Vergabepraxis & -recht.

Volltexturteile nach Sachgebieten
4952 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2010
VPRRS 2010, 0189
OLG Celle, Beschluss vom 10.06.2010 - 13 Verg 18/09
1. Die Entscheidung darüber, ob ein Vergabeverfahren aufgehoben wird, steht nach dem Wortlaut des § 26 Nr. 1 VOB/A im Ermessen der Vergabestelle.*)
2. Ist ein Eilantrag aus Gründen erfolglos geblieben, die allein dem Beschwerdeführer zuzurechnen sind (unzulässiger Antrag), ist es billig, die Kosten hierfür allein ihm aufzuerlegen, auch wenn seine Beschwerde zum Teil Erfolg hat.*)

VPRRS 2010, 0182

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.01.2010 - 1 VK 73/09
Der Wettbewerbsgrundsatz setzt u. a. voraus, dass nur solche Angebote gewertet werden dürfen, die in jeder sich aus den Vergabeunterlagen ergebenden Hinsicht miteinander verglichen werden können. Ein solcher Vergleich ist jedoch zwischen vollständigen Angeboten und solchen, die nicht die geforderten Angaben oder Erklärungen enthalten, nicht möglich, da der öffentliche Auftraggeber unvollständigen Angeboten gar nicht entnehmen kann, ob sie seinen ausgeschriebenen Anforderungen genügen. Dem öffentlichen Auftraggeber steht hinsichtlich des Angebotsausschlusses also [im Falle des Fehlens geforderter Angaben und Erklärungen} kein Ermessen zu und er darf auch nicht nachträglich auf ursprünglich geforderte Angaben und Erklärungen verzichten, weil er sonst Angebote untereinander bewerten würde, die nicht miteinander vergleichbar sind.

VPRRS 2010, 0179

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.12.2009 - 1 VK 60/09
1. Angebote, bei denen geforderte Erklärungen und Nachweise fehlen, sind zwingend vom Verfahren auszuschließen. Der Grundsatz der Transparenz und Gleichbehandlung verlangt,dass die Angebote in jeder Hinsicht vergleichbar sind. Alle Erklärungen und Nachweise, die der Auftraggeber dadurch, dass er sie gefordert hat, als Umstände ausgewiesen hat, deren Vorlage für die Entscheidung relevant sein sollen, haben vorzuliegen, da ansonsten keine in jeder Beziehung vergleichbaren Angebote vorliegen.
2. Von diesem Grundsatz ist nicht nur bei der Abgabe von Angeboten auszugehen, sondern auch bei Teilnahmeanträgen.
3. Eine Rüge ist entbehrlich, wenn ein Nachprüfungsverfahren bereits anhängig ist und der Antragsteller im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens von weiteren Vergabeverstößen Kenntnis erlangt, die bisher nicht Gegenstand des Verfahrens sind.

VPRRS 2010, 0178

OLG Dresden, Beschluss vom 07.05.2010 - WVerg 6/10
Der Anwendung der Rügepräklusion gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB steht die EuGH-Rechtsprechung (IBR 2010, 159) nicht entgegen.

VPRRS 2010, 0177

OLG Brandenburg, Beschluss vom 25.05.2010 - Verg W 15/09
1. Der rechtliche Charakter des zu vergebenden Auftrags ist daran festzumachen, welche Hauptleistung der Auftragnehmer vertraglich schuldet. Hat der Auftraggeber die betriebsbereite Errichtung von Bauwerken mit einer speziellen technischen Funktion ausgeschrieben, ist der Auftrag als Bauauftrag, nicht als Lieferauftrag anzusehen.*)
2. Der Umstand, dass der Auftrag tatsächlich anders ausgeführt wird als ausgeschrieben, kann nicht zum Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens gemacht werden, in dem die Vergabe der ausgeschriebenen Leistung überprüft wird.*)

VPRRS 2010, 0170

VK Bund, Beschluss vom 18.02.2010 - VK 3-6/10
1. Ein transparenter und chancengleicher Bieterwettbewerb i.S.d. § 97 Abs. 1, 2 GWB, § 4 Abs. 2 VOF ist nicht gewährleistet, wenn eine Bewerbung, die den Bewerber nicht klar erkennen lässt, gemäß § 16 VOF zur Verhandlung zugelassen wird.
2. Lässt die Bewerbung des Bieters nicht in der notwendigen Eindeutigkeit erkennen, ob er sich las natürliche Person oder für ein Ingenieurbüro beworben hat, ist das Angebot auszuschließen.

VPRRS 2010, 0167

OLG München, Beschluss vom 20.05.2010 - Verg 4/10
Sektorenauftraggeber dürfen bei der Ausschreibung von Dienstleistungen als einziges Zuschlagskriterium den niedrigsten Preis festsetzen.*)

VPRRS 2010, 0166

OLG Celle, Beschluss vom 25.05.2010 - 13 Verg 7/10
Zur Ablehnung eines Sachverständigen im Vergabeverfahren.*)

VPRRS 2010, 0163

OLG Dresden, Beschluss vom 16.03.2010 - WVerg 2/10
1. Eine Preisangabe fehlt dann nicht, wenn sie zwar nicht an der vorgegebenen Stelle, aber nur geringfügig verschoben erfolgt ist, ohne dass deshalb ein abweichender Sinngehalt auch nur möglich erschiene.*)
2. Eine zulässige Bietergemeinschaft liegt nicht nur dann vor, wenn ihre Mitglieder voneinander abgrenzbare Teilleistungen einer ausgeschriebenen Gesamtleistung erbringen, sondern auch dann, wenn die Unternehmen etwa aus Kapazitätsgründen ein gemeinsames Interesse an dem zu vergebenden Auftrag haben und ungeachtet ihrer unternehmensrechtlichen Trennung bei der Erfüllung des Vertrages als operative geschäftliche Einheit handeln.*)

VPRRS 2010, 0162

VK Köln, Beschluss vom 10.05.2010 - VK VOL 10/2010
In europaweiten Vergabeverfahren sind die Richtlinien des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie für die Berücksichtigung von Werkstätten für Behinderte und Blindenwerkstätten bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und der entsprechende Runderlass des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit Nordrhein-Westfalen nicht anwendbar.

VPRRS 2010, 0160

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.12.2009 - Verg 32/09
1. Eine Verpflichtung zur Aufhebung beinhaltet § 26 VOL/A nicht, so dass ein Bieter demgemäß auch keinen vergaberechtlichen Anspruch auf Aufhebung der Ausschreibung haben kann.
2. Im Falle der Unvollständigkeit aller Teilnahmeanträge kann die Vergabestelle daher ein Nichtoffenes Verfahren auch fortsetzen.

VPRRS 2010, 0159

OLG Brandenburg, Beschluss vom 08.04.2010 - Verg W 2/10
1. Es ist zweifelhaft, ob die für die Ermittlung des Schwellenwertes geltenden Vorschrif-ten zur Bemessung des Streitwertes im Verfahren der sofortigen Beschwerde gegen Entscheidungen der Vergabekammer entsprechend herangezogen werden können.*)
2. Läuft ein zu vergebender Dienstleistungsauftrag länger als 48 Monate, ist eine feste Vertragszeit vorgesehen und kann ein Gesamtpreis angegeben werden, ist die volle Vergütung für die gesamte Vertragslaufzeit für die Streitwertbemessung zugrunde zu legen.*)
3. Der für die Streitwertfestsetzung maßgebliche Auftragswert ist nicht um durchlaufen-de Kosten zu kürzen.*)
4. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren und für das Verfahren der Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde ist einheitlich festzusetzen. Wegen des Wortlauts des § 50 Abs. 2 GKG kann für das Verfahren der Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der Streitwert nicht mit einem Bruchteil der Hauptsache bemessen werden.*)

VPRRS 2010, 0158

OLG Brandenburg, Beschluss vom 16.03.2010 - Verg W 6/10
1. Die Rüge eines Vergaberechtsverstoßes muss eine konkrete vergaberechtliche Beanstandung enthalten. Dem genügt eine Rüge nicht, wenn sie mehrere Beanstandungen enthält, die nur durch einander ausschließende Verhaltensweisen des Auftraggebers behoben werden können.*)
2. Schließt der Auftraggeber ein Angebot aus zwei voneinander unabhängigen Gründen von der Wertung aus und wird nur hinsichtlich eines der Ausschlussgründe eine ordnungsgemäße Rüge erhoben, hat die Ausschlussentscheidung des Auftraggebers unabhängig von der Berechtigung der Rüge Bestand.*)
3. Im Vergabeverfahren scheidet auf Seiten des Bieters eine nachträgliche Irrtumskorrektur aus, wenn dies zur Folge hätte, dass sich sein Angebot inhaltlich ändern würde.*)

VPRRS 2010, 0157

LG Mannheim, Urteil vom 20.06.2008 - 22 O 33/07 Kart
1. Sofern nicht über einen Anspruch gegen einen öffentlichen Auftraggeber zu befinden ist, sondern das Verhältnis zwischen Bietern betroffen ist, wird allgemein vertreten, dass ein Wettbewerbsverstoß im Vergabeverfahren zur Grundlage eines Verfahrens vor den Zivilgerichten gemacht werden kann.
2. Alleiniger Zweck der Gründung einer Organgesellschaft kann die Reduktion der Kosten einer Kommune um den Umsatzsteueranteil sein.
3. Konstruktionen, deren alleiniges Ziel es ist, eine Besteuerung oder Nichtbesteuerung zu erlangen, sind nicht erlaubt. Die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis erfordert zum einen, dass die fraglichen Umsätze trotz formaler Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben einen Steuervorteil zum Ergebnis haben, dessen Gewährung dem mit diesen Bestimmungen verfolgten Zweck zuwiderlaufen würden und es muss zum anderen aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich sein, dass mit den fraglichen Umsätzen im wesentlichen ein Steuervorteil bezweckt wird.
4. Notwendige Folge der Beteiligung Privater an einem mehrheitlich in öffentlicher Hand befindlichem Unternehmen, dass einer Auftragsvergabe an dieses Unternehmen durch den öffentlichen Mehrheitseigner ein Vergabeverfahren vorausgeht. Dabei sind nach dem derzeit geltenden Umsatzsteuerrecht auch die - nur - mehrheitlich in öffentlicher Hand befindlichen Unternehmen - von der Erhebung der Umsatzsteuer befreit und haben so einen für die Kommune zu Kosteneinsparungen führenden Wettbewerbsvorteil.

VPRRS 2010, 0156

OLG Celle, Beschluss vom 12.05.2010 - 13 Verg 3/10
1. Bei der Frist des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB handelt es sich um eine Rechtsbehelfsfrist, auf die in der Bekanntmachung hinzuweisen ist.*)
2. Im Rahmen der Darlegung eines drohenden Schadens gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist es notwendig, auch zur Kausalität des behaupteten Vergaberechtsverstoßes für diesen Schaden vorzutragen.*)
3. Zu den Dokumentationspflichten aus § 18 VOF.*)

VPRRS 2010, 0155

VK Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 09.10.2009 - VK 2-38/09
1. Der Verzicht auf die Vergabe ist rechtswidrig, wenn er gegen das Willkürverbot verstößt und für die Antragstellerin eine Diskriminierung darstellt.
2. Sofern es sich um eine Scheinaufhebung handelt, die dazu führen würde, einen Bewerber, der in dem ursprünglichen Verfahren keine Chance hatte, im Rahmen einer freihändigen Vergabe zu begünstigen, ist die Aufhebung nicht rechmäßig.
3. Der Auftraggeber hat die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen einer rechtmäßigen Aufhebung bzw. eines rechtmäßigen Verzichts auf die Vergabe.

VPRRS 2010, 0444

VK Bund, Beschluss vom 16.11.2009 - VK 1-194/09
(ohne amtlichen Leitsatz)

VPRRS 2010, 0153

EuGH, Urteil vom 06.05.2010 - Rs. C-149/08
1. Ein gemischter Vertrag, dessen Hauptgegenstand der Erwerb von 49 % des Kapitals eines öffentlichen Unternehmens durch ein Unternehmen und dessen untrennbar mit diesem Hauptgegenstand verbundener Nebengegenstand die Erbringung von Dienstleistungen und die Durchführung von Bauarbeiten betrifft, fällt nicht in seiner Gesamtheit in den Anwendungsbereich der Vergaberichtlinien.*)
2. Das Unionsrecht, insbesondere das Recht auf effektiven Rechtsschutz, steht einer nationalen Regelung entgegen, die dahin ausgelegt wird, dass die Mitglieder einer in einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags als Bieterin aufgetretenen Gelegenheitsgesellschaft nicht die Möglichkeit haben, individuell Ersatz des Schadens zu verlangen, den sie aufgrund einer Entscheidung individuell erlitten zu haben behaupten, die von einer anderen Behörde als dem öffentlichen Auftraggeber, welche nach den geltenden nationalen Rechtsvorschriften an diesem Verfahren beteiligt gewesen ist, getroffen worden ist und den Ablauf des Verfahrens beeinflussen konnte.*)

VPRRS 2010, 0152

EuGH, Urteil vom 06.05.2010 - Rs. C-145/08
1. Ein gemischter Vertrag, dessen Hauptgegenstand der Erwerb von 49 % des Kapitals eines öffentlichen Unternehmens durch ein Unternehmen und dessen untrennbar mit diesem Hauptgegenstand verbundener Nebengegenstand die Erbringung von Dienstleistungen und die Durchführung von Bauarbeiten betrifft, fällt nicht in seiner Gesamtheit in den Anwendungsbereich der Vergaberichtlinien.*)
2. Das Unionsrecht, insbesondere das Recht auf effektiven Rechtsschutz, steht einer nationalen Regelung entgegen, die dahin ausgelegt wird, dass die Mitglieder einer in einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags als Bieterin aufgetretenen Gelegenheitsgesellschaft nicht die Möglichkeit haben, individuell Ersatz des Schadens zu verlangen, den sie aufgrund einer Entscheidung individuell erlitten zu haben behaupten, die von einer anderen Behörde als dem öffentlichen Auftraggeber, welche nach den geltenden nationalen Rechtsvorschriften an diesem Verfahren beteiligt gewesen ist, getroffen worden ist und den Ablauf des Verfahrens beeinflussen konnte.*)

VPRRS 2010, 0151

OLG Dresden, Beschluss vom 08.10.2009 - WVerg 5/09
Das für eine Dienstleistungskonzession charakteristische Betriebsrisiko trägt der Unternehmer auch dann, wenn die Risikolage bei einem Dienstleistungsauftrag nicht anders wäre, solange nur die Gegenleistung nicht maßgeblich vom öffentlichen Auftraggeber erbracht wird, sondern in dem Recht der Nutzung der Dienstleistung, gegebenenfalls zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht.*)

VPRRS 2010, 0150

LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 08.10.2009 - L 21 KR 39/09
1. Bezüglich der Verletzung kartellrechtlicher Vorschriften ist der Rechtsweg in das Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahren nicht eröffnet.
2. Die Rahmenvereinbarung nach § 3a Nr. 4 Abs. 1 VOL/A ist vergaberechtlich die adäquate Form der Ausschreibung von Rabattverträgen nach § 130a Abs. 8 SGB V.
3. Eine Verpflichtung zur Loslimitierung besteht nicht von vornherein.

VPRRS 2010, 0149

VK Nordbayern, Urteil vom 17.11.2009 - 21.VK-3194-50/09
1. Ein Bieter, der in seinem Angebot die von ihm tatsächlich für einzelne Leistungspositionen geforderten Einheitspreise auf verschiedene Einheitspreise anderer Leistungspositionen verteilt, benennt nicht die von ihm geforderten Preise im Sinne des § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A. Deshalb sind Angebote, bei denen der Bieter die Einheitspreise einzelner Leistungspositionen in "Mischkalkulationen" auf andere Leistungspositionen umlegt, grundsätzlich von der Wertung auszuschließen ( VOB/A).*)
2. Der Ausschluss eines Angebots wegen Mischkalkulation setzt voraus, dass entweder von vorneherein oder aufgrund einer von der VSt wegen bestehender Zweifel durchgeführten Aufklärung nach § 24 Nr. 1 VOB/A feststeht, dass das Angebot auf einer Mischkalkulation beruht. Bloße Zweifel genügen dagegen in keinem Fall für einen Ausschluss, sondern berechtigen die VSt nur zur Aufklärung. Erst von deren Ergebnis hängt es ab, ob ein Ausschluss des Angebots gerechtfertigt ist oder nicht. Können
Zweifel der VSt weder bestätigt noch ausgeräumt werden, muss die VSt ihre Zweifel zurückstellen, denn sie hat grundsätzlich das Vorliegen eines Ausschlussgrundes zu beweisen.*)
3. Die materielle Beweislast dafür, dass der von der BGl angebotene Preis im Sinne von § 25 Nr. 3 Abs. 1 und 2 VOB/A in einem offenbaren Missverhältnis zur Leistung steht, trägt die Antragstellerin, nicht die Antragsgegnerin.*)
4. Grundsätzlich kann und darf ein öffentlicher Auftraggeber sich bei der Vorbereitung der Vergabe zwar eines Sachverständigen bedienen, § 7 Nr. 1 a und b VOB/A. Der Sachverständige darf zur Unterstützung des öffentlichen Auftraggebers eingesetzt werden; er kann also den dem Vergabeverfahren zugrunde liegenden Sachverhalt kaufmännisch, technisch oder juristisch aufbereiten. Die Kernkompetenz der Entscheidung muss jedoch beim Auftraggeber verbleiben. Insbesondere ist es allein Sache des Auftraggebers, Wertungen und Ermessensentscheidungen zu treffen.*)

VPRRS 2010, 0148

VK Nordbayern, Beschluss vom 25.11.2009 - 21.VK - 3194 - 52/09
1. Gem. § 107 Abs. 2 GWB ist nur ein Unternehmen antragsbefugt, das ein Interesse am Auftrag hat und einen Schaden durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend machen kann. Dies setzt regelmäßig ein eigenes wertbares Angebot voraus. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur dann denkbar, wenn alle Bieter zwingend ausgeschlossen werden müssten und deshalb das Vergabeverfahren aufgehoben werden muss. In einem solchen Fall liegt der mögliche Schaden des Bieters darin, dass ihm die Möglichkeit genommen wird, sich im Falle der Neuausschreibung wiederum am Wettbewerb beteiligen zu können. Auch wenn ein Bieter mit seinem Angebot selbst auszuschließen ist, kann er einen Nachprüfungsantrag auf die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes stützen, wenn auch hinsichtlich des weiteren allein noch in der Wertung verbliebenen Angebots ein zwingender Ausschlussgrund besteht.*)
2. Es obliegt nicht dem Spielraum der VSt von klaren Festlegungen der Bekanntmachung bzw. der Verdingungsunterlagen im Nachhinein bei der Wertung abzuweichen. Vielmehr ist die VSt an ihre Festlegungen hinsichtlich der verlangten Eignungsnachweise gebunden.*)

VPRRS 2010, 0147

VK Lüneburg, Beschluss vom 21.08.2009 - VgK-42/2009
1. Die Entscheidung der Kammer dient vorrangig, aber nicht allein dem Interesse des Bieters an der Rechtmäßigkeit des Verfahrens, sondern auch dem öffentlichen Interesse an einer zwar zügigen, aber eben auch "rechtmäßigen" Auftragsvergabe.
2. Eine Erledigung in sonstiger Weise liegt dann vor, wenn das Nachprüfungsverfahren gegenstandslos wird. Dies kommt auch bei schwerwiegenden Verfahrensfehlern durch die Vergabestelle durch Nachholung oder Neuvornahme und damit Heilung vor Abschluss des Nachprüfungsverfahrens in Betracht, durch die dem Antragsteller seine Beschwer genommen wird.
3. Der Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB setzt als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ein Feststellungsinteresse voraus.

VPRRS 2010, 0146

VK Lüneburg, Beschluss vom 21.08.2009 - VgK-43/2009
1. Der Auftraggeber ist verpflichtet, vor Einleitung des Vergabeverfahrens gemäß § 3 Abs. 1 VgV den Nettowert der in Aussicht genommenen Auftragsvergabe zu schätzen. Maßgeblicher Zeitpunkt dieser Schätzung ist dabei grundsätzlich der Tag der Absendung der Vergabebekanntmachung (§ 3 Abs. 10 VgV). Zu ermitteln ist derjenige Wert, den ein umsichtiger und sachkundiger Auftraggeber nach sorgfältiger Prüfung des relevanten Marktsegments und auf dem Boden einer betriebswirtschaftlichen Finanzplanung veranschlagen würde.
2. Die Entscheidung der Kammer dient vorrangig, aber nicht allein dem Interesse des Bieters an der Rechtmäßigkeit des Verfahrens, sondern auch dem öffentlichen Interesse an einer zwar zügigen, aber eben auch "rechtmäßigen" Auftragsvergabe.
3. Eine Erledigung in sonstiger Weise liegt dann vor, wenn das Nachprüfungsverfahren gegenstandslos wird. Dies kommt auch bei schwerwiegenden Verfahrensfehlern durch die Vergabestelle durch Nachholung oder Neuvornahme und damit Heilung vor Abschluss des Nachprüfungsverfahrens in Betracht, durch die dem Antragsteller seine Beschwer genommen wird.
4. Der Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB setzt als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ein Feststellungsinteresse voraus.

VPRRS 2010, 0145

VK Lüneburg, Beschluss vom 22.10.2009 - VgK-49/2009
1. Parallel- oder Alternativausschreibungen sind nicht per se vergaberechtswidrig. Derartige Ausschreibungen sind zulässig, sofern die berechtigten Interessen der Bieter im Hinblick auf einen zumutbaren Arbeitsaufwand gewahrt werden und zugleich sichergestellt ist, dass die wirtschaftlichste Verfahrensweise auch tatsächlich zum Zuge kommt und das Verfahren für die Beteiligten hinreichend transparent ist.
2. Eine Parallelausschreibung, die lediglich der Markterkundung und Wirtschaftlichkeitsberechnung verschiedener Verfahren dient, verstößt gegen § 16 Nr. 2 VOL/A, da sie einem vergabefremdem Zweck dient und damit nicht den Anforderungen des § 97 GWB entspricht.

VPRRS 2010, 0144

OLG München, Beschluss vom 30.04.2010 - Verg 5/10
Sofern durch Beschluss der Vergabekammer die Vergabestelle angewiesen wird, den Bietern nach Überarbeitung der Unterkriterien die Verdingungsunterlagen erneut zu übersenden und die Bieter erneut zur Abgabe eines Angebotes aufzufordern, besitzt ein Dritter, der kein Angebot abgegeben hatte, keinen Anspruch auf Übersendung der überarbeiteten Verdingungsunterlagen und Beteiligungen an dem fortgesetzten Vergabeverfahren.*)

VPRRS 2010, 0137

VK Sachsen, Urteil vom 28.12.2009 - 1/SVK/060-09
1. Eine im Sinne des § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. a) VOL/A fehlende Preisangabe liegt vor, wenn sich aus den von den Bietern in den Los- und Preisblättern vorgenommenen Eintragungen keine zweifelsfreien Preisangaben entnehmen lassen, mithin nicht eindeutig erkennbar ist, zu welchem Preis die ausgeschriebene Leistung tatsächlich angeboten wird.*)
2. Korrekturen von unbeachtlichen und eindeutigen Übertragungsfehlern führen nicht notwendigerweise zum Ausschluss des Angebots.*)
3. Fordern die Verdingungsunterlagen: "Im Angebot muss zweifelsfrei gekennzeichnet sein, welche Leistungsanteile von welchem Mitglied der Bietergemeinschaft erbracht werden.", so kann von einer fehlenden Angabe keine Rede sein, wenn die Antragstellerin erklärt, die Mitglieder der Bietergemeinschaft wollten alle Leistungsteile gemeinschaftlich erbringen.*)

VPRRS 2010, 0135

VK Detmold, Beschluss vom 17.11.2009 - VK.2-13/09
1. Verlangt die Bekanntmachung den Nachweis einer Zertifizierung als Entsorgungsfachbetrieb ohne weitere Konkretisierungen, so ist dieser Nachweis bereits geführt, wenn eine Niederlassung entsprechend zertifiziert ist - welche ist irrelevant.
2. Gibt die Vergabestelle konkret vor, welche Leistungen sie unter dem Begriff "vergleichbare Leistungen" versteht, so genügt es, wenn ein Bieter unter diesem Punkt wie gefordert seine entsprechenden Umsätze auflistet. Er muss nicht noch zusätzlich eintragen, um welche Leistungen konkret es sich handelt.
3. Hat die Vergabestelle dennoch Zweifel, die Umsätze welcher Leistungen der Bieter angibt, so darf - und muss! - sie nachfragen.

VPRRS 2010, 0134

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18.12.2009 - VK 2 LVwA LSA - 30/09
1. Eingangsvermerke sind mit einem Namenszug zu versehen.
2. Ein Verstoß gegen diese Pflicht führt dazu, dass das Vergabeverfahren ab Versendung zur Angebotsaufforderung zu wiederholen ist.

VPRRS 2010, 0132

VK Lüneburg, vom 15.12.2009 - VgK-63/2009
1. Von § 98 Nr. 2 GWB werden juristische Personen des privaten Rechts erfasst, die von der öffentlichen Hand überwiegend finanziert werden oder bei denen die öffentliche Hand den beherrschenden Einfluss infolge Aufsicht oder mehrheitlicher Beteiligung ausübt und die im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art erfüllen. Erfasst werden damit vor allem Beteiligungsgesellschaften der öffentlichen Hand im Bereich der Daseinsvorsorge. Merkmal der Sektorenauftraggeber im Sinne des Vierten Abschnitts der VOL/A oder der VOB/A ist es hingegen gerade, dass Wirtschaftlichkeitsaspekte Vorrang vor Vorsorgeüberlegungen haben.
2. Ein Nichtabhilfeschreiben nach § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB muss einen ausdrücklichen Hinweis enthalten, dass der Auftraggeber der Rüge nicht abhelfen will.
3. Gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A i. V. m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A können Angebote ausgeschlossen werden, die nicht die geforderten Angaben und Erklärungen enthalten. Dieses Ermessen reduziert sich durch Selbstbindung eines Auftraggebers aber immer dann auf Null und damit auf einen zwingenden Ausschluss des Angebotes, sobald der Auftraggeber mit der Vergabebekanntmachung, der Aufforderung zur Angebotsabgabe oder den sonstigen Vergabeunterlagen Nachweise und Belege zu Mindestbedingungen erhebt, in dem er ihre Vorlage ausdrücklich mit Angebotsabgabe verlangt und auf einen zwingenden Ausschluss im Falle der Nichtbeifügung oder nicht rechtzeitigen Beifügung hinweist.
4. Grundsätzlich steht dem Auftraggeber bei der Bewertung der Bewerbereignung ein weiter Ermessensspielraum zu. Dieser Spielraum engt sich jedoch dann ein, wenn der Auftraggeber selbst dieses weite Ermessen durch Angabe von zulässigen Mindestvoraussetzungen einschränkt. Er ist dann an diese Voraussetzungen gebunden und darf nicht nachträglich von ihnen abweichen.
5. Die Möglichkeit der Angebotsaufklärung nach § 24 VOL/A darf ein öffentlicher Auftraggeber nur nutzen, um Zweifel über die Angebote der Bieter zu beheben. Das Recht des öffentlichen Auftraggebers zur Aufklärung eines Angebotes darf jedoch nicht dazu führen, dass einem Bieter Gelegenheit gegeben wird, ein Angebot im Zuge der Aufklärungsverhandlung ggf. so zu ändern, nachzubessern oder zu vervollständigen, dass dieses wertbar und damit zuschlagsfähig wird.

VPRRS 2010, 0128

LG Flensburg, Urteil vom 22.03.2010 - 4 O 67/10
Die Fehlerhaftigkeit der Ausschreibungsunterlagen begründet keinen Anspruch darauf, den Submissionstermin bis zur Entscheidung der Vergabeprüfstelle hinauszuschieben. Eine weitgehende Verpflichtung kann bei Abwägung der beiderseitigen Interessen aus dem zwischen den Parteien bestehenden vorvertraglichen Schuldverhältnis nicht abgeleitet werden.

VPRRS 2010, 0127

VK Lüneburg, Beschluss vom 08.01.2010 - VgK-74/2009
1. Ein Bieter darf sich nicht mutwillig einer positiven Kenntnisnahme von vermeintlichen, anschließend im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens geltend gemachten Vergabeverstößen verschließen.
2. Die Frage, ob ein vertraglich aufgebürdetes Wagnis ungewöhnlich und damit unzulässig ist, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung von Art und Umfang der nachgefragten Leistung sowie unter Beachtung des Gesichtspunkt der Branchenüblichkeit zu klären. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass § 8 Abs. 1 Nr. 3 VOL/A nicht ausschließt, dass die Beteiligten den Rahmen des Zulässigen ausschöpfen.
3. Ist eine einseitige Verlängerungsoption hinreichend bestimmt und insbesondere hinsichtlich Laufzeit und Umfang eindeutig begrenzt, so wird dem Auftragnehmer kein ungewöhnliches Wagnis im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A aufgebürdet, wenn er in der Lage ist, die entsprechenden Risiken zu kalkulieren.

VPRRS 2010, 0126

VK Brandenburg, Beschluss vom 16.12.2009 - VK 42/09
1. Ist das Angebot eines Antragstellers von der Wertung auszuschließen, kann der weitere Fortgang des Vergabeverfahrens grundsätzlich weder seine Interessen berühren, noch kann der Antragsteller durch eine etwaige Nichtbeachtung vergaberechtlicher Bestimmungen in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt sein. Es sei denn, dass auch alle anderen tatsächlich in die Wertung gelangten Angebote hätten ausgeschlossen und (zum Beispiel) ein neues Vergabeverfahren hätte durchgeführt werden müssen.
2. Das Gebot, die Bieter gleich zu behandeln (§ 97 Abs. 2 GWB), verpflichtet den öffentlichen Auftraggeber, solche Angebote, die vergaberechtlich an demselben oder einem gleichartigen Mangel leiden, vergaberechtlich gleich zu behandeln, d. h. aus dem übereinstimmend vorliegenden Mangel jener Angebote vergaberechtlich dieselben Konsequenzen zu ziehen.
3. Zusätzliche Zahlungsbedingungen führen zum Ausschluss des Angebots.
4. Es unterliegt grundsätzlich keinen Bedenken, wenn der Auftraggeber Anforderungen, die er ursprünglich für ein ordnungsgemäßes Angebot aufgestellt hat, nachträglich modifiziert, wenn diese Änderung gegenüber allen Bietern vorgenommen wird, die sich am Verfahren beteiligt haben.

VPRRS 2010, 0125

VK Brandenburg, Beschluss vom 19.01.2010 - VK 47/09
1. Die Rügeobliegenheit entfällt für solche Vergaberechtsfehler, die der antragstellenden Partei erst während des laufenden Nachprüfungsverfahrens bekannt werden, weil dann deren Zweck, ein Nachprüfungsverfahren zu vermeiden, nicht mehr erreicht werden kann.
2. § 9a VOL/A ist richtlinienkonform dahin auszulegen, dass der öffentliche Auftraggeber sich nicht darauf beschränken darf, die Zuschlagskriterien als solche zu benennen; vielmehr hat er den Bietern auch von ihm zu den Zuschlagskriterien aufgestellte Unterkriterien ("alle Zuschlagskriterien") Mitzuteilen.
3. Zu der Frage, wann der Auftraggeber nachträglich Unterkriterien und ihre Gewichtung festlegen kann.
4. Ist der Auftraggeber aus nachvollziehbaren Gründen (zum Beispiel wegen der Komplexität des Auftragsgegenstandes) erst kurz vor Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe in der Lage, die Unterkriterien sowie deren Gewichtung festzulegen, muss er die spätere Festlegung den Bietern nachträglich bekannt geben, sofern die Kenntnis davon die Vorbereitung der Angebote beeinflussen kann. Darüber hinaus hat der Auftraggeber den Bietern Gelegenheit zu einer Änderung oder Anpassung der Angebote, soweit diese bereits vorbereitet sind, zu geben. Notfalls hat dies dadurch zu geschehen, indem die Frist zur Angebotsabgabe verlängert wird.

VPRRS 2010, 0124

VK Brandenburg, Beschluss vom 01.02.2010 - VK 1/10
In formaler Hinsicht muss eine Rüge den vermeintlichen Vergabeverstoß bezeichnen und die Aufforderung an den Auftraggeber enthalten, den Verstoß zu beseitigen.

VPRRS 2010, 0121

VK Münster, Beschluss vom 18.03.2010 - VK 2/10
1. Auf einen formalen Bieterstatus kommt es bei Anwendung des § 101b Abs. 2 GWB nicht an.*)
2. Die Nachprüfung gemäß § 101b Abs. 2 GWB kann aber nur derjenige beantragen, der antragsbefugt nach § 107 Abs. 2 GWB ist.*)

VPRRS 2010, 0118

Generalanwalt beim EuGH, Schlussanträge vom 14.04.2010 - Rs. C-271/08
1. Tarifvertraglich determinierte Rahmenvereinbarungen fallen grundsätzlich in den Geltungsbereich der Niederlassungs- und der Dienstleistungsfreiheit fallen, und damit grundsätzlich auch in den Geltungsbereich der auf diese Grundfreiheiten gestützten Vergaberichtlinie.
2. Wird festgestellt, dass mit einer tarifvertraglich determinierten Rahmenvereinbarung gegen die Dienstleistungsrichtlinie 92/50/EWG bzw. gegen die Richtlinie 2004/18/EG verstoßen worden ist, ist allerdings die besondere Stellung des Rechts auf Kollektivverhandlungen und der Tarifautonomie als soziale Grundrechte zu berücksichtigen. Dabei muss anhand der konkreten Umstände des Falls geprüft werden, ob diese Nichtbeachtung der Vergaberichtlinien auf die Ausübung der sozialen Grundrechte auf Kollektivverhandlungen und der Tarifautonomie zurückzuführen ist und, wenn ja, ob eine Einschränkung der Ausübung dieser sozialen Grundrechte durch die in den Vergaberichtlinien enthaltenen Verpflichtungen im Licht der Grundfreiheiten als gerechtfertigt zu betrachten ist.

VPRRS 2010, 0117

EuGH, Urteil vom 13.04.2010 - Rs. C-91/08
1. Weisen Änderungen der Bestimmungen eines Dienstleistungskonzessionsvertrags wesentlich andere Merkmale auf als die, welche die Vergabe des ursprünglichen Konzessionsvertrags gerechtfertigt haben, und lassen damit den Willen der Parteien zur Neuverhandlung wesentlicher Bestimmungen dieses Vertrags erkennen, müssen alle zur Wiederherstellung der Transparenz des Verfahrens erforderlichen Maßnahmen, zu denen auch ein neues Vergabeverfahren gehört, nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts des betroffenen Mitgliedstaats gewährt werden. Gegebenenfalls muss das neue Vergabeverfahren nach Modalitäten durchgeführt werden, die den Besonderheiten der betreffenden Dienstleistungskonzession angepasst sind, und ermöglichen, dass ein im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats ansässiges Unternehmen vor Vergabe der Konzession Zugang zu den diese betreffenden angemessenen Informationen erhält.*)
2. Schließt ein konzessioniertes Unternehmen einen Vertrag über Dienstleistungen, die vom Geltungsbereich der ihm von einer Gebietskörperschaft erteilten Konzession erfasst werden, besteht die aus den Art. 43 EG und 49 EG sowie dem Grundsatz der Gleichbehandlung und dem Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit fließende Transparenzpflicht nicht, sofern dieses Unternehmen
- von dieser Gebietskörperschaft zum Zweck der Abfallentsorgung und Stadtreinigung gegründet wurde, aber auch auf dem Markt tätig ist,
- zu 51 % dieser Gebietskörperschaft gehört, Gesellschafterbeschlüsse jedoch nur mit einer Mehrheit von drei Vierteln der Stimmen seiner Gesellschafterversammlung gefasst werden können,
- einen Aufsichtsrat hat, dessen Mitglieder einschließlich seines Vorsitzenden nur zu einem Viertel von dieser Gebietskörperschaft bestellt werden, und
- mehr als die Hälfte seiner Umsätze aus gegenseitigen Verträgen über die Abfallentsorgung und Straßenreinigung im Gebiet dieser Körperschaft erzielt, wobei sich diese hierfür über kommunale Abgaben ihrer Bürger refinanziert.*)
3. Der Grundsatz der Gleichbehandlung und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, die in den Art. 43 EG und 49 EG verankert sind, sowie die daraus fließende Transparenzpflicht verpflichten nicht in allen Fällen, in denen behauptet wird, dass diese Pflicht bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen verletzt worden sei, die nationalen Behörden zur Kündigung eines Vertrags und die nationalen Gerichte zu einer Unterlassungsanordnung. Es ist Sache des innerstaatlichen Rechts, die Rechtsschutzmöglichkeiten, die den Schutz der dem Bürger aus dieser Pflicht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, so zu regeln, dass sie nicht weniger günstig ausgestaltet sind als die entsprechenden innerstaatlichen Rechtsschutzmöglichkeiten und die Ausübung dieser Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren. Die Transparenzpflicht ergibt sich unmittelbar aus den Art. 43 EG und 49 EG, die in den innerstaatlichen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten unmittelbare Wirkung haben und jeder entgegenstehenden Bestimmung der nationalen Rechtsordnungen vorgehen.*)

VPRRS 2010, 0113

VK Münster, Beschluss vom 14.01.2010 - VK 24/09
1. Die Zuverlässigkeit eines Bieters kann gemäß § 7 Nr. 5 lit. c) VOL/A in jedem Stadium des Vergabeverfahrens überprüft werden.*)
2. § 7 Nr. 5 VOL/A eröffnet den Vergabestellen aber lediglich einen Beurteilungsspielraum. Sie sind bei der Prüfung der Zuverlässigkeit eines Bieters nicht verpflichtet, mögliche Verstöße gegen Gesetze wie § 4 Nr. 9 UWG nachweisbar zu ermitteln. Es kommt lediglich darauf an, dass die Beurteilungsentscheidung (Prognoseentscheidung) sachlich nachvollziehbar ist.*)
3. Auch eine Vergabekammer ist nach § 110 GWB nicht verpflichtet, Verstößen gegen das UWG nachzugehen.*)

VPRRS 2010, 0112

VK Brandenburg, Beschluss vom 25.02.2009 - VK 6/09
1. Wegen des verfassungsrechtlichen Gebotes, den Bietern einen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, sind an die Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt die schlüssige Darlegung.
2. Ein Nachprüfungsantrag ist offensichtlich unbegründet, wenn bei der vorgenommenen Wertung weitere Bieter (außer demjenigen, der den Zuschlag erhalten hat) vor dem Antragsteller rangieren und Ausschließungsgründe für die vorgehenden Angebote weder vorgetragen wurden noch offensichtlich sind.

VPRRS 2010, 0110

VK Münster, Beschluss vom 14.01.2010 - VK 26/09
1. Kommt es erst nach Wertung der Vergabestelle zu einer unterschiedlichen Auslegung der Vergabeunterlagen, gilt § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB und nicht etwa § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB.*)
2. Für das Verständnis der Leistungsbeschreibung ist auf den nach den Maßstäben der §§ 133, 157 BGB zu ermittelnden objektiven Empfängerhorizont eines verständigen und sachkundigen Bieters , der mit Beschaffungsleistungen der vorliegenden Art vertraut ist, abzustellen.*)
3. Die Vergabestellen sind nicht verpflichtet, geforderte Nachweise der Bieter zur Eignung, wie die Nennung von Umsatzzahlen oder Referenzen, auf ihre materielle Richtigkeit zu überprüfen, wenn es dafür keinen Anlass gibt.*)

VPRRS 2010, 0107

VK Münster, Beschluss vom 18.02.2010 - VK 28/09
Öffentliche Auftraggeber können nicht sämtliche Komponenten eines Auftrages zusammenfassen und dann, wenn eine technische Besonderheit zu beachten ist, sämtliche Leistungen dem "Wettbewerb entziehen", indem nicht produktneutral ausgeschrieben wird.*)

VPRRS 2010, 0106

VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 14.01.2010 - VK-SH 25/09
1. Im Rahmen des Auftrags "Einsammlung und Transport von PPK" steht das Zuschlagskriterium "Zahlung von Tariflöhnen" nicht in sachlichem Zusammenhang mit der zu erbringenden Leistung und ist vergaberechtswidrig.
2. Die Aufstellung eines vergaberechtswidrigen Zuschlagskriteriums kann ein "Verschulden" im Sinne des § 128 Abs. 3 Satz 3 GWB darstellen. Hat ein Antragsgegner auf diese Weise die Antragstellung verschuldet, ist er auch dann an den Kosten zu beteiligen, wenn sich das Verfahren vor Sachentscheidung durch Rücknahme des Nachprüfungsantrags erledigt hat.

VPRRS 2010, 0102

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.02.2010 - Verg 42/09
1. Die Beschaffungsentscheidung des öffentlichen Auftraggebers ist nur daraufhin zu kontrollieren, ob sie auf sach- und auftragsbezogenen Gründen beruht.
2. Eine weitergehende Überprüfung insbesondere auf sachliche Richtigkeit oder Nachvollziehbarkeit der Gründe ist mit dem Bestimmungsrecht des Auftraggebers unvereinbar.

VPRRS 2010, 0101

VK Bund, Beschluss vom 05.08.2009 - VK 1-128/09
1. Die im Vergabeverfahren bereitgestellten Muster sind mit Bietererklärungen gleichzusetzen.
2. Weicht das Muster vom angebotenen Produkt ab, liegt ein Widerspruch vor, der zwingend zum Ausschluss des Bieters führt.
3. Ein öffentlicher Auftraggeber ist grundsätzlich frei, welche Zuschlagskriterien er festlegt und wie er diese im Verhältnis zueinander gewichtet.

VPRRS 2010, 0449

VK Bund, Beschluss vom 15.01.2010 - VK 1-227/09
1. Risiken (Wagnisse) fallen dann in die Sphäre des öffentlichen Auftraggebers und dürfen nicht dem Auftragnehmer auferlegt werden, wenn das jeweilige Risiko auf Umständen und Ereignissen beruht, auf die der Auftragnehmer keinen Einfluss hat, das Risiko nach Art und Umfang ungewöhnlich ist und die Einwirkung des Risikos auf Preise und Fristen durch den Auftragnehmer nicht geschätzt werden kann. Daraus folgt aber nicht, dass die Verlagerung eines Wagnisses per se unzulässig ist.
2. Die Verlagerung von Wagnissen, die auf Umständen und Ereignissen beruhen, auf die der Auftragnehmer Einfluss hat, und/oder deren Einwirkungen auf die Preise er schätzen kann, ist vergaberechtlich zulässig.

VPRRS 2010, 0099

OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2010 - Verg W 9/09
1. Die Berufung auf die Leistungen eines anderen Unternehmens - zum Beispiel der Muttergesellschaft - im Rahmen des Nachweises der Leistung und Fachkunde ist zulässig; sie ist nach § 7 a Nr. 3 Abs. 6 S. 2 VOL/A aber davon abhängig, dass der Bieter den Nachweis darüber führt, dass ihm die erforderlichen Mittel des anderen Unternehmens bei der Erfüllung des Auftrages zur Verfügung stehen; er muss deutlich machen, dass ein Zugriffsrecht auf fremde Ressourcen tatsächlich besteht.
2. Diesem Anfordernis genügt es nicht, wenn zwar uneingeschränkt die Vorlage der Nachweise der Muttergesellschaft zugunsten der Tochtergesellschaft gebilligt wird, eine verbindliche Vereinbarung über die Überlassung bestimmter, zur Erfüllung des Auftrages erforderlicher Mittel jedoch nicht getroffen, sondern einer späteren Vereinbarung vorbehalten wird.

VPRRS 2010, 0098

LSG Hessen, Beschluss vom 15.12.2009 - L 1 KR 337/09 ER Verg
1. Eine Rüge setzt voraus, dass der Auftraggeber erkennen kann, dass der Bieter einen Vergaberechtsverstoß unmittelbar beanstanden und nicht nur eine bloße Frage stellen oder eine Bitte um Klarstellung äußern will.
2. Rügen dürfen nicht unter die Bedingung gestellt werden, dass der Auftraggeber zunächst Fragen beantwortet oder aus der Sicht des Bieters vorhandene offene Punkte klärt. Der Bieter darf die Rüge nicht unter eine Bedingung stellen.
3. Bei der Ausschreibung von medizinischen Hilfsmitteln im Wege einer Rahmenvereinbarung verletzt eine Leistungsbeschreibung nicht § 8 Nr. 1 Abs. 1 und 3 VOL/A, wenn der Bedarf auf der Grundlage der Fallzahlen aus einem kürzlich zurückliegenden Zeitraum ermittelt wird. Der Auftraggeberin, einer Krankenkasse, ist eine genauere Ermittlung nicht möglich, weil diese von objektiven und subjektiven Faktoren, nämlich der Erkrankungsfälle und der ärztlichen Verordnungen, abhängt, die zum Zeitpunkt der Bekanntmachung nicht absehbar sind und auf die sie selbst keinen Einfluss hat.

VPRRS 2010, 0097

VK Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17.11.2009 - VK 2-51/09
1. In Fällen, in denen der Bieter ein unverschuldetes Informationsdefizit hat, muss es genügen, dass er konkrete Tatsachen vorträgt, die den hinreichenden Verdacht eines Vergaberechtsverstoßes begründen. Jedoch reicht die bloße Negierung der Vollständigkeit der Angebote ohne weiteren Tatsachenvortrag für eine substantiierte Rüge nicht aus.
2. Die Voraussetzungen der Antragsbefugnis unter dem Gesichtspunkt der Schadensdarlegungslast sind erfüllt, sofern insoweit die schlüssige Behauptung des Bieters vorliegt, dass er ohne die Rechtsverletzung eine Chance auf Zuschlagserteilung hätte.
3. Ergibt sich aus den Vergabeunterlagen nicht eindeutig, dass eine bestimmte Erklärung schon mit dem Angebot vorliegen muss, so kann deren Fehlen bei Angebotsabgabe den Ausschluss nicht rechtfertigen.
4. Bei der Prüfung der Eignung handelt es sich um eine Prognoseentscheidung, bei der der Vergabestelle ein Bewertungsspielraum zusteht. Die Nachprüfungsbehörden haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob die Prognose eine hinreichende Tatsachengrundlage hat und sich innerhalb des der Vergabestelle im Einzelfall zustehenden Spielraums bewegt.
5. Bei Dienstleistungen mit mehrjähriger Vertragslaufzeit setzt die Eignung nicht voraus, dass ein Bieter, der sich um einen Auftrag bemüht, bereits bei der Angebotsabgabe "auf Vorrat" über sämtliche sachlichen und personellen Ressourcen verfüg, die im Falle der Auftragserteilung benötigt werden.
