Vergabepraxis & -recht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
10875 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2010
VPRRS 2010, 0359VK Südbayern, Beschluss vom 29.04.2010 - Z3-3-3194-1-03-01/10
1. Ein Nachprüfungsverfahren scheidet grundsätzlich aus, sobald ein Vertrag, an dem der Antragsteller Interesse zu haben behauptet, wirksam zu Stande gekommen ist, weil dann Verstöße gegen vergaberechtliche Bestimmungen durch die Kammer nicht mehr beseitigt werden können. In einem solchen Fall ist ein Nachprüfungsantrag nicht mehr statthaft, da gemäß § 114 Abs. 2 Satz 1 GWB ein erteilter Zuschlag nicht wieder aufgehoben werden kann.
2. Nach der Regelung des § 101b GWB führt nicht jeder Verstoß nach § 101b Abs. 1 Nr. 2 GWB automatisch zur Unwirksamkeit, vielmehr muss der Verstoß in einem Nachprüfungsverfahren nach § 101b Abs. 2 GWB festgestellt worden sein.
3. Der Grundgedanke des effektiven Rechtsschutzes gebietet, dass § 13 VgV - eine Regelung, die das Verfahren näher bestimmt, das § 97 Abs. 1 bis 5 GWB für die Beschaffung von Dienstleistungen durch öffentliche Auftraggeber vorschreibt - auch analog auf "de-facto-Vergaben" anzuwenden. Zur Bejahung einer solchen Vorabinformationspflicht der Vergabestelle muss es jedoch zu einer Beteiligung zumindest mehrerer Unternehmen gekommen sein.
4. § 97 Abs.1, § 101 Abs.1 GWB sind keine Verbotsgesetze i.S.d. § 134 BGB.
VolltextVPRRS 2010, 0358
KG, Beschluss vom 10.12.2009 - 2 Verg 5/09
1. Dem Bieter ist selbst nach der positiven Kenntnis von den Tatsachen, die den Vergabefehler aus seiner Sicht begründen, noch Zeit einzuräumen, sich rechtlich beraten zu lassen und das Ergebnis dieser Beratung in eine Entscheidung umzusetzen.
2. Der Auftraggeber hat die Möglichkeit, Anforderungen an Eignungsnachweise nach der Bekanntmachung der Ausschreibung zu modifizieren, solange nicht zusätzliche Eignungsnachweise gefordert werden. Anders als erschwerende Modifikationen und das spätere Aufstellen ergänzender Anforderungen steht es dem Auftraggeber frei, seine Anforderungen im Laufe des Verfahrens zu modifizieren, solange dadurch nicht der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Bieter und der im Vergabeverfahren zu wahrende Transparenzgrundsatz verletzt werden.
3. Erleichtert der Auftraggeber seine ursprünglichen Anforderungen in einer Weise, dass anzunehmen ist, dass sich potenzielle Bieter, hätten sie die späteren Erleichterungen von Anfang an gekannt, ebenfalls an der Vergabe beteiligt und ein Angebot abgegeben hätten, kann von einem chancengleichen und transparenten Vergabeverfahren nicht mehr gesprochen werden.
4. Nur die Nichtbefolgung einer vom Auftraggeber unzweideutig und unmissverständlich aufgestellten und von einem fachkundigen Bieter so zu verstehenden Forderung nach einer Einreichung von Unterlagen darf zum Anlass genommen werden, das betreffende Angebot von der weiteren Wertung auszuschließen. Verbleibende Unklarheiten gehen dagegen zu Lasten des öffentlichen Auftraggebers.
5. Solange nur ein Referenzauftrag die formellen Anforderungen der Ausschreibung erfüllt, kann das Angebot nicht als formell unvollständig angesehen und bereits deswegen von der weiteren Wertung ausgeschlossen werden. Sind bei den übrigen Referenzaufträgen die vom Auftraggeber vorgegebenen formellen Anforderungen nicht erfüllt, führt das allenfalls dazu, dass sie bei der vom Auftraggeber vorzunehmenden materiellen Prüfung der Geeignetheit der Antragstellerin nicht berücksichtigt werden können.
6. Tritt ein Auftraggeber in die Prüfung ein, ob ein angebotener Preis als ungewöhnlich niedrig bewertet werden kann, obliegt es ihm - zunächst vor allem im eigenen Interesse - die Gründe dafür aufzuklären und nachzuvollziehen. Erst dann erst kann er gegebenenfalls weiter prüfen, ob der Bieter für seine Preisgestaltung stichhaltige und nicht aus übergeordneten Gesichtspunkten zu beanstandende Gründe hat, oder aber, ob die angebotenen Preise nicht in diesem Sinne schlüssig gemacht werden konnten und das Angebot deswegen auszuschließen ist.
7. Zu der Frage, ob § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A bieterschützenden Charakter hat.
8. Eine Aufhebung des Verfahrens gemäß § 26 Nr. 1 b VOL/A kommt in Betracht bei nur derart gravierenden Mängeln, die im Rahmen einer chancengleichen und wettbewerbsgerechten Eignungs- und Angebotsprüfung nicht mehr heilbar sind.
VolltextVPRRS 2010, 0456
VK Bund, Beschluss vom 27.04.2010 - VK 3-33/10
(ohne amtlichen Leitsatz)
VolltextVPRRS 2010, 0357
EuGH, Urteil vom 22.04.2010 - C-423/07
Das Königreich Spanien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 3 Abs. 1 sowie Art. 11 Abs. 3 und 6 der Richtlinie 93/37/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge in Verbindung mit Anhang V dieser Richtlinie verstoßen, dass es am 5. November 1999
–den Bau eines dritten Fahrstreifens in beiden Fahrtrichtungen auf dem zwischen der Stadt Villalba und der Anschlussstelle Valle de los Caídos gelegenen Teilstück des mautpflichtigen Abschnitts der Autobahn A-6,
–den Bau eines in beide Fahrtrichtungen benutzbaren dritten Fahrstreifens auf dem zwischen der Anschlussstelle Valle de los Caídos und der Stadt San Rafael gelegenen Teilstück des mautpflichtigen Abschnitts der Autobahn A-6 einschließlich des Baus eines neuen Tunnels und
–den Bau eines vierten Fahrstreifens in beiden Fahrtrichtungen auf dem zwischen den Städten Madrid und Villalba gelegenen mautfreien Abschnitt der Autobahn A-6
an die Ibérica de Autopistas SA vergeben hat, ohne dass diese Bauwerke unter dem Auftragsgegenstand der öffentlichen Baukonzession, wie er in der im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlichten Vergabebekanntmachung und in den Ausschreibungsbedingungen beschrieben war, genannt worden wären.*)
VolltextVPRRS 2010, 0448
OLG Schleswig, Beschluss vom 02.07.2010 - 1 Verg 1/10
1. Unterkriterien präzisieren die eigentlichen Zuschlagskriterien und verdeutlichen, worauf es dem Auftraggeber im Einzelnen ankommt und in welcher Weise eine Umrechnung in Wertungspunkte erfolgt. Den Bietern muss dies vor Angebotserstellung bekannt sein, damit sie sich bei der Vorbereitung ihrer Angebote darauf einstellen können.
2. Ausnahmsweise ist eine nachträgliche "Verfeinerung" von Unterkriterien nur zulässig, wenn diese keinen Bieter diskriminieren kann.
VolltextVPRRS 2010, 0356
OLG Rostock, Urteil vom 30.06.2010 - 17 Verg 2/10
1. Sind alle Angebote unvollständig, so muss der Auftraggeber über die Aufhebung oder die Fortführung des Vergabeverfahrens entscheiden.
2. Die fristgebundene Nachforderung der fehlenden Erklärungen bei allen Bietern ermöglicht eine transparente und diskriminierungsfreie Fortsetzung des Verfahrens. Ein solches Vorgehen ist nicht vergaberechtswidrig.
VolltextVPRRS 2010, 0355
VK Nordbayern, Beschluss vom 30.09.2010 - 21.VK-3194-33/10
1. Zur Rügeobliegenheit, wenn infolge des unmittelbar bevorstehenden Ablaufes der Wartefrist gem. § 101a GWB der Zuschlag und der Verlust des Primärrechtschutzes drohen.*)
2. Kopplungsangebote sind grundsätzlich zulässig, müssen sich aber im Einzelfall am vergaberechtlichen Wettbewerbsgebot messen lassen. Insbesondere muss eine Manipulationsmöglichkeit des Bieters auf einen vorangegangenen Wettbewerb ausgeschlossen sein. Dies wäre dann der Fall, wenn sich das Koppelungsangebot auch auf ein Einzellos bezieht, das bereits eröffnet ist und von dem bekannt ist, welchen Rang der Bieter einnimmt. Dann darf der Bieter seine Stellung in diesem Wettbewerb durch ein Koppelungsangebot nicht verbessern können.*)
3. Nicht dokumentierte Prüfungs- und Wertungsschritte gelten als nicht stattgefunden.*)
4. Angebote müssen klar und in sich schlüssig gestaltet sein. Insbesondere müssen die Einzelansätze einer Leistung der mathematischen Summe entsprechen. Bei Divergenz sind die Einzelansätze maßgebend (analoge Anwendung der Festlegungen aus § 23 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A).*)
VolltextVPRRS 2010, 0474
VK Bund, Beschluss vom 06.08.2010 - VK 3-72/10
1. Bei der Schätzung des Auftragswerts ist auf den Nettoauftragswert einschließlich aller Optionen und Vertragsverlängerungen abzustellen.
2. Der Auftragswert darf nicht in der Absicht geschätzt oder aufgeteilt werden, den Auftrag der Anwendung der Verordnung zu entziehen. Der öffentliche Auftraggeber Vergabestelle ist demnach verpflichtet, eine ernsthafte Prognose über den voraussichtlichen Auftragswert anstellen oder erstellen lassen.
3. An die erforderliche Schätzung des Auftragswertes durch den Auftraggeber dürfen keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Ein pflichtgemäß geschätzter Auftragswert ist jener Wert, den ein umsichtiger und sachkundiger öffentlicher Auftraggeber nach sorgfältiger Prüfung des relevanten Marktsegmentes und im Einklang mit den Erfordernissen betriebswirtschaftlicher Finanzplanung bei der Anschaffung der vergabegegenständlichen Sachen veranschlagen würde.
4. Die Anforderungen an die Genauigkeit der Wertermittlung und der Dokumentation steigen, je mehr sich der Auftragswert an den Schwellenwert annähert.
VolltextVPRRS 2010, 0465
VK Bund, Beschluss vom 17.08.2010 - VK 1-70/10
1. Der Begriff der "wettbewerbsbeschränkenden Abrede" im Sinne von § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchstabe c) VOB/A ist mit Blick auf den das gesamte Vergabeverfahren beherrschenden Wettbewerbsgrundsatz weit auszulegen. Er ist nicht auf gesetzeswidriges Verhalten beschränkt, sondern umfasst auch alle sonstigen Absprachen und Verhaltensweisen eines Bieters, die mit dem vergaberechtlichen Wettbewerbsgebot unvereinbar sind.
2. Wesentliches und unverzichtbares Merkmal einer Auftragsvergabe im Wettbewerb ist die Gewährleistung eines Geheimwettbewerbs zwischen den an der Ausschreibung teilnehmenden Bietern. Nur dann, wenn jeder Bieter die ausgeschriebenen Leistungen in Unkenntnis der Angebote und Angebotsgrundlagen sowie der Angebotskalkulation seiner Mitbewerber um den Zuschlag anbietet, ist ein echter Bieterwettbewerb möglich.
VolltextVPRRS 2010, 0354
VK Nordbayern, Beschluss vom 22.09.2010 - 21.VK-3194-34/10
1. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2009 ist ein Nachreichen von Erklärungen oder Nachweisen zulässig. Die Anerkennung der Besonderen Vertragsbedingungen 214.H ist eine Erklärung der Bieter i.S.v. § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2009.*)
2. In den Besonderen Vertragsbedingungen sind vom Auftraggeber die Ausführungsfristen, die Rechnungslegung und die Sicherheitsleistungen für die Baudurchführung festgelegt. Es handelt sich um eine von der Vergabestelle vorformulierte Unterlage, die vom Bieter an keiner Stelle individuell auszufüllen oder zu ergänzen war. Deswegen kann ein Angebot auch ohne diese Unterlage in jeder Hinsicht mit den Angeboten anderer Bieter verglichen und bewertet werden. Fehlende Unterlagen bzw. Vertragsbedingungen, bei denen keine eigenständigen Eintragungen der Bieter gefordert waren, rechtfertigten selbst nach der VOB/A 2006 keinen Angebotsausschluss.*)
VolltextVPRRS 2010, 0353
EuGH, Urteil vom 21.10.2010 - Rs. C-570/08
Art. 2 Abs. 8 Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG ist dahin auszulegen, dass er für die Mitgliedstaaten keine Verpflichtung schafft, auch zu Gunsten öffentlicher Auftraggeber gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Entscheidungen der für Nachprüfungsverfahren auf dem Gebiet der Vergabe öffentlicher Aufträge zuständigen Grundinstanzen, die keine Gerichte sind, vorzusehen. Diese Bestimmung hindert die Mitgliedstaaten jedoch nicht daran, in ihren jeweiligen Rechtsordnungen gegebenenfalls einen derartigen Rechtsschutz zu Gunsten öffentlicher Auftraggeber vorzusehen.*)
VolltextVPRRS 2010, 0351
VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 08.10.2010 - VK-SH 13/10
1. Wenn der Preis das einzige Zuschlagskriterium ist, dürfen Nebenangebote nicht berücksichtigt werden. Dies folgt aus Art. 24 Abs. 1 Richtlinie 2004/18/EG, der mangels Umsetzung ins deutsche Recht unmittelbar anzuwenden ist.
2. Hat der Auftraggeber gleichwohl Nebenangebote zugelassen, liegt ein schwerwiegender Vergabefehler vor, der zur Aufhebung des Vergabeverfahrens gemäß § 26 Nr. 1 c VOB/A 2006 (= VOB/A 2009 § 17 Abs. 1 Nr. 3) zwingt.
VolltextVPRRS 2010, 0350
OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.03.2010 - 5 U 89/09
1. Für eine wirksame Vertretung bei der Zustellung von gerichtlichen Schrift-stücken nach § 171 ZPO muss der rechtsgeschäftlich bestellte Vertreter zur Entgegennahme von Zustellungen ermächtigt sein.*)
2. Durch die in einem Beauftragungsschreiben der Bundesrepublik Deutschland als Auftraggeberin enthaltene Formulierung: "Auf Grund Ihres Angebots erhalten Sie den Auftrag zur Ausführung der oben bezeichneten Leistungen im Namen und auf Rechnung* (*Vertretungsformel gemäß VHB eintragen) der Bundesrepublik Deutschland, das Bundesministerium der Verteidigung, die Oberfinanzdirektion Münster, den Bau und Liegenschaftsbetrieb NRW Düsseldorf." erlangt das BLB die Stellung eines bevollmächtigten Bauleiters.*)
3. Vor dem Hintergrund des gemeinsamen Runderlasses des Bundesministeriums der Verteidigung und des Bundesministeriums für Verkehr-, Bau und Wohnungswesen vom 27.01.2000, durch den geregelt wird, dass die Entgegennahme von Zustellungen im Rahmen eines Rechtsstreits der jeweils zuständigen Oberfinanzdirektion obliegt, beinhaltet die obige Bevollmächtigung des BLB keine Zuweisung einer Zustellungsbevollmächtigung an das BLB.*)
VolltextVPRRS 2010, 0349
OLG Brandenburg, Beschluss vom 10.08.2010 - Verg W 1/10
Macht der Bieter eine geforderte Fabrikatsangabe nicht an der im Leistungsverzeichnis vorgesehenen Stelle, sondern nur in einer selbst gefertigten "ergänzenden Leistungsbeschreibung", führt dies zum Angebotsausschluss wegen fehlender Erklärungen, wenn die ergänzende Leistungsbeschreibung nicht den Anforderungen des § 21 Nr. 1 Abs. 4 VOB/A an ein zulässiges Kurzverzeichnis genügt.
VolltextVPRRS 2010, 0348
EuG, Urteil vom 09.09.2010 - T-300/07
(Ohne amtlichen Leitsatz)
VolltextVPRRS 2010, 0475
OLG Dresden, Beschluss vom 24.06.2010 - WVerg 0004/10
1. Eine isolierte Kostenbeschwerde dient - unbeschadet ihrer Statthaftigkeit - nicht dazu, die Richtigkeit der in der Hauptsache getroffenen Entscheidung zu überprüfen, die, obwohl sie rechtsmittelfähig war, von den Beteiligten gerade nicht angefochten worden ist.
2. Die durch eine Kostenentscheidung rechtswidrig beschwerte Partei kann, auf der Basis der unbeanstandet gelassenen Hauptsacheentscheidung, diese kostenrechtliche Beschwer geltend machen, den Rechtsbehelf also darauf stützen, dass der in der Sache tatsächlich ergangene Beschluss der Vergabekammer einen ihr günstigeren Kostenausspruch erfordert hätte.
VolltextVPRRS 2010, 0345
VK Münster, Beschluss vom 07.10.2010 - VK 6/10
1. Voraussetzungen für die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 auf "nicht kommerzielle" Linienverkehre mit Bussen: Im Bereich der Busdienstleistungen gilt Art. 5 Abs. 1 S. 2, wonach im Falle eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages der 4. Teil des GWB zur Anwendung kommt, nicht aber die Verordnung.*)
2. Ein vergabefreies Eigengeschäft nach den Vorgaben des EuGH setzt voraus, dass die beauftragte Gesellschaft als interne Betriebsstelle des öffentlichen Auftraggebers die Leistungen auch tatsächlich selbst erbringt.*)
VolltextVPRRS 2010, 0344
OLG München, Urteil vom 20.07.2010 - 13 U 4489/08
1. § 2 Nr. 6 VOB/B findet nur dann Anwendung, wenn unter den Vertragsleistungen keinerlei Bezugspositionen zu finden sind, deren Teilleistungen noch als sinnvolle Ausgangspunkte für eine Nachtragskalkulation herangezogen werden können. Sind Kostenelemente einer modifizierten Leistung in einer "analogen Kostenfortschreibung" aus den Ansätzen der Angebotskalkulation herzuleiten, ist der Bauinhalt nur geändert im Sinne von § 2 Nr. 5 VOB/B.
2. Ist der nach § 2 Nr. 3 Abs. 2 oder § 2 Nr. 5 VOB/B zu vereinbarende Einheitspreis für Mehrmengen außerordentlich überhöht, weil der Auftragnehmer in der betreffenden Position des LV einen ähnlich überhöhten Einheitspreis für die ausgeschriebene Menge angeboten hat, besteht eine Vermutung für ein sittlich verwerfliches Gewinnstreben des Auftragnehmers.
3. Es bleibt offen, ob allein die 6,87-fache Überhöhung des Einheitspreises ausreichend ist, um von einem Verstoß gegen die guten Sitten auszugehen.
4. Die Vermutung der Sittenwidrigkeit kann der Auftragnehmer durch Angaben zur Preisbildung widerlegen, die den Schluss auf ein sittlich verwerfliches Gewinnstreben ausschließen.
5. Die Angaben zur Preisbildung bzw. Kalkulation sind dem Zeugenbeweis zugänglich.
VolltextVPRRS 2010, 0343
LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 07.05.2010 - L 1 SF 95/10 B
Im Vergabeverfahren kann nicht gerügt werden, dass durch eine mit der Ausschreibung bezweckte Gebietsmonopolisierung Rechte der Versicherten bzw. der Sicherstellungsauftrag diesen gegenüber verletzt werden. In der Rechtsrüge, § 129 Abs. 5 S. 3 SGB V gestatte es den Krankenkassen nicht, die Versorgung der Versicherten mit Arzneimittelzubereitungen in der Onkologie zur parenteralen Verabreichung im Weg der verkürzten Versorgung durch Selektivverträge mit einzelnen Apothekern sicherzustellen, von welchem die Vertragsärzte ausschließlich die Arzneimittel beziehen dürften, ist hinreichend deutlich der vergaberechtlich relevante Einwand enthalten, das Auftragsvolumen sei zu unbestimmt im Sinne des § 3a Nr. 4 Abs. 1 Satz 2 VOL/A bzw. jedenfalls möglicherweise nicht so groß, wie dies die Ausschreibung vermuten lasse. Aus dem Zusammenspiel des § 129 Abs. 5 Satz 3 SGB V mit § 11 Abs. 2 ApoG ergibt sich nicht, dass die Medikamentenbeschaffung durch den Versicherten selbst ausgeschlossen ist.*)
VolltextVPRRS 2010, 0342
VK Nordbayern, Beschluss vom 22.09.2010 - 21.VK-3194-24/10
1. Wenn die ASt über eigene Rechtsabteilungen verfügt und bei der ASt aufgrund langjähriger Betätigung in einem üblicher Weise mit öffentlichen Auftraggebern und Ausschreibungen agierenden Geschäftsfeld vergaberechtlich versierte Mitarbeitern vorhanden sind, so dass ein Rückgriff auf den firmeninternen Sachverstand zumutbar erscheint, ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch die ASt als nicht notwendig anzusehen.*)
2. Für einen solchen Fall kann der Umstand sprechen, dass ein ASt das Rügeschreiben mit umfangreichen rechtlichen Ausführungen, die bereits sämtliche Erwägungen des späteren Nachprüfungsantrages aufführen, ohne Rechtsbeistand selbst erstellt hat.*)
VolltextVPRRS 2010, 0455
EuGH, Urteil vom 09.09.2010 - Rs. C-64/08
1. Art. 43 EGV ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die den Betrieb von Glücksspielen in Spielbanken ausschließlich Wirtschaftsteilnehmern mit Sitz im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats vorbehält.*)
2. Das Transparenzgebot, das sich aus den Art. 43 EGV und 49 EGV sowie dem Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit ergibt, steht einer Vergabe sämtlicher Konzessionen für den Betrieb von Spielbanken im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, die ohne Ausschreibung erfolgt, entgegen.*)
VolltextVPRRS 2010, 0341
OLG Koblenz, Beschluss vom 04.10.2010 - 1 Verg 9/10
1. Der Auftraggeber ist grundsätzlich berechtigt, zum Nachweis der Eignungskomponente "Erfahrung" Angaben über die Ausführung von mit der jetzt zu vergebenden Leistung vergleichbaren Tätigkeiten zu verlangen.*)
2. Gemeint sind damit unternehmensbezogene Referenzen, d.h. es kommt darauf an, ob die natürliche oder juristische Person, die sich um den Auftrag bewirbt, selbst bereits vergleichbare Leistungen erbracht hat.*)
3. Referenzen für "verwandte" oder Vorgängerunternehmen könnten allenfalls dann Berücksichtigung finden, wenn eine weitgehende Personenidentität besteht und dies bereits mit dem Teilnahmeantrag dargelegt wird.*)
4. Ein Bewerber, der nicht der geforderte Anzahl von Referenzobjekten belegt, scheitert bereits an der Hürde der formalen Eignungsprüfung, weil der Auftraggeber dessen Eignung auf der Grundlage der bekanntgemachten und daher verbindlichen Spielregeln für den Teilnahmewettbewerb nicht prüfen und schon gar nicht vergaberechtskonform bejahen kann.*)
VolltextVPRRS 2010, 0340
OLG Koblenz, Beschluss vom 04.10.2010 - 1 Verg 8/10
1. Mit der Pflicht des Auftraggebers, die Eignung der am Auftrag interessierten Unternehmen zu prüfen, korrespondiert das Recht, die Vorlage von Eignungsnachweisen zu fordern.*)
2. Vergabekammern und -senate sind nicht befugt, die Entscheidung des Auftraggebers, einen bestimmten Nachweis für erforderlich zu halten, durch eine eigene zu ersetzen oder Zweckmäßigkeitserwägungen anzustellen. Sie dürfen nur eingreifen, wenn eine Forderung unzumutbar ist oder nicht mehr der Befriedigung eines mit Blick auf das konkrete Beschaffungsvorhaben berechtigten Informationsbedürfnisses des Auftraggebers dient, sondern ohne jeden sachlichen Grund ausgrenzend und damit wettbewerbsbeschränkend wirkt.*)
VolltextVPRRS 2010, 0339
OLG Koblenz, Beschluss vom 15.09.2010 - 1 Verg 7/10
1. Wie jede Ausnahmevorschrift auch ist § 100 Abs. 2 lit. d) GWB "eng", d.h. so auszulegen, dass ihre Anwendung auch tatsächlich die Ausnahme bleibt. Sie darf deshalb nicht so angewendet werden, dass ein staatlich beherrschter Flughafenbetreiber als Sektorenauftraggeber zwar theoretisch seinen betriebsbedingten Bedarf in Anwendung des Vergaberechts decken muss (wenn bestimmte Auftragswerte erreicht werden), faktisch aber seine gesamte Bautätigkeit und weite Teile des Dienstleistungsbereichs "vergaberechtsfrei" sind, weil im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Flughafens immer auch Sicherheitsaspekte eine Rolle spielen.*)
2. Sicherheitsmaßnahmen, die allein an die Eigenschaft des Auftraggebers als Flughafenbetreiber anknüpfen, also nicht durch die Verfahrensweise bei einer Auftragsvergabe veranlasst sind oder die völlig unabhängig von einer Beschaffung ergriffen werden müssen, sind keine besonderen.*)
3. Werden die auf einem Zivilflughafen üblichen hohen Sicherheitsstandards für Verkehrsflughäfen für die Dauer von Bauarbeiten suspendiert und durch Maßnahmen geringer Intensität ersetzt, um die Durchführung der Bauarbeiten erleichtern, liegen die Voraussetzungen des § 100 Abs. 2 lit. d) bb) GWB nicht vor.*)
VolltextVPRRS 2010, 0338
OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.06.2010 - 11 Verg 4/10
1. Es bedarf keiner zusätzlichen Rüge, wenn die Vergabestelle im Antwortschreiben auf eine vorherige Rüge weitere - im Absageschreiben ungenannte - Zuschlagsversagungsgründe nachschiebt. Denn ansonsten hätte es die Vergabestelle in der Hand, durch dosierte und nachträgliche Bekanntgabe ihrer Entscheidungsgrundlagen eine Mehrzahl von Rügen erforderlich zu machen, die letztlich auf dieselbe Entscheidung zielen, nämlich das Angebot des Antragstellers nicht zu berücksichtigen.
2. Zwar stehen unvollständige und deshalb unbrauchbare Erklärungen fehlenden gleich. Bei auf den ersten Blick unklaren oder unvollständigen Erklärungen muss einem Ausschluss jedoch die Prüfung vorangehen, ob nicht im Wege der Auslegung ein eindeutiger oder vollständiger Inhalt ermittelt werden kann.
3. Aus der Sicht des objektiven Empfängerhorizonts bestehen keine vernünftigen Zweifel, dass die von der Antragstellerin benannten Nachunternehmer ihre Nachunternehmererklärungen im Formblatt 320 EG allein ihr gegenüber abgegeben haben, selbst wenn in den Formularen 320 EG an der vorgesehenen Stelle der Name der Firma, gegenüber der sich die Nachunternehmer verpflichten, fehlt.
4. Die allgemeinen zivil- und handelsrechtlichen Vorschriften, die mangels ausdrücklicher Regelung im Vergaberecht subsidiär anzuwenden sind, sehen eine Pflicht zur Vorlage einer Vollmachtsurkunde bei einem Handeln in Vertretung nicht vor, sondern lediglich die Pflicht, dass der Wille, im fremden Namen aufzutreten, deutlich zu Tage tritt, und dass das Handeln im Rahmen einer dem Vertreter bereits eingeräumten Vertretungsmacht erfolgt.
5. Der öffentliche Auftraggeber ist nicht gehindert, sich bei der Vorbereitung und Durchführung eines Vergabeverfahrens ganz oder teilweise der Hilfe Dritter zu bedienen, die über einen qualifizierten Sachverstand verfügen. Externe Dritte dürfen die Vergabestelle bei ihrer Entscheidung indes lediglich unterstützen. Nicht zulässig ist es, die Verantwortung für die Vergabe an diese zu übertragen. Die Vergabestelle muss eigenverantwortlich das Vergabeverfahren durchführen. Dieser Pflicht und Verantwortung im Hinblick auf die Vergabeentscheidung genügt die Vergabestelle, wenn sie die Wertung durch einen Freiberufler und dessen Zuschlagsvorschlag genehmigt. Diese Genehmigung soll zumindest durch einen billigenden Prüfungsvermerk mit verantwortlicher Unterschrift zum Ausdruck kommen.
6. Wird bei der Vorlage von Referenzen auf die Tätigkeit anderer Firmen zurückgegriffen, so taugt dies nicht zum Nachweis der Eignung des Bieters, weil damit nicht dokumentiert werden kann, dass sich dieser konkrete Bieter auch wirklich hinsichtlich der nachgefragten Leistung am Markt bereits bewährt hat. Die früheren Leistungen eines anderen Unternehmers können nur dann die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens für einen konkreten Auftrag belegen, wenn sichergestellt ist, dass dieses den ausgeschriebenen Auftrag vollständig oder zumindest zu einem ganz überwiegenden Teil durch dasselbe Personal des Unternehmens durchführen wird.
VolltextVPRRS 2010, 0337
OLG Jena, Beschluss vom 09.09.2010 - 9 Verg 4/10
1. In der Vorabinformation muss der früheste Zeitpunkt des Vertragsschlusses genannt werden. Der andernfalls erteilte Zuschlag ist unwirksam.
2. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur europaweiten Ausschreibung verletzt nicht ohne Weiteres die Rechte eines Bieters, der nicht nur durch eine andere Form der Veröffentlichung über die Vergabeabsicht informiert und deshalb in die Lage versetzt wird, durch Anforderung der Verdingungsunterlagen sein Interesse an der Auftragsvergabe zu bekunden, sondern auch ein Angebot abgibt.
3. Weist die Vergabeakte solch massive Dokumentationsmängel auf, dass das Vergabeverfahren anhand dieser kaum nachvollzogen werden kann, liegt darin eine Verletzung des Transparenzgrundsatzes, die dazu führt, dass das Verfahren ab dem Zeitpunkt der unzureichenden Dokumentation zu wiederholen ist.
4. Um Transparenz zu gewährleisten und Manipulationsmöglichkeiten weitestmöglichst auszuschließen, kommt eine Heilung von Dokumentationsmängeln grundsätzlich nicht in Betracht.
5. Die Konsequenz unstatthafter Nachverhandlungen besteht weder in einer Wiederholung des gesamten Vergabeverfahrens, noch führen sie zu einem Ausschluss des entsprechenden Angebots; vielmehr ist das Angebot ohne Berücksichtigung der nachverhandelten Änderungen zu werten.
6. Mit der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots kann die Vergabestelle die mit dem Angebot bzw. später auf Anforderung vorzulegenden Eignungsnachweise konkretisiert. Hierzu ist sie berechtigt; sie darf die in der Bekanntmachung festgelegten Anforderungen nur später nicht verschärfen.
VolltextVPRRS 2010, 0336
VK Sachsen, Beschluss vom 06.07.2010 - 1/SVK/013-10
1. Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH(Urteil vom 28.01.2010 - Rs. C-406/08, IBR 2010, 259; Urteil vom 28.01.2010 C-456/08) bleibt das Merkmal der Unverzüglichkeit im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB anwendbar. Rügen, die nach Dienstschluss bei der Vergabestelle eingehen, sind dieser erst am nächsten Arbeitstag zugegangen.*)
2. Auch im Verhandlungsverfahren können nur Angebote in der weiteren Wertung berücksichtigt werden, wenn diese im Zeitpunkt der Angebotsabgabe die Mindestanforderungen erfüllen.*)
3. Es ist zwar nicht die Aufgabe der Vergabestelle, im Zweifel einzelne Positionen des Angebots zu ergänzen, um festzustellen, was der Bieter eventuell angeboten haben könnte. Jedoch wäre es reine Förmelei der vorliegend fehlenden Hersteller- /Typangabe eine Ausschlussrelevanz zuzuweisen, wenn die Angabe sich unzweideutig aus dem Angebot selbst ergibt.*)
VolltextVPRRS 2010, 0335
OLG München, Beschluss vom 02.09.2010 - Verg 17/10
1. Werden pneumatische Bremsen verlangt, ist ein Angebot mit mechanischen Bremsen auszuschließen.
2. Eine Aufklärung nach § 24 VOL/A 2006 darf nicht zu einer Änderung des Angebotes führen; sonst würde der Gleichbehandlungsgrundsatz gegenüber anderen Bietern verletzt, denen nicht die Chance gegeben wird, ein nicht zuschlagsfähiges Angebot zuschlagsfähig zu machen. Diese Grundsätze gelten erst recht für Angaben im Nachprüfungsverfahren.
3. Die Unsicherheit, ob nun bis Auftragserteilung ein marktreifes Produkt vorliegt oder nicht, darf durchaus bei der Wertung herangezogen werden.
4. Nach § 25a Nr. 1 Abs. 2 VOL/A 2006 darf der öffentliche Auftraggeber bei der Wertung nur diejenigen Kriterien berücksichtigen, welche in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen genannt sind. Aus dem Transparenzgebot folgt weiter, dass dies auch für die Gewichtung der einzelnen Kriterien zu gelten hat.
5. Ist das Angebot des Antragstellers zwingend auszuschließen, kann ein rechtlich geschütztes Interesse an einer weitergehenden Akteneinsicht nicht bejaht werden.
VolltextVPRRS 2010, 0447
OLG München, Beschluss vom 29.07.2010 - Verg 9/10
1. Von einem durchschnittlichen Bieter kann jedenfalls zur Zeit nicht erwartet werden, dass er die Rechtsprechung des BGH und des EuGH zur fehlerhaften Vermengung von Eignungs- und Zuschlagskriterien kennt. Der Bieter ist daher mit einer entsprechenden Rüge, welche erst nach Angebotsabgabe und nach rechtlicher Beratung erhoben worden ist, nicht präkludiert.*)
2. Ein offensichtlich unzutreffend angebotener Preis kann dann korrigiert werden, wenn der Auftraggeber die Preisangabe im zutreffenden Sinn versteht, weil der offensichtlich zutreffende Preis an mehreren anderen Stellen des Angebotes erklärt worden ist.*)
VolltextVPRRS 2010, 0333
VK Sachsen, Beschluss vom 25.08.2010 - 1/SVK/023-10
Nach § 7 Nr. 4 VOL/A 2006 können von den Bewerbern zum Nachweis ihrer Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit entsprechende Angaben gefordert werden, soweit es durch den Gegenstand des Auftrags gerechtfertigt ist. Entscheidend für die Zulässigkeit der Abforderung ist, ob aus verständiger Sicht des Auftraggebers ein berechtigtes Interesse hieran besteht. Ob ein Auftraggeber ein berechtigtes Interesse an einer geforderten Erklärung hat, hängt von seiner, für die Vergabekammer nur eingeschränkt überprüfbaren, Einschätzungsprärogative ab.*)
VolltextVPRRS 2010, 0458
VK Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 22.06.2010 - VK 1-20/10
1. Nebenangebote müssen entsprechend § 9 Nr. 1 VOB/A so eindeutig und erschöpfend beschrieben sein, dass der Auftraggeber sich ein klares Bild über die angebotene Ausführung der Leistung machen kann.
2. Der Bieter, der mit einem Nebenangebot zum Zuge kommen möchte, muss insbesondere darlegen, dass die alternativ angebotene Leistung gleichwertig mit der von der Vergabestelle ausgeschriebenen Leistung ist.
3. Soweit das Nebenangebot in technischer Hinsicht vom Hauptangebot abweicht, ist es Aufgabe des Bieters, die Gleichwertigkeit durch entsprechende Unterlagen wie Prüfzeugnisse, Gutachten, Qualitätszertifikate etc. nachzuweisen.
VolltextVPRRS 2010, 0331
Generalanwalt beim EuGH, Schlussanträge vom 16.09.2010 - Rs. C-306/08
1. Ein entgeltlicher Vertrag setzt voraus, dass der Auftraggeber den wirtschaftlichen Nachteil entweder positiv in Form einer Zahlungspflicht gegenüber dem Wirtschaftsteilnehmer oder negativ in Form des Ausfalls ansonsten fälliger Einnahmen oder Mittel trägt.
2. Die bloße Berechtigung des Auftraggebers, von einem Dritten die Bezahlung der auftragsgegenständlichen Leistung zu verlangen, reicht zur Annahme eines entgeltlichen Vertrags nicht aus.
VolltextVPRRS 2010, 0330
VK Arnsberg, Beschluss vom 09.09.2010 - VK 17/10
Die Eingrenzung der angebotenen Leistung durch die Herausnahme bestimmter Schadensursachen aus einem Vertrag, der den Leistungsumfang ursachenunabhängig über Zustandsbeschreibungen definiert erfüllt den Tatbestand des § § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A 2006.*)
VolltextVPRRS 2010, 0329
VK Arnsberg, Beschluss vom 02.09.2010 - VK 16/10
1. Die Einschränkung auf Auslieferung auf die Werktage Dienstag bis Samstag statt der geforderten werktäglichen Auslieferung erfüllt den Tatbestand des § 25 Nr. 1 Abs. 1 d VOL/A 2006.*)
2. Eine unklare Preisangabe erfüllt den Tatbestand des § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/ A 2006.*)
3. Ein Ausschlussgrund ergibt sich auch bei unklaren Nachunternehmerangaben.*)
VolltextVPRRS 2010, 0328
VK Arnsberg, Beschluss vom 25.08.2010 - VK 15/10
1. Nach der Entscheidung des EuGH vom 28.01.2010 - Rs. C-406/08 zur mangelnden Bestimmtheit einer Fristbestimmung durch Begriffe, deren Auslegung ins Ermessen eines Richters gestellt ist, ist die Regelung des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB vergaberechtlich nach der Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG unzulässig, weil der Begriff der Unverzüglichkeit Ermessensentscheidungen genau dieser Art zulässt.*)
2. Ziel der Richtlinie ist es aber, den Zugang zum Rechtsschutz sicherzustellen. Dieses Ziel kann nicht mit variablen ermessensabhängigen Fristenläufen erreicht werden.*)
3. Die Unbestimmtheit wird auch nicht mit dem Hinweis auf die ebenso unbestimmte Formulierung des § 121 BGB "ohne schuldhaftes Zögern" verhindert. Gerade im Vergaberecht hat sich auch in mehr als 10 Jahren keine eindeutige Auslegung durch die Rechtsprechung herauskristallisiert.*)
4. Auch eine fehlende Breitenangabe führt ebenso wie die Nichterfüllung eines geforderten Verschlusstyps als fehlende Erklärung zum Ausschluss.*)
VolltextVPRRS 2010, 0327
EuGH, Urteil vom 30.09.2010 - Rs. C-314/09
Die Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung, die den Schadensersatzanspruch wegen Verstoßes eines öffentlichen Auftraggebers gegen Vergaberecht von der Schuldhaftigkeit des Verstoßes abhängig macht, auch dann entgegensteht, wenn bei der Anwendung dieser Regelung ein Verschulden des öffentlichen Auftraggebers vermutet wird und er sich nicht auf das Fehlen individueller Fähigkeiten und damit auf mangelnde subjektive Vorwerfbarkeit des behaupteten Verstoßes berufen kann.*)
VolltextVPRRS 2010, 0326
VK Arnsberg, Beschluss vom 02.07.2010 - VK 12/10
Gemäß § 25a Nr. 1 Abs. 2 VOL/A darf der Auftraggeber nur die Kriterien berücksichtigen, die sich aus der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen ergeben. Dabei sind die als Mindestkriterien bezeichneten Vorgaben für den Auftraggeber unverzichtbar.*)
VolltextVPRRS 2010, 0325
VK Arnsberg, Beschluss vom 11.03.2010 - VK 1/10
1. Eine Auftraggeberin nach § 11 VgV alt/§ 129b GWB unterliegt den Grundsätzen des § 97 Abs. 1 und 2 GWB.*)
2. Einer Auftraggeberin nach § 11 VgV alt/§ 129b GWB ist zuzugestehen, dass sie nicht unmittelbar an den Wortlaut der Verdingungsordnungen - hier der VOL/A oder Einzelheiten, die das GWB für bestimmte Verfahren vorsieht - gebunden ist. Wenn sie jedoch von den gesetzgeberischen Vorschlägen zur Durchführung eines sachgerechten Verfahrens selbst in der minimalen Form, wie sie sich aus dem 4. Teil der VOL/A ergeben, abweicht, ist sie verpflichtet, eine die Ziele des Verfahrens einhaltende, adäquate Lösung zu verwenden und deren Eignung nachzuweisen.*)
3. Dazu gehört eine einheitliche Leistungsbeschreibung, die Bekanntgabe der Zuschlagskriterien, eine zur Nachprüfung hinreichende Dokumentation der Vergabeentscheidung und eine die Gleichbehandlung der Bieter gewährleistende Verfahrensweise.*)
VolltextVPRRS 2010, 0324
VG Mainz, Beschluss vom 30.08.2010 - 6 L 849/10
1. Öffentliche Stellen, die einen Vertrag über Dienstleistungskonzessionen abschließen, haben die Grundregeln des EG-Vertrages im Allgemeinen und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit im Besonderen zu beachten.
2. Der Gleichbehandlungsgrundsatz und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit schließen insbesondere eine Verpflichtung zur Transparenz ein. Diese Transparenzpflicht besteht darin, dass zu Gunsten der potentiellen Bieter ein angemessener Grad von Öffentlichkeit sicherzustellen ist.
VolltextVPRRS 2010, 0323
OLG Celle, Beschluss vom 30.09.2010 - 13 Verg 10/10
1. Bevor ein Angebot nach § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A Ausgabe 2006 ausgeschlossen werden kann, muss dem betroffenen Bieter unter Setzung einer angemessenen Frist zwingend Gelegenheit gegeben werden, den Eindruck eines ungewöhnlich niedrigen Angebots zu entkräften oder aber beachtliche Gründe dafür aufzuzeigen, dass sein Angebot trotzdem anzunehmen ist.*)
2. Von einer genaueren Überprüfung unter Einbeziehung des betroffenen Bieters ist nur dann abzusehen, wenn ein offenbares Missverhältnis von Preis und Leistung im Sinne des § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A Ausgabe 2006 besteht, bei dem der angebotene (Gesamt)Preis derart eklatant von dem an sich angemessenen Preis abweicht, dass es sofort ins Auge fällt.*)
VolltextVPRRS 2010, 0322
VK Sachsen, Beschluss vom 22.07.2010 - 1/SVK/022-10
1. Die marktbeherrschende Stellung eines Unternehmens darf nicht dazu führen, dass ein Wettbewerb praktisch nicht möglich wird. Bei Postzustelldienstleistungen verfügt derzeit kaum ein privater Postdienstleister - auch nicht im Wege der Kooperation mit anderen Dienstleistern - über ein flächendeckendes Netz. Bei Nichtbildung von Regionallosen hat der Auftraggeber es dem Bieter zu ermöglichen, die Flächendeckung im Zustelldienst, durch Inanspruchnahme des marktbeherrschenden Unternehmens, das rechtlich verpflichtet ist, Einlieferungen des Bieters zu befördern, herzustellen.*)
2. Fehlt in der Vergabebekanntmachung die Angabe, dass konkrete Nachweise zur Darlegung der Eignung für Nachunternehmer vorzulegen sind, kann ein Angebot nicht deshalb ausgeschlossen werden, weil für Nachunternehmer keine Eignungsnachweise vorgelegt worden sind. Eine ungeschriebene Pflicht, für jeden Nachunternehmer jeden vom Vertragspartner geforderten Eignungsnachweis gleichfalls zu erbringen, kann nicht angenommen werden.*)
3. Dem Absehen von der Losvergabe hat eine umfassende Interessenabwägung voranzugehen. Die hierfür sprechenden Gründe dürfen nicht lediglich in einer Vermeidung des mit einer Fachlosvergabe typischerweise verbundenen Mehraufwands liegen.*)
VolltextVPRRS 2010, 0321
VK Sachsen, Beschluss vom 11.06.2010 - 1/SVK/016-10
1. Auch in einem VOF Verfahren sind unvollständige Angebote auszuschließen. Ein solcher zwingender Ausschluss formal fehlerhafter Angebote im VOF-Verfahren resultiert dabei aus dem in § 97 Abs. 2 GWB enthaltenen Gleichbehandlungs- und Transparenzgebot als tragender Grundlage des Vergaberechts.*)
2. Angaben zu vergleichbar erbrachten Projekten vermögen nicht fehlende Angaben zur Qualifikation von Mitarbeitern zu ersetzen. Ein Rückschluss über die jeweils ausgeführten Leistungsphasen bei den vergleichbaren Projekten oder über die Bürozugehörigkeit führt nicht zu einer sicheren Ermittlung der tatsächlich vorliegenden Qualifikation. Es ist nicht Aufgabe des Auftraggebers, die Qualifikation der benannten Personen anhand vergleichbarer Projekte herzuleiten oder durch eigene Nachforschungen zu ermitteln.*)
VolltextIBRRS 2010, 3630
VK Hessen, Beschluss vom 23.08.2010 - 69d-VK-19/2010
1. Eine Rüge neun Tage nach Zugang des Informationsschreibens ist nicht mehr unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB, auch wenn dieses noch nach § 13 VgV a.F. erfolgte.
2. Ein nachträglich versandtes Informationsschreiben nach § 101a GWB gleichen Inhalts stellt eine nachträgliche Richtigstellung dar und lässt die Rügemöglichkeit des Antragstellers nicht erneut aufleben.
3. Die Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB ist auch unter Berücksichtigung der neuesten EuGH-Rechtsprechung anwendbar.*)
VolltextVPRRS 2010, 0320
OLG Brandenburg, Beschluss vom 14.09.2010 - Verg W 8/10
1. Die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages, der die Feststellung der Unwirksamkeit eines vom öffentlichen Auftraggeber geschlossenen Vertrages zum Ziel hat, setzt auf Seiten des Antragstellers ein Interesse am Auftrag, die Geltendmachung der Verletzung eigener Rechte und einen drohenden Schaden durch eine behauptete Verletzung von Vergabevorschriften voraus. An diese Voraussetzungen dürfen keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden.*)
2. Ein Unternehmen kann die Feststellung der Unwirksamkeit des vom öffentlichen Auftraggeber geschlossenen Vertrages nicht erreichen, wenn ihm der Auftraggeber in nachvollziehbarer Weise die Eignung für die Durchführung dieses Auftrages abgesprochen hat.*)
3. Die Annahme der Unzuverlässigkeit des Auftragnehmers ist gerechtfertigt, wenn Auftraggeber und Auftragnehmer über die Auslegung eines zwischen ihnen abgeschlossenen Vertrages derartige Meinungsverschiedenheiten entwickelt haben, dass mit der Ausführung der beauftragten Leistungen nicht einmal begonnen werden konnte und die vom Auftraggeber hierbei eingenommene Rechtsposition vertretbar ist.*)
4. Die Mitteilung des Auftragnehmers, dass er von dem von ihm benannten Rohstofflieferanten nicht beliefert werde, rechtfertigt auf Seiten des Auftraggebers die Annahme, dass der Auftragnehmer nicht leistungsfähig sei.*)
VolltextVPRRS 2010, 0445
VK Lüneburg, Beschluss vom 15.01.2010 - VgK-74/2009
1. Die Frage, ob ein vertraglich aufgebürdetes Wagnis ungewöhnlich und damit unzulässig ist, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung von Art und Umfang der nachgefragten Leistung sowie unter Beachtung des Gesichtspunkt der Branchenüblichkeit zu klären. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass § 8 Abs. 1 Nr. 3 VOL/A nicht ausschließt, dass die Beteiligten den Rahmen des Zulässigen ausschöpfen.
2. Jedem Vertrag wohnen gewisse Risiken inne, die der Auftragnehmer bei der Ausführung der Leistung zu tragen hat. Hier finden die allgemeinen zivilrechtlichen Gefahrtragungsregeln Anwendung. Risiken, die der Unternehmer nach der im jeweiligen Vertragstyp üblichen Wagnisverteilung grundsätzlich zu tragen hat - die z.B. mit der Beschaffung oder Finanzierung von Materialien oder technischen Schwierigkeiten bei der Ausführung der Leistung zusammenhängen - sind gerade keine ungewöhnlichen Wagnisse.
3. Die Frage, ob eine Rüge noch unverzüglich nach positiver Kenntniserlangung erfolgt, hängt vom Einzelfall ab. Die Rüge muss angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich innerhalb von einem bis drei Tagen erfolgen. Auch bei einer ggf. notwendigen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts erfüllt ein Rügezeitraum von mehr als einer Woche das Zeitkriterium des § 107 Abs. 3 GWB regelmäßig nicht.
4. Eine Rügefrist von zwei Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird, kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert.
VolltextVPRRS 2010, 0319
OLG München, Beschluss vom 23.09.2010 - Verg 18/10
Unterliegt der öffentliche Auftraggeber im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer, hat er die notwendigen Aufwendungen der beigeladenen Bieter, welche die geplante Zuschlagsentscheidung des Auftraggebers verteidigen, nicht zu tragen.*)
VolltextVPRRS 2010, 0318
OLG München, Beschluss vom 21.09.2010 - Verg 15/10
Die Rücknahme der sofortigen Beschwerde ähnelt wegen der Gestaltung der sofortigen Beschwerde als Rechtsmittel der Rücknahme einer Berufung, auch wenn das Verfahren vor der Vergabekammer kein erstinstanzliches Verfahren darstellt.
VolltextVPRRS 2010, 0317
VK Nordbayern, Beschluss vom 17.08.2010 - 21.VK-3194-31/10
Zur Rügepräklusion des § 107 Abs. 3 GWB.*)
VolltextVPRRS 2010, 0316
VK Bund, Beschluss vom 21.06.2010 - VK 2-53/10
1. Anspruch auf eine Preisgleitklausel haben Auftragnehmer nur, wenn das Ermessen des Auftraggebers in § 15 Nr. 2 VOL/A 2006 ausnahmsweise auf Null reduziert ist, beispielsweise weil dem Auftragnehmer ohne Preisgleitklausel ein ungewöhnliches Wagnis im Sinne von § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A 2006 aufgebürdet wird.
2. Bei einer Rahmenvereinbarung über das Leasing von Fahrzeugen stellt es kein ungewöhnliches Wagnis dar, dass der Auftragnehmer das Zins- und Restwertrisiko zu tragen hat.
VolltextVPRRS 2010, 0315
VK Arnsberg, Beschluss vom 09.09.2010 - VK 18/10
Die Eingrenzung der angebotenen Leistung durch die Herausnahme bestimmter Schadensursachen aus einem Vertrag, der den Leistungsumfang ursachenunabhängig über Zustandsbeschreibungen definiert, erfüllt den Tatbestand des § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A 2006.*)
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