Vergabepraxis & -recht.

Volltexturteile nach Sachgebieten
4952 Entscheidungen insgesamt
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VPRRS 2004, 0406
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.07.2004 - 1 VK 38/04
1. § 13 VgV findet nur Anwendung, wenn die Auftragsvergabe im Rahmen eines Verfahrens erfolgt, bei dem es Bieter und Angebote gibt und zwar mehr Bieter als bei der konkreten Auftragsvergabe berücksichtigt werden können.
2. Nach der vom Bundesgerichtshof vertretenen Auffassung führt die Aufhebung eines Vergabeverfahrens nicht zwingend zur Unzulässigkeit eines anhängigen Nachprüfungsverfahrens. Derartiges lasse sich dem Wortlaut des § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB nicht entnehmen.
3. Der Nachprüfungsantrag ist auch nicht etwa deshalb unzulässig, weil die Vergabestelle das in Angriff genommene offene Verfahren zur Beschaffung der Schulbücher nach § 26 VOL/A aufgehoben hat. Die Aufhebung einer Ausschreibung ist unter anderem zulässig, wenn hierfür schwerwiegende Gründe bestehen (§ 26 Nr. 1 Buchst. d VOL/A). Der bestehende Zwang entscheiden zu müsse, ob man an der getroffenen Entscheidung festhält oder der Rüge stattgibt und anlehnend an die Entscheidung der Vergabekammer Baden-Württemberg, 1 VK 29/04, eine erneute Auslosung unter Ausschluss der Bietergruppen A... und B ... vornimmt, rechtfertigt eine Aufhebung nicht.
4. Die Vergabestellen sind verpflichtet bei ihrer Terminsplanung den Zeitaufwand für eventuelle Nachprüfungsverfahren mit einzuplanen mit denen jederzeit aus den verschiedensten Gründen zu rechnen ist.
5. Der Begriff der wettbewerbsbeschränkenden Abrede ist mit Blick auf den das gesamte Vergabeverfahren beherrschenden Wettbewerbsgrundsatz weit auszulegen. Er ist nicht nur auf ein gesetzeswidriges Verhalten beschränkt, sondern umfasst alle sonstigen Absprachen, aber auch Verhaltensweisen, die mit dem vergaberechtlichen Wettbewerbsgebot des § 97 Abs. 1 GWB, § 2 Nr. 1 VOL/A unvereinbar sind Wettbewerbsbeschränkend ist jedes Verhalten, das auf die Einschränkung von Wettbewerb hinausläuft.

VPRRS 2004, 0403

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.06.2004 - 1 VK 29/04
1.Der Begriff der wettbewerbsbeschränkenden Abrede ist mit Blick auf den das gesamte Vergabeverfahren beherrschenden Wettbewerbsgrundsatz weit auszulegen. Er ist nicht nur auf ein gesetzeswidriges Verhalten beschränkt, sondern umfasst alle sonstigen Absprachen, aber auch Verhaltensweisen, die mit dem vergaberechtlichen Wettbewerbsgebot des § 97 Abs. 1 GWB, § 2 Nr. 1 VOL/A unvereinbar sind .Wettbewerbsbeschränkend ist jedes Verhalten, das auf die Einschränkung von Wettbewerb hinausläuft .
2.Wenn Firmengründungen erfolgen, um gegenüber Mitkonkurrenten bei der Auslosung über größeren Chancen zu verfügen, einen Auftrag zu erhalten, stellt dies eine Mehrfachbewerbung dar. Sich auf diese Weise durch Mehrfachbewerbung einen Wettbewerbsvorsprung bei der Losentscheidung zu verschaffen, schränkt den Wettbewerb im Sinne des § 2 Nr. 1 Abs. 2 GWB ein.

VPRRS 2004, 0402

VK Lüneburg, Beschluss vom 09.07.2004 - 203-VgK-22/2004
1. Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die diesbezüglichen Anforderungen oder die Darlegungslast dürfen nicht überspannt werden.
2. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Werden beim Durcharbeiten des Leistungsverzeichnisses Ungenauigkeiten festgestellt, liegt bereits positive Kenntnis vor.
3. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden.
4. Gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d VOL/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A sind Angebote, bei denen Änderungen oder Ergänzungen an den Verdingungsunterlagen vorgenommen worden sind, von der Wertung auszuschließen.
5. Der durch die öffentliche Ausschreibung geöffnete Wettbewerb der Bieter kann nur gewährleistet werden, wenn Änderungen an den Verdingungsunterlagen ausgeschlossen werden, weil andernfalls die Vergleichbarkeit der Angebote leidet.
6. § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A beschreibt nur, über welche Gegenstände der Auftraggeber mit Bietern verhandeln darf, eine entsprechende Pflicht zur Aufklärung des Angebotsinhaltes des Auftraggebers besteht dagegen nicht.

IBRRS 2004, 3337

VK Lüneburg, Beschluss vom 07.06.2004 - 203-VgK-16/2004
1. Ein Anbieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Nach der Vorschrift des § 107 Abs. 3 GWB muss ein Bieter oder Bewerber rügen, sobald er im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler entdeckt.
2. Eine Bewertungsmatrix kann den Entscheidungsvermerk in der Vergabeakte ergänzen und präzisieren, sie kann den Vergabevermerk nicht völlig ersetzen. In der Vergabeakte muss wenigstens kurz erläutert werden, warum welcher Bieter für welches Kriterium welche Punkte erzielt hat.

VPRRS 2004, 0396

VK Südbayern, Beschluss vom 13.07.2004 - 46-06/04
1. Der Ausschluss eines Angebots, das geforderte Erklärungen (hier: bezüglich einer Vielzahl von Positionen Angaben zu Fabrikat/Hersteller und zum Typ des angebotenen Produkts) nicht enthält (§§ 21 Nr. 1 Abs. l Satz 3, 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A) ist zwingend, wenn das Angebot sich nicht mehr zu einer ordnungsgemäßen Wertung eignet.*)
2. Nach den Bestimmungen des § 21 Nr. 2 VOB/A darf eine Leistung, die von den vorgesehenen Spezifikationen abweicht, angeboten werden, wenn sie mit dem geforderten Schutzniveau in Bezug auf Sicherheit, Gesundheit und Gebrauchstauglichkeit gleichwertig ist.*)
3. § 26 Nr. 1 VOB/A verpflichtet die Vergabestelle grundsätzlich nicht, eine Ausschreibung aufzuheben, wenn ein dort normierter Aufhebungsgrund vorliegt. Da es sich um eine Kann-Vorschrift handelt, steht es im Ermessen des Ausschreibenden, ob er von der Möglichkeit der Aufhebung Gebrauch macht.*)

VPRRS 2004, 0395

VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 05.09.2002 - VK-SH 12/02
1. Richtlinie 89/665/EWG fordert nicht, dass ein bereits erteilter Zuschlag, abweichend von § 114 Abs. 2 GWB, stets einer rechtlichen Überprüfung unterzogen und ggf. aufgehoben werden muss.
2. Nach § 13 der Vergabeverordnung ist nur ein Vertrag nichtig, der vor Ablauf von 14 Tagen seit der Information nach § 13 der Vergabeverordnung abgeschlossen worden ist.

VPRRS 2004, 0394

VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 18.12.2002 - VK-SH 16/02
1. Dienstleistungen sind nach § 99 Abs.4 GWB in Verbindung mit § 4 Vergabeverordnung und §§ 1, 1a, 3a Nr. 1 VOL/A im offenen Verfahren zu vergeben, es sei denn bei den zu erbringenden Leistungen handelt es sich um solche, die im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht oder im Wettbewerb mit freiberuflich Tätigen angeboten werden. Dann kann als Ausnahme nach § 3 a Nr. 2 Buchst. c) VOL/A Abschnitt 2 im Verhandlungswege vergeben werden.
2. Die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 3 a Nr. 2 Buchst. f) VOL/A Abschnitt 2 liegen nicht vor, wenn der Zusatzauftrag nicht zur Ausführung der mit dem Vertrag vergebenden Dienstleistungen erforderlich.

VPRRS 2004, 0392

OLG Celle, Beschluss vom 02.09.2004 - 13 Verg 14/04
1. Zur Frage, in welchem Umfang der öffentliche Auftraggeber bei einer europaweiten Ausschreibung von ComputerHardware die Bewertungskriterien und deren Gewichtung den Bietern offen legen muss.*)
2. Wenn ein Teilnehmer an einem Vergabeverfahren davon Kenntnis hat, dass der für den Zuschlag vorgesehene Bieter bei der vorangegangenen Ausschreibung des Auftraggebers an einer verbotenen Submissionsabsprache beteiligt war, so gilt für die Rüge, der Auftraggeber habe deshalb den Bieter mit seinem Angebot ausschließen müssen, keine Ausnahme von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB. Der Bieter kann sich regelmäßig nicht darauf berufen, eine unverzügliche Rüge hätte etwaige Ermittlungen des Kartellamts gefährden können.*)

VPRRS 2004, 0391

VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 26.10.2004 - VK-SH 26/04
1. Die Angebotsfrist i.S.v. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. e) VOL/A endet in Ermanglung einer konkret benannten Uhrzeit mit Ablauf des für die Angebotseinreichung bestimmten Tages. Aus der Angabe eines bestimmten Einreichungsortes (z.B. Zimmernummer) folgt nicht, dass die Angebotsfrist damit mit der üblichen Bürozeit endet.*)
2. Bietet ein Unternehmen sowohl selbstständig als auch als Mitglied einer Bietergemeinschaft für den gleichen Auftragsgegenstand (z.B. alle Lose) an, hat dies wegen offenkundig wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens den Ausschluss beider Angebote gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. f) VOL/A zur Folge.*)
3. Juristische Personen des Privatrechts sind - selbst wenn sie gemeinnützig sind - keine Einrichtungen i.S.v. § 7 Nr. 6 VOL/A.*)
4. § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A hat keinen drittschützenden Charakter.*)
5. Nachverhandlungen über Fehlkalkulationen des Bieters sind wegen § 24 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A selbst dann unstatthaft, wenn die Fehler (vermeintlich) offenkundig sind.*)
6. Eine Klaglosstellung der Antragstellerin - mit der Folge, dass der Nachprüfungsantrag unzulässig wird - ist erst dann anzunehmen, wenn die Vergabestelle den beanstandeten Vergaberechtsverstoß bereits tatsächlich beseitigt hat. Eine reine Ankündigung der Antragsgegnerin reicht insoweit nicht aus.*)

VPRRS 2004, 0386

BayObLG, Beschluss vom 09.09.2004 - Verg 18/04
1. Ist ohne Zustellung des Nachprüfungsantrags eine ablehnende Entscheidung der Vergabekammer ergangen, kann das mit dem Rechtsmittel befasste Oberlandesgericht die Zuschlagssperre des § 115 Abs. 1 GWB von sich aus herbeiführen, indem es erstmalig die Zustellung des Nachprüfungsantrags an den Antragsgegner veranlasst. Ein nach Zustellung des Nachprüfungsantrags erteilter Zuschlag ist nichtig.*)
2. Zur Wertung von bedingten Nachlässen (Skonto).*)
3. Ist der günstigste Preis ausschließliches Zuschlagskriterium, bestehen grundsätzliche Bedenken, ein Skonto überhaupt für die Preisermittlung zu berücksichtigen.*)

VPRRS 2004, 0373

VK Halle, Beschluss vom 16.08.2001 - VK Hal 14/01
1. Ein drohender Schaden liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn der antragstellende Bieter selbst dann evident keine Aussicht auf Erteilung des Zuschlages hat, wenn der geltend gemachte Vergabeverstoß ausgeräumt würde.
2. Nach § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A müssen die Angebote neben den Preisen auch die sonstigen Angaben und Erklärungen enthalten. Fehlen diese, so führt das zwar nicht automatisch zum Ausschluss des jeweiligen Angebotes nach § 25 VOL/A, vielmehr liegt die Entscheidung darüber im pflichtgemäßen Ermessen des öffentlichen Auftraggebers. Entscheidendes Kriterium für die Ermessensausübung ist dabei, ob das Ergänzen der fehlenden Angaben die Wettbewerbsstellung des betreffenden Bieters ändert oder nicht.
3. Die Vergabekammer ist bei ihrer Entscheidung an die von der Beteiligten geltend gemachten Verstöße gegen vergaberechtliche Vorschriften nicht gebunden. Dies ergibt sich ausdrücklich aus dem Wortlaut des § 114 Abs. 1 Satz 2 GWB, aber auch aus der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift.

VPRRS 2004, 0370

VK Halle, Beschluss vom 19.07.2001 - VK Hal 11/01
1. Bei der Frage, ob ein Dienstleistungskonzession vorliegt, ist darauf abzustellen, ob der Konzessionsnehmer ein eigenes wirtschaftliches Risiko übernimmt. Darüber hinaus gelten die allgemeinen Anforderungen, die auch für Baukonzessionen gelten, d. h. der Auftraggeber/Konzessionsgeber erbringt keine Gegenleistung. Vielmehr wird die Dienstleistung vom Konzessionär kommerziell genutzt, indem sie (für eigene Rechnung) Dritten gegenüber erbracht wird, die für die Inanspruchnahme an den Konzessionär ein Entgelt zahlen.
2. Wenn bereits mit der Bekanntmachung für die Bieterin feststellbar ist, dass die Auftraggeberin nicht nach den Grundsätzen der Verdingungsordnung für Leistungen verfährt, da jeglicher Bezug auf eine Vergabevorschrift, für den unbefangenen Leser erkennbar, fehlt, hätte die Bieterin schon vor Einreichung der Bewerbungsunterlagen rügen müssen. Denn nach § 107 Abs. 3 GWB sind Nachprüfungsanträge als unzulässig zurückzuweisen, wenn bereits aufgrund der Bekanntmachung Verstöße gegen Vergabevorschriften erkennbar waren.

VPRRS 2004, 0368

VK Lüneburg, Beschluss vom 26.04.2004 - 203-VgK-10/2004
1. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Die diesbezüglichen Anforderungen oder die Darlegungslast dürfen nicht überspannt werden . Das tatsächliche Vorliegen der Rechtsverletzung ist vielmehr eine Frage der Begründetheit.
2. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Werden beim Durcharbeiten des Leistungsverzeichnisses Ungenauigkeiten festgestellt, liegt bereits positive Kenntnis vor.
3. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden.
4. Dritte können grundsätzlich in das Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge eingeschaltet werden. Dem steht nicht entgegen, dass der Auftraggeber gem. § 2 Nr. 3 VOL/A verpflichtet ist, Leistungen "unter ausschließlicher Verantwortung der Vergabestellen" zu vergeben. Die Einschaltung eines fachkundigen Dritten kann vielmehr geboten sein, damit sich der Auftraggeber in die Lage versetzt, eine eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung im Sinne von § 8 Nr. 1 Abs. 1 und Abs. 2 VOL/A vorlegen zu können. Der Auftraggeber ist nicht verpflichtet, das erforderliche personelle Know-how selbst in der Weise ständig oder auch nur zeitweise vorzuhalten, dass er entsprechende Fachkräfte beschäftigt.
5. Gehört ein Bieterunternehmen einem Konzernverbund oder einer Firmengruppe an, ist eine Berücksichtigung von finanziellen, materiellen und personellen Ressourcen anderer Unternehmen dieses Verbundes zumindest dann unbedenklich, wenn und soweit die Firmen dieser Gruppe als wirtschaftliche Einheit betrachtet werden können. Für den Bereich der Referenzen ist anerkannt, dass ein Bieter auch auf die für ein Tochter- oder Schwesterunternehmen ausgestellten Referenzen zurückgreifen kann, sofern dieses mit ihm personell weitgehend identisch ist .
6. Bei der Auswahl der Angebote, die für den Zuschlag in Betracht kommen, sind gemäß § 25 Nr.2 Abs. 1 VOL/A nur Bieter zu berücksichtigen, die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit besitzen. Zum Nachweis ihrer Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit können gem. § 7 Nr. 4 VOL/A von den Bietern entsprechende Angaben gefordert werden, soweit es durch den Gegenstand des Auftrags gerechtfertigt ist. Grundsätzlich steht dem Auftraggeber bei der Bewertung der Eignung der Bieter ein weiter Ermessensspielraum zu. Dieser engt sich nur ein, wenn und soweit der Auftraggeber selbst dieses weite Ermessen durch die Angabe von Mindestvoraussetzungen einschränkt. Er ist dann an die Voraussetzungen gebunden und darf nicht nachträglich von ihnen abweichen.
7. Dem Auftragnehmer wird entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch kein ungewöhnliches Wagnis im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A aufgebürdet. Bei der Laufzeitregelung wird dem Bieter kein ungewöhnliches Wagnis im Sine des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A aufgebürdet, Wenn der Vertrag eine einseitige, einmalige Verlängerungsoption zugunsten des Auftraggebers enthält. Die Verlängerungsoption ist hinreichend bestimmt, wenn sie hinsichtlich Laufzeit und Anzahl eindeutig begrenzt ist. Bei Vertragsverlängerung resp. Kündigung jeweils zum Quartalsende mit einer Frist von 18 Monaten wird ein Bieter auch nicht unangemessen benachteiligt.

VPRRS 2004, 0367

VK Lüneburg, Beschluss vom 02.07.2004 - 203-VgK-21/2004
1. Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die diesbezüglichen Anforderungen oder die Darlegungslast dürfen nicht überspannt werden. Die schlüssige Darlegung, dass die Bieterin bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte, ist nicht erforderlich.
2. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Werden beim Durcharbeiten des Leistungsverzeichnisses Ungenauigkeiten festgestellt, liegt bereits positive Kenntnis vor. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von 107 Abs. 3 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden.
3. In den Verdingungsunterlagen oder in der Vergabebekanntmachung müssen gemäss § 9 VOL/A alle Zuschlagskriterien angegeben werden, deren Verwendung vorgesehen sind, möglichst in der Reihenfolge der ihnen zuerkannten Bedeutung. Das Wort "möglichst" weist darauf hin, dass nicht in jedem Vergabefall die Angabe der Reihenfolge der Bedeutung der Zuschlagskriterien zwingend ist.
4. Das Erfordernis, sämtliche Qualitäts- und Leistungskriterien in ein angemessenes Verhältnis zum Preis zu setzen und so ein möglichst wirtschaftliches Angebot zu unterbreiten, gehört aber zu den Kernaufgaben eines Kalkulators und stellt für den Bieter kein ungewöhnliches Wagnis im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A dar. Der Auftraggeber kann sich für die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gem. § 25 Nr. 3 VOL/A noch einen letzten Ermessensspielraum erhalten, um die Qualität der unterschiedlichen Angebote angemessen würdigen zu können.
5. Die Ausschreibungsunterlagen und Zuschlagskriterien so zu gestalten, dass die Bieter trotz detailliertester Beschreibung der Mindestanforderungen in die Lage versetzt werden, ein möglichst gutes Preis/Leistungsverhältnis anzubieten, ist nicht nur mit § 25 Nr. 3 VOL/A vereinbar, sondern für Auftragsvergaben im IT-Bereich wegen des permanenten Fortschreitens der technischen Standards geradezu zwingend.
6. Gemäß § 30 Nr. 1 VOL/A ist über die Vergabe ein Vermerk zu fertigen, der die einzelnen Stufen des Verfahrens, die Maßnahmen, die Festlegung sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen enthält. Diese Vorschrift dient - ebenso wie § 30 VOB/A und § 18 VOF - in erster Linie der sog. Ex-Post-Transparenz und damit dem Transparenzgebot gem. § 97 Abs. 1 GWB. Der Weg zur Vergabeentscheidung soll vom Bieter nachvollzogen und auch kontrolliert werden können. Diese Ex-Post-Transparenz ist für einen effektiven Rechtsschutz erforderlich, so dass alle Entscheidungsschritte grundsätzlich zu dokumentieren sind und nicht erst nach Abschluss des Vergabeverfahrens vorliegen müssen. Dabei ist nicht notwendigerweise ein zusammenhängender Vergabevermerk zu fordern. § 30 VOL/A ist vielmehr dahingehend auszulegen, dass das Vergabeverfahren und alle wesentlichen Entscheidungen laufend und in nachvollziehbarer Weise zu dokumentieren sind.
7. Bei der Auswahl des wirtschaftlichsten Angebotes nach § 25 Nr. 3 VOL/A steht dem Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum zu, der von den Vergabenachprüfungs-instanzen nur begrenzt nachprüfbar ist. Die Nachprüfungsinstanzen können die Beurteilungsentscheidungen der Vergabestellen nur daraufhin überprüfen, ob die Vergabestellen bei ihrer Entscheidung das vorgeschriebene Verfahren eingehalten haben, von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen sind, aufgrund sachgemäßer und sachlich nachvollziehbarer Erwägungen entschieden haben und ob sich der angelegte Beurteilungsmaßstab im Rahmen der Beurteilungs-ermächtigung hält.
8. Ein Hinweis eines Bieters auf eigene Vertragsbedingungen kann, sofern diese im Widerspruch zu den Vertragsbedingungen des Auftraggebers stehen, eine Veränderung der Verdingungsunterlagen darstellen. Eine Änderung der Verdingungs-unterlagen wird nur dann nicht anzunehmen sein, wenn der Bieter auf seinem Geschäftsbogen umseitig Allgemeine Geschäftsbedingungen abgedruckt hat, aber nicht ausdrücklich auf diese verweist, sondern umgekehrt ausdrücklich die Vertragsbedingungen der Vergabestelle akzeptiert. Denn dann ist nach dem Erklärungsinhalt davon auszugehen, dass er seine Allgemeinen Geschäfts-bedingungen nicht zum Vertragsinhalt machen will.
9. An einen Angebotsausschluss aufgrund von ermessenseinschränkenden, den Auftraggeber bindenden Mindestbedingungen sind strenge Anforderungen zu stellen. Bei eindeutigem Wortlaut des Hinweises in den Ausschreibungsbedingungen muss der Auftraggeber das Angebot gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d VOL/A i. V. m. § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A zwingend ausschließen, wenn die Bieterin in ihrem Angebot entgegen dieser Vorgabe auf ihre eigenen AGB verweist. Ein Hinweis in den Unterlagen eines künftigen Subunternehmers auf dessen AGB genügt für den Ausschluss nicht

VPRRS 2004, 0360

OLG Brandenburg, Urteil vom 20.04.2004 - 6 U 116/03
1. Zur Frage der Haftung des öffentlichen Auftraggebers, wenn das Leistungsverzeichnis Mängel aufweist und sich deshalb die Durchführung des Auftrages als erheblich aufwendiger erweist als geplant (hier: Mehrkosten von 500.000 DM).
2. Der Bieter darf das mangelhafte Leistungsverzeichnis des Auftraggebers nicht einfach hinnehmen, sondern muss sich daraus ergebende Zweifelsfragen vor Abgabe des Angebots klären. Dieser Grundsatz gilt nicht nur für ein erkennbar lückenhaftes Leistungsverzeichnis, sondern auch dann, wenn sich für ihn aus einem Leistungsverzeichnis und den ihm überlassenen Unterlagen die Ausführung des Auftrages in bestimmter Weise nicht mit hinreichender Klarheit ergibt, er darauf aber bei der Kalkulation maßgeblich abstellen will.

VPRRS 2004, 0357

OLG Saarbrücken, Beschluss vom 29.09.2004 - 1 Verg 6/04
Bei einer Rüge wegen Verstoßes gegen die Grundsätze der Eindeutigkeit und Vollständigkeit der Leistungsbeschreibung ist die Antragsbefugnis im Nachprüfungsverfahren stets zu bejahen.
Allerdings ist die Rüge unbegründet, soweit aus der Ausschreibung unproblematisch hervorgeht, welche Leistung in welcher Form gefordert wird und keine Restbereiche verbleiben, die von der Vergabestelle nicht schon klar umrissen wurden.

VPRRS 2004, 0354

VK Halle, Beschluss vom 24.02.2000 - VK Hal 02/00
1. Antragsbefugt ist auch derjenige Bieter, der wegen der rechtswidrigen Ausgestaltung des Vergabeverfahrens, an der Angebotsabgabe gehindert wird, sofern er im behaupteten rechtmäßigen Verfahren ein Angebot abgegeben hätte.
2. Soweit der Antrag auf Aufhebung der Ausschreibung gem. § 26 VOB/A gerichtet ist, ist die Tatsache, dass die Ausschreibung nach den Vergabevorschriften der Verdingungsordnung für Bauleistungen erfolgte, nicht von Bedeutung. Zwar hat der Auftraggeber bevor er die zu vergebende Leistung bekannt gibt, sich damit auseinander zusetzen, in welchen Geltungsbereich seine Leistung fällt, wählt er jedoch nicht die zutreffende Vorschrift, führt dies nicht zur Rechtswidrigkeit des Verfahrens, da die VOL/A und die VOB/A in ihren Grundzügen weitgehend übereinstimmen.
3. Eine Aufhebung einer Ausschreibung ist nur statthaft , wenn Tatbestände nach § 26 VOB/A vorliegen. Es besteht grundsätzlich kein Rechtsanspruch auf Aufhebung, da § 26 VOB/A eine "Kann-Vorschrift" ist. Es kann die Ausschreibung also auch dann noch aufrechterhalten werden, wenn Gründe gegen deren Fortdauer gegeben sind.
4. Bauleistungen sind Arbeiten jeder Art, durch die eine bauliche Anlage hergestellt, instand gehalten, geändert oder beseitigt wird. Darunter fallen alle zur Herstellung, Instandhaltung oder Änderung einer baulichen Anlage zu montierenden Bauteile, insbesondere die Lieferung und Montage maschineller und elektronischer Einrichtungen. Einrichtungen, die jedoch von der baulichen Anlage ohne Beeinträchtigung der Vollständigkeit oder Benutzbarkeit abgetrennt werden können und einem selbständigen Nutzungszweck dienen, fallen unter die Vorschriften der VOL.
5. § 4 VOB/A befasst sich in der Grundlage mit dem Umfang der jeweiligen Bauvergabe, d.h. hier geht es um die Forderung nach einheitlicher Ausführung mit einer zweifelsfrei umfassenden Gewährleistung, um die Teil- und Fachlosvergabe. Welche Aufteilung erfolgen soll, hat der Auftraggeber vor der Ausschreibung zu entscheiden und festzulegen.
6. Eine Aufteilung in Teillose bedeutet eine mengenmäßige oder räumliche Unterteilung der Gesamtleistung. Im Grundsatz wird hier eine zu einem bestimmten Handwerks- oder Gewerbezweig gehörende Gesamtleistung in sich und nach äußeren Gesichtspunkten, wie z.B. Einzelhäuser, Einzelbauten sonstiger Art, abgeschlossenen Teilen am gleichen Objekt, aufgeteilt und zum Gegenstand besonderer Vertragsverhandlungen und regelmäßig voneinander getrennten Bauverträgen gemacht. Wann im Einzelfall eine Aufteilung in Teillose erfolgen kann oder soll, hängt von der Zweckmäßigkeit ab.
7. Einen Leitpunkt gibt § 4 Nr. 2 VOB/A, indem dort von umfangreichen Bauarbeiten gesprochen wird, die nach Teillosen vergeben werden sollen. Regelfall der Aufteilung in Teillose werden daher nur größere Einzel- oder Gesamtprojekte sein können. Eine Teilung kann aber nur in Erwägung gezogen werden, wenn die räumliche Teilung in der Weise möglich ist, dass eine klare Trennung der einzelnen Aufgabengebiete sowohl in der Auftragsvergabe als insbesondere in der praktischen Bauausführung eindeutig möglich ist. Gerade die Möglichkeit der eindeutigen Abgrenzung der Teilleistungen voneinander ist wesentliche Voraussetzung für Klarheit, Vollständigkeit und alle wichtigen Gesichtspunkte umfassende Vertragsverhandlungen.
8. In § 9 Nr. 1 und 2 VOB/A sind die allgemeinen Grundsätze enthalten, die für alle Arten der Leistungsbeschreibung gelten. So ist der Auftraggeber verpflichtet, die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können. Gleichzeitig darf den Bewerbern kein ungewöhnliches Wagnis für Umstände und Ereignisse aufgebürdet werde, auf die sie keinen Einfluss haben und deren Entwicklung auf die Preise und Fristen sie nicht im voraus einschätzen können.
9. Nach § 9 Nr. 1 und 2 VOB/A muss die Leistungsbeschreibung klar und unmissverständlich und sie muss gründlich und vollständig abgefasst sein. Diese Anforderungen sind dann nicht erfüllt, wenn die Leistungsbeschreibung Angaben lediglich allgemeiner Natur enthält oder verschiedene Auslegungsmöglichkeiten zulässt. Die Vorstellungen des Auftraggebers von der gewünschten Leistung müssen in ihrer Beschreibung zum Ausdruck kommen.

VPRRS 2004, 0352

VK Lüneburg, Beschluss vom 20.09.2004 - 203-VgK-46/2004
1. Im Fall einer gemeinsamen Ausschreibung durch in verschiedenen Bundesländern ansässige Auftraggeber ist allein die Vergabekammer für das gesamte Vergabeverfahren zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich der Hauptauftraggeber seinen Sitz hat.
2. Die Verweisung von einer unzuständigen Vergabekammer an die zuständige Vergabekammer ist zulässig.

VPRRS 2004, 0351

VK Lüneburg, Beschluss vom 30.09.2004 - 203-VgK-44/2004
1. § 10 VOL/A ist keine bieterschützende Vorschrift.
2. Der teilweise oder völlige Ausschluss eines Subunternehmereinsatzes ist im VOL-Bereich dann nicht zu beanstanden, wenn der Auftraggeber ein unter vergaberechtlichen Gesichtspunkten berechtigtes Interesse an dieser Form der Leistungserbringung geltend machen kann.
3. Die besondere prozessuale Bedeutung der streitgegenständlichen förmlichen gerichtlichen und staatsanwaltlichen Postzustellungen rechtfertigt die Forderung nach einer Dienstleistungserbringung "aus einer Hand" und damit auch den Ausschluss des Subunternehmereinsatzes.
4. Bei Staffelpreisen ist der höchste Staffelpreis der angebotene Einheitspreis. Die niedrigeren Staffelpreise sind vergaberechtlich als (bedingte) Nachlässe zu behandeln.

VPRRS 2004, 0350

VK Lüneburg, Beschluss vom 21.09.2004 - 203-VgK-42/2004
1. Krankenkassen und deren gemeinsame Einrichtungen sind öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB.
2. Ein Skontoangebot kann nur gewertet werden, wenn es klar und vollständig ist.
3. Die Abbedingung verbindlich vorgegebener Vertragsstrafenregelungen ist auch in einem Nebenangebot nicht zulässig.

VPRRS 2004, 0349

VK Thüringen, Beschluss vom 29.06.2004 - 360-4003.20-011/04-SDH
Eine Rüge ist auch dann verspätet, wenn sich das Vorliegen einer fehlerhaften Ausschreibung aufdrängt, der Bieter sich aber auf - evtl. unrichtige - Erläuterungen der Vergabestelle verlässt.

VPRRS 2004, 0348

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.07.2004 - 1 VK 49/04
1. Ein Vergabefehler ist, sobald der Bieter den Vergabefehler erkannt hat, unverzüglich zu rügen, das heißt innerhalb von 3 bis maximal 7 Tagen. Lediglich bei einer komplizierten Sach- und Rechtslage bei der Rechtsrat einzuholen unerlässlich ist, kann eine Frist bis zu 14 Tagen zugestanden werden.
2. Die Rügepflicht entsteht nicht erst, wenn der Bieter von einem völlig zweifelsfreien und in jeder Beziehung nachweisbaren Vergabefehler Kenntnis erlangt.
3. Gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen nur dann antragsbefugt, wenn es darlegen kann und auch darlegt, dass ihm durch die behauptete Verletzung von Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Sinn und Zweck ist es zu verhindern, dass ein Bieter, der auch bei einem ordnungsgemäß durchgeführten Vergabeverfahren keine Aussicht auf Berücksichtigung seines Angebots und auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte, ein Nachprüfungsverfahren einleiten kann. § 107 Abs. 2 GWB normiert insoweit für das Vergabenachprüfungsverfahren das bei sämtlichen Rechtsschutzverfahren geltende Erfordernis eines Rechtsschutzbedürfnisses.
4. Zur Darlegung der Antragsbefugnis ist ein Sachvortrag erforderlich, aus dem sich schlüssig und nachvollziehbar ergibt, dass durch die einzelnen geltend gemachten Verstöße gegen Vergabevorschriften die Aussichten des Antragstellers auf den Zuschlag zumindest verschlechtert wurden. Ergibt sich aber, dass der Antragsteller, unterstellt das Verfahren wäre ohne die beanstandeten Fehler abgelaufen, keine Aussicht auf Berücksichtigung seines Angebots und auf Erteilung eines Zuschlags gehabt hätte, so fehlt es am Schaden oder drohenden Schaden.
5. Nach § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A ist der öffentliche Auftraggeber verpflichtet, wettbewerbsbeschränkende und unlautere Verhaltensweisen oder ungesunde Begleiterscheinungen im Wettbewerb zu bekämpfen. Die Bestimmung ist umfassend zu verstehen. Zu den unlauteren Verhaltensweisen, die kraft § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A zu bekämpfen sind, fallen auch Wettbewerbshandlungen, die nicht gegen UWG-Vorschriften, wohl aber gegen Vorschriften anderer Gesetze verstoßen. Der Auftraggeber darf keinen Zuschlag auf ein Angebot erteilen, das dem § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A widerspricht.
6. Das Einräumen von Zahlungszielen ist mit dem Buchpreisbindungsgesetz nicht vereinbar. Dies verbietet sich im Hinblick auf den Charakter fester Buchpreise als Barzahlungspreise. Dies stellt die Gewährung eines verbotenen Barzahlungsnachlasses dar.
7. Nach § 115 Abs. 2 Satz 1 GWB kann die Vergabekammer der Vergabestelle auf Antrag hin gestatten, den Zuschlag nach Ablauf von zwei Wochen seit Bekanntgabe dieser Entscheidung zu erteilen, wenn unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigter Interessen sowie des Interesses der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zum Abschluss der Nachprüfung die damit verbundenen Vorteile überwiegen. Die Erfolgsaussichten sind hierbei grundsätzlich mit in die Überlegungen einzubeziehen
8. .Bei der Abwägung nach § 115 Abs. 2 Satz 1 GWB ist zu beachten, dass der Gesetzgeber in § 97 Abs. 7 GWB einen subjektiven Anspruch des Bieters auf Einhaltung der Vergabevorschriften verankert hat. Die Gestattung des Zuschlags macht diesen Anspruch, das Vorliegen von Vergabefehlern unterstellt, endgültig zunichte. Dem Antragsteller bleibt dann nur die Möglichkeit der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen.

VPRRS 2004, 0347

VK Thüringen, Beschluss vom 22.07.2004 - 360-4003.20-047/04-EF-S
Ergänzt ein Bieter sein Angebot entgegen den Verdingungsunterlagen um eigene AGB, muss das Angebot zwingend ausgeschlossen werden.

VPRRS 2004, 0345

OLG Schleswig, Beschluss vom 30.03.2004 - 6 Verg 1/03
1. Der Bedeutung der Erreichung des Schwellenwerts als Anwendungsvoraussetzung der §§ 107, 116 GWB entspricht es, dass der Beschwerdegegner den ordnungsgemäß geschätzten Gesamtwert des zu vergebenden Auftrages in einem Vergabevermerk festzuhalten hat, und zwar bezogen auf den Zeitpunkt, in dem die Bekanntmachung über die beabsichtigte Auftragsvergabe abgesandt wird bzw. das Vergabeverfahren sonstwie eingeleitet wird.
2. Die Nebenkosten (§ 7 HOAI) sind ein Ausgleich für Aufwand in Zusammenhang mit der Auftragsdurchführung und folglich nicht Teil des Honorars.

VPRRS 2004, 0343

OLG Bremen, Beschluss vom 02.09.2004 - Verg 3/2003
1. Das Delegieren der Entscheidung über den Zuschlag und damit auch über die Fragen, die Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens sind (Wertung der Nebenangebote), an ein Projektsteuerungsbüro ist nicht zulässig. Der Vergabestelle obliegt die ausschließliche Verantwortung für die Vergabe.
2. Fotokopierkosten sind nur dann erstattungsfähig, wenn es auf die präzise bildliche Darstellung der fotokopierten Vorlage ankommt. Ansonsten sind diese Kosten als Schreibauslagen zu behandeln, die mit einer Kostenpauschale abgedeckt sind.

VPRRS 2004, 0342

VK Hessen, Beschluss vom 17.03.2004 - 69d-VK-02/2004
1. Der Eintritt eines Schadens im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB kommt nur dann in Betracht, wenn das Angebot bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vergabeverfahrens zumindest eine Aussicht auf Berücksichtigung gehabt hätte.
2. Bestehen Zweifel daran, dass und in welcher Form ein Mitglied oder mehrere Mitglieder einer GbR mit wirksamer Vertretungsmacht für die anderen handeln und welchen Umfang diese Vertretungsmacht haben soll, führt dies dazu, dass die Unterschrift der Übrigen nicht entbehrlich ist.

VPRRS 2004, 0340

VK Hessen, Beschluss vom 24.03.2004 - 69d-VK-03/2004
1. Eine Zuständigkeitsübertagung ist ein innerstaatlicher Organisationsakt und einem Auftrag gewissermaßen vorgelagert, da damit Aufgaben, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Gesetze zugewiesen sind, von einem Hoheitsträger auf den anderen übergehen.*)
2. Die Übertragung der Zuständigkeit für die Einsammlung von Abfall aus privaten Haushalten von einer Gebietskörperschaft auf eine andere stellt keinen Auftrag im Sinn des § 99 Abs. 1 GWB dar und unterliegt daher nicht dem Vergaberecht.*)
3. Aus einer Aufgabenübertragung resultiert zwar in der Regel auch eine Dienstleistung, die von einem privaten Auftragnehmer übernommen werden kann. Private Unternehmen sind aber weder befugt noch geeignet, die über die bloße Dienstleistung hinausgehenden öffentlich-rechtlichen Rechte und Pflichten, die sich aus der Aufgabenübertragung ergeben, wahrzunehmen.*)
4. Schließt sich an eine Aufgabenübertragung die Notwendigkeit der Beauftragung eines Dritten mit Dienstleistungen an, ist dieser Vorgang ausschreibungs- und vergabepflichtig, wenn kein Inhouse-Geschäft vorliegt.*)

VPRRS 2004, 0338

VK Lüneburg, Beschluss vom 06.09.2004 - 203-VgK-39/2004
1. § 16 VgV ist eine Konkretisierung des mit dem vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgebot in engem Zusammenhang stehenden Neutralitätsgebots.
2. Ein "böser Schein" der Parteilichkeit ist bei § 16 VgV nicht ausreichend. Es sind ein tatsächlicher Interessenkonflikt und eine konkrete Auswirkung der Tätigkeiten der betroffenen Personen auf die Entscheidungen in dem Vergabeverfahren notwendig.
3. § 16 Vgv erfordert eine Tätigkeit in demselben Vergabeverfahren sowohl auf Seiten des Auftraggebers wie auch auf Seiten eines in diesem Vergabeverfahren beteiligten Bieters.

VPRRS 2004, 0337

VK Lüneburg, Beschluss vom 30.08.2004 - 203-VgK-38/2004
1. Die Aufhebung einer Ausschreibung kann in einem Nachprüfungsverfahren überprüft werden.
2. Eine nicht eindeutige Leistungsbeschreibung kann ein schwerwiegender Grund zur Aufhebung im Sinn von § 26 Nr. 1 lit. d VOL/A sein, wenn deshalb eine Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes und eine Zuschlagserteilung ohne Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gem. § 97 Abs. 2 GWB nicht mehr möglich ist.

VPRRS 2004, 0336

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.04.2004 - Verg 2/04
1. Es liegt im Wesen des öffentlichen Auftrags im Sinne von § 99 Abs. 1 GWB, dass der öffentliche Auftraggeber mit der Vergabe einem in seinem Verantwortungsbereich auftretenden eigenen Beschaffungsbedarf Rechnung trägt. Ein solcher Bedarf ist nicht notwendig nur bei einer Beschaffung von Leistungen zur Erfüllung der im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben des öffentlichen Auftraggebers gegeben. Ein öffentlicher Auftrag ist vielmehr auch anzunehmen, wenn die Auftragsvergabe in keinem Zusammenhang mit solchen Aufgaben steht, die Leistungen jedoch zur Erfüllung der nicht im Allgemeininteresse stehenden Aufgabe benötigt werden. Auch dann ist im Sinne eines für die Abgrenzung wesentlichen Merkmals jedoch stets darauf abzustellen, ob dem öffentlichen Auftraggeber derartige Aufgaben obliegen oder ob er sich diese innerhalb seines gegenständlichen Verantwortungsbereichs jedenfalls selbst gesetzt hat.*)
2. Ein der Beschaffung von Leistungen zur Erfüllung eigener Aufgaben dienender öffentlicher Auftrag ist hingegen zu verneinen, wenn der öffentliche Auftraggeber solche Leistungen, die er aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages gegenüber einem anderen Unternehmen übernommen hat, teilweise von einem Nachunternehmer erbringen lassen will.*)

VPRRS 2004, 0335

VK Münster, Beschluss vom 04.10.2004 - VK 21/04
1. Bei der Beauftragung eines Eigenbetriebes einer Nachbarkommune mit der Durchführung der Abfallentsorgung ist § 2 Nr. 1 VOL/A iVm 107 Abs. 3 und Abs. 1 GO NW zu beachten, wenn eine konkrete Ausschreibung durchgeführt wird.*)
2. Der öffentliche Zweck iSv § 107 Abs. 1 GO NW ist nicht gleichzusetzen mit einem erwerbswirtschaftlichen Zweck; es sind gemeinwohlorientierte Zielsetzungen, aber keine betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkte zu prüfen. Das Vorhandensein von Überkapazitäten rechtfertigt nicht einen öffentlichen Zweck.*)

VPRRS 2004, 0334

VK Münster, Beschluss vom 24.09.2004 - VK 24/04
1. Die Vergabestelle bestand aus mehreren Auftraggebern aus zwei Bundesländern. In beiden Bundesländern gibt es Gesetze zur Tariftreue. Die Vergabestelle verstößt nicht gegen § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A, wenn sie sich intern auf die Anwendung eines Tariftreuegesetzes einigt und dieses der Ausschreibung zugrundelegt.*)
2. § 2 Abs. 2 TariftG NW räumt den Vergabestellen einen Beurteilungsspielraum ein; ein Beurteilungsspielraum ist nur begrenzt daraufhin überprüfbar, ob eine willkürliche oder nicht sachgerechte Entscheidung erfolgte oder der Sachverhalt nicht ordnungsgemäß ermittelt wurde. Die Vorschrift eröffnet keinen Ermessensspielraum.*)

VPRRS 2004, 0331

VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 28.05.2003 - VK-SH 13/03
Der Vergabestelle kommt bei der Wertung ein erheblicher Wertungs- und Beurteilungsspielraum zu. Der Spielraum bezieht sich auf einzelne Wertungskriterien (Termin, Qualität einschließlich Referenzen, Preis, Bietergespräche) ihrer Art und ihrer Gewichtung nach.

VPRRS 2004, 0328

VK Lüneburg, Beschluss vom 26.08.2002 - 203-VgK-15/2002
Keine "geforderten Erklärungen" im Sinne des § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A, die mit dem konkreten Leistungsgegenstand nichts zu tun haben und die ohne weiteres nachgereicht werden können, sind z. B. Erklärungen zur Innungszugehörigkeit, Steuertreue, Staatsangehörigkeit und zum Subunternehmereinsatz. Diese Erklärungen können auch zu einem späteren Zeitpunkt nachgeliefert werden. Grund hierfür ist, dass Preis und Leistung durch das Fehlen nicht beeinflusst werden und das Angebot daher nicht unvollständig im Sinne des § 21 Nr. 1 VOL/A ist.

VPRRS 2004, 0648

OLG Celle, Beschluss vom 20.01.2004 - 13 Verg 26/03
1. Zur Abgrenzung eines öffentlichen Auftrags im Sinn des § 99 GWB von einer Dienstleistungskonzession.*)
2. Soll die Vergabe von Leistungen der Altpapierentsorgung in der Weise erfolgen, dass der Auftragnehmer keine Geldleistung erhält sondern ihm die bei der Durchführung des Auftrags erfassten Altpapiermengen übereignet werden, so ist bei der Schätzung des Auftragswerts gem. § 3 Abs. 1 VgV maßgeblich, welchen Erlös der Auftragnehmer durch die Verwertung der Altpapiermengen voraussichtlich erzielen kann.*)
3. Für die Nichtigkeitsfolge des § 13 Satz 6 VgV bei einem Verstoß gegen die Informationspflicht des § 13 VgV kommt es nicht darauf an, ob der Auftraggeber ein förmliches Vergabeverfahren durchgeführt hat.*)

VPRRS 2004, 0323

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.07.2004 - Verg 33/04
Gemeinnützige Kapitalgesellschaften sind keine "ähnlichen Einrichtungen" der öffentlichen Hand im Sinne von § 7 Nr. 6 VOL/A und dürfen von der öffentlichen Ausschreibung von Leistungen nicht ausgeschlossen werden.

VPRRS 2004, 0322

OLG Frankfurt, Beschluss vom 07.09.2004 - 11 Verg 12/04
Die Übertragung des Einsammelns und des Transports von auf dem Gemeindegebiet anfallendem Hausmüll auf eine Nachbarkommune im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung unterliegt dem Vergaberecht. Es handelt sich um einen entgeltlichen Auftrag im Sinne des § 99 GWB.

VPRRS 2004, 0321

OLG Frankfurt, Beschluss vom 07.09.2004 - 11 Verg 11/04
Die Übertragung des Einsammelns und des Transports von auf dem Gemeindegebiet anfallendem Hausmüll auf eine Nachbarkommune im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung unterliegt dem Vergaberecht. Es handelt sich um einen entgeltlichen Auftrag im Sinne des § 99 GWB.

VPRRS 2004, 0319

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.05.2004 - Verg 78/03
1. Beabsichtigt eine Kommune, die nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) und dem nordrhein-westfälischen Landesabfallgesetz (LAbfG) ihr obliegende Sammlung und Beförderung von Altpapier im Wege einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung entgeltlich von einer Nachbarkommune durchführen zu lassen, so ist diese Dienstleistung in einem Vergabeverfahren gemäß § 97 Abs. 1 GWB zu beschaffen.*)
2. Diese Beschaffungsmaßnahme ist dem sachlichen Anwendungsbereich der §§ 97 ff GWB nicht dadurch entzogen, dass die beteiligten Kommunen die Durchführung der Aufgabe gemäß § 23 Abs. 1, 2. Alt., Abs. 2 S. 2 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über die kommunale Gemeinschaftsarbeit (GkG) durch eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung regeln. Die Aufzählung der in § 100 Abs. 2 GWB genannten Ausnahmetatbestände ist bei richtlinienkonformer Auslegung in einem abschließenden Sinne zu verstehen.*)

VPRRS 2004, 0316

VK Lüneburg, Beschluss vom 20.07.2004 - 203-VgK-25/2004
Bauträger-, Mietkauf- oder Leasingverträge sind grundsätzlich nach Maßgabe der Basis- und a-Paragraphen der VOB/A zu vergeben.

IBRRS 2004, 2460; IMRRS 2004, 1439

KG, Urteil vom 01.12.2003 - 10 U 274/02
1. Auch wenn der Versicherungsmakler beim förmlichen endgültigen Vertragsschluss aufgrund seiner den Vertrag vorbereitenden Funktion nicht mehr mitwirken muss, bedarf es dennoch eines "Vermittelns" im engeren Sinn.
2. Unter einem "Vermitteln" im Sinne von § 652 BGB ist die bewusste, finale Herbeiführung der Bereitschaft des Vertragspartners zum Abschluss des in Aussicht genommenen Hauptvertrages zu sehen, wobei es genügt, dass die Vermittlungstätigkeit mitursächlich für das Zustandekommen des Hauptvertrages gewesen ist. Sie braucht nicht die einzige oder die Hauptursache zu sein.
3. Etwaige Betreuungs- und Verwaltungsleistungen des Versicherungsmaklers nach Abschluss der Versicherungsverträge können mangels Ursächlichkeit für den jeweiligen Vertragsschluss keine Vermittlungsleistungen sein.

VPRRS 2004, 0311

VK Bund, Beschluss vom 25.05.2004 - VK 1-51/04
1. Auch im Verhandlungsverfahren können nur Angebote in der weiteren Wertung berücksichtigt werden, wenn diese im Zeitpunkt der Angebotsabgabe die Mindestanforderungen erfüllen.
2. Auch das Verhandlungsverfahren unterliegt den wesentlichen Prinzipien des Vergaberechts, insbesondere dem Grundsatz des Wettbewerbs, der gleichbehandlung aller Bieter und dem Transparenzgebot.
3. Auch im Verhandlungsverfahren dürfen Nachverhandlungen nicht dazu führen, dass einem im Sinne der Leistungsbeschreibung unzurechenden Angebot durch nachträgliche Ergänzung zur Annahmefähigkeit verholfen wird.

VPRRS 2004, 0310

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.06.2004 - W (Kart) 13/04
1. Private Auftraggeber können vorschreiben, dass sich umsatzstarke Unternehmen mit einem Jahresumsatz an Entsorgungsdienstleistungen in Höhe von mehr als 50 Mio. Euro nicht als Bietergemeinschaft oder Hauptunternehmer/Subunternehmer an der Ausschreibung beteiligen dürfen.
2. Dies verstößt nicht gegen Wettbewerbsrecht, weil private Auftraggeber nicht der vergaberechtlichen Pflicht, Bietergemeinschaften und Subunternehmer zuzulassen, ausgesetzt sind.

VPRRS 2004, 0309

BGH, Urteil vom 03.06.2004 - X ZR 30/03
1. Aufgrund der öffentlichen Ausschreibung besteht ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis zwischen dem Auftraggeber und den Bietern, das bei einer Verletzung der Ausschreibungsregeln und -bedingungen einen Schadensersatzanspruch des übergangenen Bieters wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen begründen kann, wenn der Bieter in seinem berechtigten und schutzwürdigen Vertrauen enttäuscht worden ist, das Vergabeverfahren werde nach den maßgeblichen Bestimmungen abgewickelt.
2. Der Anspruch richtet sich grundsätzlich auf Ersatz des Vertrauensschadens (negatives Interesse), d.h. auf Erstattung der nutzlosen Aufwendungen für die Erstellung des Angebots, ausnahmsweise jedoch auf Ersatz des entgangenen Gewinns (positives Interesse), falls der ausgeschriebene Auftrag tatsächlich erteilt wurde und bei ordnungsgemäßem Verfahrensablauf dem übergangenen Bieter hätte zugeschlagen werden müssen.
3. Es ist unabdingbar, dass die Wertung der Angebote nur auf solche Kriterien gestützt wird, die vorher, d.h. bei der Aufforderung zur Angebotsabgabe, bekanntgemacht worden sind. Nur dann ist auch dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit genügt, zu dem die Vorhersehbarkeit und Transparenz staatlichen Handelns gehören.
4. Der Auftraggeber muss die Ausschreibung und insbesondere die Vergabekriterien so klar formulieren, dass jedenfalls fachkundige Bieter keine Verständnisschwierigkeiten haben. Auch ein missverständlich formuliertes Kriterium ist daher nicht hinreichend bekanntgemacht und darf deshalb bei der Wertung der Angebote nicht berücksichtigt werden.
5. Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens eines Bieters darauf, dass das Vergabeverfahren nach den einschlägigen Vorschriften des Vergaberechts abgewickelt wird, entfällt, wenn der Bieter bei der ihm im jeweiligen Fall zumutbaren Prüfung erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass der Auftraggeber von den für ihn geltenden Regeln abweicht.
6. Darüber hinaus verdient sein Vertrauen aber auch dann keinen Schutz, wenn sich ihm die ernsthafte Gefahr eines Regelverstoßes des Auftraggebers aufdrängen muss, ohne dass die Abweichung schon sicher erscheint.
7. So darf sich ein Bieter gegenüber mehrdeutigen Angeboten, die für einen fachkundigen Bieter erkennbar voneinander abweichende, womöglich entgegengesetzte Verständnismöglichkeiten eröffnen, nicht ohne weiteres auf die ihm günstigtere Auslegungsmöglichkeit verlassen.

VPRRS 2004, 0305

VK Nordbayern, Beschluss vom 21.07.2004 - 320.VK-3194-24/04
1. Ein zugelassenes Nebenangebot kann dann nicht gewertet werden, wenn der Auftraggeber weder in der Vergabebekanntmachung noch in den Verdingungsunterlagen die Mindestanforderungen erläutert hat, welche die Nebenangebote erfüllen müssen.*)
2. Legt ein Bieter seine eigenen Verkaufs- und Lieferbedingungen mit seinem Angebot vor, ist das Angebot wegen Änderungen an den Verdingungsunterlagen zwingend auszuschließen (§ 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. d VOL/A).*)

VPRRS 2004, 0303

VK Lüneburg, Beschluss vom 12.07.2004 - 203-VgK-28/2004
1. Um den Bietern eine einwandfreie Preisermittlung zu ermöglichen, ist die in der Praxis übliche Erstellung einer Bewertungsmatrix, in der Unterkriterien entsprechend einer vorher festgelegten Gewichtung aufgeführt werden, ausreichend.
2. Um effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, muss das Vergabeverfahren und alle wesentlichen Entscheidungen laufend und in nachvollziehbarer Weise zu dokumentiert werden.

VPRRS 2004, 0302

VK Lüneburg, Beschluss vom 24.05.2004 - 203-VgK-14/2004
1. Auch der Hinweise auf die Dringlichkeit der Vorlage von Nachweisen oder Angaben führt nicht automatisch dazu, dass diese Anforderungen als Mindestanforderungen zu verstehen sind und im Falle einer Nichtvorlage ein Angebot zwingend auszuschließen ist.
2. Für den Auftraggeber ist es zumutbar im Rahmen der ihm zur Verfügung stehenden Aufklärungsmöglichkeiten und nach § 24 VOL/A auch geboten, die Antragstellerin zunächst aufzufordern fehlende Liste nachzureichen
3. Ein Bieter ist leistungsfähig im Sinne des § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A, wenn er über das für die fach- und fristgerechte Ausführung erforderliche Personal und Gerät verfügt und in der Lage ist, seine Verbindlichkeiten zu erfüllen.

VPRRS 2004, 0301

VK Lüneburg, Beschluss vom 29.04.2004 - 203-VgK-11/2004
1. Die Mitwirkung Dritter beim Vergabeverfahren stellt nicht in jedem Fall ein Verstoß gegen n den Grundsatz der Leistungsvergabe unter ausschließlicher Verantwortung der Vergabestelle gem. § 2 Nr. 3 VOL/A dar. Die Einschaltung eines fachkundigen Dritten kann vielmehr geboten sein, damit sich der Auftraggeber in die Lage versetzt, eine eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung im Sinne von § 8 Nr. 1 Abs. 1 und Abs. 2 VOL/A vorlegen zu können.
2. Gehört ein Bieterunternehmen einem Konzernverbund oder einer Firmengruppe an, ist eine Berücksichtigung von finanziellen, materiellen und personellen Ressourcen anderer Unternehmen dieses Verbundes unbedenklich, wenn und soweit die Firmen dieser Gruppe als wirtschaftliche Einheit betrachtet werden können. Für den Bereich der Referenzen kann ein Bieter auch auf die für ein Tochter- oder Schwesterunternehmen ausgestellten Referenzen zurückgreifen, sofern dieses mit ihm personell weitgehend identisch ist.
3. Für ein offenbares Missverhältnis zwischen Preis und Leistung ist ein beträchtlicher Preisabstand zwischen dem niedrigsten und den nachfolgenden Angeboten für sich genommen noch kein hinreichendes Merkmal. Hinzukommen müssen vielmehr Anhaltspunkte dafür, dass der Niedrigpreis wettbewerblich nicht begründet ist.

VPRRS 2004, 0299

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.05.2004 - 1 VK 25/04
1. Ein Verstoß gegen die Bestimmung, dass ein Vertrag vor Ablauf der Frist oder ohne dass die Information erteilt worden und die Frist abgelaufen ist, nicht erteilt werden darf, verhindert nicht die Anrufung der Vergabekammer, kann jedoch nicht alleine zur Begründetheit eines Nachprüfungsantrags führen.
2. Eine fehlerhafte Information nach § 13 VgV ist kein vergabeverfahrensimmanenter Vergabeverstoß, der sich auf das Wettbewerbsergebnis auswirken kann. Deshalb können durch die festgestellte Nichtigkeit des Zuschlags, die nach Zustellung des Nachprüfungsantrags eine Aussetzung des Vergabeverfahrens nach § 115 Abs. 1 GWB herbeiführt, die Chancen des Bieters auf den Zuschlag weder beeinträchtigt noch verbessert werden.
3. Nach der Bestimmung des § 107 Abs. 3 GWB sollen Nachprüfungsverfahren dadurch vermieden werden, dass Einwendungen zuallererst und rechtzeitig an den Auftraggeber herangetragen werden. Eine Rüge kann auch mündlich erhoben werden.
4. Gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 d VOL/A werden Angebote ausgeschlossen, bei denen Änderungen oder Ergänzungen an den Verdingungsunterlagen vorgenommen worden sind. Die Bestimmung bezieht sich auf § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A, wonach Änderungen und Ergänzungen an den Verdingungsunterlagen unzulässig sind.
5. Soweit der Bieter eine Leistung anbietet, die in den Verdingungsunterlagen nicht vorgesehen ist, sind von ihm im Angebot entsprechende Angaben über Ausführung und Beschaffenheit dieser Leistung zu verlangen (§ 17 Nr. 3 Abs. 5 VOL/A).
6. Das Nebenangebot muss dem Auftraggeber ein klares Bild über die vorgesehene Ausführung geben. Der Bieter hat für die Gleichwertigkeit seines Nebenangebots die Darlegungs- und Beweislast.
7. Der dem Auftraggeber bei der Wertung von Nebenangeboten zustehende Beurteilungsspielraum ist grundsätzlich nur überschritten, wenn das vorgeschriebene Verfahren nicht eingehalten wird, nicht von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen wird, sachwidrige Erwägungen in die Wertung einbezogen werden oder der sich im Rahmen der Beurteilungsermächtigung haltende Beurteilungsmaßstab nicht zutreffend angewandt wird.
8. Gemäß § 16 VgV dürfen als Beauftragte eines Auftraggebers bei Entscheidungen in einem Vergabeverfahren für einen Auftraggeber als voreingenommen geltende natürliche Personen nicht mitwirken, soweit sie in diesem Verfahren Bieter sind.
9. Der Gesetzgeber hat bei der Regelung des Ausschlusses von als voreingenommen geltenden natürlichen Personen gem. § 16 VgV nicht den "bösen Schein" als ausreichend erachtet, sondern er geht vom Erfordernis eines tatsächlichen Interessenkonflikts und einer konkreten Auswirkung der Tätigkeiten der betroffenen Personen auf die Entscheidungen in dem Vergabeverfahren aus.

VPRRS 2004, 0297

OLG Celle, Beschluss vom 02.09.2004 - 13 Verg 11/04
Zu der Frage, ob das einer Ausschreibung von Nahverkehrsleistungen zugrunde gelegte Vertragswerk dem Bieter wegen Unklarheiten ein ungewöhnliches Wagnis aufbürdet, wenn der Auftraggeber Fahrzeuge und Wartungsleistungen beistellt, sich daraus ergebende eigene Vertragspflichten aber dadurch ersetzt, dass er eigene Ansprüche aus den Verträgen mit dem Hersteller- und Wartungsunternehmen an den Auftragnehmer abtritt.*)
