Vergabepraxis & -recht.

Volltexturteile nach Sachgebieten
4952 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2005
VPRRS 2005, 0354
VK Lüneburg, Beschluss vom 12.05.2005 - VgK-15/2005
1. Die Antragsbefugnis liegt auch ohne Abgabe eines Angebots vor, wenn der Antragsteller vorträgt, dass er sich aufgrund einer markenspezifischen Ausschreibung nicht mit eigenen, von ihm selbst hergestellten Produkten am Vergabeverfahren beteiligen kann.
2. Zum Sinn und Zweck des Gebots zur produktneutralen Ausschreibung.
3. Eine produktspezifische Ausschreibung ist dann gerechtfertigt, wenn sie durch die Eigenart und die Beschaffenheit der zu vergebenden Leistung gerechtfertigt ist.
4. Nicht jegliche nie völlig auszuschließende Gefahr von Kompatibilitätsproblemen berechtigt den öffentlichen Auftraggeber ohne weiteres, vom vergaberechtlichen Grundsatz der produktneutralen Ausschreibung abzuweichen. Dies würde vielmehr dazu führen, dass die absolute Ausnahmeregelung des § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A zumindest für den gesamten EDV- und IuK-Bereich zur Regel würde.

VPRRS 2005, 0353

VK Lüneburg, Beschluss vom 17.05.2005 - VgK-16/2005
1. Eine anonyme Rüge erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 107 Abs. 2 Satz 1 GWB.
2. Die Rüge muss angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich binnen ein bis drei Tagen erfolgen. Eine Rügefrist von zwei Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird, kann einem Bieter allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert.
3. Sind zwischen der Möglichkeit der Geltendmachung der Rechts eines Bieters auf Durchsetzung eventueller vergaberechtlicher Ansprüche und seinem Nachprüfungsantrag mehr als 10 Monate verstrichen, hat der Bieter die Antragsbefugnis verwirkt.

VPRRS 2005, 0352

OLG München, Beschluss vom 08.06.2005 - Verg 003/05
Setzt die Vergabestelle anstelle eines Rechtsanwalts einen ihrer Beamten ein, um im Verfahren vor der Vergabekammer Schriftsätze zu erstellen oder Besprechungen durchzuführen, so können für dessen Arbeitszeit im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens keine anteiligen oder fiktiven Personalkosten geltend gemacht werden, auch wenn es sich um einen Beamten mit der Befähigung zum Richteramt handelt.*)

VPRRS 2005, 0351

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 11.04.2005 - VK 2-LVwA LSA 6/05
1. Die Rüge muss aufgrund der kurzen Fristen, die im Vergabeverfahren gelten, im Regelfall höchstens innerhalb von ein bis drei Tagen erfolgen.
2. Bei einem Teilnahmewettbewerb erfolgt die Auswahl nur unter solchen Bewerbern, die die geforderten Unterlagen mit dem Teilnahmeantrag vorlegen. Anträge, die diesen Vorgaben nicht entsprechen, sind zwingend nicht weiter zu berücksichtigen. Insoweit steht der Vergabestelle kein Beurteilungsspielraum zu.
3. Die Aufhebung eines Verhandlungsverfahrens erfolgt nach den Grundsätzen über die Aufhebung einer Ausschreibung.
4. Gehen bei einem Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb bereits im Auswahlverfahren keine Teilnahmeanträge ein, die den zwingend vom Auftraggeber vorgegebenen Bewerbungsbedingungen entsprechen, kann die Vergabestelle keinen Zuschlag erteilen. Das Verhandlungsverfahren ist aufzuheben.

VPRRS 2005, 0350

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31.03.2005 - 1 VK LVwA 04/05
Der Gesetzgeber lässt die Rügefrist des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB damit beginnen, dass dem Bieter diejenigen Tatsachen bekannt werden, aus denen für diesen ein tatsächlicher oder vermeintlicher Vergabefehler folgt. Für die Annahme der Kenntnis vom vermeintlichen Vergabeverstoß ist eine zumindest laienhafte rechtliche Wertung des Bieters ausreichend. Eine bloße Erkennbarkeit i. S. d. § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB kann aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts des hier einschlägigen § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB zwar nicht als ausreichend erachtet werden, dennoch besteht die Rügeobliegenheit nicht erst von dem Zeitpunkt an, in dem der Bieter Kenntnis von einem völlig zweifelsfreien und in jeder Beziehung nachweisbaren Vergabefehler erlangt. Ausreichend ist vielmehr das Wissen um einen Sachverhalt, der aus subjektiver Sicht des Bieters den Schluss auf einen Vergaberechtsverstoß erlaubt, und der es bei vernünftiger Betrachtung als gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden.

VPRRS 2005, 0348

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16.02.2005 - 1 VK LVwA 01/05
1. Die Neubewertung der Teilnahmeanträge ist unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen §§ 18, 11 e) 2. Alt., 12 c), 10 VOF i.V.m. § 97 Abs. 7 GWB unausweichlich.*)
2. Ein bloßer Beschluss der Verbandsversammlung, bestimmte Bewerber in die eigentlichen Vertragsverhandlungen einzubeziehen, kann nicht als Vergabevermerk im Sinne des § 18 VOF oder auch nicht nur als Bestandteil eines solchen angesehen werden.*)
3. Nicht ordnungsgemäß ausermittelt und damit ermessensfehlerbehaftet sind weiterhin die Ausführungen der Antragsgegnerseite zur mangelnden Vollständigkeit der Bewerberunterlagen der Antragstellerin nach §§ 11 e) 2. Alt., 12 c) VOF.*)

VPRRS 2005, 0347

KG, Beschluss vom 13.01.2005 - 2 Verg 26/04
Bei Vergabe von entgeltregulierten Dienstleistungen müssen die öffentlichen Auftraggeber durch die Ausgestaltung der Vergabe- und Vertragsbedingungen sicherstellen, dass Unzuträglichkeiten - hier die nicht rechtzeitige Genehmigung der kalkulierten Entgeltpreise durch die Regulierungsbehörde - vermieden werden und damit auch den Vorgaben des PostG im Vergabewettbewerb Rechnung getragen wird. Um den Vergabewettbewerb nicht über Gebühr zu beeinträchtigen, reicht es aus, wenn die Genehmigung nach Ablauf der Angebotsfrist erteilt wird.

VPRRS 2005, 0346

VK Sachsen, Beschluss vom 29.12.2004 - 1/SVK/123-04
1. Ein Antragsteller genügt nicht der Darlegungsverpflichtung hinsichtlich eines drohenden Schadens im Rahmen der Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB, wenn er im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 29.07.2004 (2 BvR 22489/03) noch nicht einmal vorträgt, dass der gerügte Vergabeverstoß geeignet ist, eine Chancenbeeinträchtigung hinsichtlich des Zuschlags zu begründen.*)
2. Ein Ausschluss eines Angebotes nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit e) VOL/A ist auch im Verhandlungsverfahren vorzunehmen, wenn das ausdrücklich binnen gesetzter Frist vorzulegende Originalangebot aufgrund eines Zustellversehens der Deutschen Post AG erst nach Fristablauf beim Auftraggeber zugeht. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Bieter das Angebot binnen einen zweiten vorgelagerten Frist dem Auftraggeber schon einmal zugefaxt hatte, dieser aber ausdrücklich auch noch die fristgerechte Einreichung des Originalangebotes binnen Frist gefordert hatte.*)
3. Das Gebot des fairen Preis- und Leistungswettbewerbs als auch der Grundsatz der Gleichbehandlung nach § 97 GWB gebieten es, dass die Bieter in dem Zeitpunkt, in dem der Auftraggeber die Verhandlungen im Verhandlungsverfahren beendet und zur abschließenden Angebotswertung schreitet, an ihre Angebote gebunden sind und eine nachträgliche Änderung oder Ergänzung der von ihnen unterbreiteten Offerten ausgeschlossen ist. In gleicher Weise wie bei einem Offenen Verfahren muss auch im Verhandlungsverfahren jeder Bieter darauf vertrauen können, dass nur diejenigen Angebote in die Wertung eingestellt werden, die zum Schluss der letzten Verhandlungsrunde des Auftraggebers vorlagen. Auch hier ist es ein Gebot der Chancengleichheit und des fairen Wettbewerbs um den ausgeschriebenen Auftrag, dass kein Bieter sein Angebot im Nachhinein, d. h. nach Ablauf der vom Auftraggeber festgelegten Einreichungsfrist, ändern kann (wie OLG Düsseldorf, B. v. 25.07.2002, Verg 33/02).*)

VPRRS 2005, 0345

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 17.03.2005 - 1 VK LVwA 02/05
1. Ein pauschalierter Schadenersatz ist zwar möglich, dem Verpflichteten muss jedoch stets die Möglichkeit offen bleiben, den Nachweis eines tatsächlich geringeren Schadens zu führen.*)
2. Der durch den Auftraggeber als Grenze der Preisanpassung vorgesehene Selbstkostenerstattungspreis steht als nicht im Wettbewerb ermittelter Preis im Widerspruch zur Grundregel des Vergaberechts, die auch im Rahmen der Preisanpassung ihre uneingeschränkte Geltung behalten muss.*)
3. Der Wettbewerbspreis wird als fester Preis über den Zeitraum von drei Jahren vereinbart und muss insoweit die zu erwartende Preisentwicklung in diesem Zeitraum widerspiegeln. Diese Regelung ist für die Bieter zumutbar und daher bedarf daher im Rahmen einer gesunden Interessenabwägung zwischen den Beteiligten eines Vergabeverfahrens keiner Beanstandung.*)
4. Die Verpflichtung zur Rüge entsteht ab dem Zeitpunkt des tatsächlichen Erkennens bzw. ab dem Moment, wo der Bieter sich einer sich aufdrängenden Erkenntnis verschließt.*)
5. Wenn aus den Vergabeunterlagen hinsichtlich einzelner Paragrafen des Dienstleistungsvertrages keine Anhaltspunkte erkennbar sind, die einen Rückschluss auf den Zeitpunkt des aufkommenden Zweifels zulassen, kann durch die Kammer eine frühere Kenntnis gemäß § 107 Abs. 3 S. 1 GWB von vermeintlichen Vergabeverstößen nicht unterstellt werden.*)

VPRRS 2005, 0344

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22.02.2005 - 1 VK LVwA 03/05
1. Wollte man es dem Auftraggeber in die Hand geben, ein Rügeerfordernis durch wohl dosierte Informationsfreigabe zum selben Sachthema immer wieder neu aufleben zu lassen, so würde man den Sinn und Zweck einer Rüge aus den Augen verlieren und dem Auftraggeber ein Instrument in die Hände geben, dem potentiellen Antragsteller ohne Rechtfertigung im Rahmen eines allgemeinen Interessenausgleiches unnötige prozessuale Stolpersteine in den Weg zu legen.*)
2. Es gehört zum Gebot der Transparenz des Vergabeverfahrens, dass der öffentliche Auftraggeber alle wesentlichen Entscheidungen des Vergabeverfahrens in den Vergabeakten dokumentiert.*)
3. Hinsichtlich der Fachkunde und Leistungsfähigkeit (vgl. §§ 12 und 13 VOF) kommt es auf die der Bietergemeinschaft insgesamt zur Verfügung stehende Kapazität an, hinsichtlich der Zuverlässigkeit (vgl. § 11 VOF) müssen die geforderten Voraussetzungen hingegen bei jedem Mitglied der Bietergemeinschaft vorliegen.*)

VPRRS 2005, 0343

OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25.05.2005 - 7 B 10356/05
§ 17a GVG ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entsprechend anwendbar (Änderung der bisherigen Rechtsprechung im Beschluss vom 01. September 1992 – 7 E 11459/92.OVG -, DVBl. 1993, 260)*)
Für die gerichtliche Überprüfung der Vergabe öffentlicher Aufträge, auf die gemäß § 100 GWB die §§ 97 ff GWB nicht anwendbar sind, ist der Verwaltungsrechtsweg im Sinne des § 40 Abs. 1 VwGO gegeben.*)

VPRRS 2005, 0342

VK Sachsen, Beschluss vom 27.04.2005 - 1/SVK/032-05
1. Im Rahmen der Überprüfung auffälliger Cent-Positionen - auch nach § 24 VOB/A - kommt es bei der vergaberechtlichen Nachprüfung durch die Vergabekammer einzig und allein darauf an, was der betroffene Bieter aufgrund einer fristgebundenen Vorlageverpflichtung des Auftraggebers in concreto zu deren Rechtfertigung vorlegen sollte - und auch vorgelegt hat -, nicht aber darauf, was etwa ein Allgemeinen Rundschreiben (hier das ARS 25/2004) abstrakt fordert oder welche Nachweise danach tauglich oder weniger tauglich erscheinen.*)
2. Würde man dies anders sehen wollen, hätte es die Vergabestelle in der Hand, eine an der Oberfläche bleibende Abfrage beim betroffenen Bieter vorzunehmen, um dessen Angebot dann - ohne konkrete Nachfrage oder Bietergespräch - nur deshalb nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) i. V. m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 3 VOB/A auszuschließen, weil dieser seiner (nur) aus dem Allgemeinen Rundschreiben abgeleiteten Nachweispflicht nicht tiefgründig genug nachgekommen ist. Bei einer derart sanktionierten Vorgehensweise wäre der Manipulation, insbesondere in mehrzügigen Entscheidungsprozessen mit unterschiedlichen Behörden, Tür und Tor geöffnet.*)
3. Hat somit ein Bieter - ohne dass überhaupt Anhaltspunkte für eine vom Bundesgerichtshof missbilligte Mischkalkulation vorliegen - zum einen die zum Nachweis der Kalkulationsansätze beizubringenden Preisermittlungsgrundlagen (Kalkulationsblätter, Ausschnitt aus der Urkalkulation) - wie einzig abgefordert - beigebracht und stimmen die dortigen Preisansätze mit den Einheitspreisen des Angebots-LV´s überein, so kann ein ggf. vorliegendes "non liquet" - ohne (nochmalige) vertiefte Prüfung samt erhöhtem Anforderungsniveau beim Bieter - nicht zum Ausschluss des Bieterangebots führen, da der Bieter dann das nach § 24 VOB/A Notwenige (zunächst) getan hat.*)
4. Im Übrigen liegt es nach allgemeiner Rechtsauffassung - so auch im Beschluss des BGH vom 18.05.2004 (X ZB 7/04) - im Verantwortungsbereich des Bieters, wie er seine Preise kalkuliert und zu welchen Preisen er welche Leistungen des Leistungsverzeichnisses anbietet. Die vergaberechtlichen Vorschriften enthalten keine Regelungen, nach denen die Vergabestelle gehalten wäre, die Preiskalkulation eines Bieters auf ihre Richtigkeit oder Angemessenheit zu überprüfen und zu bewerten.*)
5. Die Vergabekammer Sachsen sieht sich dabei in Übereinstimmung mit dem Oberlandesgericht Düsseldorf (B. v. 08.02.2005, Verg 100/04 (zur VOL/A)) und des Oberlandesgerichts Rostock (B. v. 15.09.2004, 17 Verg 4/04), wonach es ausreicht, dass ein Bieter auf Nachfrage eine plausible Erklärung für seiner Preisangabe abgibt und diese ersichtlich ernst gemeint abgegeben ist. Zudem hält es die Vergabekammer Sachsen im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (Urt. v. 27.11.2001 in den verbundenen Rechtssachen Rs. C-285/99 und C-286/99) für unerlässlich, dem betroffenen Bieter rechtliches Gehör zu dem geplanten Ausschluss samt Begründung zu gewähren, zumal bei der Überprüfung auffälliger (Einzel-)Preispositionen im Gegensatz zur Sachlage bei einem insgesamt unangemessen erscheinenden Gesamtangebot keine neutrale Kostenschätzung des Auftraggebers vorliegt.*)

VPRRS 2005, 0338

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.04.2005 - Verg 93/04
1. Rechtsprechung und Literatur haben sich bislang überwiegend dafür ausgesprochen, einen Auftraggeber nach § 98 Nr. 4 GWB, der zugleich Auftraggeber gemäß der Nr. 2 von § 98 GWB ist, aus Gründen der Spezialität von § 98 Nr. 2 GWB einheitlich nach den für Auftraggeber gemäß § 98 Nr. 2 GWB geltenden Anforderungen zu behandeln.
2. Macht ein Antragsteller mit dem Nachprüfungsantrag geltend, der Auftragswert sei in kollusivem Zusammenwirken des Auftraggebers mit einem Bieter willkürlich herabgesetzt worden, ist für die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags dieses Vorbringen als wahr zu unterstellen, da anderenfalls dem Antragsteller die nach dem Zweck der §§ 102 ff. GWB einzuräumende Möglichkeit verwehrt wird, die streitige Vergabe im Rechtsweg auf ihre Wirksamkeit überprüfen zu lassen.
3. Der Primärrechtsschutz scheidet auch dann aus, wenn ein Vertrag auf der Basis einer "de-facto-Vergabe" geschlossen wurde und kein Nichtigkeitsgrund eingreift.
4. Die Entscheidung, welcher Gegenstand oder welche Leistung mit welcher Beschaffenheit und mit welchen Eigenschaften im Vergabeweg beschafft werden soll, obliegt dem (öffentlichen) Auftraggeber.
5. Die Festlegung besonderer Leistungsmerkmale durch den Auftraggeber in der Leistungsbeschreibung muss sachlich vertretbar sein.

VPRRS 2005, 0337

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.04.2005 - Verg 23/05
1. Nebenangebote sind nur wertbar, wenn der öffentliche Auftraggeber für sie Mindestanforderungen festgelegt hat.
2. Ist das Angebot des Antragstellers auszuschließen, so kann der Fortgang des Vergabeverfahrens grundsätzlich weder dessen Interessen berühren, noch kann der Antragsteller durch eine etwaige Nichtbeachtung vergaberechtlicher Bestimmungen in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt sein.
3. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nur für den Fall, in welchem der öffentliche Auftraggeber bei gebührender Beachtung des als verletzt gerügten Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht nur das Angebot des Antragstellers, sondern gleichermaßen auch das allein in der Wertung verbliebene Angebot des Beigeladenen oder sämtliche tatsächlich in die Wertung gelangten Angebote hätte ausschließen und (zum Beispiel) ein neues Vergabeverfahren hätte durchführen müssen.

VPRRS 2005, 0336

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.04.2005 - Verg 10/05
1. Eine bestandskräftige Entscheidung der Vergabekammer gegenüber einem Beteiligten des Vergabekammerverfahrens hindert den Vergabesenat aus prozessualen Gründen daran, die Entscheidung der Vergabekammer in diesem Punkt wiederaufzugreifen.
2. Die Entscheidung, einem bestimmten Bieter den Auftrag zu erteilen, kann von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur ausnahmsweise getroffen werden, nämlich dann, wenn unter Beachtung aller bestehenden Wertungsspielräume der Vergabestelle die Erteilung des Zuschlags an einen bestimmten Bieter die einzig rechtmäßige Entscheidung ist.

VPRRS 2005, 0335

OLG München, Beschluss vom 15.03.2005 - Verg 2/05
1. Zur Überprüfung der Eignung darf der Auftraggeber unter anderem nach § 8 Nr. 5 Abs. 2 VOB/A von den Bewerbern Bescheinigungen oder (Eigen-)Erklärungen zu dem in § 8 Nr. 5 Abs. 1 VOB/A enthaltenen Katalog verlangen, der in Buchst. a) bis f) Gesichtspunkte enthält, die der Eignung entgegenstehen.
2. In § 8 Nr. 5 Abs. 2 VOB/A ist eine Mitwirkungspflicht der Bewerber normiert. Deren Nichtbeachtung kann nicht dazu führen, dass dem Auftraggeber eigene Recherchen obliegen, die gerade durch die Mitwirkungspflicht der Bewerber vermieden werden sollen.
3. Erwägt der Auftraggeber den Ausschluss eines Unternehmers vom Wettbewerb nach einem in § 8 Nr. 5 Abs. 1 VOB/A genannten Grund, so muss er diesem zuvor rechtliches Gehör gewähren. Dies ist aber nicht geboten, wenn ein Bewerber die ausdrücklich geforderten Nachweise nicht mit seinem Teilnahmeantrag vorlegt.
4. Der Umstand, dass andere Bewerber gegebenenfalls zu Unrecht berücksichtigt wurden, bedeutet nicht, dass auch der Antragsteller zu Unrecht zu berücksichtigen gewesen wäre.

VPRRS 2005, 0334

VK Bund, Beschluss vom 28.04.2005 - VK 1-35/05
1. Zuverlässig i. S. v. § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A ist, wer die Gewähr für eine ordnungsgemäße Vertragserfüllung und für eine ordnungsgemäße Betriebsführung bietet. Hierzu gehört, dass er bisher seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachgekommen ist, zu denen vor allem die Entrichtung von Steuern und sonstigen Abgaben gehören. Der finanzielle Aspekt der Leistungsfähigkeit verlangt, dass das Unternehmen über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, die es ihm ermöglichen, seinen laufenden Verpflichtungen gegenüber seinem Personal, dem Staat und sonstigen Gläubigern nachzukommen. Dementsprechend nennt auch § 7 Nr. 5 lit. d) VOL/A die nicht ordnungsgemäße Zahlung der gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge als einen Tatbestand, bei dem erhebliche Zweifel an der Eignung eines Bieters bestehen.
2. Es steht gemäß § 7 Nr. 4 VOL/A grundsätzlich im Ermessen des Auftraggebers, ob und welche Eignungsnachweise er verlangt, wobei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Anwendung findet. Der Anwendungsbereich der Ermessensnorm des § 7 a Nr. 5 VOL/A ist nur eröffnet, wenn der Auftraggeber sein Ermessen nicht bereits in einer ihn bindenden Form ausgeübt hat.
3. Gemäß § 97 Abs. 7 GWB kann jeder Bieter die Beachtung und Einhaltung von Vorgaben beanspruchen. Die unterbliebene oder nicht rechtzeitige Vorlage der geforderten Eignungsnachweise zieht zwangläufig den Ausschluss des von dem betreffenden Bieter abgegebenen Angebots nach sich. Irgendein Entscheidungsspielraum steht dem Auftraggeber insoweit nicht zu. Ansonsten jene Bieter benachteiligt würden, die sich ordnungsgemäß im Sinne der Verdingungsunterlagen verhalten haben. Ein Abweichen von den Vorgaben der Verdingungsunterlagen scheidet hier von vornherein aus. Soweit ein öffentlicher Auftraggeber erst nach Ablauf der Angebotsfrist erkennt, dass ein Abweichen von zwingenden Vorgaben der Verdingungsunterlagen - aus welchen Gründen auch immer - erforderlich ist, bleibt ihm nur die Aufhebung der Ausschreibung, falls die Voraussetzungen des § 26 VOL/A gegeben sind.
4. Der Ausspruch einer Verpflichtung zur Erteilung des Zuschlags an den Antragsteller entzieht sich grundsätzlich der Anordnungsbefugnis der Nachprüfungsorgane und kann allenfalls getroffen werden, wenn nur die Zuschlagserteilung als einzig rechtmäßige Entscheidung in Betracht kommt.

VPRRS 2005, 0333

VK Bund, Beschluss vom 06.05.2005 - VK 3-28/05
1. § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A schreibt vor, dass dem Auftragnehmer kein ungewöhnliches Wagnis für Umstände und Ereignisse aufgebürdet werden soll, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen kann. Der Auftragnehmer soll danach nur gewöhnliche Wagnisse tragen müssen. Grundsätzlich bezieht sich diese Vorschrift also auf Fälle, in denen die Verteilung der vertraglichen Risiken anders geregelt werden soll als dies nach dem allgemeinen Vertragsrecht der Fall wäre. Es ist gerade die vor dem Hintergrund des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A zu beantwortende Frage, ob der Auftraggeber befugt ist, verschuldensunabhängige und von keiner Partei zu vertretenden Umstände auf den Auftragnehmer abzuwälzen.
2. Für die Feststellung, ob ein Wagnis "ungewöhnlich" ist und daher nicht dem Auftragnehmer aufgebürdet werden darf, ist darauf abzustellen, ob die Höhe des Risikos und die Wahrscheinlichkeit seiner Verwirklichung für den branchenkundigen und erfahrenen Bieter selbst konkret einzuschätzen sind und er die daraus resultierenden Auswirkungen auf den Angebotspreis zu ermessen vermag. Ein Wagnis ist nicht "ungewöhnlich", wenn es auf andere Weise, insbesondere auch durch eine entsprechend erhöhte Vergütung abgedeckt und damit ausgeglichen wird. Dies ist nach Art und Umfang der nachgefragten Leistung im konkreten Einzelfall zu beurteilen, wobei auch die Branchenüblichkeit bestimmter Risiken zu berücksichtigen ist. Wagnisse, die in der betreffenden Branche typisch und üblich sind, sind nicht ungewöhnlich, sondern für den erfahrenen, fachkundigen, verständigen Bieter vorhersehbar und somit in seiner Festlegung des Angebotspreises durch Abschätzung der zu erwartenden Kosten kalkulierbar.
3. Hat sich der Antragsteller mit seinem Nachprüfungsantrag ausdrücklich, bewusst und gewollt in einen Interessengegensatz zu dem Beigeladenen gestellt, entspricht es der Billigkeit, dem unterliegenden Antragsteller die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Beigeladenen aufzuerlegen (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO analog), wenn sich der Beigeladene aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt und damit das Verfahren wesentlich gefördert hat.

VPRRS 2005, 0332

VK Bund, Beschluss vom 20.04.2005 - VK 1-23/05
1. Bei einem ungewöhnlich niedrigen Angebot verfügt die Vergabestelle über keinerlei Ermessen dahingehend, ob sie eine Überprüfung durchführt oder davon absieht. Die Aufklärungspflicht setzt ein, sobald die Vergabestelle Anhaltspunkte für einen ungewöhnlich niedrigen Angebotspreis hat.
2. Die Vergabestelle kann eine Grenze für das Einsetzen der Aufklärungspflicht selbst festlegen.
3. Die Regelung des § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A dient in erster Linie dem Schutz des Auftraggebers vor der Eingehung eines wirtschaftlichen Risikos, nicht jedoch dem Schutz des Bieters vor seinem eigenen zu niedrigen Angebot.
4. Es kann dem Auftraggeber nicht zugemutet werden, ein ihm unauskömmlich erscheinendes Angebot zunächst anzunehmen und bei nicht ordnungsgemäßer Leistungserbringung seine Rechte sodann auf der Ebene der Vertragsdurchführung durchzusetzen. Das Vergaberecht will gerade dies verhindern, indem es Angebote, die erhebliche Zweifel an einer ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung erwarten lassen, von vornherein aus dem Kreis der zuschlagsfähigen Angebote ausschließt.
5. Bei einem ungewöhnlich niedrigen Angebot geht die Beweislast im Falle eines Aufklärungsersuchens der Vergabestelle auf den Bieter über, der den Anschein der Unauskömmlichkeit zu widerlegen hat.
6. Bei der Frage, ob die Vergabestelle auch nach Überprüfung eines ungewöhnlich niedrigen Angebots noch so erhebliche Zweifel an der Auskömmlichkeit des Angebots haben darf, dass ihr ein Zuschlag auf das Angebot wegen der damit verbundenen Risiken nicht zugemutet werden kann, handelt es sich um eine Prognoseentscheidung. Bei dieser Prognoseentscheidung hat der öffentliche Auftraggeber zwar keinen Ermessensspielraum, dafür aber einen Beurteilungsspielraum, der einer nur eingeschränkten Nachprüfbarkeit durch die Vergabekammer unterliegt.
7. Beschränken sich bei einem ungewöhnlich niedrigen Angebot die Erklärungen des Bieters überwiegend auf generalisierende Aussagen (Organisation der Arbeitsabläufe sowie auf die Motivation und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter), kann das Angebot ausgeschlossen werden.

VPRRS 2005, 0331

VK Bund, Beschluss vom 09.02.2005 - VK 2-03/05
1. Fehlende wesentliche Preisangaben in einem geforderten Preisblatt führen zwingend zum Angebotsausschluss.
2. Fehlende geforderte Angaben und Erklärungen (Preisblätter) führen zwingend zum Angebotsausschluss.
3. Auf die fehlende geforderte Vorlage eines Meisterbriefs kann ein Angebotsausschluss nicht gestützt werden.

VPRRS 2005, 0326

VK Bund, Beschluss vom 12.01.2005 - VK 3-218/04
1. Die Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots durch eine Vergabestelle erfordert einen wertenden Vergleich der eingereichten Angebote unter Berücksichtigung der aufgestellten und bekannt gemachten Wertungskriterien. Bei dieser Wertungsentscheidung steht der Vergabestelle ein von der Vergabekammer nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die Vergabekammer darf nur prüfen, ob die Grenzen dieses Beurteilungsspielraums eingehalten worden sind, indem die Vergabestelle von einem zutreffend ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, den ihr eingeräumten Beurteilungsspielraum zutreffend interpretiert hat und ihre Einschätzung nicht auf unsachgemäßen bzw. willkürlichen Erwägungen beruht, weil sie insbesondere einen sich im Rahmen des Gesetzes und der Beurteilungsermächtigung haltenden Beurteilungsmaßstab zutreffend angewendet hat.
2. Ob und inwieweit der Beigeladene Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer sowie notwendige Aufwendungen eines Verfahrensbeteiligten zu tragen hat, richtet sich nach § 128 Abs. 3, Abs. 4 GWB. Hiernach hat ein Verfahrensbeteiligter Verfahrenskosten zu tragen, soweit er im Verfahren unterliegt; zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Kosten hat er zu erstatten, soweit die Anrufung der Vergabekammer erfolgreich ist. Als ein "unterliegender" Beteiligter in diesem Sinne ist ein Beigeladener jedoch nur anzusehen, wenn er zur Hauptsache einen Antrag gestellt hat und wenn und soweit in der Hauptsache entgegen seinem Antrag entschieden worden ist.

VPRRS 2005, 0319

VK Bund, Beschluss vom 09.12.2004 - VK 2-118/04
1. Gemäß § 107 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 GWB setzt die Antragsbefugnis auf Seiten des Antragstellers zum einen die konkrete Möglichkeit einer Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB voraus. Als weitere Voraussetzung muss die konkrete Möglichkeit bestehen, dass dem Antragsteller durch die behauptete Verletzung von Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Mit der zweiten Voraussetzung soll verhindert werden, dass ein Bieter, der auch bei ordnungsgemäß durchgeführtem Vergabeverfahren keinerlei Aussicht auf Berücksichtigung seines Angebotes und auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte, ein Nachprüfungsverfahren einleiten kann. Es kommt damit entscheidend darauf an, dass das Angebot des Antragstellers bei ordnungsgemäß durchgeführtem Vergabeverfahren zumindest eine Aussicht auf Berücksichtigung gehabt hätte. Es muss die konkrete Möglichkeit bestehen, dass die Chancen des Antragstellers auf den Zuschlag durch den Fehler im Vergabeverfahren gemindert worden sind. Voraussetzung für einen Schaden in diesem Sinne ist daher, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Verstoß und der Beeinträchtigung einer "echten Chance" auf den Zuschlag. Kausal ist der Verstoß nur dann, wenn er nicht hinweggedacht werden kann, ohne das die Beeinträchtigung der "echten Chance" in ihrer konkreten Gestalt entfiele. Eine "echte Chance" auf Zuschlagserteilung besteht für den Antragsteller nicht mehr, wenn der Auftraggeber die Aufhebung der Ausschreibung gem. § 26 Nr. 1 lit. d) VOL/A in rechtmäßiger Weise vorgenommen hat. Aber auch wegen einer möglichen Verletzung seiner Rechte im ursprünglichen Vergabeverfahren besteht kein Kausalitätsverhältnis mehr. Die rechtmäßige Aufhebung der Ausschreibung hat die Kausalitätskette zwischen einer Verletzung von Rechten der beteiligten Bieter im ursprünglichen Vergabeverfahren und der erforderlichen "echten Chance" auf Zuschlagserteilung unterbrochen.
2. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch den Beigeladenen ist aus Gründen der Waffengleichheit notwendig, wenn der Antragsteller ebenfalls anwaltlich vertretenen ist, um den gegen die zu seinem Gunsten bestehende Zuschlagsentscheidung gerichteten Nachprüfungsantrag abzuwehren.

VPRRS 2005, 0318

VK Bund, Beschluss vom 16.12.2004 - VK 2-205/04
1. Gemäß § 107 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 GWB setzt die Antragsbefugnis auf Seiten der ASt zum einen die konkrete Möglichkeit einer Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB voraus. Als weitere Voraussetzung muss die konkrete Möglichkeit bestehen, dass der Antragsteller durch die behauptete Verletzung von Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Mit der zweiten Voraussetzung soll verhindert werden, dass ein Bieter, der auch bei ordnungsgemäß durchgeführtem Vergabeverfahren keinerlei Aussicht auf Berücksichtigung seines Angebotes und auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte, ein Nachprüfungsverfahren einleiten kann. Es kommt damit entscheidend darauf an, dass das Angebot der Antragsteller bei ordnungsgemäß durchgeführtem Vergabeverfahren zumindest eine Aussicht auf Berücksichtigung gehabt hätte. Es muss die Möglichkeit bestehen, dass die Chancen der Antragsteller auf den Zuschlag durch den Fehler im Vergabeverfahren gemindert worden sind
2. Kommt eine Zuschlagsentscheidung nicht in Betracht kommt, entfällt die Antragsbefugnis des Antragstellers. Selbst wenn man mit dem Bundesverfassungsgericht die Antragsbefugnis bejahte, wäre aus denselben Erwägungen der Antrag als unbegründet anzusehen, wenn der Antragsteller nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben und damit keine Chance auf den Zuschlag gehabt hat.

VPRRS 2005, 0317

OLG München, Beschluss vom 27.01.2005 - Verg 2/05
1. Die Vergabestelle kann eine Erklärung zu den Ausschlussgründen des § 8 Nr. 5 Abs. 1 VOB/A ohne Anfangsverdacht oder gar konkretisierten Verdacht verlangen (§ 8 Nr. 5 Abs. 2 VOB/A). Auch von einem überregional bedeutenden Bauunternehmen kann die Erklärung verlangt werden.
2. Die Vergabestelle kann die Erklärung in Form einer Selbsteinschätzung des Bewerbers verlangen. In diesem Fall ist eine Erklärung des Bewerbers, dass der ausschreibende öffentliche Auftraggeber ihn nicht von der Teilnahme am Wettbewerb ausgeschlossen habe, nicht ausreichend und kann, unter dem Gesichtspunkt einer Obliegenheitsverletzung des Bewerbers, zum Ausschluss führen.
3. Dieser Ausschluss kann ohne Verstoß gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs unmittelbar auf die ungenügende Mitwirkung gestützt werden.

VPRRS 2005, 0316

OLG Celle, Beschluss vom 12.05.2005 - 13 Verg 6/05
1. Kündigt der Auftraggeber einen Dienstleistungsvertrag und schreibt er die Dienstleistung neu aus, fehlt dem Nachprüfungsantrag des Bieters, der Vertragspartner des bisherigen Vertrages war, das Rechtsschutzbedürfnis, soweit er geltend macht, die Kündigung sei unwirksam.*)
2. Zu den Anforderungen, die § 8 Nr. 1 VOL/A an eine Leistungsbeschreibung stellt.*)

VPRRS 2005, 0315

VK Bund, Beschluss vom 27.01.2005 - VK 1-225/04
1. Für die Zulässigkeit von Nebenangeboten ist es erforderlich, dass in den Verdingungsunterlagen die Mindestanforderungen erläutert werden, die Nebenangebote erfüllen müssen, um vom Auftraggeber berücksichtigt werden zu können.
2. Dem Antragsteller ist ein Schaden entstanden bzw. droht zu entstehen, wenn durch die gerügten Verstöße gegen die Vergabevorschriften die Aussichten des Antragstellers auf den Zuschlag beeinträchtigt worden sind oder die Zuschlagschancen zumindest verschlechtert worden sein können.
3. Die Möglichkeit eines drohenden oder bereits entstandenen Schadens besteht dann nicht, wenn das Angebot des Antragstellers keinerlei Aussicht auf den Zuschlag hat.

VPRRS 2005, 0312

VK Südbayern, Beschluss vom 01.09.2004 - 53-08/04
1. Zur Frage der Unverzüglichkeit einer Rüge.*)
2. Ein Nachprüfungsantrag ist unbegründet, wenn ein Bieter ein unvollständiges Angebot abgegeben hat und daher wegen Fehlens geforderter Erklärungen gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchstabe b VOB/A i. V. m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A zwingend auszuschließen war.*)
3. § 25 Nr. 3 VOL/A; Zur Feststellung von ortsüblichen Mieten innerhalb eines bestimmten Zeitraumes.*)
4. Gemäß § 9a VOL/A sind in den Ausschreibungsunterlagen oder in der Vergabebekanntmachung alle Zuschlagskriterien anzugeben. Die Vergabestelle hat jedoch mit einer Vielzahl von für die Bieter nicht erkennbaren Unterkriterien die Wertung vorgenommen. Der Vergabestelle ist bei der Entscheidung der Rückgriff auf solche Anforderungen/Unterkriterien verwehrt, die weder in der Vergabebekanntmachung noch in der Ausschreibung zum Ausdruck gekommen sind.*)

VPRRS 2005, 0310

VK Südbayern, Beschluss vom 19.10.2004 - 60-08/04
1. Gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB besteht die Rügeobliegenheit nur für die dem Antragsteller bekannten Vergabefehler. Kenntnis in diesem Sinn setzt einmal die positive Kenntnis der einen Vergabefehler (tatsächlicher oder vermeintlicher Art) ausmachenden Tatsachenumstände, außerdem aber auch die zumindest laienhafte rechtliche Wertung des Antragstellers voraus, dass die bekannten Tatsachen den Schluss auf eine Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen rechtfertigen (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.08.2000 - Verg 9/00). Eine rechtliche Verpflichtung des Antragstellers, sich die - über einen etwa bestehenden Verdacht hinaus - zur Erhebung einer Rüge erforderlichen Tatsachenkenntnisse durch eigenes Tun zu verschaffen und/oder bislang ungewisse rechtliche Bedenken durch Einholen anwaltlichen Rechtsrats zu erhärten, besteht grundsätzlich nicht. Eine Ausnahme hiervon mag in dem Fall anerkannt werden, in welchem der Kenntnisstand des Antragstellers in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht einen solchen Grad erreicht hat, dass ein weiteres Verharren in Unkenntnis als ein mutwilliges Sich-Verschließen vor der Erkenntnis eines Vergaberechtsverstoßes gewertet werden muss. Die tatsächlichen Voraussetzungen einer Verletzung der Rügeobliegenheit hat - wie sich aus dem Wortlaut des § 107 Abs. 3 S. 1 GWB ergibt - im Streitfall der Auftraggeber nachzuweisen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.07.2001 - Verg 16/01 -, VergabeR 2001, 419, 421).*)
2. Gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 4 VOL/A darf die Beschreibung technischer Merkmale nicht die Wirkung haben, dass bestimmte Unternehmen oder Erzeugnisse bevorzugt oder ausgeschlossen werden, es sei denn, dass eine solche Beschreibung durch die zu vergebende Leistung gerechtfertigt ist. Diese Bestimmung bezweckt, eine Verengung oder sogar Ausschaltung des Wettbewerbs durch eine einseitige Orientierung des öffentlichen Auftraggebers auf bestimmte Unternehmen oder Erzeugnisse zu verhindern und den Grundsatz der Chancengleichheit der Bewerber zu wahren. Die Bestimmung in § 8 Nr. 3 Abs. 4 VOL/A enthält eine Ausnahmeregelung. Eine Beschreibung technischer Merkmale in der vorgenannten Weise ist zulässig, wenn sie durch die zu vergebende Leistung gerechtfertigt ist. Gemeint ist, dass die geforderte Leistung aus objektiven, in der Sache selbst liegenden Gründen nicht anders beschrieben werden kann, als dass als Ergebnis der Leistungsbeschreibung nahezu zwangsläufig nur bestimmte Unternehmen oder Erzeugnisse für die Angebotsabgabe in Betracht kommen können. Dieser Umstand wird letztlich auf einen ganz spezifischen, durch andere Bieter oder Produkte nicht zu deckenden Bedarf, der sich aus der besonderen Aufgabenstellung des Bedarfsträgers ergibt, zurückzuführen sein.*)
3. § 7 a Nr. 2 Abs. 3 Satz 1 VOL/A 2. Abschnitt dient der Transparenz des Vergabeverfahrens (§ 97 Abs. 1 GWB) und der Gleichbehandlung aller Bieter (§ 97 Abs. 2 GWB). Aus der Verpflichtung des Auftraggebers, die geforderten Nachweise schon in der Bekanntmachung anzugeben, folgt im Umkehrschluss das Verbot, nach der Vergabebekanntmachung andere oder zusätzliche Nachweise zu fordern oder den Bietern über § 7 a Nr. 2 Abs. 3 Satz 2 VOL/A 2. Abschnitt hinaus die Vorlage anderer als der bekannt gemachten Nachweise zu gestatten.*)
4. Gemäß der den Rechtsweg in Vergabesachen begründenden Bestimmung des § 104 Abs. 2 S. 1 GWB können Rechte aus § 97 Abs. 7 GWB sowie sonstige Ansprüche gegen öffentliche Auftraggeber, die auf die Vornahme oder das Unterlassen einer Handlung in einem Vergabeverfahren gerichtet sind, außer vor den Vergabeprüfstellen nur vor den Vergabekammern und dem Beschwerdegericht geltend gemacht werden. Der Rechtsweg nach § 104 Abs. 2 S. 1 GWB ist vorliegend nicht gegeben, weil die auf die patentrechtlichen Vorschriften gestützten "sonstigen Ansprüche" der Antragstellerin nicht gegen eine Handlung in einem Vergabeverfahren gerichtet sind.*)

VPRRS 2005, 0688

VK Bund, Beschluss vom 16.12.2004 - VK 3-212/04
(ohne amtlichen Leitsatz)

VPRRS 2005, 0308

VK Bund, Beschluss vom 26.01.2005 - VK 1-219/04
1. Die Entscheidung über den Ausschluss eines Bieters vom weiteren Verfahren ist eine solche wesentliche Entscheidung, die besonders sorgfältig zu dokumentieren ist. § 30 Abs. 1 VOL/A schreibt insoweit vor, dass eine Entscheidung auch eine Begründung enthalten muss, die so detailliert zu sein hat, dass sie für einen mit der Sachlage des jeweiligen Vergabeverfahrens vertrauten Leser nachvollziehbar ist. Andernfalls sind die Entscheidungen der Vergabestelle nicht transparent und somit weder für die Nachprüfungsinstanzen noch für die Bieter überprüfbar.
2. § 24 Nr.1 Abs. 1 VOL/A berechtigt den Auftraggeber von einzelnen Bietern weitergehende Erläuterungen zu verlangen, um die Einhaltung der Bedingungen der Verdingungsunterlagen zu überprüfen. Er darf dabei nur mit solchen Bietern verhandeln, bei denen Zweifel über das Angebot oder den Bieter bestehen.

VPRRS 2005, 0306

OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.05.2004 - 11 Verg 8/04; 11 Verg 9/04; 11 Verg 10/04
Die Formstrenge des Vergabeverfahrens verlangt zwingend, dass Angebote, die verspätet eingegangen sind, von der Wertung auszuschließen sind.

VPRRS 2005, 0304

VK Hessen, Beschluss vom 02.12.2004 - 69d-VK-72/2004
1. § 15 Abs. 2 AEG räumt dem Auftraggeber ein Ermessen ein, gemeinwirtschaftliche Leistungen durch Eisenbahnverkehrsunternehmen im Rahmen eines förmlichen Vergabeverfahrens zu vergeben oder mit einem möglichen Vertragspartner frei über die Ausgestaltung und den Abschluss eines Vertrages zu verhandeln.*)
2. Wenn der Auftraggeber von der Wahlmöglichkeit, die Leistungen nach § 15 AEG im Rahmen eines förmlichen Verfahrens auszuschreiben, Gebrauch macht, gelten die §§ 97 ff. GWB mit der Folge, dass das Ausschreibungsverfahren dem Vergaberechtsregime unterliegt und die Nachprüfung durch die Nachprüfungsorgane möglich ist.*)
3. Nachrangige Leistungen, die im Anhang I B der VOL/A aufgelistet sind, unterfallen dem Anwendungsbereich der §§ 97 ff. GWB. Der Rechtsweg zu den Nachprüfungsinstanzen ist eröffnet. Bei nachrangigen Leistungen des Anhangs I B der VOL/A ist lediglich der Überprüfungskatalog verringert.*)
4. Ist dem Bieter der Verstoß gegen das Vergaberecht bekannt und hat er diesen bereits selbst umfassend rechtlich bewertet, rechtfertigt die Einschaltung eines anwaltlichen Vertreters keine Verlängerung der Rügefrist.*)
5. Eine vorsorgliche Rüge zu einem Zeitpunkt, zu dem noch kein Verstoß gegen Vergaberecht vorliegt, ist unzulässig.*)

VPRRS 2005, 0302

VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 07.04.2005 - VK-SH 06/05
Zur Kostentragung bei Antragsrücknahme.*)

VPRRS 2005, 0300

VK Bund, Beschluss vom 28.01.2005 - VK 3-221/04
1. Bietet der Auftraggeber in der Mitteilung nach § 13 VgV ein Gespräch an, kann es einem Bieter nicht angelastet werden, wenn er den Gesprächstermin zunächst abwartet und erst danach entsprechende Rügen erhebt.
2. Ein Verstoß gegen Vergabevorschriften bei der Zuschlagserteilung hinsichtlich der Gewichtung des Preises ist nur dann anzunehmen, wenn der Angebotspreis von seinem Gewicht her am Rande der Bewertung steht oder der Zuschlag losgelöst von preislichen Überlegungen erteilt wird.
3. Der Auftraggeber ist nicht verpflichtet, Leistungen, die er aufgrund eigener Erfahrungen in der Vergangenheit bedarfsgerecht ausgeschrieben und bewertet hat, bei jeder Neuausschreibung abzuändern nur um den bisherigen Anbietern keinen (vermeintlichen) Wettbewerbsvorteil zu eröffnen.
4. Die Ausschreibung von Rahmenverträgen ohne Abrufverpflichtung des Auftraggebers sind nicht generell unzulässig.

VPRRS 2005, 0297

OLG Saarbrücken, Beschluss vom 06.04.2005 - 1 Verg 1/05
1. Es bleibt offen, ob es Zulässigkeitsvoraussetzung eines Feststellungsantrages nach § 123 S. 3 GWB ist, dass der Antrag in angemessener Frist nach Kenntniserlangung von der Zuschlagserteilung gestellt wird oder zeitlich unbefristet gestellt werden kann.
2. Ein Feststellungsantrag nach § 123 S. 3 GWB ist nur bei einem ursprünglich zulässigen Antrag auf Primärrechtsschutz und Erledigung während des Nachprüfungsverfahrens zulässig.
3. Die Antragsbefugnis fehlt, wenn das Angebot eines Bieters nach rechnerischer Prüfung auf dem 5. Rang liegt und der Bieter keinerlei Anhaltspunkte dafür vorträgt, weshalb die vier ersten Angebote nicht gewertet werden können.
4. Die mündliche Verhandlung ist wieder zu eröffnen, wenn das Gericht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs feststellt.
5. Eine Aufklärungs- und Ermittlungspflicht besteht für das Beschwerdegericht nur soweit, als der Vortrag der Beteiligten oder der Sachverhalt als solcher bei sorgfältiger Überlegung der sich aufdrängenden Gestaltungsmöglichkeiten dazu Anlass geben.

VPRRS 2005, 0296

VK Lüneburg, Beschluss vom 08.04.2005 - VgK-10/2005
1. Begrifflich nicht den Nachunternehmern zuzurechnen sind solche Unternehmer, die selbst keine Teile der in Auftrag gegebenen Bauleistung erbringen, sondern in Hilfsfunktionen tätig sind. Dazu gehören beispielsweise regelmäßig Fuhrunternehmer sowie Baumaschinen- und Geräteverleiher.
2. Dem Auftraggeber kommt bei der Beurteilung der Eignung eines Bieters ein Ermessensspielraum zu. Dieser ist nur auf Ermessensfehler zu überprüfen, insbesondere ob die Vergabestelle ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat, ob der Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt worden ist oder ob die Entscheidung durch sachfremde Erwägungen bestimmt ist.
3. Zu den Begriffen der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit.
4. Zur Wertung von Angeboten konzernverbundener Unternehmen.
5. Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Kosten der Beigeladenen folgt aus analoger Anwendung des § 162 Abs. 3 VwGO.

VPRRS 2005, 0295

VK Lüneburg, Beschluss vom 11.04.2005 - VgK-9/2005
1. Zweck der §§ 21 Nr. 1 Abs. 3, 25 Abs. 1 lit. d) VOL/A ist es, sicherzustellen, dass das Angebot den ausgeschriebenen Leistungen und den sonstigen Verdingungsunterlagen entspricht. Geschützt wird dadurch sowohl der Wettbewerb wie auch die Entscheidungsfreiheit des Auftraggebers hinsichtlich der eigenverantwortlichen Bestimmung des Auftragsgegenstandes.

VPRRS 2005, 0294

VK Thüringen, Beschluss vom 14.04.2005 - 360-4003.20-017/05-G-S
1. Für die Bejahung der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags ist es allein erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Antragsteller schlüssig behauptet, dass und welche vergaberechtlichen Vorschriften im Verlauf des Vergabeverfahrens verletzt worden sein sollen und dass er ohne die Rechtsverletzung eine Chance auf die Erteilung des Zuschlags hätte, so dass der behauptete eingetretene oder drohende Schaden auf die Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften zurückzuführen ist.
2. Die Vergabestelle ist nicht zur Bekanntmachung von Unterkriterien verpflichtet.
3. Die Nichterfüllung von Ausschlusskriterien bedeutet eine Änderung an den Verdingungsunterlagen und führt zum zwingenden Angebotsausschluss.
4. Die Nichtangabe des zur Vergabe an Nachunternehmer vorgesehenen Leistungsumfangs bedeutet eine Änderung an den Verdingungsunterlagen und führt zum zwingenden Angebotsausschluss.
5. Die Beifügung eigener Geschäftsbedingungen trotz eines entsprechenden Ausschlusses in den Verdingungsunterlagen bedeutet eine Änderung an den Verdingungsunterlagen und führt zum zwingenden Angebotsausschluss.
6. Eine bayerische kommunale Eigengesellschaft ist durch die Bayerische Gemeindeordnung nicht gehindert, eine Tätigkeit außerhalb des Gemeindegebietes auszuführen, die zur Erreichung des Gesellschaftszwecks notwendig oder nützlich erscheint.

VPRRS 2005, 0290

VK Sachsen, Beschluss vom 25.11.2004 - 1/SVK/110-04
1. Wenn der Auftraggeber eine mögliche Unzuständigkeit der Vergabekammer nicht gerügt, sondern sich rügelos auf ein Verfahren vor der Vergabekammer einlässt, kann die Vergabekammer ihre Zuständigkeit selbst annehmen.
2. Nach § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB muss der Antragsteller substantiiert behaupten, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden bereits entstanden ist oder zu entstehen droht. Zudem muss gemäss § 108 Abs. 2 GWB die Antragsbegründung u.a. eine Beschreibung der behaupteten Rechtsverletzung mit Sachverhaltsdarstellung enthalten. Dies hat zumindest so umfassend zu erfolgen, dass die Vergabekammer die Antragsbefugnis feststellen kann. Fehlt es daran, ist der Antrag sowohl wegen eines Verstoßes gegen § 108 als auch gegen § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB unzulässig. Ungeachtet des Untersuchungsgrundsatzes gemäß § 110 GWB folgt daraus, dass die diesbezügliche Darlegungslast bei dem antragstellenden Unternehmen liegt.
3. Gemäß § 6 Absatz 2 VOF dürfen Sachverständige weder unmittelbar noch mittelbar an der betreffenden Vergabe beteiligt sein und beteiligt werden. Diese Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass ein fairer und von leistungsfremden Einflüssen freier Bieterwettbewerb nur dann gewährleistet ist, wenn einzelne Bieter den öffentlichen Auftraggeber nicht zugleich bei der Vorbereitung oder Durchführung der Vergabe sachverständig unterstützen. Eine derartige Mitwirkung verschafft dem betreffenden Bieter nämlich die Möglichkeit, im Rahmen des ihm erteilten Sachverständigenauftrags Einfluss auf das Vergabeverfahren - wie auf den Inhalt der Verdingungsunterlagen oder das Ergebnis der Angebotswertung - zu nehmen, und vermittelt ihm aufgrund seines Wissensvorsprungs zugleich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber allen anderen Bewerbern um den ausgeschriebenen Der Begriff des Sachverständigen ist in der VOF nicht weiter definiert, wohl aber ist festzustellen, dass er in der VOF, wie auch in der VOL/A (§6) und VOB/A (§7) in ähnlichem Sinnzusammenhang genannt wird. Unter "Sachverständige" im Sinn des § 6 VOF sind demnach Personen zu verstehen, die aufgrund ihrer Aus- und Weiterbildung, ihres Wissens und auch ihrer Erfahrung in der Lage sind, sich für bestimmte Fachbereiche gutachterlich zu äußern. Der Sachverständigenbegriff setzt also keine behördliche Zulassung oder kein, durch Ablegung einer Prüfung nachgewiesenes, qualifiziertes Wissen voraus, sondern knüpft an die besondere Fachkunde an. Nach § 6 Absatz 2 VOF dürfen solche Sachverständigen weder mittelbar noch unmittelbar an der betreffenden Vergabe beteiligt sein oder werden. Unmittelbare Beteiligung bedeutet, dass der betreffende Sachverständige Inhaber oder Leiter eines Unternehmens ist, das sich am Wettbewerb um den zu vergebenden Auftrag beteiligt. Dabei betrifft der Begriff der betreffenden Vergabe alle Stadien des Verfahrens von der Aufgabenbeschreibung bis zum Vertragsschluss. Entscheidend ist, dass der Sachverständige bereits durch seine Arbeiten einen erheblichen Wissensvorsprung gegenüber den Mitbewerbern und die Möglichkeit hat, auf seinen Leistungen zum Nachteil der Mitbewerber aufbauen zu können . Ein Bieter soll nicht die Möglichkeit haben, einen Wissensvorsprung zum Nachteil der Mitbewerber ausnutzen zu können.
4. Der Bieter gibt durch seine Teilnahme am Wettbewerb grundsätzlich zu erkennen, dass er aus seiner Sicht in der Lage ist, die Gesamtleistung vertragsgerecht zu erbringen. Allein der Umstand, dass ein Bieter zur Ausführung des Auftrags Mittel einzusetzen beabsichtigt, die er selbst nicht besitzt, darf nicht allein zum zwingenden Ausschluss dieses Bieters aus der Wertung führen. In einem solchen Fall muss der Bieter jedoch zur Gewissheit des Auftraggebers mit Angebotsabgabe resp. innerhalb der Bewerbungsfrist darlegen, dass diesem tatsächlich während des gesamten Auftragszeitraums diejenigen Betriebsmittel zur Verfügung stehen werden, auf die der Bieter zurückgreifen will. Will der Bewerber eine Zurechnung fremder Kompetenzen erreichen, hat er mithin im Vergabeverfahren, vor Angebotswertung nachzuweisen, dass er tatsächlich über die den fremden Unternehmen zustehenden Mittel, die er nicht selbst besitzt und die zur Ausführung des Auftrags erforderlich sind, verfügt. Dabei können bloße Behauptungen nicht als ausreichend angesehen werden. Es ist vielmehr erforderlich, dass der Bewerber von sich aus nachweist, dass er auf die Leistungsfähigkeit der benannten Unternehmen auch tatsächlich zugreifen kann.
5. Bei der Bewertung der Eignung resp. Leistungsfähigkeit verfügt der Auftraggeber über einen weiten Beurteilungsspielraum. Wenn aber die Vergabestelle hinsichtlich des Ausschlusses eines Bieters einen Ermessensspielraum hat und eine solche Ermessensentscheidung, wenn auch inzident, bereits getroffen hat, ist ihr in einem solchen Fall nach dem Grundsatz von Treu und Glauben grundsätzlich verwehrt, von dieser einmal getroffenen Ermessensentscheidung wieder abzurücken.
6. Wenn der Schwerpunkt der Entscheidung auf der Frage der Anwendbarkeit des § 6 Absatz 2 VOF und der hierzu entwickelten Rechtsprechung liegt und darüber hinaus Fragen der Beweislast hinsichtlich einer möglichen Vorbefasstheit streitig sind und zudem handelsrechtliche und gesellschaftsrechtliche Fragen eine Rolle spielen, dann ist die Beurteilung dieser komplizierten Materien ohne rechtlichen Beistand den Parteien nicht zuzumuten, weshalb die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes für notwendig erachtet wird.

VPRRS 2005, 0289

VK Sachsen, Beschluss vom 18.11.2004 - 1/SVK/108-04
1. Eine Abweichung von den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses hat gemäß §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d) VOL/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A 2. Abschnitt zwingend den Angebotsausschluss zur Folge. Das bedeutet zugleich, dass dem Antragsteller als chancenlose Bieter entgegengehalten werden kann, zur Durchführung eines Vergabenachprüfungsverfahren nicht antragsbefugt zu sein, weil insoweit der Fortgang des Vergabeverfahrens weder seine Interessen berühren noch der Antragsteller durch eine etwaige Nichtbeachtung des Vergaberechts in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB auf Einhaltung der vergaberechtlichen Bestimmungen verletzt sein kann. Mittlerweile ist jedoch anerkannt, dass eine Antragsbefugnis jedenfalls dann gegeben ist, wenn der öffentliche Auftraggeber bei Beachtung des als verletzt gerügten Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht nur das Angebot des antragstellenden Bieters, sondern gleichermaßen auch die in der Wertung verbliebenen Angebote der anderen Bieter hätte ausschließen und ein neues Vergabeverfahren hätte durchführen müssen.
2. Ein nicht alle geforderten Angaben und Erklärungen enthaltendes Angebot ist nach § 25 Nr. 1 Abs. 2 a VOL/A in Reduzierung des zunächst eingeräumten Entschließungsermessens der Vergabestelle auf Null regelmäßig zwingend auszuschließen, wenn die Erklärungsdefizite für die Position des Bieters im Wettbewerb von Belang sind.
3. Dem Bieter ist zwar grundsätzlich gem. § 21 Nr. 1 Absatz 1 Satz 2 VOL/A die Möglichkeit eröffnet, Erläuterungen auf einer gesonderten Anlage dem Angebot beizufügen. Unter Erläuterungen sind aber lediglich Schilderungen zu verstehen, die über den Bedeutungsinhalt der in § 21 Nr. 1 Absatz 1 Satz 1 VOL/A verwendeten Begriffe "Angaben" und Erläuterungen" nicht hinausgehen. Solche Erläuterungen dürfen nur dann gemacht werden, wenn die Eigenart des Leistungsgegenstandes eine gewisse Erläuterungsbedürftigkeit nach sich zieht. Keinesfalls aber darf sich der Bieter durch objektiv nicht notwendige Erläuterungen einen Vorteil zu verschaffen suchen. Der Bieter soll mit diesen Erläuterungen auch nicht versuchen, unterschwellig einen Änderungsvorschlag bzw. ein Nebenangebot zu unterbreiten. Er sollte diese Erläuterungen dann als solche Änderungsvorschläge etc. deutlich kennzeichnen.
4. Gemäß § 6 Nr. 3 VOL/A dürfen Sachverständige weder unmittelbar noch mittelbar an der betreffenden Vergabe beteiligt sein und beteiligt werden. Die Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass ein fairer und von leistungsfremden Einflüssen freier Bieterwettbewerb nur dann gewährleistet ist, wenn einzelne Bieter den öffentlichen Auftraggeber nicht zugleich bei der Vorbereitung oder Durchführung der Vergabe sachverständig unterstützen. Eine derartige Mitwirkung verschafft dem betreffenden Bieter nämlich die Möglichkeit, im Rahmen des ihm erteilten Sachverständigenauftrags Einfluss auf das Vergabeverfahren (z. B. auf den Inhalt der Verdingungsunterlagen oder das Ergebnis der Angebotswertung) zu nehmen, und vermittelt ihm aufgrund seines Wissensvorsprungs zugleich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber allen anderen Bewerbern um den ausgeschriebenen Auftrag. Nach § 6 Nr. 3 VOL/A dürfen Sachverständige weder mittelbar noch unmittelbar an der betreffenden Vergabe beteiligt sein.
5. Unter "Sachverständige" im Sinn des § 6 VOL/A sind Personen zu verstehen, die aufgrund ihrer Aus- und Weiterbildung, ihres Wissens und auch ihrer Erfahrung in der Lage sind, sich für bestimmte Fachbereiche gutachterlich zu äußern.
6. Unmittelbare Beteiligung bedeutet, dass der betreffende Sachverständige Inhaber oder Leiter eines Unternehmens ist, das sich am Wettbewerb um den zu vergebenden Auftrag beteiligt.

VPRRS 2005, 0286

VK Sachsen, Beschluss vom 16.12.2004 - 1/SVK/118-04
1. Die Anforderungen an die Darlegung eines drohenden Schadens in Verfahren nach der VOL/A müssen gering angesehen werden, da der Bieter mangels Submissionstermins seine eigene Wettbewerbsstellung nicht sicher beurteilen kann.
2. Auch derjenige muss nach § 13 VgV informiert werden, der zwar ein solches Angebot abgegeben hat, aber diese nicht innerhalb der gesetzten Einreichungsfrist dem Verhandlungsleiter zugegangen ist. Denn § 23 Nr. 1 a) VOL/A bestimmt lediglich, dass verspätet eingegangene Angebote nicht geprüft zu werden brauchen.
3. Wenn fälschlicherweise ein Eignungskriterium wie die Fachkunde als Zuschlagskriterium verlautbart wird und dies vom Antragsteller nicht gemäß § 107 Abs. 3 GWB - weil aus der Bekanntmachung nach S. 2 erkennbar - bis zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt wird, dann kann auch die Vergabekammer den Auftraggeber nicht verpflichten, verbindliche "Zuschlagskriterien", auf die sich sämtliche Bieter vor Angebotsabgabe eingestellt haben und dies auch durften, nunmehr bei der entscheidenden Auswahl unberücksichtigt zu lassen.
4. § 25 Nr. 2 Abs. 2 und 3 VOL/A regeln die Behandlung sog. ungewöhnlich niedriger Angebote (= Dumping-Angebote). Dabei hat der Auftraggeber das vorgesehene Verfahren zur Ermittlung eines unangemessen niedrigen Angebotes einzuhalten. Dabei ist von vornherein einzustellen, dass sowohl die Vergabekammer als auch das zweitinstanzliche Oberlandesgericht lediglich zu einer Kontrolle von Wertungsentscheidungen, nicht aber zu einer eigenständigen Ausübung derselben anstelle des Auftraggebers befugt sind. Der Vergaberechtsschutz beschränkt auf die Umstände, ob insbesondere
* das vorgeschriebene Verfahren eingehalten wurde,
* von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen wurde
* sachgemäße (oder sachwidrige) Erwägungen in die Wertung einbezogen wurden.
Mit europäischen Vergaberecht ist es zudem unvereinbar, wenn es einem Auftraggeber erlaubt ist, Angebote, die einen die Ungewöhnlichkeitsschwelle überschreitenden Preisnachlass aufweisen, ausschließlich unter Berücksichtigung der zu den vorgeschlagenen Preisen gegebenen Erläuterungen als ungewöhnlich niedrig abzulehnen, ohne dass den Bietern die Möglichkeit gegeben wird, nach Eröffnung der Angebote ihren Standpunkt zu denjenigen Bestandteilen der angebotenen Preise darzulegen, die Argwohn hervorgerufen haben. Gemäß § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A reicht es nicht aus, sich einzelne Bestandteile des Angebots gesondert heraus zu picken, ohne auch später hin zu dokumentieren, ob und wie die auffälligen Leistungsparameter mit Vorgaben des Auftraggebers oder vergleichbaren Leistungszahlen der Konkurrenten, insbesondere des für den Zuschlag vorgesehenen Unternehmens abweichen oder sich im üblichen Rahmen halten. Schon aus dem Wortlaut des § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A ergibt sich, dass diese Prüfung eine Einzelfallprüfung ist, die lediglich vorgenommen werden muss, wenn der Angebotsendpreis unangemessen niedrig erscheint. Wenn dies in einer ersten Prüfung im Rahmen der 3. Wertungsstufe festgestellt wird, ist in einer zweiten Phase zu prüfen, ob damit auch ein Missverhältnis zwischen der geforderten Leistung und dem angebotenen niedrigen Preis besteht. Erst wenn dies - unter Gewährung rechtlichen Gehörs - vom Auftraggeber festgestellt wurde, darf das Angebot gemäß § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A unberücksichtigt bleiben.
5. Soweit ein Antragsteller oder auch die knapp hinter ihm liegenden Konkurrenten ggf. sog. Dumpingpreise angeboten haben könnten, kann dies die Nichtberücksichtigung aller drei Bieter zusammen tatsächlich rechtfertigen. Darüber hinaus ist aber auch eine wettbewerbliche Verdrängungsabsicht (Verstoß gegen GWB oder UWG)gefordert, die in der Tat schwer nachzuweisen ist und spricht dem Auftraggeber das grundsätzliche Recht zu, auch unterpreisige Angebote zu bezuschlagen. Bei dieser Sachlage muss der Bieter auf Verlangen des Auftraggebers individuelle und nachprüfbare Sonderkonditionen (etwa nachgewiesene Einsparungen, Bezugspreise, Rabatte) nach schriftlicher Aufforderung benennen. Diese Vorteile sind dem Bieter im Rahmen einer fiktiven "Internen Addition zum Angebotspreis" zu berücksichtigen. Liegt der abschließende fiktive Angebotspreis unter Beachtung nur der glaubwürdigen Einsparpotenziale danach wieder unter 10 % zum Nächstbieter und der eigenen Kostenschätzung , so kann von der Wahrscheinlichkeit eines angemessenen Preises ausgegangen werden. Nur wenn der Bieter keine, nur pauschale oder keine plausiblen Erklärungen für sein Niedrigstangebot abgibt, ist das Angebot nicht zu berücksichtigen, wobei auch die Regelung des § 24 Nr. 2 VOL/A ergänzend herangezogen werden kann. Verweigert nämlich ein Bieter die geforderten Aufklärungen und Angaben, so kann sein Angebot - allein deshalb - unberücksichtigt bleiben (vgl. auch § 24 Nr. 2 VOL/A). Es können aber selbst Niedrigstpreisangebote wettbewerblich begründet sein können. Als anerkannte Beispiele kämen der Verzicht auf Kostendeckung aus Gründen der Kapazitätsauslastung und das Verschaffen von Marktzugang (Newcomer) in Betracht. Ein Ausschluss ist jedoch dann unumgänglich ist, wenn der Bieter die Unangemessenheit des Preises nicht aufklären kann oder will.

VPRRS 2005, 0282

VK Sachsen, Beschluss vom 15.10.2004 - 1/SVK/090-04
1. Bei den (im Allgemeininteresse liegenden) Aufgaben nichtgewerblicher Art handelt es sich im Allgemeinen um Aufgaben, die zum einen auf andere Art, als durch das Anbieten von Waren und Dienstleistungen auf dem Markt erfüllt werden, und die der Staat zum anderen aus Gründen des Allgemeininteresses selbst erfüllen oder bei denen er einen entscheidenden Einfluss behalten möchte. Eine juristische Person ist auch dann als öffentlicher Auftraggeber einzustufen ist, wenn diese zwar nicht zu dem Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen, jedoch später solche Aufgaben übernimmt und diese tatsächlich wahrnimmt.
2. § 9 Abs. 5 Nr. 2 VgV bestimmt, dass § 7 VgV keine Anwendung für Aufträge findet, die bei Tätigkeiten nach § 8 Nr. 2 und 3 VgV, also bei Tätigkeiten der Elektrizitäts- und Gasversorgung sowie bei Tätigkeiten der Wärmeversorgung, die die Beschaffung von Energie oder XXXstoffen zum Zwecke der Energieerzeugung zum Gegenstand haben. Mit dieser Regelung wollte es der bundesdeutsche Gesetzgeber ermöglichen, dass das Sektorenunternehmen die Geschäfte auf dem Sektor, auf dem es agiert, ohne vergaberechtliche Vorgaben steuern kann. Insoweit handelt es sich um eine richtlinienkonforme Umsetzung der Richtlinie 93/38/EWG vom 14. Juni 1993, geändert durch die Richtlinie 94/4/EG vom 16. Februar 1998. Diese regelt in Art. 9, dass die Richtlinie nicht für Aufträge gilt, die die in den Anhängen II bis V bezeichneten Auftraggeber für die Lieferung von XXXstoffen zum Zwecke der Energieerzeugung vergeben. Den Begründungen zur Sektorenrichtlinie ist zu entnehmen, dass Energieeinkäufe nicht in die Richtlinie mit einbezogen werden sollen, weil die Vergabevorschriften nicht zur Überwindung der beim Kauf von Energie und XXXstoffen im Energiesektor bestehenden Hindernissen führen. Grundsatz der Sektorenrichtlinie ist es also, die Beschaffung des Materials für die Hauptaktivitäten eines Sektorenauftraggebers aus dem Vergaberegime herauszuziehen.
3. Der Begriff der "Beschaffung von XXXstoffen" ist nicht so weit zu fassen, als dass darunter auch der Transport der XXX, oder gar der Rücktransport und die Entsorgung der Reststoffe fiele. Der Begriff der Beschaffung findet sich neben § 9 Absatz 5 VgV auch in § 99 Absatz 2 GWB. Während der Beschaffungsbegriff in der VgV nicht näher definiert wird, wird er in § 99 Absatz 2 GWB weiter ausdifferenziert, wobei dies vorrangig mit Blick auf die Abgrenzung zwischen Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträgen erfolgt: "Lieferaufträge sind Verträge zur Beschaffung von Waren, die insbesondere Kauf oder Ratenkauf oder Leasing,...betreffen.". Der untechnische Ausdruck Beschaffung macht zunächst deutlich, dass es auf die rechtliche Qualifikation des Vorgangs zum Erhalt der Ware (Kauf, Leasing, Miete) nicht ankommt, sondern dass vielmehr entscheidend ist, dass der betreffende Gegenstand dem Auftraggeber überlassen wird. Gerade aber in Abgrenzung zu Satz 2 des § 99 Absatz 2 GWB - "Die Verträge können auch Nebenleistungen umfassen" - wird deutlich, dass der Beschaffungsbegriff zunächst nur den reinen Überlassungsvorgang meinen kann, der (ausnahmsweise) auch Nebenleistungen umfassen kann. § 99 Absatz 2 Satz 2 macht deutlich, dass die Verträge über Lieferaufträge auch Nebenleistungen enthalten können. Nebenleistungen können also vom Begriff des Lieferauftrages mit erfasst sein, obwohl sie bei isolierter Betrachtung, wenn sie nicht als Nebenleistung betrachtet würden, je nach Fallgestaltung unter den Begriff des Bauauftrages oder den der Dienstleistung fallen würden. Dem Gesetzestext lässt sich jedoch nicht klar entnehmen, wann (lediglich) eine Nebenleistung anzunehmen ist bzw. welchen Umfang die Nebenleistungen erreichen dürfen, um noch als Nebenleistung qualifiziert werden zu können. Derartige Nebenleistungen dürfen bei Betrachtung des Gesamtauftrages nur eine untergeordnete Rolle spielen, während der Schwerpunkt des Auftrages auf der Beschaffung liegt.
4. Dadurch dass der Auftraggeber in Unkenntnis eine Lieferung europaweit ausschreibt, ist keine " Selbstbindung der Vergabestelle" dergestalt abzuleiten, dass der Auftraggeber einen Rechtsschein eines dem 4. Teil des GWB unterliegenden Vergabeverfahrens hervorgerufen hat und nunmehr doch das Vergaberecht in seiner Ausprägung durch das GWB und das VgV Anwendung findet.
§ 9 Absatz 5 Nr. 2 VgV i. V. m. § 7 VgV, § 100 Absatz 2 lit. f) GWB bestimmen, dass der 4. Abschnitt des GWB und damit auch die VOL/A (SKR) keine Anwendung für Aufträge finden bei Tätigkeiten der Sektorenauftraggeber in ihrem eigenen Sektorenbereich. Dabei handelt es sich um objektives Recht, welches auch nicht durch anderweitige Rechtsscheinsetzung eines Auftraggebers überwunden werden kann. Eine etwaige Selbstbindung des öffentlichen Auftraggebers beschränkt sich auf das eigene Verhalten. Ansonsten könnte in einem vergleichbaren Fall, wenn Aufträge unterhalb der Schwellenwerte europaweit offen ausgeschrieben werden, die Vergabestelle eine Zuständigkeit des Vergaberechtswegs erzwingen, die von Gesetzes wegen nicht vorgesehen ist. Das hätte zur Folge, dass die Entscheidung des Gesetzgebers, das Rechtsschutzverfahren könne schon wegen der Vielzahl der Fälle nicht auf die Aufträge unterhalb der Schwellen ausgedehnt werden, unterlaufen würde. Hat der Gesetzgeber sich festgelegt, den Rechtsweg für bestimmte Bereiche des Vergaberechts nicht zu eröffnen, muss dies selbst dann gelten, wenn Vergabestellen einen abweichenden Rechtsschein hervorrufen.
5. Da eine kumulative Anwendung unterschiedlicher Vergaberechtsbestimmungen in der Regel nicht in Betracht kommt, sind von der Rechtsprechung Kriterien entwickelt worden, wonach in Zweifelsfällen zu entscheiden ein soll. Es auf den kommt auf den Hauptgegenstand des Vertrages an. Bei gemischten Verträge mit Liefer- und Dienstleistungselementen soll dagegen die Zuordnung vorrangig nach dem überwiegenden Wert der Auftragselemente erfolgen.
6. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Ein Anbieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Diese Rügepflicht entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist dabei positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Werden etwa beim Durcharbeiten des Leistungsverzeichnisses Ungenauigkeiten festgestellt, liegt positive Kenntnis vor. "Kenntnis" im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist gegeben, wenn ein Bieter oder ein Bewerber aufgrund des Verhaltens des Auftraggebers oder einer Festlegung in den Verdingungsunterlagen - ohne dies rechtlich fundiert begründen zu können - von einem Vergabefehler ausgeht. Dabei besteht die Rügeobliegenheit nach der Rechtsprechung nicht erst von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller Kenntnis von einem völlig zweifelsfreien und in jeder Beziehung nachweisbaren Vergabefehler erlangt; ausreichend ist vielmehr das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf einen Vergaberechtsverstoß erlaubt und der es bei vernünftiger Betrachtung als gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden.
7. § 5 VOL/A-SKR (4. Abschnitt) hat bieterschützenden Charakter. § 5 VOL/A-SKR (4. Abschnitt) regelt die Auswahl der Teilnehmer am Wettbewerb. Die Vorschrift stellt sicher, dass auch beim Verhandlungsverfahren im Vorfeld durch die Auswahl der Teilnehmer effektiver Wettbewerb gewährleistet wird. Durch die hier normierte vorherige Festlegung der Auswahlkriterien soll eine willkürliche Auswahl der Bewerber verhindert, und die Transparenz des Auswahlverfahrens sichergestellt werden. Insofern kommen den Regelungen in § 5 SKR bieterschützender Charakter zu.
8. Fachkundig sind Bieter, die über die für die Vorbereitung und Ausführung der jeweiligen Leistung notwendigen Kenntnisse verfügen. Leistungsfähigkeit, als sach- und betriebsbezogenes Eignungskriterium, stellt auf den Betrieb des Bewerbers ab, nämlich ob Ausstattung sowie Kapazitäten ausreichen, um den konkret zu vergebenden Auftrag fachlich einwandfrei und fristgerecht ausführen zu können. Zuverlässig ist der Bieter, der die Gewähr für eine ordnungsgemäße Vertragserfüllung und Betriebsführung bietet.
9. Der Bieter gibt durch seine Teilnahme am Wettbewerb grundsätzlich zu erkennen, dass er aus seiner Sicht in der Lage ist, die Gesamtleistung vertragsgerecht zu erbringen. Allein der Umstand, dass ein Bieter zur Ausführung des Auftrags Mittel einzusetzen beabsichtigt, die er selbst nicht besitzt, darf nicht allein zum zwingenden Ausschluss dieses Bieters aus der Wertung führen. In einem solchen Fall muss der Bieter jedoch zur Gewissheit des Auftraggebers mit Angebotsabgabe darlegen, dass diesem tatsächlich während des gesamten Auftragszeitraums diejenigen Betriebsmittel zur Verfügung stehen werden, auf die der Bieter zurückgreifen will. Will der Bewerber eine Zurechnung fremder Kompetenzen erreichen, hat er mithin im Vergabeverfahren, vor Angebotswertung nachzuweisen, dass er tatsächlich über die den fremden Unternehmen zustehenden Mittel, die er nicht selbst besitzt und die zur Ausführung des Auftrags erforderlich sind, verfügt. Dabei können bloße Behauptungen nicht als ausreichend angesehen werden. Es ist vielmehr erforderlich, dass der Bewerber von sich aus nachweist, dass er auf die Leistungsfähigkeit der benannten Unternehmen auch tatsächlich zugreifen kann. Er muss mithin über die Einrichtung dieser Unternehmen im Sinne einer "Leistungserbringung wie im eigenen Betrieb" verfügen können. Diese Darlegung ist eine selbstverständliche Obliegenheit des Bewerbers, die auf der Tatsache beruht, dass der Bewerber zur Erfüllung des Auftrages nicht selbst über die notwendigen Mittel verfügt.
10. Der Auftraggeber hat es grundsätzlich in der Hand, unter Verwendung der angekündigten Wertungskriterien und unter Beschränkung hierauf ein sachgerechtes und plausibles Wertungssystem erst im Verlauf des Wertungsprozesses, d.h. auch in Ansehung der ihm vorliegenden Angebote zu entwickeln; ob dieses System sachgerecht und plausibel zur Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots führt, unterliegt dann der Nachprüfung im Vergabekontrollverfahren. Mit dieser Prämisse unvereinbar ist dann aber die Schlussfolgerung, aus der bloßen Aneinanderreihung der Wertungskriterien -verbunden mit der in § 7 Nr. 2 i VOL/A SKR erfolgten Klarstellung, dass die Reihenfolge der maßgebenden Wertungskriterien keine zwingende Rangfolge i. S. einer Wertungsgewichtung begründet - ergebe sich die zwingende Verpflichtung des Auftraggebers, alle angegebenen Kriterien mit dem rechnerisch gleichen Wertungsgewicht heranzuziehen. Das mag - nach dem insoweit maßgeblichen Empfängerhorizont des beteiligten Bieterkreises - im Einzelfall so sein, weil nur dies eben sachgerecht ist. Die Aufstellung einer entsprechenden generellen Wertungsregel würde jedoch den Sinn des § 7 Nr. 2 i VOL/A SKR geradezu auf den Kopf stellen. Vergabekriterien, die der Auftraggeber aufführt, ohne die Reihenfolge der ihnen zuerkannten Bedeutung anzugeben, kommen nicht notwendig der gleiche Wert zu, wenn in den Verdingungsunterlagen nichts anderes festgelegt ist.
11. Das Verhandlungsverfahren nach VOL/A-SKR (4. Abschnitt)ist als Geheimwettbewerb ausgestaltet, wie sich aus § 5 Absatz 2, Satz 2, 2. HS VOL/A SKR ableiten lässt. Dieser Grundsatz ginge verloren, würde ein Akteneinsichtsrecht uneingeschränkt gewährt werden.

VPRRS 2005, 0281

VK Sachsen, Beschluss vom 13.09.2004 - 1/SVK/080-04
Der Antrag, dem Antragsteller den Zuschlag zu erteilen kann nur selten Erfolg haben. Diese seltene Ausnahmeentscheidung setzt nämlich voraus, dass beim Auftraggeber hinsichtlich der Frage nach dem wirtschaftlichsten Angebot (§ 97 Abs. 5 GWB, § 25 Nr. 3 VOB/A) eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt, so dass nur noch die Zuschlagsentscheidung zugunsten der Antragstellerin in Betracht kommt.

VPRRS 2005, 0280

VK Sachsen, Beschluss vom 14.10.2004 - 1/SVK/081-04
Im Falle der Antragsrücknahme trägt der Antragsteller die Kosten (Gebühren und Auslagen), die für die Tätigkeit der Vergabekammer angefallen sind. Dies ergibt sich aus der Regelung des § 128 Abs. 1 Satz 2 GWB i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG. Hiernach ist derjenige Kostenschuldner, der durch die Stellung des Nachprüfungsantrages das Verfahren in Gang gesetzt bzw. veranlasst hat. Etwas anderes ergibt sich nicht aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach sind Kosten in Abweichung von § 128 Abs. 1 Satz 2 GWB i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG nicht dem Antragsteller, sondern einem anderen Verfahrensbeteiligten aufzuerlegen, soweit dieser im Verfahren unterliegt. Dies trifft hier aber schon deshalb nicht zu, weil das Verfahren nicht durch eine sachliche Vergabekammerentscheidung über die Nachprüfungsanträge, sondern durch Einstellung aufgrund eines erledigenden Ereignisses seinen Abschluss gefunden hat.

VPRRS 2005, 0274

VK Sachsen, Beschluss vom 20.01.2005 - 1/SVK/127-04
1. Zur Bestimmung des Merkmals der Unverzüglichkeit ist auf § 121 Abs. 1 BGB zurück zu greifen. Danach ist das Merkmal der Unverzüglichkeit dann erfüllt, wenn ohne schuldhaftes Zögern gehandelt wird. Dies bedeutet für die Rüge gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB, dass sie so bald zu erklären ist, als es dem Antragsteller unter Berücksichtigung der für die Prüfung und Begründung der Rüge notwendigen Zeit möglich und zumutbar ist. Hierbei ist dem Antragsteller eine angemessene Überlegungsfrist zuzugestehen, innerhalb derer er die Qualität seiner Argumente überprüfen und eine Chancen-Risiko-Abwägung vornehmen kann. Außerdem ist die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage in Ansatz zu bringen.
2. Bei der Vorschrift des § 25 Nr.1 Abs. 1 f) VOL/A handelt es sich um eine Regelung, die dem Schutz subjektiver Rechte der Bieter dient, so dass der Nichtausschluss eines Angebotes, das von einem Bieter unterbreitet wurde, der durch wettbewerbsbeschränkende Abreden auffällig geworden ist, andere Bieter in ihren Rechten verletzen kann.
3. Unter "wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen" sind keineswegs nur die in der VOL behandelten und schon nach dem GWB §§ 1, 14 unzulässigen wettbewerbsbeschränkenden Absprachen zu verstehen, sondern ganz allgemein Verhaltensweisen der Bieter, die den Wettbewerb beeinträchtigen. Hierzu zählen einmal solche, die das GWB untersagt, aber auch unwahre kreditschädigende Äußerungen im Hinblick auf einen Mitkonkurrenten. Vor dem Hintergrund dieser zwei, sich entgegenstehenden Prinzipien Nichtdiskriminierung von Bietergemeinschaften einerseits und Bekämpfung von wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen, deren schärfste Konsequenz der Ausschluss eines Angebotes ist, andererseits, erklärt es sich, dass nach allgemein herrschender Ansicht für eine solche wettbewerbsbeschränkende Abrede ein gesicherter Nachweis existieren muss, und dass eine reine Vermutung für einen Ausschluss nicht genügen kann. Die zudem erforderliche Spürbarkeit der Einschränkung der Marktverhältnisse durch eine etwaige Abrede ist zu bezweifeln, wenn Angebote von mehreren weiteren Konkurrenten abgegeben werden.
4. Eine Vereinbarung zur Bildung einer Bietergemeinschaft stellt nur dann eine unzulässige wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung i. S. v. § 1 GWB n. F. dar, wenn der Entschluss zur Mitgliedschaft in der Bietergemeinschaft für eines der beteiligten Unternehmen keine im Rahmen zweckmäßigen und kaufmännisch vernünftigen Handelns liegende Entscheidung ist. Es kommt nicht nur darauf an, ob das betreffende Unternehmen abstrakt in der Lage ist, den ausgeschriebenen Auftrag allein zu erbringen, sondern auch darauf, ob die einzelnen Mitglieder der Bietergemeinschaft auch bereit gewesen wären, sich allein um die Auftragsvergabe zu bewerben. Dem kann dann auch bei genereller Markteintrittsfähigkeit entgegen stehen, dass die "freien" Kapazitäten des einzelnen Unternehmens geringer sind und es deswegen nicht bereit ist, die durch andere Aufträge gebundenen Kapazitäten für den ausgeschriebenen Auftrag einzusetzen, so dass es nur in Kooperation mit anderen Partnern ein wettbewerbsgerechtes Angebot abgeben will oder kann. Es kommt nicht nur darauf an, ob das betreffende Unternehmen abstrakt in der Lage ist, den ausgeschriebenen Auftrag allein zu erbringen, sondern auch darauf, ob die einzelnen Mitglieder der Bietergemeinschaft auch bereit gewesen wären, sich allein um die Auftragsvergabe zu bewerben.
5. Eine Hinzuziehung eines fachlich geeigneten Bevollmächtigten ist notwendig, wenn es neben dem Kernbereich der Zulässigkeit von Angeboten von Bietergemeinschaften auch um Zulässigkeitsfragen wie der Rechtzeitigkeit der Rüge nach § 107 Abs. 3 GWB. Dies sind aber nachprüfungsspezifische Rechtsmaterien geht, die sowohl von dem Auftraggeber als auch einem Bieterunternehmen wie der Beigeladenen zu 1 nicht mit eigenen Kräften bewältigt werden können.

VPRRS 2005, 0273

VK Sachsen, Beschluss vom 21.12.2004 - 1/SVK/112-04
1. Eine Rüge innerhalb von lediglich drei Tagen ist in jedem Fall noch als unverzüglich anzusehen, auch wenn der Auftraggeber keine ausreichende Reaktionsmöglichkeit zur Korrektur eingeräumt wurde. Zwar ist der Auftraggeber zuzugeben, dass die Zulässigkeitshürde einer vorherigen und unverzüglichen Rüge beim Auftraggeber gerade auch der Streitbeilegung außerhalb eines förmlichen, zeitaufwändigen und kostenintensiven Nachprüfungsverfahrens diesen soll. Diese Intention des Gesetzgebers mit präkludierender Wirkung ist aber nicht Gesetzesinhalt geworden und Rüge und Antrag bei der Vergabekammer können sogar zeitgleich erfolgen. Unzulässig ist ein Antrag nach § 107 Abs. 3 GWB lediglich dann, wenn zwischen den relevanten Bezugspunkten Erkennen eines Vergaberechtsverstoßes und Rüge beim Auftraggeber keine Unverzüglichkeit mehr festzustellen ist.
2. Bietet ein Bieter aber eine gar nicht ausgeschriebene Leistung an, so nimmt er damit Ergänzungen und damit verbunden auch Veränderungen an den Verdingungsunterlagen vor. Es macht keinen fundamentalen Unterschied, ob ein Bieter an den vom Auftraggeber ausgereichten Verdingungsunterlagen Änderungen mittels Streichungen, Ergänzungen etc. vornimmt oder ob er dem Vertragskonstrukt des Auftraggebers ein in Gänze anderes eigenes Vertragskonstrukt entgegen hält und damit im Ganzen betrachtet auch Änderungen an den Verdingungsunterlagen, nämlich deren vollständiges Negieren und Ersetzen bewerkstelligt. Zudem kann eine Veränderung an den Verdingungsunterlagen nach letztgenannter Entscheidung auch durch Beifügen anderslautender Bestimmungen erfolgen.
3. Ein Bieter, der bei einer nicht eineindeutigen Formulierungslage seiner eigenen Interpretation den Vorrang gibt vor einer denkbaren Nachfrage beim Auftraggeber, muss sich letztlich an seiner denkbaren Fehlinterpretation festhalten lassen. Ein Angebot aber, das deswegen nicht den Vorgaben der Leistungsbeschreibung entspricht, ist dem gemäß auch als unzulässige Abänderung der Verdingungsunterlagen anzusehen. Zum selben Ergebnis muss man im übrigen auch dann gelangen, wenn man ein die Leistungsvorgaben abänderndes Angebot als unvollständiges Angebot wertet oder das Wertungsermessen bei abweichenden Bieterangaben zu einem Ausschluss verkürzt ansieht.
4. Der Auftraggeber darf einem wesentlichen Aspekt der Zuschlagskriterien ein insgesamt überragendes Gewicht beimessen darf, wenn er befürchten muss, dass der Bieter die Leistung überhaupt nicht ordnungsgemäß realisieren wird.
5. Ein im Hilfantrag formuliertes Aufhebungsbegehren kann unabhängig vom Schicksal des Angebots - für zulässig und begründet erachtet, wenn auch kein sonstiges, wertungsfähiges Angebot vorgelegt wurde, weil dann eine Rechtsverletzung der Antragstellerin nach § 114 Abs. 1 GWB durch andere Rechtsverstöße der Auftraggeberin anzuerkennen ist.
6. Wegen des strengen Individualrechtsschutzcharakter von kartellrechtlichen Nachprüfungsverfahren kann ein zulässiger Nachprüfungsantrag ohne eigenes wertungsfähiges Angebot eröffnet sein, wenn kein Bieter ein wertungsfähiges Angebot abgegeben hat und die Vergabestelle am Beschaffungsvorgang festhält.
7. Eine Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten ist notwendig, wenn es neben dem Kernbereich der Angebotsbewertung auch um Zulässigkeitsfragen wie die zulässige Rüge nach § 107 Abs. 3 GWB oder die hilfsweise Möglichkeit eines Antrags auf Aufhebung der Ausschreibung. Dies sind aber nachprüfungsspezifische Rechtsmaterien, die sowohl vom Auftraggeber als auch dem Bieterunternehmen nicht mit eigenen Bordmitteln bewältigt werden können.

VPRRS 2005, 0271

VK Sachsen, Beschluss vom 20.07.2004 - 1/SVK/051-04
1. Das Merkmal der Wesentlichkeit kann erfüllt sein, wenn die Angabe der Einheitspreise fehlt und es hierauf im Rahmen der vergleichenden Wertung in erheblichem Maße ankommt. Die Vergabeverfahren stellen ein formstrenges Verfahren dar, in dessen Wertungsphase es auf die Preise als zumindest eines der wesentlichen Kriterien ankommt.
2. Es gibt kein Anrecht eines Bieters auf Durchführung eines Aufklärungsgesprächs gemäß § 24 VOL/A. Dem gemäß muss ein Angebot so gewertet werden wie es sich beim Einreichungstermin darstellt.
3. Es müssen sogar Angeboten, denen geforderte Angaben, Erklärungen und Preise fehlen, nicht nur ausdrücklich bekräftigt, sondern sogar auf Preisangaben erweitert, die zwar vollständig gemacht wurden, aber nicht den tatsächlich kalkulierten Betrag darstellen, ausgeschlossen werden. Wenn aber ein vollständig ausgepreistes Angebot gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A ausgeschlossen werden muss, weil fingiert wird, die geforderten Preise wären nicht eingetragen, muss dies erst recht gelten, wenn diese tatsächlich fehlen. Die Frage, ob eine denkbare - im übrigen ja dann völlig willkürliche - Ergänzung der fehlenden Preispositionen, das Angebot dennoch als das wirtschaftlichste ausweisen würde, spielt keine Rolle, da damit die Gleichbehandlung der Bieter gemäß § 97 Abs. 2 GWB in eklatanter Weise verletzt würde.

VPRRS 2005, 0270

VK Sachsen, Beschluss vom 17.09.2004 - 1/SVK/083-04
1. Wenn es um die Erstellung von Neubauten geht, herrscht eine weite Auslegung dessen, was als Bauwerk bzw. als zum Bauwerk gehörig gelten soll, geboten ist. Die Lieferung und Montage von Maschinen und Anlagen - wie hier für XXX - ist nach allgemeiner Meinung sowohl zu § 1 VOB/A als auch zu § 99 GWB Bauauftrag, wenn sie für ein funktionsfähiges Bauwerk erforderlich sind.
2. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Ein Anbieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Antragstellerin ist mit ihrem Nachprüfungsantrag gem. § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB präkludiert. Nach dieser Vorschrift muss der vermeintliche Verstoß, sofern er aus der Bekanntmachung erkennbar ist, spätestens bis zum Ablauf der Angebotsfrist oder der Bewerbungsfrist gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Positive Kenntnis ist also im Gegensatz zu dem von Satz 1 des § 107 Abs. 3 GWB geregelten Sachverhalt nicht erforderlich. Maßstab für die Erkennbarkeit muss dabei der Sachverstand des Antragstellers sein. Insoweit ist auf einen sorgfältigen und gewissenhaften "Durchschnittsbieter" abzustellen. Als Fehler, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, kommen dabei neben der Wahl der falschen Verdingungsordnung
3. Die Rüge gegenüber dem Auftraggeber vor Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens stellt eine Zulässigkeitsvoraussetzung dar, die von Amts wegen zu beachten ist. Die Erfüllung der Rügeobliegenheit ist zwingende Voraussetzung, um die geltend gemachten Vergabeverstöße überhaupt vor der Vergabekammer überprüfen lassen. Denn die Rüge dient vorrangig dem Zweck, dem Auftraggeber die Möglichkeit zur Überprüfung ihrer Entscheidung und gegebenenfalls der Korrektur ihres eigenen Verhaltens zu geben, bevor sie mit einem Nachprüfungsantrag überzogen wird.
4. Die Einreichung eines Nachprüfungsantrages bei der Vergabekammer kann nicht als Rüge im Sinne von §§ 107 Abs. 3 Satz 1 und 108 Abs. 2 GWB klassifiziert werden oder eine solche ersetzen. Dies ergibt sich bereits aus dem Sinn und Zweck dieser Regelungen zur Vermeidung unnötiger und zeitaufwändiger Nachprüfungsverfahren, wenn der Auftraggeber bei unverzüglicher Rüge den Fehler selbst hätte korrigieren können. Erkennt ein Bieter Fehler im Vergabeverfahren, muss er zwingend durch eine Rüge dem Auftraggeber Gelegenheit geben, diesen Fehler zu korrigieren. Das bedeutet gleichzeitig, dass die Rüge auch gegenüber dem Auftraggeber zu erklären ist und nicht unmittelbar gegenüber der Vergabekammer.
5. Eine Entbehrlichkeit der Rüge kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn der Bieter Gefahr läuft, im Falle eines vorgeschalteten Rügeverfahrens seinen Rechtsschutz zu verkürzen, etwa dann, wenn dem Bieter nach Einleitung des Rügeverfahrens und einer entsprechenden Stellungnahme des Auftraggebers keine ausreichende Zeit verbleibt, durch einen Antrag bei der Kammer rechtzeitig den Suspensiveffekt gemäß § 115 GWB herbeizuführen und dadurch den Zuschlag zu verhindern.
6. Die Rügepflicht nach § 107 Abs. 3 entsteht erst, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist dabei positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Werden etwa beim Durcharbeiten des Leistungsverzeichnisses Ungenauigkeiten festgestellt, liegt positive Kenntnis vor. "Kenntnis" im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist gegeben, wenn ein Bieter oder ein Bewerber aufgrund des Verhaltens des Auftraggebers oder einer Festlegung in den Verdingungsunterlagen - ohne dies rechtlich fundiert begründen zu können - von einem Vergabefehler ausgeht.
7. Der Ausschlusstatbestand des § 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A Abschnitt 2 ist nicht etwa erst dann gegeben, wenn das betreffende Angebot im Ergebnis nicht mit den anderen abgegebenen Angeboten verglichen werden kann. Ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren ist nur zu erreichen, wenn lediglich in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebenden Hinsicht vergleichbare Angebote gewertet werden. Dies erfordert, dass hinsichtlich jeder Position der Leistungsbeschreibung alle zur Kennzeichnung der insoweit angebotenen Leistung geeigneten Parameter bekannt sind, deren Angabe den Bieter nicht unzumutbar belastet, aber ausweislich der Ausschreibungsunterlagen gefordert war, so dass sie als Umstände ausgewiesen sind, die für die Vergabeentscheidung relevant sein sollen.
8. Als Gründe einer Kostenermäßigung sind dabei nur solche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Bedeutung sowie dem erforderlichen Verwaltungsaufwand stehen.
9. Einen Erstattungsanspruch für das Gestattungsverfahren kann nicht auf die in § 128 Abs. 4 Satz 3 GWB für entsprechend anwendbar erklärten Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder gestützt werden. In § 80 VwVfG, welcher entsprechend des SächsVwVfG vollumgänglich zur Anwendung kommt, ist eine Kostenauferlegung für den Fall der anderweitigen Erledigung ebenfalls nicht vorgesehen.

VPRRS 2005, 0269

VK Sachsen, Beschluss vom 21.07.2004 - 1/SVK/050-04
1. Eine reine Frage nach Inhalt und Begründung einer Entscheidung oder die kommentarlose Übersendung von eigenen Recherchen erfüllt nicht den Tatbestand einer - auch Mißbilligung ausdrückenden – Rüge.
2. Eine Vergabekammer darf einen Vergaberechtsverstoß, bei dem eine individuelle Präklusion - wegen Verletzung des § 107 GWB - eingetreten ist, nicht nach § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB zur Grundlage ihrer Entscheidung machen. Ist aber ein einziger Vergaberechtsverstoß zulässigerweise in das Verfahren eingeführt worden, so kann ein Antragsteller - etwa nach erfolgter Akteneinsicht - auch noch weitere, neue Umstände in das zulässigerweise eröffnete Verfahren einführen.
3. § 26 VOL/A ist als Kann-Vorschrift ausgestaltet, die bei Vorliegen eng umgrenzter Aufhebungsgründe eine ermessensgebundene Aufhebung einer Ausschreibung durch den Auftraggeber erlaubt. Bei einer auf Null reduziertem Ermessensentscheidung des Auftraggebers kommt eine Verpflichtung zur Aufhebung einer Ausschreibung durch die Vergabekammer in Betracht.
4. Nach § 24 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A sind Verhandlungen über Änderungen des Angebotes oder der Preise ausdrücklich untersagt. Dieses ausdrückliche Verbot soll das EU-rechtliche Gleichbehandlungsgebot - in § 97 Abs. 2 GWB verankert - sicher stellen und den Wettbewerb nach § 97 Abs. 1 GWB unter gleichen Bedingungen für alle Bieter aufrecht erhalten.
5. Hat ein Bieter aufgrund unklarer Vorgaben im Leistungsverzeichnis ein - quantitativ oder sonst wie - verkalkuliertes Angebot eingereicht, berechtigt ihn dieser Kalkulationsirrtum nach der einschlägigen Rechtsprechung nur in extremen Ausnahmefällen - einzig und allein - zur Anfechtung und somit zum Lösen aus der Angebotsbindung, da das Angebot ohne die fehlkalkulierten Preispositionen unvollständig und somit nicht mehr wertbar ist. Keinesfalls ist der Auftraggeber - ggf. im Zusammenwirken mit dem Bieter befugt, an die Stelle der fehlkalkulierten Positionen andere Preispositionen nachträglich einzutragen und das Angebot somit preislich zu verändern. § 17 Nr. 6 Abs. 1 VOL/ verpflichtet vielmehr den Bieter, bei möglichen Unklarheiten im LV beim Auftraggeber nachzufragen.
6. Für die Frage, ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war, ist auf die spezifischen Besonderheiten des Vergabenachprüfungsverfahrens Rücksicht zu nehmen. Es handelt sich um eine immer noch nicht zum (weder juristischen noch unternehmerischen) Allgemeingut zählende, auch aufgrund vielfältiger europarechtlicher Überlagerung wenig übersichtliche und zudem steten Veränderungen unterworfene Rechtsmaterie, die wegen des gerichtsähnlich ausgestalteten Verfahrens bei der Vergabekammer bereits dort prozessrechtliche Kenntnisse verlangt. Die verfahrensrechtliche Ausgangssituation unterscheidet sich daher schon wegen ihrer kontradiktorischen Ausgestaltung von einem "normalen" verwaltungsrechtlichen Verfahren. Infolge dessen ist die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten jeweils nach den individuellen Umständen des einzelnen Nachprüfungsverfahrens zu beurteilen. Erschöpfen sich die darin aufgeworfenen Probleme in der Auseinandersetzung darüber, ob die Beteiligten das ohnehin zu beachtende "materielle" Vergaberecht beachtet haben, so wird die Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts regelmäßig als nicht notwendig beurteilt. Denn dann ist ein Kernbereich unternehmerischer Tätigkeit betroffen, dessen Kenntnis und Bewertung auch einem Unternehmen, welches sich mehr oder weniger regelmäßig um öffentliche Aufträge bewirbt, zumindest grundsätzlich ohne anwaltlichen Beistand zumutbar ist. Dieser Bereich ist aber dann überschritten, wenn wesentliche Streitpunkte des Nachprüfungsverfahrens sich gerade aus dessen "prozessualer" Ausgestaltung ergeben; dies gehört nicht mehr zum unternehmerischen Tagesgeschäft, und die Heranziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten erscheint notwendig. Die Befugnis zur Hinzuziehung eines Bevollmächtigten bei einem Antragsteller wird in aller Regel schon dann an anerkannt, wenn sich auch der Auftraggeber anwaltlicher Hilfe im Nachprüfungsverfahren bedient.

VPRRS 2005, 0266

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.03.2005 - Verg 5/05
1. Die Aufhebung des Vergabeverfahrens setzt die Feststellung einer Rechtsverletzung des Antragstellers voraus. Nur wenn die festgestellte Rechtsverletzung nicht anders als durch eine Aufhebung des Vergabeverfahrens behoben werden kann, darf eine dahingehende - und ohne Weiteres tief in die Belange des Auftraggebers eingreifende - Anordnung ergehen.
2. Es ist nicht ermessensfehlerhaft, aus der mangelhaften Durchführung eines kleineren Auftrags auf eine mangelnde Eignung für die Durchführung eines größeren Auftrags zu schließen.
3. Die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels und die Interessen der Verfahrensbeteiligten stehen bei der nach § 121 GWB zu treffenden Eilentscheidung in der Weise in einer Wechselbeziehung, dass das Interesse des Auftraggebers an einer alsbaldigen Zuschlagserteilung um so weniger ausgeprägt und gewichtig sein muss, je höher die Wahrscheinlichkeit ist, dass die Beschwerdeentscheidung (in der Hauptsache) seinen Rechtsstandpunkt bestätigen und daher im Ergebnis zu seinen Gunsten ergehen wird.
