung (EWG) Nr. 4253/88 des Rates vom 19. 12. 1988 zur Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 2052/88 hinsichtlich der Koordinierung der Interventionen der verschiedenen Strukturfonds einerseits und zwischen diesen und den Interventionen der Europäischen Investitionsbank und der sonstigen vorhandenen Finanzinstrumente andererseits in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2082/93 des Rates vom 20. 7. 1993 geänderten Fassung in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2052/88 des Rates vom 24. 6. 1988 über Aufgaben und Effizienz der Strukturfonds und über die Koordinierung ihrer Interventionen untereinander sowie mit denen der Europäischen Entwicklungsbank und der anderen vorhandenen Finanzinstrumente in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2081/93 des Rates vom 20. 7. 1993 geänderten Fassung stellt unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens eine Rechtsgrundlage dar, die es den nationalen Behörden - ohne dass es einer Ermächtigung durch das nationale Recht bedarf - ermöglicht, einen im Rahmen des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gewährten Zuschuss in seiner Gesamtheit vom Begünstigten mit der Begründung zurückzufordern, dass dieser in seiner Eigenschaft als "öffentlicher Auftraggeber" im Sinne der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. 6. 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge in der durch die Richtlinie 93/36/EWG des Rates vom 14. 6. 1993 geänderten Fassung die Vorschriften dieser Richtlinie über die Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags zur Durchführung einer Aktion, für die er diesen Zuschuss erhalten hat, missachtet hat.*)
2. Es stellt eine "Unregelmäßigkeit" im Sinne von Art. 1 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. 12. 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften dar, wenn der öffentliche Auftraggeber, dem ein EFRE-Zuschuss gewährt wurde, bei der Vergabe des Auftrags zur Durchführung der bezuschussten Aktion die Vorschriften der Richtlinie 92/50 in der durch die Richtlinie 93/36 geänderten Fassung missachtet; dies gilt auch dann, wenn die zuständige nationale Behörde zum Zeitpunkt der Gewährung dieses Zuschusses wissen musste, dass der Begünstigte bereits darüber entschieden hatte, wen er mit der Durchführung der bezuschussten Aktion beauftragen würde.*)
3. Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, in dem der Empfänger eines EFRE-Zuschusses in seiner Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber bei der Vergabe des Auftrags zur Durchführung der bezuschussten Aktion die Vorschriften der Richtlinie 92/50 in der durch die Richtlinie 93/36 geänderten Fassung über die Vergabe öffentlicher Aufträge missachtet hat,
-ist die in Rede stehende Unregelmäßigkeit als eine "andauernde Unregelmäßigkeit" im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 anzusehen, so dass die dort für die Rückforderung des dem Begünstigten rechtswidrig gezahlten Zuschusses vorgesehene vierjährige Verjährungsfrist am Tag der Beendigung der Ausführung des rechtswidrig vergebenen öffentlichen Auftrags beginnt;
-stellt die Übermittlung eines Kontrollberichts, in dem die Missachtung der Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge festgestellt und der nationalen Behörde deshalb die Rückforderung der gezahlten Beträge empfohlen wird, an den Zuschussempfänger eine hinreichend bestimmte Ermittlungs- oder Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 2988/95 dar.*)
4. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verwehrt es den Mitgliedstaaten, im Rahmen der ihnen nach Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2988/95 eingeräumten Befugnis auf die Rückforderung eines rechtswidrig aus dem Unionshaushalt erlangten Vorteils eine 30-jährige Verjährungsfrist anzuwenden.*)
VolltextVPRRS 2012, 0082
OLG Celle, Beschluss vom 12.01.2012 - 13 Verg 8/11
1. Der Auftraggeber muss grundsätzlich alle am Auftrag interessierten Unternehmen alle Kriterien und deren relative Bedeutung, die bei der Bestimmung dieses Angebots berücksichtigt werden, im Zeitpunkt der Vorbereitung der Angebote bekannt machen. Es dürfen keine Unterkriterien oder Gewichtungsregeln angewendet werden, die der Auftraggeber den Bietern nicht vorher zur Kenntnis gebracht hat.
2. Der Vergabestelle kommt bei der Prüfung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes ein erheblicher Beurteilungsspielraum zu. Die Ausübung des Beurteilungsspielraums ist durch die Vergabenachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfbar. Gegenstand der Überprüfung ist, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten, von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen worden ist, keine sachwidrigen Erwägungen in die Entscheidung eingeflossen sind und die Wertungsentscheidungen sich im Rahmen der Gesetze und der allgemein gültigen Beurteilungsmaßstäbe halten.
3. Das Vergabeverfahren ist von Anbeginn an fortlaufend zu dokumentieren, insbesondere sind die einzelnen Maßnahmen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen festzuhalten. Grundsätzlich müssen die niedergelegten Gründe für die getroffenen Entscheidungen so detailliert sein, dass sie für einen mit der Sachlage des jeweiligen Vergabeverfahrens vertrauten Leser nachvollziehbar sind.
4. Nach § 57 Abs. 2 NGO in der seinerzeit maßgeblichen Fassung ist der Verwaltungsausschuss für diejenigen Angelegenheiten zuständig, die nicht der Beschlussfassung des Rates unterliegen. Nach § 40 Abs. 1 Nr. 11 NGO beschließt der Rat ausschließlich über die Verfügung von Gemeindevermögen. Hat der Rat allerdings bereits zuvor dem Grunde und der Höhe nach seine Zustimmung zu einer rechtsgeschäftlichen Verfügung über das Gemeindevermögen erteilt, so dass nur noch der haushaltsmäßige Vollzug der bereits getroffenen Entscheidung verbleibt, so bedarf es keines zusätzlichen Ratsbeschlusses.
5. Das Nachprüfungsverfahren dient nicht der allgemeinen Rechtmäßigkeitskontrolle. Vergaberechtsfehler von Amts wegen aufzugreifen, kommt nach der Rechtsprechung des Senats nur dann in Betracht, wenn ein Fehler vorliegt, der es unmöglich macht, das Vergabeverfahren fortzusetzen.
VolltextVPRRS 2012, 0080
VK Nordbayern, Beschluss vom 11.11.2011 - 21.VK-3194-33/11
Für die Überprüfung der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen ist der Rechtsweg zu den Nachprüfungsinstanzen nicht eröffnet. Nach Art. 1 Abs. 1 der Rechtsmittelrichtlinie (2007/66/EG) ist der Anwendungsbereich des Rechtsschutzes auf den Anwendungsbereich der VKR (2004/18/EG) beschränkt, so dass Dienstleistungskonzessionen (gemäß Art. 17 VKR) von dem Bereich ausgenommen sind.*)
VolltextVPRRS 2012, 0079
VK Brandenburg, Beschluss vom 29.11.2011 - VK 50/11
1. Das Kriterium der fachlichen Qualifikation ist nicht geeignet, sich in irgendeiner Weise auf die Kalkulation des Angebotspreises auszuwirken.
2. Es kann dahinstehen, ob die Anforderungen des Kriteriums "fachliche Qualifikation" auf die Eignung des Bieters oder auf die Leistung bezogen sind; in beiden Fällen hat der Bieter die dafür erforderlichen Kosten in sein Angebot gleichermaßen "einzupreisen".
3. Ein Bieter kann seinen Nachprüfungsantrag nur dann auf eine fehlende oder unzureichende Dokumentation stützen, wenn sich die diesbezüglichen Mängel gerade auch auf seine Rechtsstellung im Vergabeverfahren nachteilig ausgewirkt haben könnten.
4. Eine Begründung von Wertungs- und Unterkriterien im Vergabevermerk zählt nicht zu den Mindestanforderungen einer Dokumentation im Sinne des § 24 EG Abs. 2 VOL/A 2009.
VolltextVPRRS 2012, 0078
VK Brandenburg, Beschluss vom 06.12.2011 - VK 52/11
1. Die Rügeobliegenheit verlangt, dass jeder einzelne (wirklich geschehene oder vermutliche) Vergaberechtsverstoß, den der Antragsteller zum Gegenstand der Nachprüfung machen will, gerügt werden muss. Rügen, die nur pauschal die Fehlerhaftigkeit des Vergabeverfahrens angreifen oder die nur die abstrakte Möglichkeit einer Rechtsverletzung in den Raum stellen, sind unzulässig.
2. Nur weil ein Preis unter den anderen liegt, heisst es noch lange nicht, dass das diesen Preis bietende Unternehmen die Leistungen nicht über die gesamte Vertragslaufzeit ausführen kann.
3. Rügen "ins Blaue hinein" sind nicht Erfolg versprechend.
VolltextVPRRS 2012, 0076
BGH, Urteil vom 23.01.2012 - X ZB 5/11
1. Auf Dienstleistungskonzessionen ist der Vierte Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen auch in der vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts (24. April 2009) geltenden Fassung nicht anzuwenden.*)
2. Welcher Rechtsweg für Streitigkeiten aus der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen eröffnet ist, ergibt sich aus denselben Grundsätzen, die für die Bestimmung des Rechtswegs bei Streitigkeiten aus der Vergabe öffentlicher Aufträge mit einem die Schwellenwerte der Vergabeverordnung unterschreitenden Volumen gelten. Für die Überprüfung der Vergabe einer Dienstleistungskonzession sind die ordentlichen Gerichte zuständig, wenn die Vergabe durch privatrechtlichen Vertrag erfolgt. Erfolgt die Vergabe hingegen in den Formen des öffentlichen Rechts, gehört der Rechtsstreit vor die Verwaltungsgerichte.*)
3. Der Vergabesenat kann ein nach § 116 GWB vor ihn gelangtes Nachprüfungsverfahren an das Gericht des zulässigen Rechtswegs verweisen, wenn es eine Dienstleistungskonzession zum Gegenstand hat.*)
VolltextVPRRS 2012, 0073
VK Brandenburg, Beschluss vom 01.11.2011 - VK 46/11
1. Die Zurückweisung eines Nachprüfungsantrages gemäß § 112 Abs. 1 Satz 3 GWB ohne mündliche Verhandlung als "offensichtlich unbegründet" sollte die Ausnahme bleiben, die nur dann aus prozessökonomischen Gründen statthaft ist, wenn eine Verhandlung von vornherein unnötig und für das Ergebnis irrelevant erscheint.
2. Verfügt ein Bieter über kein Personal, darf er sich auf die technische Leistungsfähigkeit anderer Unternehmen berufen, vorausgesetzt, dass der Bewerber den Nachweis darüber führt, dass ihm die erforderlichen Mittel des anderen Unternehmens bei der Erfüllung des Auftrags auch zur Verfügung stehen.
3. Sind die Geschäftsführer zweier Gesellschaften identisch und beruft sich die eine darauf, dass sie auf die technischen oder personellen Mittel der anderen zugreifen kann, um dadurch als Bieter in einem Vergabeverfahren zugelassen zu werden, so ist dies nicht ohne hierauf bezogene Verpflichtungserklärungen zulässig. Die Personenidentität der Geschäftsführer lässt nicht zwingend den Schluss auf die Verpflichtung eines der Unternehmen zur Überlassung technischer oder personeller Mittel an das andere Unternehmen zu.
VolltextVPRRS 2012, 0072
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28.10.2010 - 1 VK LSA 15/10
Zur Abgrenzung zwischen Dienstleistungsauftrag und Dienstleistungskonzession bei Rettungsdienstleistungsaufträgen.
VolltextVPRRS 2012, 0070
VK Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2011 - VK 39/11
1. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein durchschnittlicher Bieter die Rechtsprechung des BGH oder des EuGH kennt und um die rechtsfehlerhafte Vermengung von Zuschlags- und Eignungskriterien weiß.
2. Die in § 19 Abs. 6 S. 1 VOL/A EG geregelte Pflicht des Auftraggebers, ein im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheinendes Angebot aufzuklären, ist bieterschützend nur für den Bieter, der durch die von ihm behauptete unzureichende Auskömmlichkeitsprüfung vom Ausschluss bedroht ist.
3. § 19 Abs. 6 S. 2 VOL/A EG dient in erster Linie dem Schutz des Auftraggebers vor der Eingehung eines wirtschaftlichen Risikos. Ein Bieter grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass ein Mitbieter wegen eines unangemessen niedrigen Preises vom Vergabeverfahren ausgeschlossen wird.
4. "Erkennbar" i.S.d. § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 3 GWB ist das, was sich bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt erschließt. Dabei muss der Vergabefehler sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht erkennbar gewesen sein.
5. Die Rügeobliegenheit verlangt, dass jeder einzelne (wirklich geschehene oder vermutliche) Vergaberechtsverstoß, den der Antragsteller zum Gegenstand der Nachprüfung machen will, gerügt werden muss. Der Bieter, der in die vergaberechtlichen Vorgänge keinen Einblick hat, darf im Vergabenachprüfungsverfahren behaupten, was er auf der Grundlage seines oft beschränkten Informationsstandes redlicherweise für wahrscheinlich und möglich halten darf. Laienhafte Ausführungen, die ein Mindestmaß an Sustantiierung einhalten, reichen aus.
6. Bei den Transportkosten handelt es sich um ein auftragsbezogenes, nämlich die umweltgerechte Entsorgung von Siedlungsabfällen betreffendes Kriterium. Ihre Einbeziehung im Rahmen der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots ist gerechtfertigt.
VolltextVPRRS 2012, 0068
OLG Frankfurt, Beschluss vom 13.12.2011 - 11 Verg 8/11
1. Ein (vermeintlicher) Vergabeverstoß, von dem der Bieter durch Akteneinsicht Kenntnis erlangt, muss so rechtzeitig im Nachprüfungsverfahren geltend gemacht werden, dass keine Verzögerung des Verfahrens eintritt.*)
Erhält der Bieter längere Zeit vor der mündlichen Verhandlung Akteneinsicht durch Übersendung einer Kopie des Vergabevermerks, so ist die darauf gestützte Rüge eines Dokumentationsmangels präkludiert, wenn sie erstmals in einem nachgelassenen Schriftsatz im Anschluss an die mündliche Verhandlung vor der Vergabekammer vorgetragen wird. Eine Rüge, die die Vergabekammer zu Recht als präkludiert ansieht, kann auch im Beschwerdeverfahren nicht mehr geltend gemacht werden.*)
2. Das Gleichbehandlungsgebot verpflichtet die Vergabestelle, die Angebote aller Bieter auszuschließen, die aufgrund unterschiedlicher gleichwertiger Mängel zwingend auszuschließen sind (Anschluss an OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06.02.2007 - 17 Verg 5/06, ibr-online). Von einem gleichwertigen Mangel ist auch auszugehen, wenn ein Angebot schon aus formalen Gründen (fehlende Eignungsnachweise) und ein anderes aus materiellen Gründen (mangelnde Eignung) auszuschließen ist.*)
VolltextVPRRS 2012, 0065
VK Sachsen, Beschluss vom 05.12.2011 - 1/SVK/043-11
1. Die Vorschrift des § 9 Abs. 1 VOL/A, wonach die Allgemeinen Vertragsbedingungen (VOL/B) grundsätzlich zum Vertragsgegenstand zu machen sind, ist bieterschützend. Allerdings lässt § 9 Abs. 1 VOL/A ein Abweichen von den Bestimmungen der VOL/B zu. Der Ausschluss der VOL/B bedingt deshalb noch keine Verletzung von Bieterrechten.
2. Der öffentliche Auftraggeber ist gehalten, in den Vertragsbedingungen für eine angemessene Risikoverteilung zu sorgen. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, bestimmt sich bei einer VOL/A-Vergabe nach den allgemeinen vergaberechtlichen Grundsätzen der Gleichbehandlung, Diskriminierungsfreiheit und Transparenz.
VolltextVPRRS 2012, 0064
VK Lüneburg, Beschluss vom 14.02.2012 - VgK-05/2012
1. Die Rüge muss angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich innerhalb von 1 bis 3 Tagen erfolgen. Auch bei einer ggf. notwendigen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts erfüllt eine Rügefrist von mehr als einer Woche das Zeitkriterium des § 107 Abs. 3 GWB zumindest regelmäßig nicht. Eine Rügefrist von zwei Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird, kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert.
2. Eine Rüge per Telefax, die erst nach den üblichen Bürozeiten der Vergabestelle eingeht, gilt erst am darauf folgenden Arbeitstag als zugegangen.
3. Die Rechtsprechung des EuGH vom 28.01.2010 (IBR 2010, 159) steht der Präklusionsregelung des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB nicht entgegen.
4. Die Wiederherstellung der Zuverlässigkeit des Beteiligten eines Feuerwehrbeschaffungskartells setzt nicht nur voraus, dass das betroffene Unternehmen bei der Aufklärung des Sachverhalts mitwirkt, personelle Konsequenzen zieht und Compliance-Maßnahmen zur Vorbeugung ergreift, um vergleichbaren Verstößen vorzubeugen. Vielmehr sind auch Pläne zur Schadenswiedergutmachung beim Mutterunternehmen einzuholen.
5. Ohne Beteiligung an der Schadenswiedergutmachung, sei es zunächst in Gestalt der Mitwirkung an der Schadensaufklärung, ist angesichts der außerordentlich schweren Rechtsverletzungen bei dem in Rede stehenden Feuerwehrbeschaffungskartell eine Wiederherstellung der vergaberechtlichen Zuverlässigkeit nicht denkbar.
6. Auch die Insolvenz des Auftragnehmers ist ein möglicher Grund, die vergaberechtliche Eignung zu verneinen.
7. Ein Nachprüfungsantrag ist unbegründet, wenn das Angebot von den technischen Vorgaben des Leistungsverzeichnisses abweicht.
VolltextVPRRS 2012, 0063
OLG Celle, Beschluss vom 07.11.2011 - 13 Verg 9/11
1. Von einem durchschnittlichen Bieter kann nicht erwartet werden, dass er die Rechtsprechung des BGH und des EuGH zur fehlerhaften Vermengung von Eignungs- und Zuschlagskriterien kennt und daher um die Relevanz einer etwaig rechtsfehlerhaften Vermengung von Zuschlags- und Eignungskriterien weiß.
2. Als "Zuschlagskriterien" sind Kriterien ausgeschlossen, die nicht der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots dienen, sondern die im Wesentlichen mit der Beurteilung der fachlichen Eignung der Bieter für die Ausführung des betreffenden Auftrags zusammenhängen.
VolltextVPRRS 2012, 0062
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.12.2011 - 1 VK 64/11
1. § 19 EG Abs. 6 VOL/A 2009 dient grundsätzlich nur dem Schutz der Vergabestelle.
2. Der Auftraggeber ist bei einem Unterkostenangebot nur dann zum Ausschluss verpflichtet, wenn dieses in der zielgerichteten Absicht abgegeben wurde, den Konkurrenten nicht nur aus einer einzelnen Auftragsvergabe, sondern gänzlich vom Markt zu verdrängen und hierdurch zumindest die konkrete Gefahr begründet wird, dass dieser Fall auch tatsächlich eintritt.
3. Es müssen nachvollziehbare sachliche Gründe dafür vorliegen, dass wegen schwerer Verfehlungen in der Vergangenheit auch für den konkret zu vergebenden Auftrag schwere Zweifel an der Zuverlässigkeit des Bewerbes bestehen.
4. Es ist zwar möglich, die technische Leistungsfähigkeit eines Bieters im Rahmen der Eignung zu prüfen, doch setzt das voraus, dass der Auftraggeber bereits in der Bekanntmachung angibt, welche Punkte er hierbei zu prüfen gedenkt bzw. welche Angaben und Nachweise er hierfür verlangt.
VolltextVPRRS 2012, 0061
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.12.2011 - Verg 99/11
Der öffentliche Auftraggeber darf bei Fallgestaltungen, in denen es in besonderem Maße auf eine laufende und jederzeitige Lieferfähigkeit des Auftragnehmers ankommt, das mit der Auftragsvergabe an ein einziges Unternehmen verbundene Risiko eines (vollständigen oder teilweisen) Lieferungsausfalls oder einer Lieferverzögerung durch eine Loslimitierung vermeiden.
VolltextVPRRS 2012, 0060
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.12.2011 - Verg 96/11
1. Das grundsätzliche Verbot, dem Bieter oder Auftragnehmer in der Leistungsbeschreibung oder in sonstigen Vergabeunterlagen ungewöhnliche Wagnisse für Umstände oder Ereignisse aufzubürden, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einfluss auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen kann, ist aus der VOL/A 2006 nicht in die Neuregelung der VOL/A 2009 übernommen worden (vgl. § 7 VOL/A, § 8 EG VOL/A). Es besteht als solches nicht mehr und ist auch nicht mehr anzuwenden.
2. Regelungen, die vergaberechtlich nach früherem Recht als Aufbürdung eines ungewöhnlichen Wagnisses zu tadeln waren, lassen sich nach derzeit geltender Rechtslage in Einzelfällen allenfalls in der Regel unter dem Gesichtspunkt der (Un-)Zumutbarkeit einer für Bieter oder Auftragnehmer kaufmännisch vernünftigen Kalkulation beanstanden.
3. Es stellt sich nicht als unzumutbare Risikoverlagerung dar, wenn der Bieter/Auftragnehmer gewisse Preis- und Kalkulationsrisiken tragen soll, die vertragstypischerweise ohnedies ihm obliegen.
VolltextVPRRS 2012, 0058
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.01.2012 - 1 VK 69/11
(Ohne amtlichen Leitsatz)
VolltextVPRRS 2012, 0057
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.01.2012 - 1 VK 68/11
(Ohne amtlichen Leitsatz)
VolltextVPRRS 2012, 0056
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.01.2012 - 1 VK 67/11
(Ohne amtlichen Leitsatz)
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