Vergabepraxis & -recht.

Volltexturteile nach Sachgebieten
4952 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2010
VPRRS 2010, 0093
BGH, Urteil vom 26.01.2010 - X ZR 86/08
Die Rechtsprechung, wonach regelmäßig eine Verurteilung zu Schadensersatz wegen eines Vergabefehlers des Auftraggebers nur in Betracht kommt, wenn der Kläger bei in jeder Hinsicht rechtmäßigem Vergabeverfahren den Auftrag hätte erhalten müssen, gilt auch für Fälle, in denen dem Kläger im fehlerhaften Vergabeverfahren der Zuschlag erteilt worden ist.*)

VPRRS 2010, 0092

VK Münster, Beschluss vom 18.03.2010 - VK 1/10
1. Unwirksamkeit eines öffentlichen Auftrages gemäß § 101b Abs. 1 Nr. 2 GWB.*)
2. Abgrenzung eines Dienstleistungsauftrages von einer Dienstleistungskonzession.*)
3. Wesentliche Änderungen in bestehenden Verträgen unterliegen dem Vergaberechtsregime.)
4. Im Falle von de facto Vergaben kommt es nicht auf den formalen Bieter- oder Bewerberstatus eines Antragstellers an, sondern auch Interessenten, die wesentliche Teilleistungen ausführen wollen, können in ihren Rechten verletzt sein.
5. Zu der Frage, ob die Vergabe von Schienenpersonennahverkehrsleistungen ausgeschrieben werden muss (Abgrenzung Dienstleistungsauftrag/-konzession).
6. Freihändige Vergabe bedeutet nicht, dass nur mit einem Bieter verhandelt werden kann. Die Beteiligung mehrerer Unternehmen ist nur dann entbehrlich, wenn dies im Einzelfall nicht möglich oder nicht zweckmäßig ist. Das ist vor allem dann der Fall, wenn aus besonderen objektiven Gründen nur ein Unternehmen für die Ausführung der Leistung in Betracht kommt.
7. Nur wenn der Auftraggeber infolge einer Markterkundung festgestellt hat, dass nur ein bestimmtes Unternehmen den Auftrag ausführen kann, sind die Anforderungen des § 3 Nr. 4 a VOL/A erfüllt.
8. Wesentliche Änderungen der Bestimmungen in einem öffentlichen Auftrag während der Geltungsdauer sind als Neuvergabe eines Auftrags anzusehen.

VPRRS 2010, 0090

OLG Koblenz, Beschluss vom 15.10.2009 - 1 Verg 9/09
1. § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A hat grundsätzlich keine bieterschützende Wirkung, was zur Folge hat, dass ein Antragsteller in aller Regel den Zuschlag auf ein Unterkostenangebot nicht mit einem Nachprüfungsantrag verhindern kann.*)
2. Die Prüfung der Eignung (§ 97 Abs. 4 Satz 1 GWB) obliegt nicht den Vergabekammern und -senaten, sondern dem Auftraggeber. Er allein hat darüber zu befinden, ob er einem Bieter eine fachgerechte und reibungslose Vertragserfüllung zutraut.*)
3. Die Nachprüfungsbehörden dürfen die Bewertung des Auftraggebers keinesfalls durch eine eigene ersetzen. Sie haben sich vielmehr auf die Prüfung zu beschränken, ob die Prognose eine hinreichende Tatsachengrundlage hat und sich innerhalb des der Vergabestelle im Einzelfall zustehenden Spielraums bewegt.*)
4. Prüfungsgrundlage ist einzig und allein der Vergabevermerk, nicht das Vorbringen des (Verfahrensbevollmächtigten des) Auftraggebers im Nachprüfungsverfahren.*)
5. Eine fehlerhafte oder nicht ordnungsgemäß dokumentierte Eignungsprüfung kann auch während eines laufenden Nachprüfungsverfahrens wiederholt werden.*)

VPRRS 2010, 0089

OLG Celle, Beschluss vom 04.03.2010 - 13 Verg 1/10
§ 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB enthält eine Rechtsbehelfsfrist, auf die nach § 17a Nr. 1 VOL/A 2006 i.V.m. Ziff. VI. 4. 2 Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1564/2005 in der Veröffentlichung der Vergabebekanntmachung hinzuweisen ist.*)

VPRRS 2010, 0088

VK Nordbayern, Beschluss vom 10.02.2010 - 21.VK-3194-01/10
1. Eine Rüge, die erst nach nahezu zwei Monaten erfolgt, ist nicht mehr unverzüglich gem. § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB. Allerdings ist aufgrund der Entscheidung des EuGH vom 28.01.2010 Az. C-406/08 fraglich, ob § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB im Einklang mit der Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG steht und deswegen unbeachtet bleiben muss.*)
2. Der Zuschlag ist auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen (§ 97 Abs. 5 GWB ). Aus diesem Wortlaut ergibt sich nicht, dass das wirtschaftlichste Angebot nicht schlicht nach dem Preis als alleiniges Zuschlagskriterium ermittelt werden darf.*)

VPRRS 2010, 0086

OLG Brandenburg, Beschluss vom 18.02.2010 - Verg W 2/10
1. Es bestehen Bedenken gegen die Zulässigkeit der Beschwerde, wenn mit der Beschwerde lediglich ein Antrag auf Aufhebung der Entscheidung der Vergabekammer und Zurückverweisung des Verfahrens gestellt wird, im Verfahren vor der Vergabekammer nacheinander zwei einander inhaltlich ausschließende Anträge gestellt worden sind und die Ausführungen in der Beschwerdebegründung nur einen dieser Anträge tragen.*)
2. Will der Auftraggeber Managementleistungen für sein Unternehmen für einen mehrjährigen Zeitraum vergeben, muss er ein Angebot ausschließen, das im vom Bieter vorzulegenden Businessplan mehrere Jahre vor dem Ende des Leistungszeitraums eine über der Managementvergütung liegende Liquiditätslücke aufweist. Modellannahmen in einem Businessplan dürfen nicht derart sein, dass sie in der Realität dazu führen würden, dass der Auftraggeber einen Insolvenzantrag stellen und damit das Konzept vor Ende der Laufzeit scheitern muss.*)

VPRRS 2010, 0085

VK Sachsen, Beschluss vom 16.12.2009 - 1/SVK/057-09
1. Eine fehlende Preisangabe kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass der Bieter für diese Leistung keinen Preis beansprucht.*)
2. Der Einwand, fehlende Preisangaben müssten 0 € bedeuten, da eine Zusammenrechnung der übrigen Preisangaben die entsprechende Summe ergeben würden, geht fehl, da damit die Eindeutigkeit des Angebots nicht mit letzter Sicherheit gegeben ist. Unterstellte man, dass eine Preisangabe schlichtweg vergessen wurde, so führt eine mit einem Tabellenkalkulationsprogramm durchgeführte Addition immer zu einer richtigen Summe. Auch sind Fälle denkbar, in denen ein anderer Bearbeiter als derjenige, der die Einzelpreise errechnet, die Gesamtaddition durchführt.*)
3. Blieben fehlende Preisangaben Nachverhandlungen vorbehalten, könnte der Bieter sein Angebot nach Abgabe noch erheblich, möglicherweise entscheidend verändern. Dies ist mit dem Wettbewerbs- und Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 97 Abs. 1 u. 2 GWB nicht vereinbar. Auch die Klärung von widersprüchlichen Preisangaben kann nicht Gegenstand einer zulässigen Nachverhandlung sein. Lässt man die Modifizierung von wesentlichen Preisangaben eines Angebots in einer Nachverhandlung zu, so eröffnet man dem jeweiligen Bieter - gegebenenfalls in Zusammenspiel mit dem Auftraggeber - einen unkontrollierbaren Spielraum zur nachträglichen Manipulation von wertungsrelevanten Positionen.*)

VPRRS 2010, 0084

VK Sachsen, Beschluss vom 14.09.2009 - 1/SVK/042-09
1. Auch bei einem unzulässigen Vergabenachprüfungsantrag hat die Vergabekammer zunächst ihre Zuständigkeit und damit das Erreichen des Schwellenwertes zu prüfen.*)
2. Eine verbotene Umgehung der a-Paragrafen der VOB/A liegt vor, wenn eine einzige Baumaßnahme dergestalt aufgeteilt wird, dass einzelne, sich in Wirklichkeit als Los eines einzigen Bauwerkes darstellende Aufträge vergeben werden und die Aufteilung dieser einen baulichen Anlage nicht durch objektive Gründe gerechtfertigt ist.*)
3. Zur Bestimmung der geschätzten Gesamtvergütung nach § 3 Abs. 1 und 5 VgV ist die Summe aus allen Bauaufträgen für ein Bauvorhaben zu ermitteln. Erforderlich ist demnach ein funktionaler Zusammenhang der Einzelaufträge in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht.*)
4. Komplexe Bauvorhaben, die in verschiedenen Phasen realisiert werden, sind nur dann kein Gesamtbauwerk, wenn die unterschiedlichen baulichen Anlagen ohne Beeinträchtigung ihrer Vollständigkeit und Benutzbarkeit auch getrennt voneinander errichtet werden können.*)

VPRRS 2010, 0081

OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2010 - Verg W 10/09
1. Ein Nachprüfungsantrag ist unzulässig, wenn der an dritter Stelle liegende Antragsteller lediglich darlegt, dass der für den Zuschlag vorgesehene Bieter von der Wertung auszuschließen ist, weil dessen Ausscheiden allein ihm keine Aussicht darauf eröffnet, den Zuschlag selbst zu erhalten.*)
2. Der Nachweis der Leistungsfähigkeit und Fachkunde wird durch eine bloße Erklärung der Muttergesellschaft des Bieters, dass die Vorlage der Nachweise der Muttergesellschaft zugunsten der Tochtergesellschaft gebilligt werde, nicht geführt. Darin liegt nicht die notwendige verbindliche Vereinbarung über die Überlassung zur Erfüllung des Auftrages erforderlicher Mittel.*)
3. Die Vergabekammer darf den für die Prüfung des Nachprüfungsantrages notwendigen Sachverhalt von Amts wegen ermitteln. Sind infolge der Rüge des Antragstellers die Referenzen eines Bieters zu prüfen, darf die Vergabekammer eine unzulässige Bezugnahme auf Nachweise Dritter nicht nur bei dem von der Rüge betroffenen Los, sondern auch bei anderen Losen berücksichtigen, wenn sich die Prüfung innerhalb des Rechtsschutzziels des Antragstellers hält.*)
4. Unterliegen der Antragsteller und die Beigeladene, die sich am Verfahren vor der Vergabekammer beteiligt und das Verfahren insoweit gefördert hat, jeweils teilweise, ist die Beigeladene an der Erstattung der notwendigen Auslagen des Antragstellers zu beteiligen. Soweit die Beigeladene obsiegt hat, entspricht die Kostenentscheidung zu Lasten des Antragstellers hinsichtlich der notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen der Billigkeit.*)

VPRRS 2010, 0080

OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.01.2010 - 27 U 1/09
1. In Vergabeverfahren, deren Auftragsgegenstand den Schwellenwert nicht erreicht, bestehen Unterlassungsansprüche des unterlegenen Bieters gegen den Auftraggeber, wenn dieser gegen Regeln, die er bei der Auftragsvergabe einzuhalten versprochen hat, verstößt und dies zu einer Beeinträchtigung der Chancen des Bieters führen kann. Auf eine willkürliche Abweichung des Auftraggebers kommt es nicht an.*)
2. Derartige Unterlassungsansprüche können auch im Wege des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden.*)
3. Dazu ist nicht erforderlich, dass der Antragsteller eine (echte) Chance auf den Zuschlag hat. Jedoch kann im Rahmen der gebotenen Abwägung der Verfügungsgrund fehlen, wenn unwahrscheinlich ist, dass der Antragsteller den Zuschlag letztlich erhalten kann.*)
4. Bei der Verfahrensgestaltung sind die Besonderheiten des Vergabeverfahrens zu berücksichtigen. Es kann für das Gericht geboten sein, dem Auftraggeber im Wege einer Zwischenverfügung aufzugeben, befristet bis zur Entscheidung in erster Instanz eine Auftragsvergabe zu unterlassen sowie das Unterneh-men, dem der Auftraggeber den Zuschlag erteilen will, von dem Verfahren zu benachrichtigen. Einer lückenhaften Tatsachenkenntnis des Antragstellers ist durch eine sachgerechte Handhabung der sekundären Darlegungslast und der Glaubhaftmachungslast Rechnung zu tragen.*)

VPRRS 2010, 0075

VK Südbayern, Beschluss vom 03.09.2009 - Z3-3-3194-1-26-05/09
1. Ein Nachprüfungsantrag ist nicht allein deswegen unzulässig, weil die Antragsgegnerin den Zuschlag für das streitgegenständliche Vergabeverfahren bereits erteilt hat.*)
2. Ein wirksamer Vertrag ist dann als nichtig einzustufen, wenn die Antragsgegnerin weder der Antragstellerin noch den anderen Bietern vor der Auftragserteilung eine zwingend notwendige Information über die beabsichtigte Zuschlagserteilung und den Namen des Bieters der den Zuschlag erhalten soll zukommen hat lassen.*)
3. Bei einer Vermischung von Liefer- und Bauleistungen ist der Grundsatz anzuwenden, dass die vergaberechtliche Einordnung grundsätzlich danach bestimmt wird, bei welchen Leistungsanteilen der Wert übersteigt. Hierbei kommt der Bauleistung zwar grundsätzlich ein höheres Gewicht zu, dies darf aber nicht dazu führen, dass der Bauleistung der Vorzug gegeben wird, insbesondere dann, wenn diese gemessen am Gesamtauftrag einen weitaus geringen Anteil als die Lieferleistung ausmacht.*)
4. Bei der Beurteilung danach ob ein Bauauftrag vorliegt ist unter anderem von entscheidender Bedeutung, ob ein Baueingriff in die Bausubstanz vorliegt oder es sich um eine technische Erneuerung einer bereits bestehenden elektrischen Anlage handelt.*)
5. Die Antragsbefugnis liegt dann nicht vor, wenn das Angebot des Antragstellers aus vergaberechtlichen Gründen zwingend ausgeschlossen werden muss und den Zuschlag nicht erhalten darf, so dass dem betroffenen Bieter kein Schaden entstehen oder drohen kann. Die vergaberechtliche Prüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens ist dann bereits mit der Feststellung des Ausschlussgrundes beendet.*)

VPRRS 2010, 0073

VK Südbayern, Beschluss vom 13.08.2009 - Z3-3-3194-1-38-07/09
Ein Nachprüfungsantrag ist unbegründet, wenn das Angebot des Antragstellers zwingend auszuschließen ist (§ 25 Nr. 1 Abs. 2 Buchstabe a VOL/A), weil es nicht die geforderten Angaben und Erklärungen enthält (hier: Der Umfang der Nachunternehmerleistung wurde nicht angegeben).*)

VPRRS 2010, 0072

VK Südbayern, Beschluss vom 05.02.2010 - Z3-3-3194-1-66-12/09
1. § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB stellt eine Rechtsbehelfsfrist dar.
2. Auf die Frist des § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB ist in der Vergabebekanntmachung hinzuweisen.

VPRRS 2010, 0070

VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 11.11.2009 - VK-SH 22/09
1. Sind die Verdingungsunterlagen so gefasst, dass keine vergleichbaren Preise angeboten werden können, kann ein wirtschaftliches Angebot nicht ermittelt werden und es ist auf keines der eingegangenen Angebote der Zuschlag zu erteilen.*)
2. Die aus Gründen der Vergleichbarkeit vorgenommene rechnerische Reduzierung eines Gesamtpreises auf einen Stückpreis ist nicht zulässig, wenn die technischen Bedingungen tatsächlich nicht ein Angebot pro Stück zulassen.*)
3. Sind Vergabefehler auf das fehlerhafte Leistungsverzeichnis zurückzuführen, das der Antragsgegner erstellt und infolgedessen auch zu verantworten hat, steht dies einem Aufhebungsgrund nach § 26 Nr. 1 d VOL/A entgegen.*)

VPRRS 2010, 0068

VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 08.05.2007 - 3 VK 4/07
Eine Industrie- und Handelskammer ist kein öffentlicher Auftraggeber.

VPRRS 2010, 0064

VK Nordbayern, Beschluss vom 14.01.2010 - 21.VK-3194-64/09
1. Gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist nur ein Unternehmen antragsbefugt, das ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Ein Schaden droht einem Antragsteller dann nicht, wenn er ohnehin keine Aussicht auf Erteilung des Zuschlags hat, weil sein Angebot unabhängig von den geltend gemachten Vergabeverstößen nicht zum Zuge kommen kann. An der Überprüfung dieser Verfahrensverstöße fehlt das Rechtsschutzinteresse.*)
2. Eine nachträgliche Änderung des Angebots ist aus Gleichbehandlungsgründen nicht möglich. § 24 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A bestimmt, dass Verhandlungen, insbesondere über Änderungen der Angebote oder Preise, unstatthaft sind. Damit soll sichergestellt werden, dass der Wettbewerb ordnungsgemäß abläuft, die Gleichbehandlung der Bieter gewährleistet ist und das Transparenzgebot gewahrt wird. Mit der Abgabe der Angebote durch die Bieter sind diese an ihr Angebot gebunden. Eine nachträgliche Änderung würde gegen die Gleichbehandlung der Bieter und die Transparenz des Wettbewerbs verstoßen. Jeder Bieter muss sich darauf verlassen können, dass nicht nur für ihn, sondern für alle anderen Bieter die Unabänderbarkeit des einmal abgegebenen Angebotes gilt. Verhandlungen dürfen nicht dazu führen, dass der eindeutige Inhalt eines Angebotes verändert wird. Keinesfalls darf einem nicht annahmefähigen Angebot nachträglich zur Annahmefähigkeit verholfen werden.*)

VPRRS 2010, 0063

OLG München, Beschluss vom 27.08.2009 - Verg 04/09
Zur Frage der Vergütung eines Rechtsanwalts in einem Vergabenachprüfungsverfahren.

VPRRS 2010, 0061

VK Arnsberg, Beschluss vom 10.08.2009 - VK 17/09
Eine produktscharfe Ausschreibung erfordert eine zeitnahe Überprüfung der Erforderlichkeit und immer den Zusatz "o.glw.".*)

VPRRS 2010, 0059

VK Hessen, Beschluss vom 30.09.2009 - 69d-VK-32/2009
1. Das Vergaberecht kennt keine Unterscheidung zwischen Nebenangeboten und Alternativvorschlägen und Varianten, diese Begriffe werden vielmehr in der Rechtsprechung der Vergabekammern und -senate nahezu gleichwertig verwandt (vgl. z.B. VK Hessen 69 d 84/2004 - Beschl. vom 20.01.2005; VK Nordbayern 320.VK-3194-08/04 - Beschl. vom 06.04.2004; VK Sachsen 1/SVK/028-09 - Beschl. vom 07.07.2009). Mit der Formulierung "Varianten / Alternativen sind unzulässig" sind Nebenangebote ausgeschlossen. (ebenso KG Berlin, Beschluss vom 13.03. 2008; 2 Verg 18/07) Dies entspricht auch der in der Sektorenrichtlinie gebrauchten Formulierung, nach welcher jede Abweichung von den Vorgaben des Auftraggebers in den Vergabeunterlagen als "Änderungsvorschlag" oder "Nebenangebot" subsumiert werden muss, also ebenfalls nicht zwischen diesen Begriffen unterschieden wird.*)
2. Die Vorschrift des § 25 Nr. 1 Abs. 1 g) ist gegenüber anderen Bietern bieterschützend, denn der Verstoß hiergegen berührt deren subjektive Rechte auf Einhaltung der Vergabevorschriften. Der Anspruch auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergaberecht führt jedoch nicht dazu, dass der Auftraggeber zur Zuschlagserteilung auf ein bestimmtes Angebot zu verpflichten ist. Eine solche Entscheidung würde ihrerseits Rechte anderer Bieter beeinträchtigen, die möglicherweise aufgrund des Fehlens des Ausschlusses isolierter Nebenangebote in einer den Vorgaben des § 17 Nr. 3 Abs. 5 VOL/A entsprechenden Angebotsaufforderung von deren Zulässigkeit ausgingen.*)
3. Der Ausschluss "isolierter" Nebenangebote kann Rechte anderer Bieter nach § 97 Abs. 7 GWB beeinträchtigen, wenn insoweit eine eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung fehlt, (§ 8 Nr. 1 VOL/A), auf welche die Bieter einen Anspruch haben. Falls der Auftraggeber nicht Haupt- und Nebenangebot einholen sondern drei "Preisvarianten" abfragen wollte, muss aus den Unterlagen zumindest hervorgehen, ob diese Varianten gleichwertig nebeneinander stehen oder eine von diesen favorisiert werden sollte. Im zuletzt genannten Fall musste auch die bevorzugte Variante genannt werden (vgl. OLG Düsseldorf - Verg 25/2; Beschl. vom 02.08.2002).*)
4. Soweit ein Beteiligter im Nachprüfungsverfahren unterliegt, hat er nach § 128 Abs. 4 GWB die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners zu tragen. Aus der Verweisung in § 128 Abs. 4 Satz 4 auf § 80 Abs. 1 des Hess. Verwaltungsverfahrensgesetzes ergibt sich, dass entsprechend dem Obsiegen im Nachprüfungsverfahren auch dem Antragsteller anteilsmäßig die Kosten zu erstatten sind. Im Falle des Obsiegens zu Hälfte sind die notwendigen Kosten gegeneinander aufzuheben mit der Folge, dass jede Partei die ihr zur Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung notwendigen Kosten selbst zu tragen hat.*)

VPRRS 2010, 0058

VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 22.01.2010 - VK-SH 26/09
1. Bei der Frage der Rechtzeitigkeit einer Rüge kann im Falle einer freihändigen Vergabe mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb nicht auf den reinen Wortlaut des § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB abgestellt werden. Vielmehr ist diese Norm nach ihrem Sinn und Zweck dahingehend auszulegen, dass maßgeblich die Frist zur Angebotsabgabe ist, die in den Vergabeunterlagen benannt ist.*)
2. Durch eine vom Antragsgegner verwendete Formel zur Umrechnung der Angebotspreise in Punkte wird die Wertung des Kriteriums "Preis" beeinflusst. Daher ist diese vor Ablauf der Angebotsfrist bekannt zu geben. *)
3. Wählt der Auftraggeber mehrere Zuschlagskriterien, denen er unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe zur Umrechnung in Punkte zu Grunde legt, müssen die unterschiedlichen Maßstäbe dergestalt miteinander kompatibel sein, dass die Zuschlagskriterien in der bekannt gegebenen Gewichtung in die Wertung einfließen.*)

VPRRS 2010, 0057

VK Hessen, Beschluss vom 05.11.2009 - 69d-VK-39/2009
1. Eine Rüge setzt voraus, dass der Auftraggeber erkennen kann, dass der Bieter einen Vergaberechtsverstoß unmittelbar beanstanden und nicht nur eine bloße Frage stellen oder eine Bitte um Klarstellung äußern will.*)
2. Rügen dürfen nicht unter die Bedingung gestellt werden, dass der Auftraggeber zunächst Fragen beantwortet oder aus der Sicht des Bieters vorhandene offene Punkte klärt. Der Bieter darf die Rüge nicht unter eine Bedingung stellen.*)
3. Bei der Ausschreibung von medizinischen Hilfsmitteln im Wege einer Rahmenvereinbarung verletzt eine Leistungsbeschreibung nicht § 8 Nr. 1 Abs. 1 und 3 VOL/A, wenn der Bedarf auf der Grundlage der Fallzahlen aus einem kürzlich zurückliegenden Zeitraum ermittelt wird. Der Auftraggeberin, einer Krankenkasse, ist eine genauere Ermittlung nicht möglich, weil diese von objektiven und subjektiven Faktoren, nämlich der Erkrankungsfälle und der ärztlichen Verordnungen, abhängt, die zum Zeitpunkt der Bekanntmachung nicht absehbar sind und auf die sie selbst keinen Einfluss hat.*)

VPRRS 2010, 0056

VK Arnsberg, Beschluss vom 21.12.2009 - VK 41/09
Unverzüglichkeit der Rüge nach § 107 Nr. 3 Abs. 1 und 3 GWB.*)

VPRRS 2010, 0055

VK Arnsberg, Beschluss vom 26.05.2009 - VK 10/09
Eine Ausschreibung ist zwingend aufzuheben, wenn die Antragsgegnerin anders den veränderten Kalkulationsgrundlagen nicht gerecht werden kann. Eine Vergleichbarkeit der Angebote ist sonst nicht mehr gewährleistet.*)

VPRRS 2010, 0053

VK Arnsberg, Beschluss vom 27.04.2009 - VK 07/09
1. Der Verordnungsgeber hat eine vergaberechtlich einer Preisbindung gleichkommende Entscheidung getroffen, die den Auftraggeber verpflichtet, keine Angebote anzunehmen, die diese Verpflichtung definitv nicht erfüllen.
2. Es steht ihm nicht mehr frei, ein Angebot zu akzeptieren, das diesen Mindestlohn erklärtermaßen nicht sichert und sich mit rechtlichen Hinweisen zu begnügen.

VPRRS 2010, 0052

VK Arnsberg, Beschluss vom 13.07.2009 - VK 16/09
1. Der Bieter bzw. Bewerber muss den Vergabeverstoß und die Aufforderung an den öffentlichen Auftraggeber, den Verstoß abzuändern, konkret darlegen. Beide Tatsachenvorträge sind unverzichtbare Bestandteile der Rüge. Nur schlichte Fragen nach Inhalt und Begründung einer Ausschlussentscheidung und allgemeine Ankündigungen, man werde das nicht hinnehmen, erfüllen den Rügetatbestand grundsätzlich nicht.
2. Die Rüge kann entbehrlich sein, wenn der Auftraggeber sich selbst treuwidrig verhält und trotz bestehender Ausschreibungspflicht und bekundeten Interesse ohne Vergabeverfahren vergibt. Die bloße Vermutung, die Rüge werde erfolglos sein, genügt nicht, ebenso wenig die eindeutige Positionierung einer Vergabestelle mit Blick auf eine potentielles Nachprüfungsverfahren auf der Basis aus ihrer Sicht guten Gründen.

VPRRS 2010, 0050

VK Arnsberg, Beschluss vom 03.09.2009 - VK 19/09
Festlegungen zum Verfahrensablauf sind auch im VOF-Verfahren für den Auftraggeber bindend Beschwerde eingelegt.*)

VPRRS 2010, 0049

VK Arnsberg, Beschluss vom 29.10.2009 - VK 21/09
ZPO § 397; VOL/A 3. Abschnitt § 25 a Nr. 2 Abs. 1
1. Das mündliche Fragerecht ist im schriftlichen Verfahren ersetzt, wenn allen Beteiligten Gelegenheit gegeben worden ist, weitere Frage an die vorgesehenen Zeugen zu formulieren.
2. Ein öffentlicher Auftraggeber ist allenfalls dann zu einer schriftlichen Aufklärung nach § 25 a Nr. 2 Abs. 1 VOL/A 3.Abschnitt verpflichtet, wenn die Preisabweichung des günstigsten Angebotes eine sog. Ausgreifschwelle von 10 bis 20 Prozent übersteigt.
VK Arnsberg, Beschluss vom 29.10.2009 - VK 21/09

VPRRS 2010, 0048

VK Arnsberg, Beschluss vom 07.10.2009 - VK 23/09
Ausschluss wegen fehlendem Formblatt.*)

VPRRS 2010, 0047

VK Arnsberg, Beschluss vom 13.11.2009 - VK 26/09
(Ohne amtlichen Leitsatz)

VPRRS 2010, 0045

VK Arnsberg, Beschluss vom 25.11.2009 - VK 29/09
Rückversetzung des Verfahrens wegen fehlerhafter Ausschreibungsunterlagen in den Stand nach Bekanntmachung.*)

VPRRS 2010, 0044

VK Arnsberg, Beschluss vom 03.12.2009 - VK 30/09
Fehlende Antragsbefugnis wegen offensichtlich mangelndem Schaden aufgrund des Angebotsranges.*)

VPRRS 2010, 0043

VK Arnsberg, Beschluss vom 16.12.2009 - VK 36/09
Feststellung der Nichtigkeit nach § 101 b Abs. 1 Nr. 2 GWB eines Ergänzungsvertrages.*)

VPRRS 2010, 0041

VK Arnsberg, Beschluss vom 22.04.2009 - VK 06/09
Es ist eine nach § 18 VOF zwingende Pflicht des Auftraggebers, die Auswahlentscheidung als wesentliche Entscheidung in nachvollziehbarer Weise zu dokumentieren, um für den Bewerber die erforderliche Überprüfbarkeit zu gewährleisten. Eine fehlende Dokumentation wesentlicher Schritte bis zur Vergabeentscheidung ist daher rechtsfehlerhaft und führt zu einer Nichtvollziehbarkeit der getroffenen Entscheidung.*)

VPRRS 2010, 0040

VK Arnsberg, Beschluss vom 09.04.2009 - VK 05/09
Hinsichtlich der Wertung der finanziellen Leistungsfähigkeit ist einer Vergabestelle resp. einem Auftraggeber eine Beurteilungsspielraum eingeräumt, den er nur im Fall ungewöhnlich niedriger Preise nach § 25 Nr.2 Abs.2 VOL/A ermessensfehlerfrei ausfüllen muss.*)

VPRRS 2010, 0038

VK Saarland, Beschluss vom 18.12.2009 - 3 VK 2/2009
1. Bei Antragsrücknahme vor einer Entscheidung durch die Vergabekammer hat der Antragsteller grundsätzlich die Hälfte der anfallenden Verfahrensgebühr zu tragen; eine weitere Ermäßigung ist aus Gründen der Billigkeit aber möglich. Bei Antragsrücknahme zum frühestmöglichen Zeitpunkt, nämlich direkt nach Erhalt einer Aufklärungsverfügung der Kammer und so rechtzeitig, dass ein bereits anberaumter Termin zur mündlichen Verhandlung noch aufgehoben werden konnte, ist es angemessen, die Verfahrenskosten auf ein Viertel der vollen Gebühr festzusetzen.*)
2. Der Antragsteller hat im Fall der Antragsrücknahme die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners und der Beigeladenen zu erstatten. Hier kann ggf. eine differenzierende Betrachtungsweise betreffend die Kosten für die Beauftragung eines Bevollmächtigten durch den Antragsgegner einerseits und durch die Beigeladenen andererseits geboten sein.*)
3. Die Erstattungsfähigkeit der Kosten der Beigeladenen beurteilt sich im Saarland gemäß § 128 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 1 Satz 5 SVwVfG. Danach ist - anders als bei § 80 VwVfG des Bundes - über die Kosten nach "billigem Ermessen" zu entscheiden. Eine Erstattungspflicht kann allein schon deshalb geboten sein, weil im Nachprüfungsverfahren ein besonderer Zeitdruck besteht, unter dem sich der Antragsteller gezielt gegen die Zuschlagserteilung an den Beigeladenen wehrt. Darüber hinaus erscheint die Hinzuziehung eines anwaltlichen Beistandes, jedenfalls bei mittelständischen Unternehmen, die keine eigene Rechtsabteilung unterhalten, auch schon aus Gründen der "Waffengleichheit" gegenüber dem anwaltlich vertretenen Antragsteller geboten.*)
4. Für die Frage, ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten für den Auftraggeber notwendig ist und die hieraus entstehenden Kosten im Sinne von § 80 Abs. 1 Satz 3 SVwVfG zu den notwendigen Auslagen gehören, ist auf die spezifischen Besonderheiten des Vergabenachprüfungsverfahrens Rücksicht zu nehmen. Die Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes ist nicht notwendig, wenn der Auftraggeber hausintern über die notwendigen Ressourcen verfügt, um die relevanten Sach- und Rechtsfragen angemessen zu behandeln. Führt der Auftraggeber laufend Vergabeverfahren der gleichen Art und von ähnlichen Dimensionen durch, ist er mit den in diesem Zusammenhang auftretenden Rechtsproblemen vertraut, soweit es sich nicht um grundsätzliche neue oder ungeklärte Fragen handelt, oder um Problemkreise, die üblicherweise in Vergabeverfahren nicht berührt werden.*)
5. Kostenfestsetzungsanträge gehen mit Rücksicht auf § 128 Abs. 4 Satz 5 GWB (Neuregelung seit 24.04 2009), wonach ein gesondertes Kostenfestsetzungsverfahren nicht (mehr) stattfindet, ins Leere; sie sind mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Gleiches gilt für Streitwertfestsetzungsanträge, da im Nachprüfungsverfahren eine Streitwertfestsetzung nicht stattfindet. Als Anhaltspunkt insoweit kann für die Beteiligten der im Beschluss der Kammer angegebene Bruttoauftragswert herangezogen werden.*)

VPRRS 2010, 0034

VK Sachsen, Beschluss vom 11.12.2009 - 1/SVK/054-09
1. Die Absendung der Vorinformation i. S. d. § 17 a Nr. 1 VOB/A stellt noch keinen Beginn des Vergabeverfahrens dar, da der Beginn des Vergabeverfahrens ein Zeitpunkt sein muss, der in dem Sinne eine Zäsur darstellt, dass die Vergabestelle ab diesem Zeitpunkt an den objektiven Erklärungswert ihrer Handlungen selbst gebunden ist und von diesen nicht mehr ohne Weiteres abweichen kann. Hiervon kann vor Absendung der Vergabebekanntmachung nicht gesprochen werden.*)
2. Die 15-Tage-Frist des § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GWB beginnt nur, wenn die Vergabebekanntmachung genaue Hinweise, in Bezug auf die Fristen für die Einlegung von Rechtsbehelfen bzw. gegebenenfalls Name, Anschrift, Telefonnummer, Faxnummer und E-Mail-Adresse des Dienstes, bei dem diese Auskünfte eingeholt werden können, enthält. Dies sieht die RICHTLINIE 2004/18/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 31. März 2004 unter Anhang VII Teil A vor.*)
3. Wenn der Antragsteller eine Nachprüfungsantrag gegen die Aufhebung einer Ausschreibung richtet, so fehlt diesem nicht das Rechtsschutzbedürfnis für die Beanstandung eines neuen auf die Fortführung des aufgehobenen Verfahrens gerichteten Vergabeverfahrens, auch wenn bereits vor Antragstellung die Vergabestelle den Auftrag neu ausgeschrieben hat, der Antragsteller die Neuausschreibung nicht als verfahrensfehlerhaft gerügt und dementsprechend auch nicht mit einem Nachprüfungsantrag beanstandet hat. Für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags kommt es nicht darauf an, ob die Art und Weise der Rechtsverfolgung von der Nachprüfungsinstanz als zweckmäßig oder konsequent angesehen wird. Insbesondere ist nicht maßgeblich, ob das Unternehmen, das die Aufhebung einer Ausschreibung angreift, die Neuausschreibung desselben Auftrages gerügt und ebenfalls zur Nachprüfung gestellt hat.*)

VPRRS 2010, 0033

VK Sachsen, Beschluss vom 25.11.2009 - 1/SVK/051-09
Ein Auftraggeber darf das Angebot eines Bieters nicht allein deswegen ausschließen, weil er seiner Kalkulation nicht den möglicherweise erst zum Vertragsbeginn geltenden gesetzlichen Mindestlohn zugrunde gelegt hat. Auch für die Auskömmlichkeitsprüfung ist diese mögliche Änderung der Rechtslage ohne Belang, soweit ein gesetzlicher Mindestlohn in der betreffenden Branche weder zum Zeitpunkt der Ausschreibung noch zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe noch bei Wertung der Angebote bestand.*)

VPRRS 2010, 0032

VK Sachsen, Beschluss vom 24.09.2009 - 1/SVK/040-09
Es ist einem Auftraggeber verwehrt, Unklarheiten in der Bekanntmachung oder den Verdingungsunterlagen zu Lasten eines Bewerbers oder Bieters auszulegen.*)

VPRRS 2010, 0030

OLG Brandenburg, Beschluss vom 12.01.2010 - Verg W 5/09
1. Hat der Auftraggeber zwingend die Angebotsfrist zu verlängern oder überschreitet er bei der Verlängerung der Angebotsfrist das ihm eingeräumte Ermessen nicht, stellt es keinen Verstoß gegen das Vergaberecht dar, wenn er die Angebotsfrist erst kurz vor deren Ablauf verlängert.*)
2. Trifft der Auftraggeber die Entscheidung über die Verlängerung der Angebotsfrist so kurzfristig, dass dem Antragsteller entstandene Aufwendungen zur Einhaltung der ursprünglichen Frist nutzlos werden, kann im Nachprüfungsverfahren nicht die Feststellung begehrt werden, dass den Auftraggeber insoweit eine Schadensersatzpflicht trifft. Eine Feststellung im Nachprüfungsverfahren kann nur hinsichtlich solcher Rechtsverletzungen begehrt werden, die bei Annahme ihrer Begründetheit zum Erfolg des Nachprüfungsantrages in der Sache führen würden.*)
3. Im Beschwerdeverfahren besteht ein Ermessen des Gerichts dahingehend, ob es in der Hauptsache selbst entscheidet oder die Sache an die Vergabekammer zurückverweist, nur insoweit, als keine Entscheidungsreife besteht. Ist die Sache spruchreif, muss das Gericht selbst entscheiden.*)
4. Selbst wenn die Vergabekammer fehlerhaft ohne mündliche Verhandlung entschieden hätte, würde dem Antragsteller kein eigenständiger verfahrensrechtlicher Anspruch auf eine Verhandlung vor der Vergabekammer zustehen, den sie durch eine gerichtliche Entscheidung durchsetzen könnte. Der Anspruch auf eine mündliche Verhandlung ist lediglich ein Ausdruck des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Dieser Anspruch wird durch die mündliche Verhandlung vor dem Vergabesenat erfüllt.*)

VPRRS 2010, 0025

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.07.2009 - 1 VK 42/09
1. Eine bloße Vermutung ohne jede tatsächliche Grundlage stellt keine "Rüge" i.S.d. § 107 Abs. 3 GWB dar. Sie ist als "Rüge ins Blaue hinein" unbeachtlich.
2. § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A ist grundsätzlich nicht mitbieterschützend.
3. Der Auftraggeber ist grundsätzlich nicht daran gehindert, auch einem niedrigen, nicht kostendeckenden Angebot den Zuschlag zu erteilen.

VPRRS 2010, 0023

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.05.2009 - 1 VK 21/09
1. Der Bieter hat nach erkanntem (vermeintlichen) Vergabeverstoß alles zu unternehmen, dass eine schnellstmögliche Korrektur dieses Mangels durch die Vergabestelle erfolgen kann. Dies kann bereits deutlich vor Ablauf der Angebotsfrist der Fall sein.
2. Lässt die objektive Tatsachenlage bei lebensnaher Beurteilung nur den Schluss zu, dass der Antragsteller den geltend gemachten Vergaberechtsverstoß bereits zu einem bestimmten (frühen) Zeitpunkt erkannt oder sich mutwillig der Erkenntnis verschlossen hatte, so obliegt es ihm, diesen „Anschein“ zu entkräften. Für die dem zugrunde liegenden Tatsachen trägt er die Darlegungs- und Beweislast.
3. Werden bei einem Durcharbeiten des Leistungsverzeichnisses Ungenauigkeiten festgestellt, liegt positive Kenntnis vor.
4. Die Positionierung gegenüber dem Auftraggeber z.B. dadurch, dass der Vorwurf einer Rechtsverletzung erhoben wird, ist notwendiger Bestandteil der Rüge.
Dies erfordert vom rügenden Bieter, den Bereich bloß höflicher Nachfrage zu verlassen und möglicherweise die Beziehung zum Auftraggeber zu belasten.

VPRRS 2010, 0020

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.08.2009 - 1 VK 36/09
1. Ein einzelnes Mitglied einer Bietergemeinschaft ist nicht antragsbefugt im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB, da ihm das notwendige Interesse am Auftrag fehlt.
2. Eine Bietergemeinschaft, die im Laufe eines Vergabeverfahrens einen Vergabeverstoß erkennt, hat einheitlich, vertreten durch das hierzu berufene Mitglied oder durch jedes einzelne Mitglied zu rügen.
3. Die Nichtvorlage geforderter Eignungsnachweise unter § 25 Nr. 1 a VOL/A.
4. Der Inhalt der vorzulegenden Unterlagen muss eindeutig und unmissverständlich aus der Bekanntmachung und den Verdingungsunterlagen hervorgehen.
5. Es steht einem öffentlichen Auftraggeber frei, die von ihm für erforderlich gehaltenen Eignungsvorgaben selbst zu definieren und die von den Bietern zu erfüllenden Anforderungen festzulegen.

VPRRS 2010, 0019

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.07.2009 - 1 VK 31/09
1.Eine gesonderte Rüge ist entbehrlich, wenn ein Nachprüfungsverfahren bereits anhängig ist und der Antragsteller im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens von weiteren Vergabeverstößen Kenntnis erlangt, die bisher nicht Gegenstand des Verfahrens sind.
2.Eine Rüge muss erkennen lassen, dass ein Vergaberechtsverstoß behauptet und seine Beseitigung ernsthaft gefordert wird. Darin unterscheidet sich die Rüge von der bloßen Anfrage oder Anregung.

VPRRS 2010, 0018

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.08.2009 - 1 VK 40/09
1. Die Sachverhaltsdarstellung in einem Nachprüfungsantrag hat so konkret zu sein, dass sich hieraus substantiiert eine Verletzung von Vergabevorschriften ergibt.
2. § 25 Nr.3 Abs. 1 VOB/A bzw. § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A dient lediglich dem Schutz der Vergabestelle, nicht der Konkurrenten, so dass dieser sich grundsätzliich nicht auf deren Verletzung berufen können.

VPRRS 2010, 0017

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.09.2009 - 1 VK 46/09
1. Der Antragsteller hat nicht nur darzulegen, dass eine Rüge überhaupt erfolgt ist, sondern auch, dass das rechtzeitig geschehen ist. Fehlen diesbezügliche Angaben, ist die Begründung unvollständig, der Antrag somit unzulässig.
2. Eine gesonderte Rüge ist entbehrlich, wenn ein Nachprüfungsverfahren bereits anhängig ist und der Antragsteller im Verlaufe der Durchführung des Nachprüfungsverfahrens von weiteren Vergabeverstößen Kenntnis erlangt, die bisher nicht Gegenstand des Verfahrens sind

VPRRS 2010, 0016

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.08.2009 - 1 VK 43/09
1. Angebote, bei denen geforderte Erklärungen fehlen, sind zwingend auszuschließen. Unerheblich ist hierbei, ob es sich um wettbewerbserhebliche Erklärungen handelt oder um solche, deren Fehlen keinen Einfluss auf die Preise, den Wettbewerb oder die Eindeutigkeit des Angebots haben.
2. Die Ermessensentscheidung im Rahmen eines ist Nachprüfungsverfahrens nur eingeschränkt nachprüfbar. Den ihr zustehenden Spielraum hat eine Vergabestelle nur dann verletzt, wenn ein schwerer offenkundiger Fehler vorliegt, was nicht der Fall ist, wenn eine Verfahrensweise nicht von vornherein als unvernünftig erscheint.
3. Die Zulassung eines verspäteten Antrags ist ausgeschlossen, wenn den Bieter ein Mitverschulden daran trifft, dass der Teilnahmeantrag nicht rechtzeitig eingeht.

VPRRS 2010, 0013

VK Bund, Beschluss vom 21.09.2009 - VK 2-126/09
1. Der Bieter ist zur Vorlage von Eignungsnachweisen, die erst im Leistungsverzeichnis, nicht aber bereits in der Vergabebekanntmachung gefordert wurden, nicht verpflichtet.
2. Verlangt die Vergabestelle Nachweise oder Zertifikate, die wegen einer Änderung der Normenlage nicht (mehr) eingeholt werden können, ist die Forderung der Vergabestelle eine falsa demonstratio. Der Bieter kann zur Erfüllung der Forderung der Vergabestelle auch gleichwertige Nachweise nach aktueller Normenlage vorlegen.

VPRRS 2010, 0012

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 31.07.2009 - 1 VK 30/09
Wenn das aktuellste Angebot vom Verhandlungsverfahren ausgeschlossen werden muss, gibt es im vergaberechtlichen Verhandlungsverfahren keine Möglichkeit mehr, auf vorangegangene, später überarbeitete Angebote zurückzugreifen.

VPRRS 2010, 0011

VK Brandenburg, Beschluss vom 05.11.2009 - VK 38/09
1. Um einen Auftraggeber in die Lage zu versetzen, den gerügten Mangel abzustellen, muss der Rüge eine konkrete vergaberechtliche Beanstandung zu entnehmen sein, wobei zum Ausdruck zu bringen ist, welcher Sachverhalt konkret zugrunde gelegt und woraus im Einzelnen ein Vergabeverstoß abgeleitet wird.
2. Weist ein Bieter seine Eignung nicht nach, darf sein Angebot gemäß § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A nicht in der Wertung berücksichtigt werden.
3. Ein Angebot, das den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses nicht entspricht, ist zwingend auszuschließen.
4. Zwar darf ein öffentlicher Auftraggeber grundsätzlich darauf vertrauen, dass die von einem Bieter in den Angebotsunterlagen gemachten Angaben wahrheitsgemäß sind. Er ist aber gehalten, wenn ihm konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die zuverlässige Rückschlüsse darauf ermöglichen, dass bestimmte Erklärungen des Bieters nicht der Wahrheit bzw. den tatsächlichen Umständen entsprechen, von Amts wegen die Richtigkeit der entsprechenden Angaben zu überprüfen.

VPRRS 2010, 0008

VG Hannover, Beschluss vom 21.12.2009 - 7 B 6013/09
Es besteht kein Anspruch des Leistungserbringens gegen den Träger des Rettungsdienstes in Niedersachsen, dass dieser die Ausschreibung von Rettungsdienstleistungen nach dem GWB-Vergaberegime unterlässt.*)
