Vergabepraxis & -recht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
245 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2010
VPRRS 2010, 0447OLG München, Beschluss vom 29.07.2010 - Verg 9/10
1. Von einem durchschnittlichen Bieter kann jedenfalls zur Zeit nicht erwartet werden, dass er die Rechtsprechung des BGH und des EuGH zur fehlerhaften Vermengung von Eignungs- und Zuschlagskriterien kennt. Der Bieter ist daher mit einer entsprechenden Rüge, welche erst nach Angebotsabgabe und nach rechtlicher Beratung erhoben worden ist, nicht präkludiert.*)
2. Ein offensichtlich unzutreffend angebotener Preis kann dann korrigiert werden, wenn der Auftraggeber die Preisangabe im zutreffenden Sinn versteht, weil der offensichtlich zutreffende Preis an mehreren anderen Stellen des Angebotes erklärt worden ist.*)
VolltextVPRRS 2010, 0328
VK Arnsberg, Beschluss vom 25.08.2010 - VK 15/10
1. Nach der Entscheidung des EuGH vom 28.01.2010 - Rs. C-406/08 zur mangelnden Bestimmtheit einer Fristbestimmung durch Begriffe, deren Auslegung ins Ermessen eines Richters gestellt ist, ist die Regelung des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB vergaberechtlich nach der Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG unzulässig, weil der Begriff der Unverzüglichkeit Ermessensentscheidungen genau dieser Art zulässt.*)
2. Ziel der Richtlinie ist es aber, den Zugang zum Rechtsschutz sicherzustellen. Dieses Ziel kann nicht mit variablen ermessensabhängigen Fristenläufen erreicht werden.*)
3. Die Unbestimmtheit wird auch nicht mit dem Hinweis auf die ebenso unbestimmte Formulierung des § 121 BGB "ohne schuldhaftes Zögern" verhindert. Gerade im Vergaberecht hat sich auch in mehr als 10 Jahren keine eindeutige Auslegung durch die Rechtsprechung herauskristallisiert.*)
4. Auch eine fehlende Breitenangabe führt ebenso wie die Nichterfüllung eines geforderten Verschlusstyps als fehlende Erklärung zum Ausschluss.*)
VolltextVPRRS 2010, 0174
VK Berlin, Beschluss vom 12.10.2007 - VK B 2 - 29/07
1. Zur Rechtzeitigkeit und Substantiiertheit einer Rüge*)
2. Ein Bieter darf sich nicht beliebig lange mit der Erforschung etwaiger Verfahrensmängel beschäftigen, um dann, wenn er meint, fündig geworden zu sein, die Ergebnisse in ein Nachprüfungsverfahren einzubringen.*)
3. Ein Antrag ist offensichtlich unzulässig, wenn Tatsachen zum Vorliegen seiner maßgeblichen Voraussetzungen nicht oder nicht rechtzeitig vorgetragen werden.*)
VolltextVPRRS 2010, 0115
OLG Jena, Beschluss vom 05.03.2010 - 9 Verg 2/08
1. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren nach den §§ 116 ff. GWB ist, wenn es um die Vergabe einer Dienstleistungskonzession mit einer befristeten Laufzeit von mehr als 48 Monaten geht (hier Wasserversorgung und Abwasserentsorgung für 20 Jahre und einer Option auf weitere 5 Jahre), auf der Grundlage der gesamten Vertragslaufzeit zu ermitteln. Der Auftragswert ergibt sich aus denjenigen Erlösen, die der Auftragnehmer nach dem Inhalt seines Angebots aus der Verwertung seiner Leistung während der Vertragslaufzeit voraussichtlich erzielen wird.*)
2. Ändert der Antragsteller während des Beschwerdeverfahrens seinen Antrag dahin, festzustellen, dass er in seinen Rechten auf Einhaltung des Vergaberechts verletzt sei, hat das keinen Einfluss auf den Streitwert.*)
VolltextVPRRS 2010, 0059
VK Hessen, Beschluss vom 30.09.2009 - 69d-VK-32/2009
1. Das Vergaberecht kennt keine Unterscheidung zwischen Nebenangeboten und Alternativvorschlägen und Varianten, diese Begriffe werden vielmehr in der Rechtsprechung der Vergabekammern und -senate nahezu gleichwertig verwandt (vgl. z.B. VK Hessen 69 d 84/2004 - Beschl. vom 20.01.2005; VK Nordbayern 320.VK-3194-08/04 - Beschl. vom 06.04.2004; VK Sachsen 1/SVK/028-09 - Beschl. vom 07.07.2009). Mit der Formulierung "Varianten / Alternativen sind unzulässig" sind Nebenangebote ausgeschlossen. (ebenso KG Berlin, Beschluss vom 13.03. 2008; 2 Verg 18/07) Dies entspricht auch der in der Sektorenrichtlinie gebrauchten Formulierung, nach welcher jede Abweichung von den Vorgaben des Auftraggebers in den Vergabeunterlagen als "Änderungsvorschlag" oder "Nebenangebot" subsumiert werden muss, also ebenfalls nicht zwischen diesen Begriffen unterschieden wird.*)
2. Die Vorschrift des § 25 Nr. 1 Abs. 1 g) ist gegenüber anderen Bietern bieterschützend, denn der Verstoß hiergegen berührt deren subjektive Rechte auf Einhaltung der Vergabevorschriften. Der Anspruch auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergaberecht führt jedoch nicht dazu, dass der Auftraggeber zur Zuschlagserteilung auf ein bestimmtes Angebot zu verpflichten ist. Eine solche Entscheidung würde ihrerseits Rechte anderer Bieter beeinträchtigen, die möglicherweise aufgrund des Fehlens des Ausschlusses isolierter Nebenangebote in einer den Vorgaben des § 17 Nr. 3 Abs. 5 VOL/A entsprechenden Angebotsaufforderung von deren Zulässigkeit ausgingen.*)
3. Der Ausschluss "isolierter" Nebenangebote kann Rechte anderer Bieter nach § 97 Abs. 7 GWB beeinträchtigen, wenn insoweit eine eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung fehlt, (§ 8 Nr. 1 VOL/A), auf welche die Bieter einen Anspruch haben. Falls der Auftraggeber nicht Haupt- und Nebenangebot einholen sondern drei "Preisvarianten" abfragen wollte, muss aus den Unterlagen zumindest hervorgehen, ob diese Varianten gleichwertig nebeneinander stehen oder eine von diesen favorisiert werden sollte. Im zuletzt genannten Fall musste auch die bevorzugte Variante genannt werden (vgl. OLG Düsseldorf - Verg 25/2; Beschl. vom 02.08.2002).*)
4. Soweit ein Beteiligter im Nachprüfungsverfahren unterliegt, hat er nach § 128 Abs. 4 GWB die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners zu tragen. Aus der Verweisung in § 128 Abs. 4 Satz 4 auf § 80 Abs. 1 des Hess. Verwaltungsverfahrensgesetzes ergibt sich, dass entsprechend dem Obsiegen im Nachprüfungsverfahren auch dem Antragsteller anteilsmäßig die Kosten zu erstatten sind. Im Falle des Obsiegens zu Hälfte sind die notwendigen Kosten gegeneinander aufzuheben mit der Folge, dass jede Partei die ihr zur Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung notwendigen Kosten selbst zu tragen hat.*)
VolltextVPRRS 2010, 0005
OLG Jena, Beschluss vom 11.12.2009 - 9 Verg 2/08
1. Die Vergabe einer Dienstleistungskonzession unterliegt nicht dem Vergaberechtsregime der europäischen Richtlinien und der §§ 97 ff. GWB. Nachprüfungsanträge an die Vergabekammern sind daher unzulässig.*)
2. Eine Dienstleistungskonzession liegt vor, wenn der Auftragnehmer von dem öffentlichen Auftraggeber kein Entgelt, sondern das Recht erhält, Entgelte von Dritten zu erheben und das mit der Dienstleistung verbundene Risiko vollständig oder zu einem wesentlichen Teil auf den Auftragnehmer übertragen wird. Der Auftraggeber braucht dabei nur dasjenige Risiko übertragen, dem er unterliegt, wenn er die Dienstleistung selbst erbringen würde.*)
3. Für die Abgrenzung zwischen Dienstleistungskonzession und Dienstleistungsauftrag ist es unerheblich, ob die Übertragung der betreffenden Dienstleistung als Pflichtaufgabe der öffentlichen Hand auf Dritte öffentlich-rechtlich zulässig ist.*)
VolltextOnline seit 2009
VPRRS 2009, 0397EuGH, Urteil vom 12.11.2009 - Rs. C-199/07
Der Auftraggeber muss in seiner Vergabebekanntmachung zwischen Eignungs- und Zuschlagskriterien unterscheiden.
VolltextVPRRS 2009, 0323
VK Hessen, Beschluss vom 19.03.2009 - 69d-VK-05/2009
1. Der Inhalt einer Rüge ist aus der Sicht des Erklärungsempfängers, also der Vergabestelle auszulegen. Es kommt darauf an, wie diese die Ausführungen des Bieters nach Treu und Glauben verstehen musste.*)
2. Eine bloße rechtliche Beurteilung des Verhaltens der Vergabestelle durch einen Bieter reicht regelmäßig allein nicht aus, um daraus eine Rüge abzuleiten. Vielmehr muss die Vergabestelle aufgrund der Ausführungen des Unternehmens konkret erkennen können, welches Verhalten er aus welchen Gründen beanstandet.*)
3. Ist ein Formular Bestandteil der Vergabeunterlagen, aus dem zweifelsfrei hervorgeht, dass es bei der Einreichung des Angebots beigelegt werden muss und das Angebot nur auf diesem Formular unterschrieben werden kann, ist dieses zwingend von der Wertung auszuschließen, wenn die Unterschrift an anderer Stelle erfolgt ist.*)
VolltextVPRRS 2009, 0301
EuGH, Urteil vom 15.10.2009 - Rs. C-196/08
Die Art. 43, 49 und 86 EG-Vertrag stehen einer freihändigen Vergabe einer öffentlichen Dienstleistung, die die vorherige Durchführung bestimmter Arbeiten mit sich bringt, an eine gemischt öffentlich-private Kapitalgesellschaft nicht entgegen, die eigens für die Durchführung dieser Dienstleistung und ausschließlich mit diesem Gesellschaftszweck geschaffen wird und bei der der private Gesellschafter mittels eines öffentlichen Ausschreibungsverfahrens ausgewählt wird, nachdem die finanziellen, technischen, operativen und verwaltungstechnischen Anforderungen, die die durchzuführende Dienstleistung betreffen, sowie die Merkmale des Angebots für die zu erbringenden Leistungen überprüft worden sind, sofern das fragliche Ausschreibungsverfahren den Grundsätzen des freien Wettbewerbs, der Transparenz und der Gleichbehandlung entspricht, die nach dem EG-Vertrag für Konzessionen gelten.*)
VolltextVPRRS 2009, 0460
EuGH, Urteil vom 10.09.2009 - Rs. C-206/08
1. Für das Vorliegen einer Dienstleistungskonzession genügt der Umstand, dass eine unmittelbare Entgeltzahlung des Auftraggebers an den Auftragnehmer nicht erfolgt, sondern der Auftragnehmer das Recht erhält, Entgelte von Dritten zu erheben.
2. Besteht die vereinbarte Vergütung im Recht des Dienstleistungserbringers zur Verwertung seiner eigenen Leistung, so bringt diese Art der Bezahlung es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs mit sich, dass der Dienstleistungserbringer das Betriebsrisiko der fraglichen Dienstleistungen übernimmt.
3. Eine Dienstleistungskonzession liegt auch dann vor, wenn das vom öffentlichen Auftraggeber übernommene Betriebsrisiko aufgrund der öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung der Dienstleistung von vorneherein zwar erheblich eingeschränkt ist, der Auftragnehmer aber dieses eingeschränkte Risiko in vollem Umfang oder zumindest zu einem erheblichen Teil übernimmt.
VolltextVPRRS 2009, 0210
VK Brandenburg, Beschluss vom 11.03.2009 - VK 7/09
Zum öffentlichen Auftraggeberbegriff im Sinne des § 98 GWB.
VolltextVPRRS 2009, 0204
VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 04.10.2006 - 3 VK 9/06
(ohne amtlichen Leitsatz)
VolltextVPRRS 2009, 0178
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.05.2009 - 1 VK 19/09
1. Eine Rügeobliegenheit besteht nicht bei Vergabefehlern, die anlässlich der Durchführung eines Vergabenachprüfungsverfahrens erkannt werden.*)
2. Werden den Bieten im Rahmen eines nach § 3 a Nr. 1 lit. d) VOB/A durchgeführten Verhandlungsverfahrens Fristen zur Abgabe modifizierter Angebote gesetzt, können nach Ablauf der Frist eingegangene Angebote nicht mehr berücksichtigt werden, auch dann nicht, wenn die Bieter davon ausgehen können, dass im Anschluss über diese Angebote nochmals verhandelt wird.*)
VolltextVPRRS 2009, 0168
VG Düsseldorf, Urteil vom 01.04.2009 - 20 K 443/07
Ein Bescheid ist dann rechtswidrig, wenn Gründe vorliegen, die ein Abweichen von der allgemeinen Regel der Bindung an den Runderlass rechtfertigen, diese Gründe von der Behörde aber nicht berücksichtigt wurden.
VolltextVPRRS 2009, 0166
Generalanwalt beim EuGH, Schlussanträge vom 09.07.2009 - Rs. C-199/07
1. Einen Text mit der einleitenden Wendung "Auftraggeber, die Bewerber für die Teilnahme an einem Nichtoffenen Verfahren oder an einem Verhandlungsverfahren auswählen ..." so umzudeuten, dass die gesamte nachfolgende Regelung nicht nur für Nichtoffene Verfahren oder Verhandlungsverfahren gilt, sondern für alle Verfahren, ist unzulässig. Er bezieht sich vielmehr lediglich auf die in ihm explizit genannten Verfahren.
2. Aufgrund der Verpflichtung zur Transparenz hat ein Auftraggeber dafür Sorge zu tragen, dass allen potenziellen Antragstellern die für die Einreichung von Teilnahmeanträgen geltenden Bedingungen ohne Weiteres zugänglich sind. Hierzu gehören auch Angaben zu den Befähigungsnachweisen, die von Bewerbern als Voraussetzung für die Teilnahme verlangt werden.
3. Der Grundsatz der Transparenz gebietet, dass der interessierte Bieter anhand der veröffentlichten Informationen, die ihm ohne Weiteres zur Verfügung stehen, entscheiden kann, ob er ein Angebot abgeben will. Es reicht nicht aus, dass der Bewerber die genaue Sachlage in Erfahrung bringen kann, wenn er aus eigener Initiative Mühe und Kosten aufwendet, um sich näher zu erkundigen. Dies gilt erst recht, wenn es (wie hier) in der veröffentlichten Fassung der Ausschreibung ausdrücklich heißt, dass eine bestimmte Kategorie potenzieller Bewerber aus anderen Mitgliedstaaten, der der Betreffende angehört, nicht berücksichtigt wird.
VolltextVPRRS 2009, 0133
EuGH, Urteil vom 04.06.2009 - Rs. C-250/07
Antwortet der öffentliche Auftraggeber ohne rechtfertigenden Grund verspätet auf das Ersuchen eines Bieters um Erläuterung der Gründe für die Ablehnung seines Angebots, so verstößt er gegen seine Verpflichtung aus Art. 41 Abs. 4 Sektorenrichtlinie 93/38/EWG.
VolltextVPRRS 2009, 0131
Generalanwalt beim EuGH, Schlussanträge vom 02.06.2009 - Rs. C-196/08
Die Art. 43, 49 und 86 EG-Vertrag, die Richtlinie 2004/18/EG und die Richtlinie 2004/17/EG stehen einer unmittelbaren Vergabe einer öffentlichen Dienstleistung, die die vorhergehende Durchführung von Arbeiten mit sich bringt, an eine ausschließlich mit diesem Gesellschaftszweck geschaffene gemischt öffentlich-private Gesellschaft nicht entgegen, sofern folgende Voraussetzungen gegeben sind:
- Die Gesellschaft behält diesen ausschließlichen Gesellschaftszweck während ihres Bestehens bei;
- die Auswahl des privaten Gesellschafters erfolgt mittels eines öffentlichen Verfahrens, nachdem die finanziellen, technischen, operativen und verwaltungstechnischen Anforderungen sowie die Charakteristika seines Angebots hinsichtlich der zu erbringenden Dienstleistung überprüft worden sind;
- der private Partner übernimmt als gewerblicher Gesellschafter die Durchführung der Dienstleistung und der Arbeiten und
- diese Ausschreibung entspricht dem Grundsatz des freien Wettbewerbs, und die vom Gemeinschaftsrecht für Konzessionen verlangte Transparenz und Gleichbehandlung und gegebenenfalls die Regeln der Publizität und der Vergabe öffentlicher Aufträge werden beachtet.*)
VolltextOnline seit 2008
VPRRS 2008, 0263VK Nordbayern, Beschluss vom 27.06.2008 - 21.VK-3194-10/08
1. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Fortsetzungsfeststellungsantrags ist u.a. ein Feststellungsinteresse, beispielsweise die nicht auszuschließende Möglichkeit eines Schadensersatzanspruches des Bieters oder eine drohende Wiederholungsgefahr.*)
2. Der Anspruch des Bieters auf ein ordnungsgemäßes Verfahren beinhaltet grundsätzlich nicht, dass er dem Auftraggeber das aus seiner Sicht optimale Verfahren diktieren darf; der Anspruch geht nur dahin, dass die Grenzen des Ausgestaltungsermessens nicht überschritten werden dürfen.*)
3. Die VSt muss darauf achten, dass durch die bei der Vergabeentscheidung handelnden Personen auf ihrer Seite kein Interessenskonflikt mit einer Bieterin entsteht. Dies würde zwingend zum Ausschluss dieser Personen an der Entscheidungsfindung führen, nicht aber zum Ausschluss der Bieterin (§ 16 VgV).*)
VolltextVPRRS 2008, 0255
VK Nordbayern, Beschluss vom 20.08.2008 - 21.VK-3194-39/08
1. Der Ausschlusstatbestand des § 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A Abschnitt 2 ist nicht etwa erst dann gegeben, wenn das betreffende Angebot im Ergebnis nicht mit den anderen abgegebenen Angeboten verglichen werden kann. Ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren ist nur zu erreichen, wenn lediglich in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebenden Hinsicht vergleichbare Angebote gewertet werden. Dies erfordert, dass hinsichtlich jeder Position der Leistungsbeschreibung alle zur Kennzeichnung der insoweit angebotenen Leistung geeigneten Parameter bekannt sind, deren Angabe den Bieter nicht unzumutbar belastet, aber ausweislich der Ausschreibungsunterlagen gefordert war, so dass sie als Umstände ausgewiesen sind, die für die Vergabeentscheidung relevant sein sollen.*)
2. Fehlende Fabrikats- oder Typenangaben, welche die Vergabestelle in den Verdingungsunterlagen klar gefordert hat, deren Angabe den Bietern auch zumutbar war und die für die Wertung der Angebote nicht völlig unbedeutend sind, führen nach der ständigen Rechtsprechung des BGH zwingend zum Ausschluss des Angebots. Dies gilt auch, wenn es sich bezogen auf die Gesamtleistung nur um untergeordnete Positionen handelt.*)
VolltextVPRRS 2008, 0242
VK Nordbayern, Beschluss vom 30.07.2008 - 21.VK-3194-13/08
1. Tritt die reine Baumaßnahme gegenüber einer Lieferleistung zurück, ist der Schwellenwert nach § 2 Nr. 3 VgV von 206.000,00 € heranzuziehen.*)
2. Eine Aufhebung nach § 26 Nr. 1 lit. c VOL/A setzt voraus, dass bei der VSt kein wirtschaftliches Angebot eingegangen ist. Die Wirtschaftlichkeit eines Angebots beurteilt sich letztlich danach, ob ein Angebot im Sinne von § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A im Preis unangemessen von der Leistung abweicht. Dies kann die VSt nach verschiedenen Gesichtspunkten beurteilen. So besteht die Möglichkeit, eigene Kostenschätzungen, vergleichbare Marktpreise oder andere eingegangene Angebote heranzuziehen.*)
3. Soweit die ASt durch die Verdingungsunterlagen gezwungen ist, ein Grundstück mit der Angebotsabgabe nachzuweisen, kann sie keine langwierigen Grundstücksverhandlungen führen. Insoweit kann die VSt auch in ihren Berechnungen keine Abzüge bezüglich der anrechenbaren Grundstücksgröße machen.*)
4. Waren zum Zeitpunkt der Angebotserstellung unstreitig keine Fördermittel erhältlich, können aber zwischenzeitlich wieder Förderanträge gestellt werden, kann dies den Bietern zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe nicht vorgehalten werden. Die fiktive Einrechnung von Fördermitteln würde gegen § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A ein ungewöhnliches Wagnis für die Bieter darstellen.*)
VolltextVPRRS 2008, 0238
VK Nordbayern, Beschluss vom 07.07.2008 - 21.VK-3194 -31/08
Eine Rüge, die erst nach Ablauf von acht Tagen nach Erhalt der Mitteilung nach § 13 VgV und fünf Tage nach Kenntnis eines Verstoßes erhoben worden ist, ist verspätet (§ 107 Abs. 3 GWB).*)
VolltextVPRRS 2008, 0200
VK Nordbayern, Beschluss vom 02.07.2008 - 21.VK-3194-29/08
1. Tritt die reine Baumaßnahme gegenüber einer Lieferleistung zurück, ist der Schwellenwert nach § 2 Nr. 3 VgV heranzuziehen.*)
2. Nach Art. 53 Abs. 1 a) der Richtlinie 2004/18/EG vom 31.03.2004, der in § 25 a Nr. 1 Abs. 1 VOL/A seinen Niederschlag gefunden hat, steht nichts entgegen, dass die VSt umweltbezogene Aspekte in ihre Zuschlagskriterien aufnimmt.*)
3. Es liegt im Gestaltungsermessen der Vergabestelle, Newcomer zuzulassen und auf die Vorlage von Referenzen zu verzichten.*)
4. Grundsätzlich ist ein Bieter nach § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A zwingend auszuschließen, wenn die Vorlage von Nachweisen klar, eindeutig und zumutbar mit der Angebotsabgabe gefordert war und das Angebot die entsprechenden Nachweise nicht oder nicht vollständig enthält (im vorliegenden Fall war die von der VSt geforderte Nachweisführung durch einen neutralen Dritten für die Bieter nicht zumutbar).*)
VolltextVPRRS 2008, 0138
OLG Jena, Beschluss vom 08.05.2008 - 9 Verg 2/08
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden zur Auslegung der Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (Abl. EG L 358 vom 03.12.2004. S. 1 - im folgenden nur Richtlinie genannt) gem. Art. 234 Abs. 1 EGV folgende Fragen vorgelegt:
Ist ein Vertrag über Dienstleistungen (hier über Leistungen der Wasserversorgung und Abwasserbehandlung), nach dessen Inhalt eine unmittelbare Entgeltzahlung des öffentlichen Auftraggebers an den Auftragnehmer nicht erfolgt, sondern der Auftragnehmer das Recht erhält, privatrechtliche Entgelte von Dritten zu erheben, allein aus diesem Grund als Dienstleistungskonzession im Sinne des Art. 1 Abs. 3 lit. b der Richtlinie - in Abgrenzung zum entgeltlichen Dienstleistungsvertrag im Sinne von Art. 1 Abs. 2 lit. a und d der Richtlinie - einzuordnen?
Falls die erste Vorlagefrage mit nein zu beantworten ist, liegt bei Verträgen der in der ersten Vorlagefrage beschriebenen Art eine Dienstleistungskonzession vor, wenn das mit der fraglichen Dienstleistung auf Grund ihrer öffentlichrechtlichen Ausgestaltung (Anschluss- und Benutzungszwang; Preiskalkulation nach dem Kostendeckungsprinzip) verbundene Betriebsrisiko von vornherein, also auch dann, wenn der öffentliche Auftraggeber die Leistung selbst erbringen würde, zwar erheblich eingeschränkt ist, der Auftragnehmer aber dieses eingeschränkte Risiko in vollem Umfang oder zumindest ganz überwiegend übernimmt?
Falls auch die zweite Vorlagefrage verneint wird, ist Art. 1 Abs. 3 lit. b der Richtlinie dahin auszulegen, dass das mit der Erbringung der Leistung verbundene Betriebsrisiko, insbesondere das Absatzrisiko, qualitativ demjenigen nahe kommen muss, das üblicherweise unter den Bedingungen eines freien Marktes mit mehreren konkurrierenden Anbietern besteht?*)
VolltextVPRRS 2008, 0102
EuGH, Urteil vom 10.04.2008 - Rs. C-393/06
1. Ein Auftraggeber im Sinne der Richtlinie 2004/17/EG muss das in dieser Richtlinie vorgesehene Verfahren nur für die Vergabe von Aufträgen im Zusammenhang mit Tätigkeiten anwenden, die er in einem oder mehreren der in den Art. 3 bis 7 der Richtlinie genannten Sektoren ausübt.*)
2. Eine Einrichtung wie die Fernwärme Wien GmbH ist als Einrichtung des öffentlichen Rechts im Sinne von Art. 2 Abs. 1 a Unterabs. 2 Richtlinie 2004/17 und Art. 1 Abs. 9 Unterabs. 2 Richtlinie 2004/18/EG zu qualifizieren.*)
3. Aufträge, die von einer Einrichtung mit der Eigenschaft einer Einrichtung des öffentlichen Rechts im Sinne der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG vergeben werden und die Zusammenhänge mit der Ausübung von Tätigkeiten dieser Einrichtung in einem oder mehreren der in den Art. 3 bis 7 der Richtlinie 2004/17 genannten Sektoren aufweisen, sind den Verfahren dieser Richtlinie zu unterwerfen. Dagegen unterliegen alle übrigen Aufträge, die von dieser Einrichtung im Zusammenhang mit der Ausübung anderer Tätigkeiten vergeben werden, den Verfahren der Richtlinie 2004/18. Jede dieser beiden Richtlinien gilt, ohne dass zwischen den Tätigkeiten, die die Einrichtung ausübt, um ihrem Auftrag nachzukommen, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben zu erfüllen, und den von ihr unter Wettbewerbsbedingungen ausgeübten Tätigkeiten zu unterscheiden ist und selbst im Fall einer Buchführung, die auf Trennung der Tätigkeitsbereiche dieser Einrichtung abzielt, um Querfinanzierungen der betreffenden Sektoren zu vermeiden.*)
VolltextVPRRS 2008, 0083
OLG Bremen, Beschluss vom 13.03.2008 - Verg 5/07
1. Müssen die potenziellen Pächter für ein Grundstück nicht nur den Pachtzins angeben, sondern auch ein „Konzept zur Nutzung des Standortes", welches alle für die Errichtung eines Windparks auf den angedienten Pachtgrundstücken erforderlichen Baumaßnahmen im Detail aufführen muss, detailliert darlegen und ist der obsiegende Pächter zudem verpflichtet, innerhalb eines Jahres die Windkraftanlagen gemäß dem vorgelegten Nutzungskonzept zu erstellen und in Betrieb zu nehmen, so handelt es sich bei den ausgeschriebenen Verträgen um eine in die formale Rechtsform des Pachtvertrags eingekleidete öffentliche Baukonzession, auf die das Vergaberecht anzuwenden ist.
2. Dass die zu errichtenden Anlagen nicht Eigentum der Verpächterin werden sollen, sondern im Gegenteil nach Ablauf des auf 20 Jahre befristeten Pachtvertrages auf Kosten des Pächters zu beseitigen sind, ist ohne Relevanz.
VolltextOnline seit 2007
VPRRS 2007, 0375VK Südbayern, Beschluss vom 28.07.2006 - Z3-3-3194-1-17-05/06
1. Die allgemeinen Grundsätze des § 97 GWB, insbesondere das Gleichbehandlungs-, Wettbewerbs- und Diskriminierungsverbot, sind gefährdet, wenn am Vergabeverfahren Personen teilnehmen, die auf Bieterseite gegenüber anderen Unternehmen einen wettbewerbsrelevanten Informationsvorsprung haben.*)
2. Der Rechtsgedanke des § 16 VgV ist bei der Durchführung eines Verhandlungsverfahrens zwar nicht unmittelbar anwendbar gibt aber klare Hinweise dafür, welche Konstellationen als vergaberechtswidrige Interessenskollisionen anzusehen sind und unterstützt die Anwendung des allgemeinen Diskriminierungsverbotes sowie des Wettbewerbsgebots.*)
3. Das Vergabeverfahren steht grundsätzlich unter dem Gebot der Gleichbehandlung und der Chancengleichheit aller Wettbewerbsteilnehmer gemäß § 97 II GWB i. V. m § 2 Nr.2 VOL/A.*)
4. Haftet dem Antragsteller wegen Vorbefassung ein zwingender Ausschlussgrund an, scheidet eine Verletzung seiner Rechte nach § 97 Abs. 7 GWB auch dann aus, wenn die zugunsten eines anderen Bieters getroffene Zuschlagsentscheidung möglicherweise vergaberechtsfehlerhaft sein sollte; derjenige, der selbst ein zwingendes Erfordernis für die Teilnahme an einem ordnungsgemäßen und fairen Vergabeverfahren nicht eingehalten hat, besitzt, da er in keinem Fall den Zuschlag erhalten kann, im weiteren Verfahren keine schützenswerten Interessen mehr.*)
VolltextVPRRS 2007, 0240
VK Brandenburg, Beschluss vom 08.03.2007 - 2 VK 4/07
1. Zulässig ist über den Primärrechtsschutz des GWB die Nachprüfung von konkreten Auftragsvergaben, die von öffentlichen Auftraggebern außerhalb eines geregelten Vergabeverfahrens oberhalb der Schwellenwerte vorgenommen werden. Von einem derart konkreten Vergabevorhaben, nicht nur von einer Markterkundung, ist auszugehen, wenn der Auftraggeber mit einem Bieter einen Vertrag abgeschlossen hat.
2. Der Bieter hat auch dann noch einen Anspruch nach § 97 Abs. 7 GWB auf ein materiell transparentes, die Bieter gleich behandelndes Vergabeverfahren und – soweit noch möglich - den primären Rechtsschutz, der mit den Vergaben oberhalb der Schwellenwerte gesetzlich garantiert ist, wenn er nicht unverzüglich, also spätestens mit der Angebotsabgabe rügt, sofern er sich an dem als vergaberechtswidrig erkannten Vergabeverfahren beteiligt.
3. Enthält der abzuschließende Vertrag einerseits die Vereinbarung über die Errichtung einer Fernwärmeerzeugungsanlage auf einem von dem Auftraggeber zur Verfügung gestellten Grundstück, andererseits die wechselseitige Lieferung und Abnahme von Fernwärme über einen Zeitraum von 15 Jahren mit der Option einer automatischen Verlängerung des Bezugsvertrages, sollen über den Fernwärmeliefervertrag die Investitionskosten, die Primärenergie, der Betrieb und ein Gewinn für den Vertragspartner finanziert werden, überwiegt damit wertmäßig der Dienstleistungsteil dieses Auftrages, der damit als Ganzes als Dienstleistungsvertrag einzuordnen ist.
4. Der Ausnahmetatbestand des § 100 Abs. 2 lit. f) GWB zu der umfassend geltenden allgemeinen Verpflichtung öffentlicher Auftraggeber, öffentliche Aufträge nach einem geregelten Vergabeverfahren zu vergeben, ist eng auszulegen und greift jedenfalls dann nicht, wenn der Auftraggeber auch Leistungen nachfragt, die im Allgemeinen einer Ausschreibungspflicht unterliegen.
5. § 13 Satz 6 gilt nicht nur bei der Durchführung eines geregelten Vergabeverfahrens, sondern in analoger Anwendung auch dann, wenn der Auftraggeber, etwa weil er der Auffassung war, dass der beabsichtigte öffentliche Auftrag nicht unter das Vergaberegime fällt, das Vergaberecht gar nicht angewandt hat.
6. Die Umgehung der Ausschreibungspflicht ist eine so gravierende Verletzung des Vergaberechts, dass die Berufung darauf keiner Rüge bedarf.
7. Bei einer vergaberechtswidrigen de-facto-Vergabe kann selbst im Bereich des 4. Abschnitts der VOL/A nur durch die Verpflichtung des Auftraggebers zur Aufhebung der Ausschreibung und Neuausschreibung ein Rechtsfrieden hergestellt werden und nur der Neubeginn eines derartigen Vergabeverfahrens kann den Beteiligten letztlich volle Rechtssicherheit bieten.
VolltextVPRRS 2007, 0226
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 11.01.2007 - 1 VK LVwA 41/06
Gemäß §§ 25 Nr. 1 Abs. 1, 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A sind jene Angebote, die den Erfordernissen zur Feststellung des Vorliegens der zur ordnungsgemäßen Leistungserbringung notwendigen Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit nicht genügen, von der weiteren Wertung auszuschließen.*)
VolltextVPRRS 2007, 0217
VK Brandenburg, Beschluss vom 06.12.2006 - 1 VK 51/06
1. Die Antragsbefugnis ist zu verneinen, wenn der antragstellende Bieter aus den vorgebrachten Vergaberechtsverstößen keinen Schaden erleiden kann.
2. Zwar kann nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen selbst bei nicht wertbaren Angeboten die Antragsbefugnis von Bieterinteressenten bejaht werden; aber nur unter der Voraussetzung, dass der gerügte Vergaberegelverstoß eine faktische Minderung der Chancen auf den Zuschlag verursacht hat, was namentlich dann der Fall ist, wenn er die Ordnungsgemäßheit der Ausschreibungsbedingungen betrifft.
VolltextVPRRS 2007, 0151
OLG Naumburg, Beschluss vom 30.04.2007 - 1 Verg 1/07
1. Die Auslegung der Vergabebekanntmachung hinsichtlich der formellen Anforderungen an den Nachweis der Eignung (geforderte Eignungsnachweise) ist regelmäßig "im Lichte" der inhaltlichen Eignungsanforderungen vorzunehmen.*)
2. Ohne besondere entgegenstehende Anhaltspunkte ist regelmäßig davon auszugehen, dass es bei einer Bietergemeinschaft ausreichend ist, wenn geforderte Nachweise oder Eigenerklärungen zur Fachkunde oder zur Leistungsfähigkeit für ein Mitglied der Bietergemeinschaft vorgelegt werden, während die Zuverlässigkeit von jedem Mitglied der Bietergemeinschaft in der geforderten Art zu belegen ist.*)
3. Der Vereinbarung einer Bietergemeinschaft ist immanent, dass die Gemeinschaft über die Kapazitäten ihrer einzelnen Mitglieder tatsächlich verfügen kann. Eines besonderen Nachweises i.S.v. § 8a Nr. 10 VOB/A bedarf es nicht.*)
VolltextVPRRS 2007, 0092
OLG Naumburg, Beschluss vom 05.02.2007 - 1 Verg 1/07
Einem Bieter, der durch die Entscheidung der Vergabekammer materiell beschwert ist und hiergegen sofortige Beschwerde einlegt, steht auch die Befugnis zur Beantragung einer Verlängerung des prozessualen Zuschlagverbots in analoger Anwendung des § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB zu.*)
VolltextVPRRS 2007, 0055
OLG Brandenburg, Urteil vom 10.01.2007 - 4 U 81/06
Zum Schadensersatzanspruch wegen Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen.
VolltextVPRRS 2007, 0014
VK Hamburg, Beschluss vom 27.04.2006 - VgK FB 2/06
1. Bei De-Facto-Vergaben entfällt nach gefestigter Meinung in der Literatur und in der Rechtsprechung die Obliegenheit zur Rügepflicht.
2. Da das Nachprüfungsverfahren dem Primärrechtsschutz dient, ist erforderlich, dass ein Vergabeverfahren schon begonnen hat und es noch andauert. Ein Nachprüfungsantrag ist unstatthaft, wenn er sich gegen ein bei seiner Einreichung schon beendetes Vergabeverfahren richtet .
3. Aus dem Fehlen einer Regelung für die Nichtigkeit von Verträgen, die im Wege der De-Facto-Vergabe geschlossen worden sind, muss der Wille des Gesetzes- und Verordnungsgebers geschlossen werden, die Nichtigkeit des erteilten Auftrags auch für die Fälle einer Auftragsvergabe ohne Bieterwettbewerb nicht anzuordnen.
4. Die Ausübung einer Preisanpassungsklausel begründet keine wesentliche Vertragsänderung, da sie sich als Mechanismus erweist, der bereits im ursprünglichen Vertrag angelegt war.
VolltextOnline seit 2006
VPRRS 2006, 0381LG Münster, Urteil vom 18.05.2006 - 12 O 484/05
Unterlässt der Geschäftsführer einer GmbH eine öffentliche VOB/A-Ausschreibung, obwohl eine solche zwingend in den der Subventionsbewilligung zu Grunde liegenden Nebenbestimmungen vorgesehen ist, so haftet er der GmbH nach § 43 Abs. 2 GmbHG für den aus seiner Obliegenheitsverletzung folgenden Schaden.
VolltextVPRRS 2006, 0355
VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 26.07.2006 - VK-SH 11/06
1. Der im Vergabeverfahren maßgebliche Auftraggeber ist derjenige, der den Teilnehmern am Wettbewerb als Auftraggeber genannt ist. Der Auftraggeber muss sich an der von ihm der Öffentlichkeit gegenüber gewählten oder geduldeten Vertretungsform auch hinsichtlich des Nachprüfungsverfahrens festhalten lassen.*)
2. Insbesondere beinhaltet § 26 VOL/A ein vergaberechtliches Gebot, nur aus den dort genannten Gründen aufzuheben. Dieses Gebot hat bieterschützende Wirkung und dient der Sicherstellung, dass die Aufhebung der Ausschreibung nicht als Maßnahme der Diskriminierung einzelner Bieter missbraucht werden kann.*)
3. Kann das infolge eines behaupteten Vergaberechtsverstoßes bestehende Interesse eines Bieters allein noch auf Schadensersatz gerichtet sein, weil das Vergabeverfahren durch wirksame Auftragsvergabe beendet ist, steht nur noch der Weg zu den Zivilgerichten offen.*)
4. Für eine Interpretation oder eine teleologische Reduktion des Begriffs "Zuschlag" dahingehend, dass es entgegen dem Wortlaut des § 114 Abs. 2 GWB nicht auf den Zeitpunkt des "Zuschlages", sondern auf den des "Vertragsschlusses" ankommt, besteht kein Raum.*)
5. Es widerspräche Treu und Glauben, wenn sich eine Gebietskörperschaft bei einem Verstoß gegen die Formvorschriften auf die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts beruft, obwohl der mit der Formvorschrift bezweckte Schutz deshalb bedeutungslos geworden ist, weil das nach öffentlichrechtlichen Vorschriften für die Willensbildung zuständige Organ der Körperschaft das Verpflichtungsgeschäft gebilligt hat.*)
6. Eine Leistung, die nicht in Lose aufgeteilt wurde, ist einer weiteren nachträglichen Aufspaltung in kleinere Einheiten, die grundsätzlich als Lose gelten könnten, nicht zugänglich.*)
7. Für die Zulässigkeit eines Feststellungsantrages ist Voraussetzung, dass der Nachprüfungsantrag überhaupt zulässig war.*)
VolltextVPRRS 2006, 0150
VK Brandenburg, Beschluss vom 21.09.2005 - 2 VK 54/05
1. Ist ein Bieter der Auffassung, dass die Leistungsanforderungen des Auftraggebers bezogen auf den Zweck der Maßnahme nicht optimal sind und das Vorhaben anders und preisgünstiger verwirklicht werden kann, hat er die Möglichkeit, neben oder auch anstelle des Hauptangebotes ein Nebenangebot abzugeben und bereits mit der Abgabe des Angebotes die technische Gleichwertigkeit darlegen.*)
2. Der dem Auftraggeber zustehende subjektive und objektive Beurteilungsspielraum bei der Einschätzung der Gleichwertigkeit der Gebrauchstauglichkeit kann ihm nicht durch den Bieter genommen werden, selbst wenn dessen Vorschläge möglicherweise dem gedachten Verwendungszweck genauso gut oder besser dienen.*)
VolltextVPRRS 2006, 0033
VK Arnsberg, Beschluss vom 26.10.2005 - VK 15/2005
1. Der öffentliche Auftraggeber soll durch das Vergaberecht nicht in der seinem Gestaltungsermessen unterliegenden Wahl der Organisationsform - Eigenbetrieb oder Eigengesellschaft - beschränkt werden, mittels derer er seine Aufgaben erfüllen will. Beabsichtigt er die Erfüllung seiner Aufgaben mit eigenen Mitteln, kann es keinen Unterschied machen, ob er dieses durch einen eigenen Betrieb oder eine eigene Gesellschaft macht.
2. Die Vergabekammer geht davon aus, dass auf der Basis der EuGH-Rechtsprechung zur Bekanntmachungspflicht vergaberechtsfreier Dienstleistungskonzessionen der öffentliche Auftraggeber in Zukunft verpflichtet ist, auch seine Vergabeabsichten bei Inhouse-Geschäften aus Gründen des Transparenzgebotes wenigstens EU-weit bekannt zu machen, um den Anspruch auf Rechtschutz sicherzustellen.
VolltextOnline seit 2005
VPRRS 2005, 0625OLG Brandenburg, Beschluss vom 06.10.2005 - Verg W 7/05
1. Einem Bieter, der auf die Ausschreibung hin ein Angebot abgegeben und damit sein Interesse an dem Auftrag bekundet hat und der im Nachprüfungsverfahren die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Auftraggebers, sein Angebot nicht zu berücksichtigen, zur Überprüfung stellt, darf der Zugang zum Nachprüfungsverfahren nicht mit der Begründung verwehrt werden, dass das Angebot aus anderen als den mit dem Nachprüfungsantrag zur Überprüfung gestellten Gründen auszuscheiden ist.
2. Ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten erfasst auch wettbewerbliche Verfehlungen von erheblichem Gewicht im Sinne des allgemeinen Teils des GWB und des UWG.
3. Es ist wettbewerbsbeschränkend und unlauter, wenn ein Antragsteller ihm zugespielte Teile des Angebots anderer Bieter in das Nachprüfungsverfahren einführt. Damit nutzt er im Wettbewerb bewusst fremdes - möglicherweise sogar strafrechtlich relevantes - Fehlverhalten aus.
4. Aus diesem Grund dürfen auch objektive Vergabefehler, die auf diesem Wege bekannt werden, nicht berücksichtigt werden.
VolltextVPRRS 2005, 0463
EuGH, Urteil vom 21.07.2005 - Rs. C-231/03
Die Artikel 43 EG und 49 EG stehen unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens der unmittelbaren Vergabe einer Konzession für die Verwaltung der öffentlichen Dienstleistung der Gasversorgung an eine Gesellschaft mit überwiegend öffentlichem Stammkapital, an dem eine Gemeinde eine Beteiligung von 0,97 % hält, durch diese Gemeinde entgegen, wenn diese Vergabe nicht Transparenzerfordernissen genügt, die, ohne notwendigerweise eine Verpflichtung zur Vornahme einer Ausschreibung zu umfassen, insbesondere geeignet sind, einem in einem anderen Mitgliedstaat als dem dieser Gemeinde niedergelassenen Unternehmen vor der Vergabe Zugang zu angemessenen Informationen über diese Konzession zu ermöglichen, so dass dieses Unternehmen gegebenenfalls sein Interesse am Erhalt dieser Konzession hätte bekunden können.*)
VolltextVPRRS 2005, 0043
VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 09.02.2001 - VK-SH 01/01
1. Die Lieferkonzession ist kein entgeltlicher Vertrag im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB. Die Definition des öffentlichen Auftrages findet sich im § 99 Abs. 1 GWB. Maßgebliches Merkmal ist, dass es sich um einen entgeltlichen Vertrag zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einem Unternehmer handelt, der beispielsweise Lieferleistungen zum Gegenstand hat. Ein öffentlicher Auftrag liegt nur dann vor, wenn dem Vertragspartner des öffentlichen Auftraggebers ein Entgelt gewährt wird.
2. Wenn wie hier keine Vergütung in Form von Geld vorgesehen ist, sondern vielmehr das Recht eingeräumt wird, die eigene Leistung zu nutzen oder entgeltlich zu verwerten, handelt es sich um eine Lieferkonzession und nicht um einen Auftrag im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB.
3. Dienstleistungskonzessionen fallen nicht unter den Anwendungsbereich der Richtlinie 93/38 EWG. Es ist zwar hinsichtlich des Bauauftrags allgemein anerkannt, dass dieser bei richtlinienkonformer Auslegung auch Baukonzessionen erfasst. Gleiches gilt aber nicht für Dienstleistungskonzessionen und Lieferkonzessionen. Diese sind nicht bei richtlinienkonformer Auslegung als Dienstleistungs- oder Lieferauftrag anzusehen. Während nämlich die Baukoordinierungsrichtlinie (93/37 EWG) auch Baukonzessionen regelt, enthalten die entsprechenden Richtlinien für Dienstleistungen und Lieferaufträge keine Regelungen im Hinblick auf Konzessionen.
4. Da die VOL die eigentlichen Vorschriften für das Vorgehen beim Abschluss von Lieferaufträgen beinhaltet und Lieferkonzessionen dort nicht regelt, ergibt sich, dass sie nicht vom Anwendungsbereich des § 99 Abs. 1 GWB erfasst werden.
VolltextOnline seit 2003
VPRRS 2003, 0426OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.03.2003 - Verg 49/02
Die gesetzliche Bestimmung des § 116 Abs. 2 GWB lässt eine Heilung des Unterschriftsmangels nach Ablauf der Entscheidungsfrist des § 113 Abs. 1 GWB und eine Abwendung der auf Grund des Mangels eintretenden gesetzlichen Rechtsfolge, wonach der Nachprüfungsantrag als abgelehnt gilt, nicht zu.
VolltextVPRRS 2003, 0260
OLG Hamburg, Beschluss vom 04.11.1999 - 1 Verg 1/99
Als Ablehnung eines Antrags auf Nachprüfung einer Vergabeentscheidung ist nach Sinn und Zweck der Vorschrift auch die Entscheidung der Vergabekammer zu verstehen, in der der Ausschluß eines Angebots von der Bewertung durch den Auftraggeber entgegen einem Aufhebungs- oder Feststellungsantrag des Bieters bestätigt wird.
VolltextVPRRS 2003, 0198
EuGH, Urteil vom 18.11.1999 - Rs. C-107/98
Die Richtlinie 93/36/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge ist anwendbar, wenn ein öffentlicher Auftraggeber wie etwa eine Gebietskörperschaft beabsichtigt, mit einer Einrichtung, die sich formal von ihm unterscheidet und die ihm gegenüber eigene Entscheidungsgewalt besitzt, einen schriftlichen entgeltlichen Vertrag über die Lieferung von Waren zu schließen, wobei unerheblich ist, ob diese Einrichtung selbst ein öffentlicher Auftraggeber ist.
VolltextVPRRS 2003, 0701
Generalanwalt beim EuGH, Schlussanträge vom 27.02.2003 - Rs. C-448/01
(Ohne amtlichen Leitsatz)
VolltextOnline seit 2000
VPRRS 2000, 0062VK Bremen, Beschluss vom 03.11.2000 - VK 3/00
1. Beim Energiespar-Contracting handelt es sich um einen Mischvertrag.
2. Bei gemischten (komplexen) Verträgen kommt es auf den Schwerpunkt der Leistungen an.
3. Der Schwerpunkt der Leistungen bestimmt sich danach, welche Leistungen und Risiken den Vertrag prägen und wie sich das finanzielle Investitionsvolumen auf die einzelnen Leistungsbereiche verteilt.
4. Die VOB/A ist einschlägig, wenn der Schwerpunkt der Leistungen im Baubereich liegt; andernfalls muss die Vergabe nach VOL/A erfolgen.
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