Vergabepraxis & -recht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
410 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2018
VPRRS 2018, 0055EuGH, Urteil vom 20.12.2017 - Rs. C-677/15 P
1. Eine unzureichende Begründung oder ein offensichtlicher Beurteilungsfehler in Bezug auf ein Zuschlagskriterium rechtfertigen nicht die Nichtigerklärung einer Vergabeentscheidung, wenn diese andere Gesichtspunkte enthält, die für sich genommen genügen, um sie rechtlich zu begründen.
2. Die Begründung der Vergabeentscheidung braucht nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte zu umfassen.
3. Die Frage, ob die Begründung den gesetzlichen Erfordernissen genügt, ist nicht nur anhand des Wortlauts des Rechtsakts zu beurteilen, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet.
VolltextOnline seit 2017
VPRRS 2017, 0341VK Sachsen, Beschluss vom 30.08.2017 - 1/SVK/015-17
1. Im Rahmen eines Teilnahmewettbewerbs ist die Entscheidung, welche Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert werden und welche Unternehmen nicht aufgefordert werden, ausschließlich anhand der in der Bekanntmachung angegebenen Eignungskriterien zu treffen. Es ist allein entscheidend, ob die Unternehmen die vom Auftraggeber angelegten Eignungskriterien erfüllen oder nicht.*)
2. Ob ein Kriterium Eignungs- oder Zuschlagskriterium ist, bestimmt sich danach, ob es schwerpunktmäßig die Beurteilung der Eignung des Bieters für den ausgeschriebenen Auftrag betrifft, also unternehmensbezogen ist (Eignungskriterium), oder sich auf die angebotene Leistung bezieht und daher mit der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots zusammenhängt (Zuschlagskriterien).*)
3. Für die Abgrenzung zwischen beiden Arten von Wertungskriterien ist maßgeblich, ob sich ein Wertungsaspekt in seinem wesentlichen Kern bzw. hinsichtlich seines Bewertungsschwerpunkts auf Angaben stützen soll, die nur für den konkreten Auftrag Bedeutung erlangen oder auf Angaben zu den generellen Fähigkeiten und Fertigkeiten des Bieters.*)
4. § 46 Abs. 3 VgV zählt abschließend die Belege auf, die zum Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit herangezogen werden können.*)
VolltextVPRRS 2017, 0278
VK Sachsen, Beschluss vom 13.02.2017 - 1/SVK/032-16
1. Ein Bieter darf eine Leistungsbeschreibung nicht im Sinne einer für ihn - u. U. wirtschaftlich - günstigen Lösung interpretieren oder gar der Leistungsbeschreibung eigenmächtig seine Version aufdrängen. Unterstellt der Bieter für seine Auslegung der Leistungsbeschreibung jedoch ein vermeintlich branchenübliches Begriffsverständnis, sind etwaige Unklarheiten der Leistungsbeschreibung für ihn nicht erkennbar und spätere Einwände hiergegen nicht gem. § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB präkludiert.*)
2. Auch bei einem Verhandlungsverfahren sind aufgestellte Mindestanforderungen der Vergabeunterlagen zu berücksichtigen. Angebote, die diesen nicht entsprechen, sind grundsätzlich auszuschließen.*)
3. Ist den Vergabeunterlagen eindeutig zu entnehmen, dass im Rahmen der Teststellung ein zweikanaliges Gerät präsentiert werden soll, stellt dies eine Mindestbedingung im Vergabeverfahren dar. Der Auftraggeber kann nicht zu Gunsten eines Bieters auf die Erfüllung dieser Mindestbedingung verzichten, da dies eine Ungleichbehandlung gegenüber den anderen Bietern darstellen würde. Er muss somit, auch wenn er im Rahmen des Verhandlungsverfahrens über einen Verhandlungsspielraum verfügt, gleichwohl dafür sorgen, dass die Anforderungen des Auftrags, die er als verbindlich eingestuft hat, erfüllt werden.*)
VolltextVPRRS 2017, 0230
VK Bund, Beschluss vom 30.05.2017 - VK 2-46/17
1. Referenzen müssen nicht mit dem Ausschreibungsgegenstand identisch sein. Es reicht aus, wenn sie ihm nahekommen oder ähneln und einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung ermöglichen.
2. Es ist vergabeverfahrensrechtlich nicht zu beanstanden, wenn in den Vergabeunterlagen lediglich beschrieben wird, dass die zu benennenden Referenzen in den letzten drei Jahren erbracht worden sein und "inhaltlich (von der Aufgabenstellung her) mit den nach der Leistungsbeschreibung zu unterstützenden Aufgabenstellungen vergleichbar sein und ein vergleichbares Maß an Wissen und Erfahrung bedingen" sollen und sodann im Einzelnen näher ausgeführt wird, was der Auftraggeber mit den zu den Referenzprojekten im Einzelnen angeforderten Daten bezweckt bzw. daraus für die Eignungsprüfung abzuleiten beabsichtigt.
VolltextVPRRS 2017, 0228
VK Bund, Beschluss vom 06.12.2016 - VK 1-118/16
Technische Gründe, die ausnahmsweise den Verzicht auf eine Losaufteilung gestatten, sind dann gegeben, wenn bei einer losweisen Ausschreibung das Risiko besteht, dass der Auftraggeber Teilleistungen erhält, die zwar jeweils ausschreibungskonform sind, aber nicht zusammenpassen und deshalb in ihrer Gesamtheit nicht geeignet sind, den Beschaffungsbedarf in der angestrebten Qualität zu befriedigen.
VolltextVPRRS 2017, 0209
EuGH, Urteil vom 04.05.2017 - Rs. C-387/14
1. Art. 51 Richtlinie 2004/18/EG ist in Verbindung mit Art. 2 dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass er es einem Wirtschaftsteilnehmer verwehrt, dem öffentlichen Auftraggeber zum Nachweis dessen, dass er die Teilnahmebedingungen für ein öffentliches Vergabeverfahren erfüllt, nach Ablauf der Frist für die Abgabe von Bewerbungen für den öffentlichen Auftrag Unterlagen vorzulegen, die in seinem ursprünglichen Angebot nicht enthalten waren - etwa einen von einem Drittunternehmen durchgeführten Vertrag sowie die Zusage dieses Unternehmens, dem betreffenden Wirtschaftsteilnehmer die für die Ausführung des Auftrags erforderlichen Kapazitäten und Ressourcen zur Verfügung zu stellen.*)
2. Art. 44 Richtlinie 2004/18/EG ist in Verbindung mit Art. 48 Abs. 2 a dieser Richtlinie und dem in ihrem Art. 2 aufgestellten Grundsatz der Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer dahin auszulegen, dass er es einem Wirtschaftsteilnehmer in dem Fall, dass der öffentliche Auftraggeber der Auffassung ist, dass ein bestimmter Auftrag unteilbar und somit von einem einzigen Wirtschaftsteilnehmer durchzuführen ist, nicht ermöglicht, sich i.S.v. Art. 48 Abs. 3 der Richtlinie auf die Kapazitäten eines anderen Unternehmens zu berufen, indem das Wissen und die Erfahrungen der beiden Unternehmen, die jeweils für sich nicht über die Kapazitäten für die Ausführung des betreffenden Auftrags verfügen, summiert werden, und dass ein solcher Ausschluss der Möglichkeit, sich auf die Erfahrungen mehrerer Wirtschaftsteilnehmer zu berufen, mit dem Gegenstand des betreffenden Auftrags, der somit von einem einzigen Wirtschaftsteilnehmer durchzuführen ist, zusammenhängt und ihm angemessen ist.*)
3. Art. 44 Richtlinie 2004/18/EG ist in Verbindung mit Art. 48 Abs. 2 a dieser Richtlinie und dem in ihrem Art. 2 aufgestellten Grundsatz der Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer dahin auszulegen, dass er es einem Wirtschaftsteilnehmer, der als Einzelner an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags teilnimmt, nicht ermöglicht, die Erfahrung einer Gemeinschaft von Unternehmen geltend zu machen, an der er im Rahmen eines anderen öffentlichen Auftrags beteiligt war, wenn er sich nicht tatsächlich und konkret an dessen Ausführung beteiligt hat.*)
4. Art. 45 Abs. 2 g Richtlinie 2004/18/EG, der den Ausschluss eines Wirtschaftsteilnehmers von der Teilnahme an einem öffentlichen Vergabeverfahren u. a. dann ermöglicht, wenn er sich bei der Erteilung von Auskünften, die von dem öffentlichen Auftraggeber gefordert wurden, "in erheblichem Maße" falscher Erklärungen "schuldig" gemacht hat, ist dahin auszulegen, dass er anwendbar ist, wenn dem betreffenden Wirtschaftsteilnehmer eine Fahrlässigkeit einer gewissen Schwere vorzuwerfen ist, d. h. eine Fahrlässigkeit, die geeignet ist, einen bestimmenden Einfluss auf die Entscheidungen über einen Ausschluss, die Auswahl oder die Vergabe eines öffentlichen Auftrags zu haben, und zwar unabhängig von der Feststellung eines vorsätzlichen Fehlverhaltens dieses Wirtschaftsteilnehmers.*)
5. Art. 44 Richtlinie 2004/18/EG ist in Verbindung mit Art. 48 Abs. 2 a dieser Richtlinie sowie dem in ihrem Art. 2 aufgestellten Grundsatz der Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer dahin auszulegen, dass er es einem Wirtschaftsteilnehmer ermöglicht, Erfahrung geltend zu machen, indem er sich auf zwei oder mehr Verträge zusammen als einen Auftrag beruft, es sei denn, der öffentliche Auftraggeber hat eine solche Möglichkeit aufgrund von Anforderungen ausgeschlossen, die mit dem Gegenstand und den Zielen des betreffenden öffentlichen Auftrags zusammenhängen und diesen angemessen sind.*)
VolltextVPRRS 2017, 0203
VK Westfalen, Beschluss vom 09.06.2017 - VK 1-12/17
1. Leistungsbezogene Unterlagen i. S. v. § 56 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2, Abs. 3 Satz 1 VgV sind nur solche, die den Inhalt der angebotenen Leistung belegen.*)
2. Lässt das Angebot eines Bieters offen, um welchen Hersteller es sich beim angebotenen Produkt handelt, wurde aber die Angabe des Herstellers vom öffentlichen Auftraggeber in der Leistungsbeschreibung gefordert, liegt in der nachträglichen Benennung eines Herstellers nicht bloß ein Beleg des Inhalts der angebotenen Leistung, sondern vielmehr eine erstmalige Festlegung auf einen konkreten Hersteller und damit auf ein Produkt. Dies wird von § 56 Abs. 2 S. 1 VgV nicht gestattet.*)
VolltextVPRRS 2017, 0162
OLG München, Beschluss vom 21.04.2017 - Verg 1/17
1. Angebote, bei denen Änderungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen wurden, sind von der Wertung auszuschließen.
2. Eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen liegt vor, wenn der Bieter von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abweicht, also eine andere als die ausgeschriebene Leistung anbietet. Dabei genügt bereits die formale Abweichung für einen Ausschluss des Angebots, auf die Wettbewerbsrelevanz, Wesentlichkeit oder Geringfügigkeit der Abweichung kommt es nicht an.
3. Auch im Verhandlungsverfahren trifft den Bieter die Obliegenheit, bei der Abgabe seines Angebots die aufgestellten Mindestanforderungen zu beachten und sein Angebot gemäß den Anforderungen abzugeben. Ein Verhandeln über die Mindestanforderungen ist unzulässig.
4. Was als Mindestanforderung nachgefragt wurde, ist aus der Sicht eines verständigen und fachkundigen potentiellen Bieters durch Auslegung der Leistungsbeschreibung zu ermitteln.
5. Sofern sich ergibt, dass die Leistungsbeschreibung zu unbestimmt oder unklar ist, ist sie vergaberechtswidrig. In diesem Fall kann ein "Abweichen" des Bieters auch nicht zu dessen Ausschluss führen.
6. Eine ausreichende Rüge liegt bereits vor, wenn die fragliche Äußerung des späteren Antragstellers gegenüber der Vergabestelle erkennen lässt, dass er einen bestimmten Sachverhalt als Vergaberechtsverstoß ansieht und eine Abhilfe erwartet.
7. An den Wortlaut dürfen keine hohen Anforderungen gestellt werden. Insbesondere muss eine Rüge nicht ausdrücklich als solche bezeichnet werden.
8. Einen erst während des Nachprüfungsverfahrens erkannten und nicht aus der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen erkennbaren Verstoß kann der Antragsteller sofort zum Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens machen, ohne dass es zuvor noch einer Rüge gegenüber der Vergabestelle bedarf.
VolltextVPRRS 2017, 0151
VK Bund, Beschluss vom 23.01.2017 - VK 2-143/16
1. Der öffentliche Auftraggeber kann gegen seinen Willen nicht dazu verpflichtet werden, trotz der von ihm ausdrücklich erklärten Aufhebung das Vergabeverfahren fortzuführen, um einen der Ausschreibung entsprechenden Auftrag zu erteilen. Das gilt selbst dann, kein Aufhebungsgrund im Sinne der anwendbaren Vergabeverordnung vorliegt.
2. Notwendige Voraussetzung für die Aufhebung einer Ausschreibung ist nur, dass der öffentliche Auftraggeber für seine Aufhebungsentscheidung einen sachlichen Grund hat, so dass eine Diskriminierung einzelner Bieter ausgeschlossen und seine Entscheidung nicht willkürlich ist oder lediglich zum Schein erfolgt.
VolltextVPRRS 2017, 0121
VK Bund, Beschluss vom 10.03.2017 - VK 2-19/17
1. Hat ein Bieter durch einen Vorauftrag einen Wettbewerbsvorsprung, weil er sich bereits auf die Besonderheiten des Beschaffungsbedarfs des Auftraggebers (hier: in bautechnischer Hinsicht und in Bezug auf (IT-) Sicherheitsanforderungen) eingerichtet hat, sind dies keine Migrationskosten, die andere Bieter im Rahmen einer Anschubfinanzierung beanspruchen können.
2. Es entspricht der normalen Rollen- und Risikoverteilung im Vertragsverhältnis, dass die Ertüchtigung des Unternehmens zum Markteintritt selbst finanziert werden muss.
3. Nach der "Projektantenproblematik" sind nur Wettbewerbsvorteile ausgleichspflichtig, die sich aufgrund von Vorbefassungen eines Bieters mit der konkreten Ausschreibung in Informationsvorsprüngen dieses Unternehmens auswirken. Wirtschaftliche Vorteils aufgrund eines Vorauftragsverhältnisses sind damit nicht vergleichbar und nicht umfasst.
VolltextVPRRS 2017, 0097
VK Bund, Beschluss vom 20.12.2016 - VK 1-122/16
1. Ob technische Gründe die Unterlassung der Bildung von Fachlosen rechtfertigen, ist anhand des vom öffentlichen Auftraggeber definierten Bedarfs zu prüfen.
2. Technische Gründe für eine Gesamtvergabe sind vor allem dann gegeben, wenn bei einer losweisen Ausschreibung das Risiko besteht, dass der Auftraggeber Teilleistungen erhält, die zwar jeweils ausschreibungskonform sind, aber nicht zusammenpassen und deshalb in ihrer Gesamtheit nicht geeignet sind, den Beschaffungsbedarf in der angestrebten Qualität zu befriedigen.
3. Auch ein höflich formuliertes Schreiben, das mit einer Frage endet, kann die Voraussetzung einer Rüge erfüllen. Voraussetzung ist, dass das Schreiben eine konkrete vergaberechtliche Beanstandung enthält.
VolltextVPRRS 2017, 0093
VK Bund, Beschluss vom 23.12.2016 - VK 1-124/16
1. Die Unwirksamkeit einer abgeschlossenen Rahmenvereinbarung kann grundsätzlich festgestellt werden, wenn diese ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union vergeben wurde, ohne dass dies aufgrund Gesetzes gestattet ist.
2. Diese Feststellung ist jedoch jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn die Unwirksamkeit im Nachprüfungsverfahren erst nach Ablauf von sechs Monaten nach Vertragsschluss geltend gemacht wird.
VolltextVPRRS 2017, 0091
VK Südbayern, Beschluss vom 19.01.2017 - Z3-3-3194-1-47-11/16
1. Der Erklärungswert der Vergabeunterlagen beurteilt sich nach den für die Auslegung von Willenserklärungen maßgeblichen Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB). Bei der Auslegung ist auf den objektiven Empfängerhorizont eines potentiellen und sachkundigen Bieters abzustellen, der die Vergabeunterlagen in ihrer Gesamtheit zur Kenntnis nimmt (BGH, IBR 2014, 328).*)
2. Hat der öffentliche Auftraggeber die Bewertungskriterien konkret abgefasst und zahlreiche Hinweise gegeben, worauf die Bieter in ihren Angeboten einzugehen haben und was zu einer guten Bewertung führen kann, kann er auch ein offenen Wertungssystem mit erheblichem Bewertungsspielraum verwenden. Dies gilt insbesondere für Vergabeverfahren, die noch der Richtlinie 2004/18/EG unterfallen.*)
3. Gewährt ein Bewertungssystem (Zuschlagskriterien in Verbindung mit der Bewertungsskala) dem Auftraggeber einen weiten Beurteilungsspielraum sind erhöhte Anforderungen an die Dokumentation zu stellen, um die Nachvollziehbarkeit sicherzustellen.*)
VolltextVPRRS 2017, 0089
VK Bund, Beschluss vom 09.01.2017 - VK 1-106/16
1. Öffentliche Aufträge dürfen nur an geeignete Unternehmen vergeben werden.
2. Ob Unternehmen geeignet sind, bestimmt sich nach den vom öffentlichen Auftraggeber festgelegten Eignungskriterien, wie sie in der Auftragsbekanntmachung bekanntgegeben worden sind.
3. Unternehmen, die nach den aufgestellten Eignungskriterien nicht geeignet sind, müssen vom weiteren Vergabeverfahren ausgeschlossen werden bzw. dürfen im Falle eines Verhandlungsverfahrens nicht zur Abgabe eines Angebots aufgefordert werden.
VolltextVPRRS 2017, 0066
VK Westfalen, Beschluss vom 07.02.2017 - VK 1-50/16
1. Die (vermeintliche) Verletzung einer Formvorschrift - hier § 55 Abs. 2 VgV - führt nicht automatisch zur Zurückversetzung der Vergabe. Vielmehr muss zusätzlich festgestellt werden, dass der Antragsteller dadurch konkret in seinen Rechten (§ 168 Abs. 1 GWB) verletzt ist.*)
2. Soweit ein Auftraggeber die Vorgaben des § 56 VgV möglicherweise nicht ordnungsgemäß in der Bekanntmachung umgesetzt hat, führt auch dies nicht zu einer Wiederholung der Wertung, wenn der Antragsteller wirtschaftlich gesehen keine Chance auf Zuschlagserteilung hat.*)
VolltextVPRRS 2017, 0062
EuGH, Urteil vom 14.12.2016 - Rs. C-171/15
1. Das Unionsrecht, insbesondere Art. 45 Abs. 2 Richtlinie 2004/18/EG steht dem nicht entgegen, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende einen öffentlichen Auftraggeber verpflichtet, unter Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu prüfen, ob ein Bewerber um einen öffentlichen Auftrag, der eine schwere berufliche Verfehlung begangen hat, tatsächlich auszuschließen ist.*)
2. Die Richtlinie 2004/18/EG, insbesondere deren Art. 2 und Anhang VII Teil A Nr. 17, ist angesichts des Gleichbehandlungsgrundsatzes und des daraus abgeleiteten Transparenzgebots dahin auszulegen, dass sie dem entgegensteht, dass ein öffentlicher Auftraggeber beschließt, einen öffentlichen Auftrag an einen Bieter zu vergeben, der eine schwere berufliche Verfehlung begangen hat, und zwar mit der Begründung, dass der Ausschluss dieses Bieters vom Vergabeverfahren gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen würde, obwohl nach den Ausschreibungsbedingungen für diesen öffentlichen Auftrag ein Bieter, der eine schwere berufliche Verfehlung begangen hat, zwingend und ungeachtet dessen auszuschließen war, ob diese Sanktion verhältnismäßig ist oder nicht.*)
VolltextVPRRS 2017, 0056
VK Bund, Beschluss vom 15.12.2016 - VK 2-121/16
1. Der Auftraggeber hat sicherzustellen, dass der Wettbewerb durch die Teilnahme eines Bieters bzw. Bewerbers nicht verfälscht wird, der vor Einleitung des Vergabeverfahrens den Auftraggeber beraten oder unterstützt hat.
2. Beteiligt sich ein vom Auftraggeber im Vorfeld der Ausschreibung beauftragter Sachverständiger nicht durch Abgabe eines Angebots an dem Vergabeverfahren, ist eine Wettbewerbsverfälschung allenfalls unter der Voraussetzung zu besorgen, dass der Sachverständige bestrebt war, die Vergabeunterlagen zugunsten eines Bieters zu konzipieren.
VolltextOnline seit 2016
VPRRS 2016, 0397VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26.10.2016 - 3 VK LSA 35/16
1. Entspricht das Angebot eines Bieters nicht den Vorgaben der Leistungsbeschreibung (hier: vollautomatische Dienstplansoftware für die Feuerwehr), ist es nicht zuschlagsfähig und damit zwingend auszuschließen.
2. Kann der Bieter im Rahmen der Produktpräsentation nicht nachweisen, dass die angebotene Software die ausgeschriebene, gewünschte Leistung erfüllt und in der Lage ist, die Planung der Dienste unter Berücksichtigung der Fähig- und Fertigkeiten, Qualifikationen, verfügbaren Ressourcen und medizinischen Informationen möglichst ausgewogen und gerecht zu verteilen, ohne dass personelle Ressourcen nötig sind, entspricht das Angebot nicht der Ausschreibung.
3. Es steht im Ermessen des Auftraggebers, welche Anforderungen er an die von ihm ausgeschriebene gewünschte Leistung stellt. Er hat das Recht, die Einzelheiten des Auftrages zu bestimmen und ist in der Auswahl der von ihm zu beschaffenden Leistungen frei.
VolltextVPRRS 2016, 0403
EuGH, Urteil vom 07.09.2016 - Rs. C-549/14
Art. 2 Richtlinie 2004/18/EG ist dahin auszulegen, dass ein öffentlicher Auftrag nach seiner Vergabe nicht wesentlich geändert werden darf, ohne dass ein neues Vergabeverfahren eröffnet wird, selbst wenn die betreffende Änderung objektiv eine Vergleichsvereinbarung darstellt, die von Seiten beider Parteien wechselseitige Zugeständnisse beinhaltet und dazu dient, einen Streit mit ungewissem Ausgang beizulegen, der aus einer Störung des Vertragsverhältnisses entstanden ist. Etwas anderes kann nur gelten, wenn die Auftragsunterlagen sowohl die Befugnis vorsehen, bestimmte, selbst wichtige Bedingungen nach der Auftragsvergabe anzupassen, als auch die Modalitäten regeln, nach denen von dieser Befugnis Gebrauch gemacht wird.*)
VolltextVPRRS 2016, 0386
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.2016 - Verg 47/15
1. Der öffentliche Auftraggeber ist bei der Beschaffungsentscheidung für ein bestimmtes Produkt, eine Herkunft, ein Verfahren oder dergleichen im rechtlichen Ansatz ungebunden und weitestgehend frei. Das Vergaberecht regelt nicht, was der öffentliche Auftraggeber beschafft, sondern nur die Art und Weise der Beschaffung.
2. Im Interesse einer Öffnung des Beschaffungsmarkts der öffentlichen Hand für den Wettbewerb darf der Auftraggeber in technischen Anforderungen nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren verweisen darf, wenn dies nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist oder bestimmte Unternehmen oder Produkte dadurch ausgeschlossen oder begünstigt werden.
3. Der öffentliche Auftraggeber darf den ausgeschriebenen Auftrag auf die Lieferung der Produkte eines Herstellers beschränken, wenn die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist, vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist, solche Gründe tatsächlich vorhanden sind und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert.
VolltextVPRRS 2016, 0503
VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 06.07.2016 - 3 VK 05/16
1. Einen zulässigen Nachprüfungsantrag kann jedes am Auftrag interessierte Unternehmen stellen, das eine Verletzung seiner Rechte nach durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem es schlüssig darlegt, dass ihm durch die Verletzung von bietereigenen Rechten einen Schaden zu erleiden droht.
2. Die behauptete fehlerhafte Aufklärung des angebotenen Preises der Zuschlagsbieterin begründet jedoch keine Antragsbefugnis.
3. Die Aufklärungspflicht ist zum Schutz des betroffenen Bieters bestimmt. Die bieterschützende Wirkung der Vorschrift erstreckt sich damit nicht auf Konkurrenten, sondern nur auf den Bieter, dessen Angebot wegen Unauskömmlichkeit vom Ausschluss bedroht ist
VolltextVPRRS 2016, 0368
OLG Schleswig, Beschluss vom 19.08.2016 - 54 Verg 8/16
1. Die Leistung ist auch im Verhandlungsverfahren eindeutig und erschöpfend zu beschreiben. Allerdings sind diese Anforderung gelockert. Änderungen der Anforderungen an den Beschaffungsgegenstand sind, solange seine Identität gewahrt bleibt, zulässig, weil es gerade Sinn des Verhandlungsverfahrens ist, Klarheit darüber zu erlangen, was genau zu welchem Preis beschafft werden soll.
2. Es kann im Verhandlungsverfahren auch zulässig sein, dass der Auftraggeber den Bietern die Defizite ihrer jeweiligen Angebote aufzeigt und mit ihnen über Verbesserungen verhandelt.
3. Ein indikatives Angebots kann nicht aufgrund von Anforderungen, die erst im Laufe des Verhandlungsverfahrens vom Auftraggeber gestellt werden, ausgeschlossen werden.
VolltextVPRRS 2016, 0367
OLG Schleswig, Beschluss vom 19.08.2016 - 54 Verg 7/16
1. Die Leistung ist auch im Verhandlungsverfahren eindeutig und erschöpfend zu beschreiben. Allerdings sind diese Anforderungen gelockert. Änderungen der Anforderungen an den Beschaffungsgegenstand sind, solange seine Identität gewahrt bleibt, zulässig.
2. Es kann im Verhandlungsverfahren auch zulässig sein, dass der Auftraggeber den Bietern die Defizite ihrer jeweiligen Angebote aufzeigt und mit ihnen über Verbesserungen verhandelt.
3. Ein indikatives Angebot kann nicht aufgrund von Anforderungen, die erst im Laufe des Verhandlungsverfahrens vom Auftraggeber gestellt werden, ausgeschlossen werden.
VolltextVPRRS 2016, 0351
OLG Frankfurt, Beschluss vom 01.09.2016 - 11 Verg 6/16
1. Die Überprüfung von Mindestanforderungen i.S.v. § 21 Abs. 2 Satz 2 VSVgV beschränkt sich darauf, ob die vergaberechtlichen Grenzen der Bestimmungsfreiheit eingehalten wurden. Dies ist der Fall, wenn die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist, vom Auftraggeber tatsächlich vorhandene und nachvollziehbare Gründe auftragsbezogener Art angegeben wurden und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert.*)
2. Hält sich die Mindestanforderung an diese Anforderung, kommt es nicht darauf an, ob auf dem Markt neuere, zukunftsfähigere, sichere oder üblichere Lösungen für die zu beschaffende Leistung vorhanden sind.*)
VolltextVPRRS 2016, 0333
OLG Schleswig, Beschluss vom 28.06.2016 - 54 Verg 2/16
1. Wird eine Mehr-Länder-Vergabestelle "im Auftrag" eines öffentlichen Auftraggebers aus einem bestimmten Bundesland tätig, ist für einen Nachprüfungsantrag die für jenes Bundesland zuständige Vergabekammer örtlich zuständig.*)
2. Der Benennung der "zuständigen Stelle" für Nachprüfungsverfahren in der EU-Vergabebekanntmachung kommt keine rechtlich bindende Wirkung zu.*)
3. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag im Falle örtlicher Unzuständigkeit von Amts wegen an die örtlich zuständige Vergabekammer zu verweisen. Sie ist daran auch dann nicht gehindert, wenn sich die Beteiligten rügelos auf die Verhandlung vor der örtlich unzuständigen Kammer eingelassen haben. Die Verweisung an die örtlich zuständige Vergabekammer ist für diese bindend.*)
4. Im Beschwerdeverfahren bleibt die örtliche Unzuständigkeit der Vergabekammer ohne Folgen, es sei denn, der Zuständigkeitsmangel ist rechtlich unhaltbar. Dann kann der Vergabesenat die Sache an die Vergabekammer zurückverweisen oder entsprechend § 281 ZPO eine Verweisung der sofortigen Beschwerde an den (örtlich) zuständigen Vergabesenat beschließen.*)
5. In einem Teilnahmewettbewerb sind zunächst die Mindestanforderungen an die Eignung und sodann die Auswahlkriterien zu prüfen. Die in der EU-Vergabebekanntmachung angegebenen Eignungsanforderungen dürfen durch die Teilnahmeunterlage nicht nachträglich verschärft werden. Der Ausschluss einer Bewerbung wegen verfehlter (Mindest-) Anforderungen setzt voraus, dass diese zuvor eindeutig und präzise benannt werden.*)
6. Werden "vergleichbare" Referenzen gefordert, sind an deren "erfolgreichen" Abschluss die gleichen Anforderungen zu stellen, wie sie für den zu vergebenden Auftrag gelten sollen. Umfasst dieser die Lieferung und "Pflege" von IT-Leistungen, dürfen die Referenzen mangels gegenteiliger Angabe in den Vergabeunterlagen auch die Pflege (mit) umfassen. Die Vergabestelle ist ansonsten nicht befugt, der Referenzanforderung nachträglich ein - für die Auftragsbewerber nicht voraussehbares - Verständnis zu unterlegen.*)
7. Die inhaltliche Vergleichbarkeit von Referenzprojekten erfordert die Prüfung, ob eine Referenzleistung der ausgeschriebenen Leistung so weit ähnelt, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung ermöglicht.*)
8. Ob die (technische) Leistungsfähigkeit für eine Softwareentwicklung im Bereich der Sozialverwaltung gegeben ist, ist nicht allein aus einem Gesetzesvergleich der relevanten Sozialleistungsgesetze abzuleiten. Im Hinblick auf bestehende Gemeinsamkeiten kann einem Bewerber, der eine Referenz (nur) zu einem Sozialleistungsbereich vorlegt, nicht von vornherein die Verfehlung der Mindestanforderungen an die Leistungsfähigkeit für IT-Leistungen für einen anderen Sozialleistungsbereich angelastet werden.*)
9. Auch im Bereich der Auswahlkriterien sind "vergleichbare" Referenzprojekte nur Teil einer Prognosegrundlage für die (spätere) Phase der Leistungserbringung, um festzustellen, ob im Hinblick auf durchgeführte Aufträge die Leistungsfähigkeit auch im Hinblick auf den zu vergebenden Auftrag erwartet werden kann; es geht- mit einem Wort - um die Prognose, ob aufgrund bisheriger Tätigkeiten die Erwartung begründet ist, dass der betroffene Auftragsbewerber "so etwas kann."*)
10. Im Beschwerdeverfahren kann die Zulassung zur Angebotsabgabe im Verhandlungsverfahren nur beansprucht werden, wenn die Bewerbung die für die Auswahl erforderliche Mindestpunktzahl (sicher) erreicht. Ist dies nicht festzustellen, kann der Senat nicht "durchentscheiden", sondern muss der Vergabestelle die Möglichkeit belassen, neu über eine Punktevergabe zu entscheiden.*)
11. Von einem Interessenkonflikt auszugehen, wenn Personen Einfluss auf das Vergabeverfahren haben, die ein Interesse finanzieller, wirtschaftlicher oder persönlicher Natur verfolgen oder die zugleich Beziehungen zum öffentlichen Auftraggeber haben. Das ist der Fall, wenn natürliche Personen im Vergabeverfahren sowohl als Beauftragter des Auftraggebers, als auch beratend oder sonst unterstützend für einen Bieter oder Bewerber tätig sind.*)
12. Werden für einen Interessenkonflikt bestimmte Anhaltspunkte dargelegt, trifft die Vergabestelle eine (Dokumentations- und) sekundäre Darlegungslast zu der Frage, welche Personen an der Vorbereitung des Vergabeverfahrens und an den Bewertungen und Entscheidungen im Vergabeverfahren beteiligt waren/sind und ob darunter Personen sind, die einen Interessenkonflikt auslösen. Ob ein Interessenkonflikt auch vorliegt, wenn "Honorarkräfte" eines Mitbewerbers im Rahmen von Vorträgen oder Schulungen für die Vergabestelle oder den Bedarfsträger tätig werden, bleibt offen.*)
13. Der Streitwert gem. § 50 Abs. 2 GKG wird um einen Abschlag von 20% gemindert, wenn nur um eine Bewerbung für ein Verhandlungsverfahren gestritten wird.*)
VolltextVPRRS 2016, 0283
VK Sachsen, Beschluss vom 07.06.2016 - 1/SVK/010-16
1. Nach § 7 EG Abs. 9 VOL/A 2009 kann sich ein Bieter zum Nachweis der Leistungsfähigkeit und Fachkunde der Fähigkeiten anderer Unternehmen bedienen ungeachtet des rechtlichen Charakters der zwischen ihm und dem Unternehmen bestehenden Verbindungen. Der Bieter hat in einem solchen Fall dem Auftraggeber nachzuweisen, dass ihm bei Erfüllung des Auftrags die notwendigen Mittel zur Verfügung stehen. Gleiches gilt für Bewerber eines Verhandlungsverfahrens mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb.*)
2. Der Vermengung der Begriffe Nachunternehmereinsatz und Eignungsleihe ist zu widersprechen. Sie dürfen nicht im Sinne einer Identität verstanden werden.*)
3. Hinsichtlich des Nachweises der Eignung ist zu unterscheiden, ob die eigene Eignung durch einen Dritten nachgewiesen wird, oder, ob der Nachweis der fremden Eignung (des Nachunternehmens) ausreichend ist.*)
4. Der Umfang und die Bedeutung des Auftrags für einen Auftraggeber begründen allein noch keine "besonderen Umständen" im Sinne des Urteils des EuGH vom 7. April 2016 - C-324/14 -, welche eine Einschränkung des Rechts sich für einen bestimmten Auftrag auf die Kapazitäten anderer Unternehmen zu stützen, ermöglichen. Vielmehr müssen dafür Umstände vorliegen, die einer Übertragung der Fähigkeiten des Dritten, auf die sich der Bieter beruft, entgegenstehen.*)
VolltextVPRRS 2016, 0260
VG München, Urteil vom 19.06.2012 - 16 K 11.3887
(Ohne amtlichen Leitsatz)
VolltextVPRRS 2016, 0251
BVerwG, Urteil vom 13.04.2016 - 8 C 2.15
1. Sofern kein besonderer Markt durch Ausschreibung geschaffen wurde, sind Leistungen im preisrechtlichen Sinne "marktgängig", wenn sie auf einem bestimmten (allgemeinen) Markt bei tatsächlich wettbewerblicher Preisbildung wiederholt umgesetzt werden.*)
2. Bei unvollkommenen Märkten, auf denen für gleiche Leistungen verschiedene Preise gezahlt werden, ist als preisrechtlich höchstzulässiger "verkehrsüblicher Preis" einer marktgängigen Leistung der "betriebssubjektive Marktpreis" anzusehen.*)
3. "Betriebssubjektiver Marktpreis" ist der Preis, den derselbe Anbieter für gleiche marktgängige Leistungen wiederholt bei tatsächlich funktionierendem Wettbewerb auf dem Markt durchsetzen konnte. Besteht ein Nachfragemonopol der öffentlichen Hand, genügt die wettbewerbliche Durchsetzung des Preises gegenüber dem einen öffentlichen Auftraggeber.*)
VolltextVPRRS 2016, 0218
OLG Frankfurt, Beschluss vom 03.05.2016 - 11 Verg 12/15
1. Eine unzulässige De-facto-Vergabe kann auch im Falle von Vertragsänderungen nur innerhalb von sechs Monaten nach Vertragsabschluss geltend gemacht werden. Auf den Zeitpunkt der Änderung kann für den Fristbeginn nur dann abgestellt werden, wenn die Änderung isoliert angegriffen werden kann.*)
2. Ein unterlegener Bieter kann im Rahmen eines Vergabenachprüfungsverfahrens nicht verlangen, dass der Auftraggeber im Rahmen seines Vertragsverhältnisses mit dem bezuschlagten Bieter von etwaigen Leistungsstörungsrechten Gebrauch macht.*)
VolltextVPRRS 2016, 0215
VK Bund, Beschluss vom 29.04.2016 - VK 2-23/16
1. Angebote, bei denen Änderungen oder Ergänzungen an den Vertragsunterlagen vorgenommen wurden, sind zwingend auszuschließen. Ob der Bieter nicht das angeboten hat, was der Auftraggeber nachgefragt hat, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln.
2. Der Auftraggeber darf den Inhalt des Angebots aufklären. Eine Aufklärung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn Restzweifel ausgeräumt werden sollen, um dem Auftraggeber eine ordnungsgemäße Wertung des Angebots zu ermöglichen.
3. Eine Angebotsaufklärung darf nicht dazu führen, dass einem nicht annahmefähigen Angebot nachträglich zur Annahmefähigkeit verholfen wird, indem der Angebotsinhalt nachträglich geändert und erst so in Übereinstimmung zur Leistungsbeschreibung gebracht wird.
VolltextVPRRS 2016, 0186
VK Brandenburg, Beschluss vom 16.06.2015 - VK 9/15
1. Ein nicht fristgerecht eingegangenes Angebot ist zwingend von der Wertung auszuschließen, es sei denn, der verspätete Eingang wurde durch Umstände verursacht, die dem Bieter nicht zuzurechnen sind.
2. Das Risiko der Übermittlung und des rechtzeitigen Eingangs seines Angebots beim Auftraggeber hat der Bieter zu tragen. Ein verspäteter Eingang des Angebots ist ihm nur dann nicht zuzurechnen, wenn die Verspätung entweder vom Auftraggeber oder von niemandem, z.B. aufgrund von Naturereignissen oder anderen unabwendbaren Ereignissen, zu vertreten ist.
VolltextVPRRS 2016, 0158
VK Bund, Beschluss vom 09.09.2015 - VK 1-82/15
1. Der öffentliche Auftraggeber grundsätzlich zur sog. produktneutralen Ausschreibung verpflichtet; insbesondere darf der Beschaffungsgegenstand nicht auf bestimmte Produkte eines bestimmten Herstellers beschränkt werden.
2. Von diesem Grundsatz darf der Auftraggeber ausnahmsweise abweichen, wenn dies durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist.
3. Eine Markterforschung oder Markterkundung, ob eine andere Lösung (mit Wettbewerbsprodukten) möglich ist, ist in diesem Fall aber nicht erforderlich.
VolltextVPRRS 2016, 0122
VK Westfalen, Beschluss vom 01.03.2016 - VK 1-2/16
1. Es stellt einen Verstoß gegen das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung des § 8 EG Abs. 1 VOL/A 2009 dar, wenn das Leistungsverzeichnis lediglich in Kurzform die anzuschaffenden Produkte und deren Menge bezeichnet, und auch der vom erfolgreichen Bieter abzuschließende Vertragsentwurf in den Vergabeunterlagen fehlt, so dass die Bieter nicht wissen, zu welchen Konditionen sie liefern müssen.*)
2. Die Vergabestelle darf sich beim Kauf von Software-Volumenlizenzen nicht auf Neulizenzen festlegen und damit zugleich die Lieferung gebrauchter Lizenzen ausschließen, um dem Risiko, bei der Verwendung von Software mit Gebrauchtlizenzen vom Hersteller auf Unterlassung oder Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden, zu entgehen. Diesem Risiko kann sie dadurch begegnen, dass sie sich von den Bietern einen geeigneten Nachweis für die Erschöpfung des Verbreitungsrechts vorlegen lässt oder eine Freistellungsvereinbarung in den abzuschließenden Vertrag aufnimmt. Wenn die Vergabestelle auf bestimmte Eigenschaften der Neulizenzen Wert legt, wie zum Beispiel ein Downgrade-Recht, kann sie diese Erwartung in der Ausschreibung formulieren.*)
3. Indem die Vergabestelle eine Beschränkung auf Neulizenzen und die Registrierung der Bieter zu einem "Microsoft Select Plus Vertrag" gefordert hat, wird der Anbieterkreis von vornherein in unzulässiger Weise beschränkt.*)
VolltextVPRRS 2016, 0116
VK Westfalen, Beschluss vom 29.02.2016 - VK 1-5/06
Sämtliche Erklärungen der Vergabestelle - sei es in den Vergabeunterlagen oder in Antworten auf Bieteranfragen - müssen eindeutig und unmissverständlich sein.
VolltextVPRRS 2016, 0105
VK Bund, Beschluss vom 04.01.2016 - VK 2-125/15
1. Eine Gesamtvergabe von Leistungen ist gerechtfertigt, sofern wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Bei der Entscheidung für oder gegen eine Gesamtvergabe kommt dem Auftraggeber ein Einschätzungsspielraum zu.
2. Rechtliche Schwierigkeiten bei der Gewährleistung stellen das schwächste Argument für eine Gesamtvergabe dar, da dies bei einer Losaufteilung regelmäßig der Fall ist.
3. Eine Gesamtvergabe ist zulässig, wenn eine Losaufteilung vergaberechtlich höchst angreifbar wäre.
VolltextVPRRS 2016, 0042
VK Lüneburg, Beschluss vom 04.12.2015 - VgK-44/2015
1. Muss der öffentliche Auftraggeber das Vergabeverfahren in das Stadium vor Aufforderung zur Abgabe des finalen Angebots zurückversetzen, ist es nicht beanstanden, wenn er auch die Vergabeunterlagen (hierunter das Leistungsverzeichnis, die Bewertungsmatrix und das Preisblatt) überarbeitet und den Bietern die Neufassungen mit der erneuten Aufforderung zur Angebotsabgabe bekannt gibt.
2. Der Auftraggeber ist nicht gehalten, die Angaben der Bieter in den neuen finalen Angeboten im Wege einer erneuten Angebotspräsentation zu überprüfen, um zu verifizieren, ob und wie die Bieter die erneute Aufforderung zur Abgabe des Angebots genutzt haben, um ihr eigenes Angebot zu optimieren. Er ist vielmehr berechtigt und auch gehalten, von den Bietern Aufklärungen über einzelne Leistungspositionen und angebotene Funktionen zu verlangen, wenn er Zweifel an den diesbezüglichen Erläuterungen und Ausführungen in den neuen finalen Angeboten hat.
3. Die Aufgreifschwelle, die einen im Verhältnis zu der angebotenen Leistung ungewöhnlich niedrigen Angebotspreis indiziert, beträgt bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen 20%.
VolltextVPRRS 2016, 0026
LG Rostock, Urteil vom 06.11.2015 - 3 O 703/15
1. § 12 Abs. 1 VgG M-V bestimmt eine Wartefrist zwischen Ankündigung der Zuschlagserteilung und der Zuschlagserteilung.
2. Ein Verstoß gegen die in § 12 Abs. 1 VgG M-V geregelte Wartefrist ist kein Verstoß gegen § 134 BGB und führt mithin nicht zur Nichtigkeit des Vertrags.
VolltextVPRRS 2016, 0019
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29.09.2015 - 3 VK LSA 65/15
Aus Gründen der Transparenz der von den Bietern zu erfüllenden Anforderungen verlangt § 12 Abs. 2 VOL/A 2009, dass vorzulegende Unterlagen und die Zuschlagskriterien bereits in der Bekanntmachung genannt werden. Diese können in anderen Unterlagen, z. B. den Vergabeunterlagen, lediglich präzisiert, aber keinesfalls verschärft, erleichtert, zurückgenommen oder neu eingeführt werden. Gemäß § 8 VOL/A 2009 müssen die Vergabeunterlagen alle Angaben umfassen, die erforderlich sind, um eine Entscheidung zur Teilnahme am Vergabeverfahren oder zur Angebotsabgabe zu ermöglichen. Unter anderem enthalten die Vergabeunterlagen die Beschreibung der Einzelheiten der Durchführung des Verfahrens (Bewerbungsbedingungen), einschließlich der Angabe der Zuschlagskriterien, sofern nicht in der Bekanntmachung bereits genannt sind.*)
VolltextOnline seit 2015
VPRRS 2015, 0394VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.09.2015 - 1 VK 30/15
1. Ist das Vergabeverfahren bereits weitgehend abgeschlossen, hat die Verwaltung die Wertung vorgenommen und eine Vorentscheidung über den Zuschlag getroffen und fehlt es nur noch an einer formellen Entscheidung über den Zuschlag durch den hierfür zuständigen Ausschuss, führt eine Verletzung des Vertraulichkeitsgrundsatzes bei den Bietern nicht mehr zwingend zu einer Rechtsverletzung.
2. Von einem Bieter ist zu erwarten, dass er sich bei der Ausarbeitung seines Angebots damit befasst, welche Nachweise und Erklärungen er zum Nachweis seiner Eignung vorzulegen hat. Sind die Vergabeunterlagen widersprüchlich, weil ein bestimmter Nachweis einmal vorzulegen ist und einmal hierauf verzichtet wird, muss er dies erkennen und rechtzeitig rügen.
3. Für einen durchschnittlichen Bieter, einen Kaufmann, ist erkennbar, wenn eine Wertungsmatrix zu unbilligen Ergebnissen führt, so dass ein solcher Fehler bis zur Angebotsabgabe gerügt werden muss.
4. Ein Unternehmen kann sich sowohl als Bieter als auch als Nachunternehmer eines anderen Bieters an einem Vergabeverfahren beteiligen.
5. Die Verwendung des Preises als alleiniges Zuschlagskriterium ist jedenfalls dann zulässig, wenn die Vergabestelle den Leistungsinhalt in den Vergabeunterlagen sehr detailliert geregelt hat.
VolltextVPRRS 2015, 0390
VK Baden Württemberg, Beschluss vom 20.03.2015 - 1 VK 6/15
1. Sind Vergabeunterlagen widersprüchlich, so dass der Bieter sich bei Erstellen des Angebots im Unklaren darüber befindet, was er anbieten soll oder anbieten darf, so erkennt er zu diesem Zeitpunkt den Vergabefehler, die Widersprüchlichkeit. Versteht der Bieter eine Forderung im Anforderungskatalog hingegen nicht als widersprüchlich, trifft ihn auch keine Rügeobliegenheit.
2. Angebote, bei denen Änderungen oder Ergänzungen an den Vertragsunterlagen vorgenommen worden sind, sind auszuschließen. Das gilt auch bei der Durchführung des Verhandlungsverfahrens, das an sich grundsätzlich eine Konkretisierung der Leistung erlaubt.
VolltextVPRRS 2015, 0392
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.09.2015 - 1 VK 36/15
1. Auch im Rahmen eines Vergabeverfahrens nach der VOF ist das Angebot eines Bieters, das Änderungen an den vom Auftraggeber festgelegten Vertragsunterlagen enthält, von der Wertung auszuschließen.
2. Die Frage, ob ein Angebot Änderungen an den Vertragsunterlagen enthält, ist erforderlichenfalls durch eine Auslegung des Angebots zu beantworten. Dabei dürfen einzelne Textpassagen nicht isoliert betrachtet werden, sondern sind im Zusammenhang mit der übrigen Darstellung zu lesen.
VolltextVPRRS 2015, 0405
EuGH, Urteil vom 06.10.2015 - Rs. C-203/14
1. Art. 1 Abs. 8 Richtlinie 2004/18/EG ist dahin auszulegen, dass der Begriff "Wirtschaftsteilnehmer" in Unterabs. 2 dieser Bestimmung auch öffentliche Stellen erfasst, die sich somit an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen können, wenn und soweit sie berechtigt sind, auf einem Markt Leistungen gegen Entgelt anzubieten.*)
2. Art. 52 Richtlinie 2004/18/EG ist dahin auszulegen, dass er zwar bestimmte Erfordernisse hinsichtlich der Festlegung der Bedingungen für die Eintragung der Wirtschaftsteilnehmer in die nationalen amtlichen Verzeichnisse und für die Zertifizierung enthält, doch die Bedingungen für die Eintragung dieser Wirtschaftsteilnehmer in die nationalen amtlichen Verzeichnisse oder für ihre Zulassung zur Zertifizierung sowie die insoweit bestehenden Rechte und Pflichten der öffentlichen Einrichtungen nicht abschließend festlegt. Die Richtlinie 2004/18/EG ist jedenfalls dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der einerseits nationale öffentliche Stellen, die berechtigt sind, die in der betreffenden Auftragsbekanntmachung angegebenen Bauleistungen, Waren oder Dienstleistungen anzubieten, nicht in diese Verzeichnisse eingetragen oder nicht zertifiziert werden können, während andererseits das Recht, sich an der betreffenden Ausschreibung zu beteiligen, allein den in diese Verzeichnisse eingetragenen oder zertifizierten Wirtschaftsteilnehmern vorbehalten ist.*)
VolltextVPRRS 2015, 0377
LG Frankfurt/Main, Beschluss vom 16.09.2015 - 3-10 O 119/15
Begehrt ein Antragsteller mit seinem Haupt- und Hilfsantrag eine Unterlassung in einem Vergabeverfahren, sind die Zivilgerichte auch nicht zuständig, wenn der Antragsteller seinen Anspruch auf die § 33 Abs. 1, § 19 Abs. 2 Nr. 5 GWB stützt, denn insoweit handelt es sich um einen sonstigen primärrechtlichen Anspruch im Sinne von § 104 Abs. 2 GWB für den die Vergabekammern sachlich zuständig sind.*)
VolltextVPRRS 2015, 0346
VK Lüneburg, Beschluss vom 08.07.2015 - VgK-22/2015
Behält sich der Auftraggeber in der Aufforderung zum finalen Angebot vor, erst nach Submission zu entscheiden, welche Angebotsvarianten er bei der Wertung des Preises berücksichtigen wird, kann er Einfluss auf die Rangfolge der Angebote bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots nehmen. Dadurch verstößt er sowohl gegen das Gebot der eindeutigen Leistungsbeschreibung als auch gegen das vergaberechtliche Transparenzgebot.
VolltextVPRRS 2015, 0355
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.10.2015 - Verg 28/14
1. Die Präklusionsbestimmungen des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB sind gemäß ihrem Wortlaut streng auszulegen und anzuwenden, um den durch die Rechtsmittelrichtlinie der Union garantierten Primärrechtsschutz nicht einzuschränken.*)
2. Die Wahrung der Rügeobliegenheit durch den Antragsteller ist ein Zulässigkeitserfordernis des Nachprüfungsantrags, das nicht mit der Begründung dahingestellt bleiben kann, der Nachprüfungsantrag sei jedenfalls unbegründet.*)
3. Zum Vorliegen eines Verschlusssachenauftrags im Sinn des § 99 Abs. 9 GWB.*)
4. Zu den vom Transparenzgebot gestellten Anforderungen, sofern der öffentliche Auftraggeber in einer Phase des Verhandlungsverfahrens ohne erneute Verhandlungen mit Bietern einen Zuschlag erteilen will.*)
5. Eine Verhandlungsrunde ist begrifflich erst nach Durchführen von Verhandlungen des Auftraggebers mit den Bietern über die Angebote oder die Leistungen abgeschlossen. Nicht aber erfüllt das bloße Einreichen von Angeboten bereits den Begriff der Verhandlung.*)
6. Zu intransparenten Bewertungsmaßstäben beim Zuschlagskriterium der Qualität.*)
7. Zur Vermengung von Eignungs- und Zuschlagskriterien im Anschluss an EuGH, Urteil vom 26.03.2015 - Rs. C-601/13 (Ambisig).*)
8. Aus dem in § 14 Abs. 1 Satz 2 VSVgV enthaltenen Verbot, das Instrument der Rahmenvereinbarung missbräuchlich oder wettbewerbseinschränkend einzusetzen, folgt, dass der Auftraggeber Bietern auch im Anwendungsbereich der VSVgV, um eine wettbewerbskonforme Auftragsvergabe zu gewährleisten, hinsichtlich des Auftragsumfangs diejenigen Angaben zu machen hat, die ihm, um einen Eingang wettbewerblich vergleichbarer Angebote zu sichern, liquide verfügbar oder die in zumutbarer Weise zu beschaffen sind und welche die Bieter für eine seriöse Kalkulation der Angebote benötigen, ohne auf mehr oder minder willkürliche Schätzungen angewiesen zu sein.*)
9. In Vergabeverfahren ist die Einreichung mehrerer Hauptangebote durch Bieter nicht generell, sondern nur unter der Voraussetzung zugelassen, dass der Auftraggeber solches in den Vergabeunterlagen veranlasst oder sonst dazu aufgefordert hat.*)
10. Zu den Anforderungen an eine fortlaufende Dokumentation des Vergabeverfahrens und an eine Heilung von Mängeln.*)
11. Im weitesten Sinn: Zu "No-Spy"-Anforderungen (zur Datensicherheit) des öffentlichen Auftraggebers.*)
12. Diesbezügliche Forderungen des Auftraggebers sind keine rechtlich zulässigen Anforderungen an die Eignung der Bewerber oder Bieter, sondern nur als besondere Anforderungen an die Auftragsausführung im Sinn des § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB (Richtlinie 2009/81/EG Art. 20; Richtlinie 2004/18/EG Art. 26) zugelassen.*)
13. Dagegen mit Blick auf eine Diskriminierung von Unternehmen in EU-Mitgliedstaaten vorgebrachte Bedenken greifen im Ergebnis nicht durch, sofern der öffentliche Auftraggeber für die Forderung der Datensicherheit einen anerkennenswerten und durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigten sachlichen Grund, wie einen Schutz sensibler, für den Schutz des Staates relevanter Daten, namhaft machen kann und sämtliche auftragsinteressierten Unternehmen - gleichviel, ob sie der Europäischen Union, dem Europäischen Wirtschaftsraum oder einem Drittstaat angehören - diskriminierungsfrei mit derselben Anforderung belegt werden.*)
VPRRS 2015, 0276
VK Bund, Beschluss vom 22.07.2015 - VK 2-61/15
1. Aufgrund der schwerwiegenden Konsequenzen, die ein Angebotsausschluss für die Bieter zwangsläufig hat, kommt ein solcher nur in Betracht, wenn der entsprechende Nachweis wirksam gefordert und eindeutig war.
2. Der öffentliche Auftraggeber muss die Ausschreibungsbedingungen so klar formulieren, dass objektive, fachkundige Bieter keine Verständnisschwierigkeiten haben. Verbleiben etwaige Unklarheiten, gehen diese zu seinen Lasten.
VolltextVPRRS 2015, 0263
VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 06.05.2015 - VK-SH 4/15
1. Es liefe dem Charakter des § 101b Abs. 1 Nr. 1 GWB als Ausnahmevorschrift zu § 114 Abs. 2 Satz 1 GWB evident zuwider, wenn ein Auftragsbewerber nach Erteilung des Zuschlags über den Hebel des § 101b Abs. 1 Nr. 1 GWB mit insoweit nicht durchgreifenden Behauptungen die detaillierte Überprüfung des - mit der Erteilung des Zuschlags grundsätzlich abgeschlossenen - Wertungsvorgangs der Vergabestelle verlangen könnte.*)
2. Die Vorabinformation gemäß § 101a GWB muss dem erfolglosen Bewerber hinreichend deutlich machen, aus welchem Grund sein Angebot nicht zu berücksichtigen war. Entscheidend kommt es darauf an, dass der unterlegene Bieter eine aussagekräftige Begründung für die Nichtberücksichtigung seines Angebots erhält. Voraussetzung für ein ordnungsgemäßes Informationsschreiben nach § 101a GWB ist auch, dass der darin angegebene Grund der Nichtberücksichtigung der Wahrheit entspricht. Die Vergabestelle darf also nicht bewusst unzutreffende Angaben über den Grund für die Nichtberücksichtigung machen, etwa um den Bieter über die Aussichten eines Nachprüfungsantrages zu täuschen (hier verneint).*)
3. Über Beweisanträge entscheidet die Kammer unter Berücksichtigung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 110 Abs. 1 Satz 1 GWB). Dabei ist sie in analoger Anwendung des § 86 Abs. 1 Satz 2 VwGO an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden, sondern entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen über die Art und den Umfang der Ermittlungen. Die Kammer hat folglich nicht schon dann in die Beweiserhebung einzutreten, wenn eine entscheidungserhebliche Tatsche streitig ist, sondern vielmehr erst dann, wenn ihr das Vorliegen entscheidungserheblicher Tatschen ernsthaft zweifelhaft erscheint.*)
VolltextVPRRS 2015, 0195
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.05.2015 - 1 S 383/14
1. Die Regelung in einer kommunalen Friedhofssatzung, dass nur Grabsteine verwendet werden dürfen, die nachweislich ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt sind, und dass der Nachweis mittels Zertifikat einer anerkannten Organisation erbracht wird, ist mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht vereinbar, wenn weder eine hinreichend gesicherte Verkehrsauffassung besteht, welche Zertifikate als vertrauenswürdig gelten können, noch eine zuständige staatliche Stelle Zertifikate als vertrauenswürdig anerkannt hat noch ausdrücklich unter Benennung der Zertifikate geregelt ist, welche Zertifikate als Nachweis ausreichen (Bestätigung der Senatsrechtsprechung, vgl. Urteil des Senats vom 29.04.2014 - 1 S 1458/12, IBRRS 2014, 4426 = VPRRS 2014, 0694).*)
2. Eine hinreichend gesicherte Verkehrsauffassung, welche Zertifikate über Grabsteine, die ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt sind, als vertrauenswürdig gelten können, ist derzeit nicht festzustellen.*)
VolltextVPRRS 2015, 0138
EuGH, Urteil vom 16.04.2015 - Rs. C-278/14
Art. 23 Abs. 8 Richtlinie 2004/18/EG ist auf einen öffentlichen Auftrag, dessen Wert den in dieser Richtlinie vorgesehenen Schwellenwert nicht erreicht, nicht anwendbar. Im Rahmen eines Auftrags, der nicht unter diese Richtlinie fällt, an dem aber ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse besteht, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist, sind die Grundregeln und die allgemeinen Grundsätze des AEU-Vertrags, insbesondere die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung sowie die daraus folgende Pflicht zur Transparenz, dahin auszulegen, dass der öffentliche Auftraggeber ein den Anforderungen der Vergabebekanntmachung entsprechendes Angebot nicht ablehnen kann, indem er sich auf Gründe stützt, die in dieser Bekanntmachung nicht vorgesehen sind.*)
VolltextVPRRS 2015, 0106
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.06.2014 - Verg 47/13
1. Welchen Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit (Eignungsnachweis) teilnehmende Unternehmen vorzulegen haben, legt der öffentliche Auftraggeber eigenverantwortlich im Rahmen der ihm durch das Vergaberecht gezogenen Grenzen fest.
2. Der Auftraggeber kann zum Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit eine verbindliche Selbsteinschätzung des teilnehmenden Unternehmens verlangen, nach der sich das Unternehmen in der Lage sieht, das in §§ 17, 18 De-Mail-Gesetz eingeführte Akkreditierungsverfahren erfolgreich zu durchlaufen und das dafür eingeführte Gütezeichen zu erlangen, wenn diese Anforderung an die Eignung mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängt und ihm angemessen ist.
Volltext