Vergabepraxis & -recht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
10873 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2021
VPRRS 2021, 0183OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.05.2021 - Verg 13/21
1. Der öffentliche Auftraggeber kann auch dann in eine Preisprüfung einzutreten, wenn zwar die sog. Aufgreifschwelle nicht erreicht ist, das Angebot aber aus anderen Gründen - etwa weil der Angebotspreis unangemessen niedrig erscheint und zugleich Anhaltspunkte für eine Mischkalkulation bestehen - konkreten Anlass zur Preisprüfung gibt.
2. Mit dem Nachforderungs- und Aufklärungsschreiben kann der Auftraggeber den Bieter zugleich dazu auffordern, sich zu bestimmten Einzelpreispositionen näher zu erklären.
3. Es ist einem Bieter grundsätzlich zumutbar, auch die Preise solcher Leistungspositionen aufzuschlüsseln, die von Nachunternehmern erbracht werden.
4. Ein öffentlicher Auftraggeber darf eine bisherige Verwaltungspraxis, auf die sich die Bieter eingestellt und auf die sie vertraut haben, nicht ohne rechtzeitige und deutliche Vorankündigung ändern.
VolltextVPRRS 2021, 0181
EuGH, Urteil vom 08.07.2021 - Rs. C-295/20
1. Art. 18 Abs. 2, Art. 58 und Art. 70 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG sind dahin auszulegen, dass in einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags über Abfallbewirtschaftungsdienstleistungen die sich insbesondere aus Art. 2 Nr. 35 und Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.06.2006 über die Verbringung von Abfällen ergebende Pflicht eines Wirtschaftsteilnehmers, der Abfälle von einem Mitgliedstaat in einen anderen Staat verbringen will, über die Zustimmung der zuständigen Behörden der von der Verbringung betroffenen Mitgliedstaaten zu verfügen, eine Bedingung für die Ausführung dieses Auftrags darstellt.*)
2. Art. 70 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24 ist dahin auszulegen, dass er es verbietet, das Angebot eines Bieters allein deshalb abzulehnen, weil dieser zum Zeitpunkt der Abgabe seines Angebots nicht nachweist, dass er eine Bedingung für die Ausführung des betreffenden Auftrags erfüllt.*)
VolltextVPRRS 2021, 0179
VK Bund, Beschluss vom 28.06.2021 - VK 2-77/21
Die Vorschrift des § 193 BGB, wonach an die Stelle eines Samstags, Sonntags oder Feiertags der nächste Werktag tritt, wenn eine Willenserklärung innerhalb einer Frist abzugeben ist und der letzte Tag der Frist auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt, findet auf eine Vorabinformation nach § 134 Abs. 1, 2 GWB keine Anwendung.
VolltextVPRRS 2021, 0178
VK Bund, Beschluss vom 07.07.2021 - VK 2-65/21
1. Es kann dahinstehen, ob das Deckblatt als solches überhaupt eine eigenständige rechtsgeschäftliche Erklärung des Bieters enthält.
2. Wird das Deckblatt als Angebotsbestandteil gewertet und die Möglichkeit einer eigenständigen rechtsgeschäftlichen Erklärung des Bieters bejaht, ist eine solche Bietererklärung auslegungsfähig.
3. Maßstab der Auslegung einer Bietererklärung ist wie ein mit den Umständen des Einzelfalls vertrauter Dritter in der Lage der Vergabestelle das Angebot verstehen muss oder darf.
4. Ergibt sich aus dem Angebotsschreiben und dem Leistungsverzeichnis des Angebots eindeutig, dass der Bieter einen Preisnachlass auf den Angebotspreis ohne jegliche Bedingungen gewährt, führt das Offenlassen eines optionalen Textfelds auf dem Deckblatt nicht zur einer widersprüchlichen Preisangabe.
VolltextVPRRS 2021, 0177
VK Bund, Beschluss vom 11.06.2021 - VK 2-53/21
1. Referenzleistungen müssen mit den ausgeschriebenen Leistungen nicht identisch sein, sondern die referenzierten Leistungen müssen jenen nach Art und Umfang ähneln, so dass ein tragfähiger Rückschluss auf die technische bzw. berufliche Leistungsfähigkeit des betroffenen Bieters möglich ist.
2. Die "Ausführung" der Referenzleistungen ist mangels verengender Präzisierungen zur "Ausführung" in tatsächlicher Hinsicht zu verstehen, ohne dass es auf einen möglicherweise vertragsrechtlich relevanten Abnahmezeitpunkt ankommt. Wortlautgemäß liegt dementsprechend eine ausgeführte Referenzleistungen dann vor, wenn sie in einer Art und Weise ins Werk gesetzt worden ist, dass ein tragfähiger Rückschluss auf die entsprechende Leistungsfähigkeit des Bieters möglich ist.
3. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Referenzgeber dem Bieter eine entsprechende Referenzbescheinigung ausstellt und darin die entsprechende Leistung bestätigt. Auf dieser Grundlage kann der Auftraggeber nachvollziehen, ob die referenzierte Leistung in hinreichendem Maße ausgeführt worden ist.
VolltextVPRRS 2021, 0172
VK Westfalen, Beschluss vom 24.02.2021 - VK 1-53/20
1. Beim Abschluss einer Rahmenvereinbarung müssen weder die genaue Gesamtmenge noch sämtliche Auftragsbedingungen für die Einzelaufträge feststehen.
2. Das Verbot einer Aufbürdung ungewöhnlicher Wagnisse gilt zwar nicht mehr. Dennoch können Ausschreibungsbedingungen unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit zu beanstanden sein.
3. Die Zumutbarkeitsschwelle erhöht sich bei einer Ausschreibung von Rahmenvereinbarungen (im weiteren Sinne) zulasten der Bieter. Kalkulatorische Unwägbarkeiten sind hinzunehmen.
4. Gehen Risiken deutlich aus den Vergabeunterlagen hervor, ist es Sache des Bieters, diese einzukalkulieren. Führt das zu einer Verteuerung der Leistungen, hat das die Vergabestelle zu vertreten.
VolltextVPRRS 2021, 0175
VK Südbayern, Beschluss vom 03.05.2021 - 3194.Z3-3_01-21-26
1. § 169 Abs. 3 GWB gilt damit nach seinem klaren Wortlaut nur in einem Vergabeverfahren und erlaubt nur Einwirkungen auf ein Vergabeverfahren.*)
2. § 169 Abs. 3 GWB bietet keine Rechtsgrundlage, um die weitere Durchführung eines geschlossenen Vertrags, der unter Verstoß gegen die Verpflichtung zur Durchführung eines EU-weiten Vergabeverfahrens geschlossen wurde, zu untersagen.*)
3. Es spricht viel dafür, dass die Bundesrepublik Deutschland mit der derzeitigen Fassung des § 169 Abs. 3 GWB bzw. der fehlenden Möglichkeit, überhaupt vor den Nachprüfungsinstanzen gegen einen faktischen Vollzug eines öffentlichen Auftrags, der unter Verstoß gegen die Verpflichtung zur Durchführung eines EU-weiten Vergabeverfahrens geschlossen wurde, mit vorläufigen Maßnahmen vorzugehen, Art. 2 Abs. 1 Ziff. a Richtlinie 2007/66/EG unzureichend umgesetzt hat.*)
4. Allerdings wendet sich Art. 2 Abs. 1 a Richtlinie 2007/66/EG ausschließlich an die Mitgliedstaaten, so dass eine direkte Anwendung der Richtlinie nicht in Betracht kommt.*)
VolltextVPRRS 2021, 0170
VK Westfalen, Beschluss vom 27.01.2021 - VK 1-51/20
1. Treten technische Schwierigkeiten beim Betrieb der verwendeten elektronischen Mittel auf, sind die Folgen danach zu beurteilen, wessen Sphäre sie zuzuordnen sind.
2. Schwierigkeiten auf Auftraggeberseite dürfen nicht zu Lasten der Anbieterseite gehen. Demgegenüber gehen vom Anbieter selbst zu verantwortende Schwierigkeiten zu seinen Lasten. Diese zählen zum Übermittlungsrisiko, das beim Absender liegt.
3. Ein vom Bieter auf Nachfrage des Auftraggebers hin nicht aufgeklärtes Angebot ist nach Ablauf der Frist auszuschließen. Auf die Umstände der Fristversäumnis oder auf ein Verschulden beim Bieter kommt es nicht an. Der Auftraggeber ist auch nicht verpflichtet, nach Ablauf der Frist beim Bieter nachzufragen.
VolltextVPRRS 2021, 0176
VK Bund, Beschluss vom 15.07.2021 - VK 2-73/21
1. Die Fachlosvergabe bildet den gesetzlichen Regelfall. Kann die benötigte Leistung grundsätzlich auch in Form einer Losvergabe erbracht werden, ist zu prüfen, ob von einer losweisen Vergabe ausnahmsweise abgesehen werden kann, weil wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern.
2. Im Rahmen der dem Auftraggeber obliegenden Entscheidung bedarf es einer umfassenden Abwägung der widerstreitenden Belange. Dabei müssen die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden Gründe nicht nur anerkennenswert sein, sondern überwiegen.
3. Bauwerksprüfleistungen zur technischen Überwachung von Ingenieursbauten im Rahmen von Hauptprüfungen und darauf bezogene Verkehrssicherungsdienstleistungen können auch gemeinsam vergeben werden.
VolltextVPRRS 2021, 0067
VK Südbayern, Beschluss vom 12.01.2021 - 3194.Z3-3_01-20-15
1. Die Rechtsfolgen einer Angebotsabgabe in Kenntnis eines anderen Angebots sind nach geltender Rechtslage ausschließlich am fakultativen Ausschlussgrund des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB zu messen.*)
2. Bei Unternehmen zwischen denen aufgrund eines gemeinsamen Inhabers bzw. Alleingesellschafters und Geschäftsführers kann - anders als bei in einem Konzern verbundenen Unternehmen, die unabhängig voneinander handeln können - von vorneherein kein Wettbewerb bestehen kann, führt eine in diesem Fall gar nicht vermeidbare Kenntnis des jeweils anderen Angebots nicht automatisch zum Ausschluss der Angebote.*)
3. Ein Ausschluss käme allenfalls - nach dokumentierter Ermessensausübung unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - dann in Betracht, wenn durch die beiden in Kenntnis von einander erstellten Angebote der Wettbewerb gegenüber den weiteren Bietern verfälscht würde.*)
4. Da die gesetzliche Zuständigkeitsverteilung unter den Gemeindeorganen, im Unterschied zur verwaltungsinternen Geschäftsverteilung, auch gegenüber Außenstehenden rechtliche Bedeutung besitzt, führt eine Vergabeentscheidung, die unter Verletzung dieser gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung getroffen wurde, jedenfalls dann zu einer Rechtsverletzung von Bietern, wenn die Entscheidung durch das Vergaberecht nicht zwingend vorgegeben war, sondern in Ausübung von Ermessen erfolgt ist.*)
VolltextVPRRS 2021, 0173
VK Südbayern, Beschluss vom 17.12.2020 - 3194.Z3-3_01-20-51
Regelt der Auftraggeber nicht nach § 43 Abs. 2 Satz 3 VgV, dass der Nachweis einer ausreichenden Haftpflichtversicherung von allen Mitgliedern einer Bewerber- oder Bietergemeinschaft erbracht werden muss, kann es für den Nachweis der Eignung ausreichen, wenn nur ein Mitglied der Bewerber- oder Bietergemeinschaft über einen ausreichenden Versicherungsschutz verfügt. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Versicherungsschutz von Mitgliedern der Bewerber- oder Bietergemeinschaft auch Ansprüche gegen die Gemeinschaft wegen Schadensverursachung durch andere Partner der Bewerber- oder Bietergemeinschaft umfasst.*)
VolltextVPRRS 2021, 0149
VK Nordbayern, Beschluss vom 30.03.2021 - RMF-SG21-3194-6-6
1. Der Mitbewerber hat einen Anspruch darauf, dass der Auftraggeber eine ermessensfehlerfreie Entscheidung darüber trifft, ob ein ungewöhnlich niedriges Angebot angenommen werden kann.*)
2. Ein Antragsteller ist in seinen Rechten verletzt, wenn ein Wertungskriterium bzw. die Unterkriterien intransparent und keiner eindeutigen Auslegung zugänglich sind. Alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens müssen klar, präzise und eindeutig formuliert werden, so dass zum einen alle mit der üblichen Sorgfalt handelnden Unternehmen die genaue Bedeutung dieser Bedingungen und Modalitäten verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können und zum anderen der Auftraggeber tatsächlich überprüfen kann, ob die Teilnahmeanträge oder Angebote die für den betreffenden Auftrag geltenden Kriterien erfüllen.*)
3. Eine Rechtsverletzung des Antragstellers und ein drohender Schaden gem. § 160 Abs. 2 GWB liegt bereits dann vor, wenn der Vortrag des Antragstellers ergibt, dass er im Fall eines ordnungsgemäßen neuerlichen Vergabeverfahrens bessere Chancen auf den Zuschlag haben könnte als in dem beanstandeten Verfahren.*)
VolltextVPRRS 2021, 0171
VK Westfalen, Beschluss vom 17.02.2021 - VK 1-52/20
Die Regelung in § 65 Abs. 5 Satz 1 VgV entspricht in Bezug auf die Bewertung von Bieterreferenzen nicht den europarechtlichen Vorgaben und ist insofern einschränkend auszulegen. Die Bewertung von Eignungsmerkmalen der Bieter auf der 4. Wertungsstufe ist richtlinienkonform nur zulässig für das Personal, das für die Auftragsdurchführung eingesetzt werden soll.*)
VolltextVPRRS 2021, 0169
VK Westfalen, Beschluss vom 05.05.2021 - VK 1-12/21
§ 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB verlangt lediglich, dass hinreichende Anhaltspunkte für eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung vorliegen; Gewissheit über diese Ausschlussgründe muss nicht bestehen.*)
VolltextVPRRS 2021, 0168
VK Sachsen, Beschluss vom 22.03.2021 - 1/SVK/046-20
1. Dem weiten Beurteilungsspielraum des Auftraggebers im Rahmen der Bewertung von Präsentationen steht als Kehrseite eine Dokumentationspflicht mit hohen Anforderungen gegenüber.*)
2. Die vollständige Dokumentation der Wertung einer Präsentation ist Voraussetzung dafür, dass überhaupt nachgeprüft werden kann, ob der Auftraggeber die Grenzen seines Beurteilungsspielraums eingehalten hat. Eine bloße Ergebniswiedergabe, pauschale Aussagen oder formelhafte Formulierungen sind dabei unzureichend.*)
3. Es muss aus der Dokumentation u. a. auch erkennbar sein, ob die Bewertung der Präsentation eines Bieters im Vergleich zu anderen Präsentationen plausibel ist.*)
4. Dokumentationsmängel sind grundlegend heilbar, wenn bereits im Vergabevermerk enthaltene Begründungen ergänzt oder erläutert werden, wenn die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers inhaltlich richtig ist und eine Verzögerung des Vergabeverfahrens durch Wiederholung von Verfahrensschritten unangemessen wäre.*)
5. Eine Heilung von Dokumentationsmängeln ist aber ausgeschlossen, wenn zu besorgen ist, dass die Berücksichtigung der nachgeschobenen Dokumentation lediglich im Nachprüfungsverfahren nicht ausreichen könnte, um eine wettbewerbskonforme Auftragserteilung zu gewährleisten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn zu befürchten ist, dass die nachgeholte Dokumentation allein vom Gedanken der Rechtfertigung der ursprünglichen Bewertung getragen wird.*)
VolltextVPRRS 2021, 0167
OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.06.2021 - 1 U 203/20
1. Zu der Frage der Erforderlichkeit eines Schadenersatzbetrags, der auf der Grundlage eines vergaberechtlichen Auftrags berechnet wird.*)
2. Eine antizipierte Schadenminderungspflicht in Form der Festlegung von Einzelpreisen für bestimmte Maßnahmen besteht im Rahmen eines zulässig gewählten Vergabeverfahrens nicht.*)
VolltextVPRRS 2021, 0166
BayObLG, Beschluss vom 24.06.2021 - Verg 2/21
1. Zwei Wirtschaftsteilnehmer sind eine wirtschaftliche Einheit und somit als ein Unternehmen anzusehen, wenn die Tochtergesellschaft trotz eigener Rechtspersönlichkeit ihr Marktverhalten nicht eigenständig bestimmt, sondern im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt.
2. Ein Verstoß gegen das Gebot des Geheimwettbewerbs kann einen Ausschluss nur dann rechtfertigen, wenn er eine kartellrechtliche Norm verletzt. Das kommt nicht in Betracht, wenn die handelnden Unternehmen unter das sog. Konzernprivileg des Kartellrechts fallen.
VolltextVPRRS 2021, 0165
VK Bund, Beschluss vom 04.06.2021 - VK 2-43/21
Der Auftraggeber kann bei der Schätzung des Auftragswerts von einem vergleichbaren Vorauftrag ausgehen. Dabei sind erkennbare Veränderungen wie z. B. ein generell gestiegenes Preisniveau zu berücksichtigen.
VolltextVPRRS 2021, 0163
OLG Jena, Beschluss vom 09.04.2021 - Verg 2/20
1. Auch wenn das Kindergartenrecht öffentlich-rechtlich geprägt ist, sind die Vergabenachprüfungsinstanzen und nicht die Verwaltungsgerichte zuständig, wenn Streit über die Auswahl des Betreibers besteht. Unerheblich ist auch, ob der zu erteilende Auftrag als privat- oder öffentlich-rechtlicher Vertrag zu qualifizieren ist.
2. Für die Vergabe von Verträgen über den Betrieb eines Kindergartens sieht das Vergaberecht keine Einschränkung seines Anwendungsbereichs vor. Der Betrieb eines Kindergartens unterfällt der Kategorie "Dienstleistungen des Gesundheits- und Sozialwesens und zugehörige Dienstleistungen".
3. Sieht sich der Betreiber des Kindergartens keinem Risiko ausgesetzt, seine Kosten nicht decken zu können, weil diese vom Auftraggeber vollständig ausgeglichen werden, liegt auch keine ausschreibungsfreie Dienstleistungskonzession vor.
VolltextVPRRS 2021, 0289
VG Weimar, Beschluss vom 28.05.2021 - 8 E 196/21
1. Die öffentliche Verwaltung kann ihr anvertraute öffentliche Aufgaben, wenn und soweit keine öffentlich-rechtlichen Normen oder Rechtsgrundsätze entgegenstehen, auch in der Form und mit den Mitteln des Privatrechts erfüllen.
2. Übt die Verwaltung das ihr zustehende Wahlrecht (hier: privatrechtliche Ausschreibung eines Breitbandprojekts) aus, ist diese ausdrückliche Einordnung wirksam und für die Entscheidung über den Rechtsweg zu berücksichtigen.
3. Die Auffassung, entscheidend sei immer der öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Inhalt eines Vertrags, niemals der Parteiwille, ist zweifelhaft.
VolltextVPRRS 2021, 0160
KG, Beschluss vom 12.05.2021 - Verg 1008/20
1. Für die Bemessung des Streitwerts von Planungsleistungen ist das Honorar für die optionalen Leistungsstufen mit 50% anzusetzen.
2. Nimmt die Vergabekammer eine vertiefte Prüfung besonderer Zulässigkeitsfragen vor und weist den Nachprüfungsantrag sodann ohne mündliche Verhandlung als offensichtlich unzulässig zurück, so ist eine Herabsetzung der Basisgebühr um 1/3 angemessen.
VolltextVPRRS 2021, 0316
OVG Niedersachsen, Urteil vom 09.06.2021 - 13 LC 534/18
Eine Vertragsklausel in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag über die Vorhaltung von Rettungsdienstleistungen, die bei einer Reduzierung oder Erhöhung von bis zu 10 % der Vorhalteleistungen keine Anpassung der Vergütung vorsieht, ist wirksam.*)
VolltextVPRRS 2021, 0161
OLG Celle, Beschluss vom 17.06.2021 - 13 Verg 2/21
1. Bestandskräftige Entscheidungen der Vergabekammer entfalten ungeachtet ihrer materiellen Richtigkeit Tatbestands- und Bindungswirkung.*)
2. Diese Bindung umfasst den Tenor, die tragenden Entscheidungsgründe und tatsächlichen Feststellungen zum behaupteten Verstoß sowie die rechtliche Würdigung zu der Frage, ob ein Vergabeverstoß vorliegt.*)
3. Auch "Segelanleitungen", mit denen der Vergabestelle auferlegt wird, welche Einzelheiten bei der Neubewertung der Angebote zu berücksichtigen sind, nehmen als Bestandteile der Hauptsacheentscheidung jedenfalls insoweit an deren Bestandskraft teil, als die ihnen zugrunde liegenden Erwägungen für die Entscheidung der Vergabekammer tragend waren.*)
VolltextVPRRS 2021, 0159
VK Bund, Beschluss vom 04.05.2021 - VK 2-31/21
1. Es ist vergaberechtlich nicht nur nicht zu beanstanden, sondern sogar erwünscht, wenn der öffentliche Auftraggeber Redesign- und Umrüstungsarbeiten an Fahrzeugen im Wettbewerb vergibt, statt den Hersteller im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb direkt zu beauftragen.
2. Auch wenn es keine "harte" Verpflichtung des jeweiligen Herstellers gibt, mit dem späteren Auftragnehmer zu kooperieren, ist die Vorgabe des Auftraggebers, wonach sich die Bieter selbst in Bezug auf die notwendigen Mitwirkungshandlungen mit dem Hersteller ins Benehmen zu setzen und zu einigen haben, jedenfalls dann nicht unangemessen oder unverhältnismäßig, wenn in der betreffenden Branche grundsätzlich eine wechselseitige Bereitschaft zur Kooperation besteht.
VolltextVPRRS 2021, 0158
VK Bund, Beschluss vom 10.06.2021 - VK 1-34/21
1. Eine vom Auftraggeber veranlasste "Konkretisierung" der Angebotspreise, die zur Eintragung neuer (reduzierter) Preise führt und im Ergebnis die Wertungsreihenfolge ändert, ist unzulässig.
2. Ein rein formaler Fehler, der ansonsten keine Zweifel am Angebot aufkommen lässt, führt regelmäßig nicht zum Ausschluss.
3. Gegen einen Bieter erhobene Patentverletzungsvorwürfe sind kein Ausschlussgrund, wenn die Patentverletzung nicht mit der erforderlichen Sicherheit - "nachweislich" - zu erkennen ist.
VolltextVPRRS 2021, 0153
EuGH, Urteil vom 20.05.2021 - Rs. C-6/20
1. Die Art. 2 und 46 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.03.2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der der öffentliche Auftraggeber in einer Bekanntmachung als qualitatives Auswahlkriterium verlangen muss, dass die Bieter bereits bei Abgabe ihres Angebots den Nachweis erbringen, dass sie über eine Registrierung oder eine Zulassung verfügen, die nach den Vorschriften erforderlich ist, die für die Tätigkeit, die Gegenstand des betreffenden öffentlichen Auftrags ist, gelten, und die von der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats der Ausführung des Auftrags erteilt wurde, auch wenn sie in dem Mitgliedstaat, in dem sie niedergelassen sind, bereits über eine entsprechende Registrierung oder Zulassung verfügen.*)
2. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes ist dahin auszulegen, dass er nicht von einem öffentlichen Auftraggeber geltend gemacht werden kann, der im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags zur Einhaltung der nationalen Vorschriften des Lebensmittelrechts von den Bietern verlangt hat, dass sie bereits bei Abgabe ihres Angebots über eine Registrierung oder eine Zulassung durch die zuständige Behörde des Mitgliedstaats der Auftragsausführung verfügen.*)
VolltextVPRRS 2021, 0156
VK Lüneburg, Beschluss vom 05.02.2021 - VgK-50/2020
1. Der öffentliche Auftraggeber kann unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit einen Bieter zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme ausschließen, wenn der Bieter eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat.
2. Hinzu tritt das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal, dass der zu vergebende Auftrag mit dem früheren Auftrag, in dem die Vertragsverletzung stattgefunden haben soll, vergleichbar sein muss.
3. Gesteht ein Bieter ein, dass er in einem früheren Vertrag eine wesentliche Anforderung erheblich oder fortlaufend mangelhaft erfüllt hat, muss der Auftraggeber ihm die Gelegenheit geben, die Maßnahmen darzulegen, die geeignet sind, weiteres Fehlverhalten zu verhindern.
4. Die Vergabekammer kann im Konsens der Verfahrensbeteiligten die mündliche Verhandlung auch in digitaler Form durchführen.
VolltextVPRRS 2021, 0155
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.03.2020 - Verg 25/19
1. Die Rügeobliegenheit nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB wird nur ausgelöst, wenn ein Unternehmen beziehungsweise sein vertretungsberechtigtes Organ eine feststellbare und im Streitfall vom öffentlichen Auftraggeber nachzuweisende positive Kenntnis von den einen Vergaberechtsverstoß begründenden tatsächlichen Umständen hat.
2. Darüber hinaus müssen das vertretungsberechtigte Organ, sein Wissens- oder rechtsgeschäftlicher Vertreter, bei dem es sich auch um einen Rechtsanwalt handeln kann, aufgrund laienhafter, vernünftiger Bewertung zugleich die positive Vorstellung von einem Verstoß gegen Vergabevorschriften gewonnen haben.
3. Bloße Vermutungen oder ein Verdacht lösen keine Rügeobliegenheit aus. Gleiches gilt für grob fahrlässige Unkenntnis.
4. Ein Unterliegen i. S. des § 182 Abs. 3, 4 GWB richtet sich nicht schematisch nach den gestellten Anträgen, sondern primär nach der Erreichung des Verfahrensziels in wirtschaftlicher Hinsicht.
5. Hat der Antragsteller sein Verfahrensziel vor der Vergabekammer bei wirtschaftlicher Betrachtung vollumfänglich erreicht, ist allein der Antragsgegner unterlegen.
VolltextVPRRS 2021, 0154
EuGH, Beschluss vom 26.11.2020 - Rs. C-835/19
Art. 2 Abs. 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die Konzessionsvergabe in Verbindung mit Art. 30 und den Erwägungsgründen 5 und 68 dieser Richtlinie ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Vorschrift nicht entgegensteht, die es den Vergabebehörden untersagt, abgelaufene oder auslaufende Autobahnkonzessionen im Verfahren der Projektfinanzierung gem. Art. 183 des Decreto legislativo n. 50 - Codice dei contratti pubblici (Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 50 - Gesetzbuch über öffentliche Aufträge) vom 18.04.2016 zu vergeben.*)
VolltextVPRRS 2021, 0157
EuGH, Urteil vom 17.06.2021 - Rs. C-23/20
1. Art. 49 Richtlinie 2014/24/EU sowie deren Anhang V Teil C Nr. 7, 8 und 10 a in Verbindung mit deren Art. 33 und den in Art. 18 Abs. 1 dieser Richtlinie genannten Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Transparenz sind dahin auszulegen, dass in der Bekanntmachung sowohl die Schätzmenge und/oder der Schätzwert als auch eine Höchstmenge und/oder ein Höchstwert der gemäß der Rahmenvereinbarung zu liefernden Waren anzugeben sind und dass die Rahmenvereinbarung ihre Wirkung verliert, wenn diese Menge oder dieser Wert erreicht ist.*)
2. Art. 49 Richtlinie 2014/24 sowie deren Anhang V Teil C Nr. 7 und 10 a in Verbindung mit deren Art. 33 und den in Art. 18 Abs. 1 dieser Richtlinie genannten Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Transparenz sind dahin auszulegen, dass die Schätzmenge und/oder der Schätzwert sowie eine Höchstmenge und/oder ein Höchstwert der gemäß der Rahmenvereinbarung zu liefernden Waren als Gesamtmenge oder -wert in der Bekanntmachung anzugeben sind und dass in dieser Bekanntmachung zusätzliche Anforderungen festgelegt werden können, über deren Aufnahme in die Bekanntmachung der öffentliche Auftraggeber entscheidet.*)
3. Art. 2d Abs. 1 a Richtlinie 89/665/EWG ist dahin auszulegen, dass er nicht anwendbar ist, wenn eine Auftragsbekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurde, selbst wenn zum einen die Schätzmenge und/oder der Schätzwert der gemäß der geplanten Rahmenvereinbarung zu liefernden Waren nicht aus der Bekanntmachung, sondern aus der Beschreibung hervorgehen und zum anderen weder in der Bekanntmachung noch in der Beschreibung eine Höchstmenge und/oder ein Höchstwert der gemäß der Rahmenvereinbarung zu liefernden Waren angegeben sind.*)
VolltextVPRRS 2021, 0314
VK Bund, Beschluss vom 24.11.2020 - VK 2-81/20
1. Das Vergabenachprüfungsverfahren ist kein objektives Verfahren zur Überprüfung, ob das Vergabeverfahren in jeder Hinsicht rechtmäßig abgelaufen ist. Es dient lediglich dem Schutz der Bieterchancen des Antragstellers.
2. Trotz einer vergaberechtswidrigen de-facto-Vergabe ist die Unwirksamkeit des geschlossenen Vertrags nicht festzustellen, wenn es insoweit an einem Schaden des antragstellenden Bieters fehlt.
3. Ist der öffentliche Auftraggeber bereit, mit dem antragstellenden Bieter einen Vertrag zu den gleichen Konditionen wie mit dem/den anderen Bieter(n), ist eine Beeinträchtigung der Zuschlagschancen des Antragstellers nicht erkennbar.
VolltextVPRRS 2021, 0152
VK Bund, Beschluss vom 18.05.2021 - VK 2-15/21
1. Der Ausschluss eines Angebots wegen Änderungen an den Vergabeunterlagen kommt nur in Betracht, wenn die Angaben in den Vergabeunterlagen, von denen das Angebot abweicht, eindeutig sind. Verstöße gegen interpretierbare oder missverständliche bzw. mehrdeutige Angaben rechtfertigen keinen Ausschluss.
2. Mit der Beschränkung auf die ausschließlich eigene Leistungserbringung und die Zielvorgabe der Einhaltung der "statischen, konstruktiven und sicherheitstechnischen Erfordernisse" wird dem Bieter ein Umsetzungsspielraum eingeräumt, mit welchen Baubehelfen und auf welche Weise die geforderte Leistung erbracht werden soll.
3. Soll der Auftragnehmer nach den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses "Arbeitsgerüste" herstellen, ist der Einsatz von Hubarbeitsbühnen nicht ausgeschlossen.
VolltextVPRRS 2021, 0151
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11.11.2020 - 15 Verg 6/20
Bei der Errichtung eines Digitalen Alarmierungssystems für die nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr können der Bau bzw. die eventuell erforderliche Ertüchtigung vorhandener Antennenmasten, die Erstellung des Systems für die Digitale Alarmierung und die erforderlichen Systemservice- und Wartungsleistungen voneinander getrennt werden und müssen daher in Fachlosen vergeben werden (entgegen OLG Düsseldorf, IBR 2019, 690).
VolltextVPRRS 2021, 0150
EuGH, Urteil vom 03.06.2021 - Rs. C-210/20
Art. 63 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG in Verbindung mit deren Art. 57 Abs. 4 Buchst. h ist unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dahin auszulegen, dass er nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, nach denen der öffentliche Auftraggeber einen Bieter automatisch von einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags auszuschließen hat, wenn ein Hilfsunternehmen, dessen Kapazitäten er in Anspruch nehmen möchte, eine wahrheitswidrige Erklärung zum Vorliegen rechtskräftiger strafrechtlicher Verurteilungen vorgelegt hat, ohne dem Bieter in einem solchen Fall vorschreiben oder zumindest gestatten zu dürfen, dieses Unternehmen zu ersetzen.*)
VolltextVPRRS 2021, 0144
VK Bund, Beschluss vom 02.06.2021 - VK 2-47/21
Die "technische" Unterstützung des öffentlichen Auftraggebers bei der Durchführung eines Vergabeverfahrens durch die weitgehend selbstständige Bearbeitung und Abwicklung des Verfahrens mit Ausnahme der Wertungsentscheidung stellt keine Rechtsberatung dar. Das gilt auch dann, wenn die Unterstützungsleistung eingehende vergaberechtliche Kenntnisse voraussetzt.
VolltextVPRRS 2021, 0147
VK Rheinland, Beschluss vom 19.05.2021 - VK 6/21
1. Beteiligen sich mehrere konzernverbundene Unternehmen an einer Ausschreibung mit eigenen Angeboten, besteht im Hinblick auf § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB grundsätzlich eine widerlegbare Vermutung dafür, dass der Geheimwettbewerb zwischen den Unternehmen nicht gewahrt ist. Die Widerlegung der Vermutung obliegt den konzernverbundenen Unternehmen.*)
2. Zur Widerlegung der Vermutung reicht es dabei nicht, dass die verbundenen Unternehmen versichern, sich im Rahmen der konkreten Ausschreibung wettbewerbskonform verhalten zu haben. Vielmehr obliegt den verbundenen Unternehmen die Darstellung derjenigen strukturellen Umstände, die einen Wettbewerbsverstoß bereits im Ansatz effektiv verhindern.*)
3. Unternehmen, die über identische Gesellschafter, einen identischen Geschäftsführer verfügen, einen identischen IT-Dienstleister einsetzen und auf dem identischen Geschäftsfeld am Markt tätig sind, sind in vergaberechtlicher Hinsicht verbundene Unternehmen i.S.d. § 36 Abs. 2 GWB.*)
4. Der im Rahmen des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB grundsätzlich bestehende Beurteilungsspielraum zu der Frage, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des Ausschlussgrundes gegeben sind, ist ausnahmsweise auf Null reduziert, wenn die verbundenen Unternehmen die bestehende Vermutung der Verletzung des Geheimwettbewerbs nicht durch konkrete Darlegung von strukturellen Maßnahmen, die den Wettbewerbsverstoß bereits im Ansatz effektiv verhindern, entkräften.*)
5. Auch wenn es sich bei § 124 Abs. 1 GWB um fakultative Ausschlussgründe handelt mit der Folge, dass dem öffentlichen Auftraggeber auch bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen hinsichtlich des "Obs" der Ausschlussentscheidung ein Ermessen unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zusteht, führt die Verwirklichung des Tatbestandes des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB in der Regel zu einer Ermessensreduzierung auf Null.*)
VolltextVPRRS 2021, 0145
VK Rheinland, Beschluss vom 15.02.2021 - VK 70/20
Bei einem Planungswettbewerb, der im Vorfeld des eigentlichen Vergabeverfahrens durchgeführt wird, ist zur Ermittlung des wirtschaftlichen Interesses am Rechtsstreit im Rahmen der Gebührenberechnung auf die mit dem Wettbewerb ausgelobten Preisgelder abzustellen und nicht auf die endgültige Zuschlagserteilung im nachfolgenden Vergabeverfahren.*)
VolltextVPRRS 2021, 0146
VK Westfalen, Beschluss vom 02.10.2020 - VK 3-25/20
Aus der Sicht eines mit der Baubranche vertrauten Bieters ist davon auszugehen, dass in den Leistungsbeschreibungen üblicherweise eine Festlegung auf ein Produkt zu erfolgen hat, soweit diese Angabe gefordert wird. Denn gerade durch die Abfrage - welches Produkt wird im Falle der Auftragsvergabe eingebaut - will der öffentliche Auftraggeber eine Festlegung beim Bieter erreichen. Mehrfachnennungen sind dann unzulässig und führen zum Ausschluss des Angebots.*)
VolltextVPRRS 2021, 0142
VK Bund, Beschluss vom 08.04.2021 - VK 2-23/21
1. Der öffentliche Auftraggeber kann bei der Durchführung eines – zumal komplexen – Vergabeverfahrens bei Bedarf sachverständige Hilfe hinzuziehen.
2. Das Ob und Wie des Einsatzes eines Fachberaters ist nachvollziehbar zu dokumentieren und die relevanten Entscheidungen im Vergabeverfahren hat der Auftraggeber selbst zu treffen, diese in der Sache also nicht einem Dritten zu überlassen und dies ebenfalls entsprechend zu dokumentieren.
3. Setzt die Abgabe eines Angebots zwingend die Durchführung einer Ortsbesichtigung voraus, sind die Angebotsfristen so festzulegen, dass alle Unternehmen von allen Informationen, die für die Erstellung des Angebots von Bedeutung sind, unter gewöhnlichen Umständen Kenntnis nehmen können.
VolltextVPRRS 2021, 0141
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.05.2020 - Verg 26/19
1. Der öffentliche Auftraggeber darf den Zuschlag auf ein Angebot ablehnen, wenn er die geringe Höhe des angebotenen Preises oder der angebotenen Kosten nicht zufriedenstellend aufklären kann.
2. Eine Aufklärung ist nicht zufriedenstellend, wenn sie trotz pflichtgemäßer Anstrengung des öffentlichen Auftraggebers keine gesicherte Tatsachengrundlage für die Feststellung bietet, das Angebot sei angemessen und der Bieter sei in der Lage, den Vertrag ordnungsgemäß durchzuführen.
3. Dem öffentlichen Auftraggeber ist bei der Entscheidung über den Angebotsausschluss ein Ermessen eingeräumt. Die Ablehnung des Zuschlags ist grundsätzlich geboten, wenn der Auftraggeber verbleibende Ungewissheiten nicht zufriedenstellend aufklären kann.
4. Der Auftragsgegenstand ist in der Leistungsbeschreibung so genau wie möglich zu beschreiben. Bieter sind darin über alle preisrelevanten Faktoren vor der Kalkulation der Preise aufzuklären.
5. Der öffentliche Auftraggeber kann und muss nicht jede erdenkliche Variable bei einer ausgeschriebenen Vertragslaufzeit über mehrere Jahre antizipieren. Abzuverlangen ist ihm aber, dass er durch Überlassung aller ihm zur Verfügung stehenden Informationen und Zahlen eine Prognose über das Auftragsvolumen ermöglicht.
VolltextVPRRS 2021, 0140
VK Lüneburg, Beschluss vom 11.02.2021 - VgK-53/2020
1. Der öffentliche Auftraggeber ist berechtigt, unternehmensbezogene Kriterien festzulegen, um die Eignung der Bieter für die fachkundige und leistungsfähige Auftragsausführung sicherzustellen.
2. Ein Unternehmen ist geeignet, wenn es die durch den öffentlichen Auftraggeber im Einzelnen zur ordnungsgemäßen Ausführung des öffentlichen Auftrags festgelegten Kriterien (Eignungskriterien) erfüllt.
3. Die Eignungskriterien dürfen ausschließlich betreffen: Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung, wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit, technische und berufliche Leistungsfähigkeit. Eignungskriterien müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen.
4. Der Auftraggeber darf den Wettbewerb nicht mittelbar durch eine Begrenzung auf wenige Prüfinstitute (hier: vier deutsche Beschussämter) verengen (Anschluss an OLG Frankfurt, IBR 2021, 142).
5. Der Auftraggeber ist nicht dazu verpflichtet, für die von ihm vorgesehene Teststellung genaue Prüfabläufe vorzuschreiben, wenn in die Prüfung qualitative Zuschlagskriterien mit notwendigerweise erheblichen subjektiven Elementen einfließen.
6. Die Vergabekammer kann im Konsens der Verfahrensbeteiligten die mündliche Verhandlung auch in digitaler Form durchführen. Die mündliche Verhandlung als essentieller Bestandteil des Nachprüfungsverfahrens darf auch in Corona-Zeiten nicht entfallen, ist vielmehr unter Nutzung der inzwischen vorhandenen technischen Möglichkeiten umzusetzen.
VolltextVPRRS 2021, 0131
OLG München, Beschluss vom 06.11.2020 - Verg 9/20
1. Die Gebührenfestsetzung der Vergabekammer kann - auch nach der Rücknahme des Nachprüfungsantrags - isoliert mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden.
2. Auch wenn die wirtschaftliche Bedeutung eine Erhöhung der Gebühr der Vergabekammer auf bis zu 100.000 Euro rechtfertigen kann, bleibt es bei dem Grundsatz, dass das Verhältnis von Verwaltungsaufwand und wirtschaftlichem Wert des Auftrags zu berücksichtigen ist.
3. Hat keine mündliche Verhandlung stattgefunden, ist ein Abschlag von lediglich 500 Euro von der Maximalgebühr nicht angemessen.
VolltextVPRRS 2021, 0138
VK Bund, Beschluss vom 06.05.2021 - VK 2-33/21
1. Die Vorschrift des § 132 GWB über Auftragsänderungen während der Vertragslaufzeit findet auch gegenüber Sektorenauftraggebern Anwendung.
2. Eine 90%-ige Reduzierung einzelner Positionen eines Leistungsverzeichnisses ist nicht wesentlich, wenn die Reduktion des Angebotspreises aufgrund des verminderten Leistungsumfangs bei deutlich unter 10% liegt.
VolltextVPRRS 2021, 0139
OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23.03.2021 - 1 L 45/19
1. Wird in der Bekanntgabe einer beschränkten Ausschreibung nach öffentlichem Teilnahmewettbewerb ein Termin für den Beginn der Ausführung und ein Fertigstellungstermin angegeben, verstößt eine nachträgliche Änderung der in der Bekanntmachung aufgestellten Anforderungen zur Ausführungsfrist bzw. zum Leistungszeitraum gegen das Transparenzgebot und das Diskriminierungsverbot.
2. Die haushaltsrechtlichen Gründe der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zwingen bei Vorliegen von Widerrufsgründen im Regelfall zum Widerruf einer Subvention, sofern nicht außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls eine andere Entscheidung möglich erscheinen lassen. Fehlt es an derartigen Umständen, bedarf es keiner besonderen Ermessenserwägungen.
VolltextVPRRS 2021, 0134
OLG München, Beschluss vom 26.02.2021 - Verg 14/20
1. Bedient sich der Auftraggeber bei der Wertung der Angebote eines aus Preis und qualitativen Aspekten zusammengesetzten Kriterienkatalogs, bei dem die Angebote hinsichtlich der Qualitätskriterien mittels eines Benotungssystems bewertet werden und die Bewertungsmethode des Preises nur enge Kompensationsmöglichkeiten für qualitative Abzüge erwarten lässt, muss er seine für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so eingehend dokumentieren, dass nachvollziehbar ist, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Benotung eingegangen sind.
2. Auch wenn dem Auftraggeber bei der Bewertung und Benotung ein Beurteilungsspielraum zusteht, sind seine diesbezüglichen Bewertungsentscheidungen insbesondere auch daraufhin überprüfbar, ob die jeweiligen Noten im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben wurden.
VolltextVPRRS 2021, 0315
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.12.2020 - 15 Verg 9/20
1. Sieht der öffentliche Auftraggeber die Tatbestandsvoraussetzungen einer der Ausschlussvorschriften des § 124 GWB als erfüllt an, so hat er unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu prüfen und abzuwägen, ob der Ausschluss eine sachlich gerechtfertigte und mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu vereinbarende Rechtsfolge ist.
2. Diese Ermessensentscheidung des öffentlichen Auftraggebers ist lediglich in Hinblick auf das Vorliegen eines Ermessensfehlers überprüfbar, das heißt daraufhin, ob vom Auftraggeber alle für die Entscheidung erheblichen Tatsachen ermittelt wurden, der Zweck der Ermächtigung verkannt oder ob bewusst aus willkürlichen, unsachlichen Motiven gehandelt wurde.
3. Der öffentliche Auftraggeber kann offen lassen, ob der Tatbestand einer der Ausschlussvorschriften des § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB bzw. § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB erfüllt ist, wenn trotz des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen kein Anlass besteht, an der Integrität und Eignung des Bieters zu zweifeln.
4. Auch wenn nach § 126 Nr. 2 GWB die Höchstdauer für die Möglichkeit eines Ausschlusses unter anderem wegen einer schweren beruflichen Verfehlung drei Jahre beträgt, falls der Bieter keine oder keine ausreichenden Selbstreinigungsmaßnahmen gem. § 125 GWB ergriffen hat, so wird dadurch aber nicht ausgeschlossen, dass der öffentliche Auftraggeber bereits vor dem Ablauf der dreijährigen Ausschlussfrist im Rahmen seiner ordnungsgemäßen Ermessensausübung zu dem Ergebnis kommt, dass eventuelle Verstöße des Bieters der Bejahung seiner Eignung in einem konkreten Vergabeverfahren nicht entgegenstehen.
VolltextVPRRS 2021, 0128
VK Bund, Beschluss vom 29.04.2021 - VK 2-5/21
1. Ein Bieter kann sich zum Nachweis seiner Leistungsfähigkeit auf die Kapazitäten anderer Unternehmen berufen, wenn er nachweist, dass ihm die erforderlichen Mittel tatsächlich zur Verfügung stehen.
2. Der Umstand, dass der Auftraggeber in mehreren Bewerberrundschreiben formuliert, der Bewerber habe "seine" Leistungsfähigkeit nachzuweisen, ist kein Hinweis auf einen Ausschluss der Eignungsleihe.
3. Aus dem Umstand, dass der Auftraggeber üblicherweise Angaben zur Eignungsleihe in seinen Ausschreibungen trifft, kann nicht geschlossen werden, dass eine Eignungsleihe ausgeschlossen ist, wenn derartige Angaben fehlen. Jede Ausschreibung ist isoliert zu betrachten.
4. Hat der Auftraggeber ein Bewertungssystem aufgestellt, das die überwiegend zuschlagsrelevante Qualitätsnote durch Beurteilung eines von den Bietern einzureichenden Konzeptes anhand einer vorgegebenen Notenskala vorsieht, muss er seine maßgeblichen Erwägungen so eingehend dokumentieren, dass nachvollziehbar ist, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Benotung eingegangen sind.
VolltextVPRRS 2021, 0130
VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 30.07.2020 - 3 VK 2/20
1. Werden die Angebote nicht alleine nach ihrem Preis und/oder den Kosten bewertet, stehen dem Auftraggeber verschiedene Bewertungsmethoden für die Ermittlung des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses bzw. Kosten-Leistungs-Verhältnisses und damit wirtschaftlichsten Angebots zur Verfügung. Das Vergaberecht schreibt keine bestimmte Methode vor.
2. Es unterfällt dem Beurteilungsspielraum des öffentlichen Auftraggebers, wie er die Bewertung organisiert und strukturiert. Der Auftraggeber ist nicht verpflichtet, Kriterien nach denen er eine Bewerberauswahl treffen möchte, in der Vergabebekanntmachung zu veröffentlichen. Er ist auch nicht gehalten, seiner Entscheidung eine Bewertungsmatrix zu Grunde zu legen.
3. Die Grenzen des Beurteilungsspielraums werden erst bei einer untauglichen Bewertungsmethodik überschritten. Das gewählte System muss vor allem in sich widerspruchsfrei und rechnerisch richtig umgesetzt sein.
4. Ein Bieter kann nicht verlangen, dass die Angebote nach einer anderen, ihn selbst bevorzugenden Methode bewertet werden.
VolltextVPRRS 2021, 0133
VK Bund, Beschluss vom 23.04.2021 - VK 2-29/21
1. Es gibt keinen Erfahrungssatz, nachdem Bieter stets das vom Auftraggeber Nachgefragte anbieten wollen, auch wenn ihm grundsätzlich redliche und interessengerechte Absichten zu unterstellen sind.
2. Wird in den Vergabeunterlagen eines offenen Vergabeverfahrens eine zwingende Reihenfolge des Einbaus vorgegeben und weist der Bauzeitenplan eines Bieters eine von der Baubeschreibung abweichende Reihenfolge der Bauleistungen aus, weicht sein Angebot von den Vorgaben der Vergabeunterlagen ab und ist auszuschließen.
3. Eine Nachforderung zur Korrektur fehlerhafter leistungsbezogener Unterlagen ist in der VOB/A 2019 nicht vorgesehen ist und würde gegen das Nachverhandlungsverbot verstoßen. Eine Nachforderung kommt allenfalls bei fehlenden oder unvollständigen leistungsbezogenen Unterlagen in Betracht.
VolltextVPRRS 2021, 0116
VK Westfalen, Beschluss vom 16.03.2021 - VK 2-1/21
1. Ein Angebot enthält nicht die geforderten Preise, wenn ein Bieter die für einzelne Positionen aus dem Leistungsverzeichnis vorgesehenen Preise ganz oder teilweise in andere Positionen verlagert. Legt er dieses Vorgehen nicht offen, liegt grundsätzlich eine unzulässige Mischkalkulation vor.
2. Nicht jede versteckte Preiszuordnung stellt eine Mischkalkulation dar, weil die Kalkulation grundsätzlich Sache des Bieters ist. Die Kalkulationsfreiheit schließt die Befugnis ein, festzulegen, zu welchen Einzelpreisen die Positionen des Leistungsverzeichnisses ausgeführt werden sollen.
3. Nicht jede Position des Leistungsverzeichnisses muss nach den gleichen Maßstäben kalkuliert werden. Insbesondere muss der für jede Position verlangte Preis nicht mindestens den hierfür entstehenden Kosten des Bieters entsprechen.
4. Ein Aufklärungsbegehren zu Einzelpreisen ist auch bei einem mit Blick auf den Gesamtpreis unauffälligen Angebot berechtigt, wenn Einzelpreise von den eigenen Preisen zu ähnlichen Positionen abweichen und dies nicht durch einen höheren Leistungsumfang bzw. durch Marktgegebenheiten zu erklären ist.
Volltext