Vergabepraxis & -recht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
10873 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2021
VPRRS 2021, 0121VK Südbayern, Beschluss vom 03.05.2021 - 3194.Z3-3_01-20-10
1. Ein Vergabeverfahren kann auch aus "anderen schwer wiegenden Gründen" aufgehoben werden. Ein schwer wiegender Grund kann vorliegen, wenn selbst das niedrigste wertungsfähige Angebot höher liegt als die verfügbaren Mittel, und zwar unabhängig davon; ob das niedrigste Angebot einen angemessenen Preis aufweist oder nicht.
2. Ein "schwer wiegender Grund" ist nicht gegeben, wenn der Auftraggeber den Finanzbedarf zu gering bemessen hat. Die vor der Ausschreibung vorgenommene Kostenschätzung muss aufgrund der bei ihrer Aufstellung vorliegenden und erkennbaren Daten als vertretbar erscheinen und die im Vergabeverfahren abgegebenen Gebote deutlich darüber liegen.
3. Für die Kostenschätzung muss der Auftraggeber oder der von ihm gegebenenfalls beauftragte Fachmann Methoden wählen, die ein wirklichkeitsnahes Schätzungsergebnis ernsthaft erwarten lassen.
VolltextVPRRS 2021, 0129
VK Westfalen, Beschluss vom 20.08.2020 - VK 3-19/20
1. Der Ausschluss des erstplatzierten Bieters ohne Aufklärung ist vergaberechtlich unzulässig.*)
2. Die Ausschreibungsunterlagen waren eindeutig. Solange die Vergabeunterlagen einen Bieter nicht daran hindern, seine Vorstellungen und geschäftliche Interessen (Einbeziehung von Erlösen) zu verfolgen, muss ein öffentlicher Auftraggeber das hinnehmen oder seine Ausschreibungsunterlagen so gestalten, dass dies nicht mehr möglich ist.*)
VolltextVPRRS 2021, 0127
VK Westfalen, Beschluss vom 21.08.2020 - VK 1-24/20
Die Vorabgestattung des Zuschlags gemäß § 169 Abs. 2 GWB ist nur zulässig, wenn die Interessen der Allgemeinheit überwiegen. Wenn es aber bereits einen Interimsauftrag für diese Leistungen gibt, sind Interessen der Allgemeinheit überhaupt nicht beeinträchtigt.*)
VolltextVPRRS 2021, 0126
OLG München, Beschluss vom 28.01.2021 - Verg 9/20
Wird im Verfahren der sofortigen Beschwerde gemäß §§ 171 ff. GWB der Nachprüfungsantrag vor der mündlichen Verhandlung vollständig zurückgenommen, so steht es der Anwendung des Ermäßigungstatbestands gem. Nr. 1222 KV-GKG nicht entgegen, dass die sofortige Beschwerde weiterverfolgt wird, soweit sie sich gegen die Höhe der von der Vergabekammer festgesetzten Gebühr richtet.*)
VolltextVPRRS 2021, 0118
VK Westfalen, Beschluss vom 29.09.2020 - VK 1-28/20
Auch im Falle von Interimsaufträgen ist die Auftragswertschätzung ordnungsgemäß vorzunehmen, was dann der Fall ist, wenn Methoden angewendet worden sind, die ein wirklichkeitsnahes Schätzungsergebnis ernsthaft erwarten lassen.*)
VolltextVPRRS 2021, 0119
VK Westfalen, Beschluss vom 18.09.2020 - VK 1-28/20
1. Der Antrag nach § 169 Abs. 3 Satz 1 GWB ist statthaft, wenn zugleich ein Verfahren in der Hauptsache als auch ein Nachprüfungsverfahren wegen der Interimsvergabe anhängig gemacht werden und der Schwellenwert überschritten ist.*)
2. Die Kostenschätzung für einen Interimsauftrag muss nachvollziehbar sein.*)
3. Entscheidungen nach § 169 Abs. 3 GWB sind nicht selbständig anfechtbar.*)
VolltextVPRRS 2021, 0117
VK Westfalen, Beschluss vom 31.03.2021 - VK 1-9/21
Die Einstellung von Nachrichten (hier: Nachforderung von Unterlagen unter Fristsetzung) in das Postfach eines Bieters auf einer Vergabeplattform gilt als Zugang, weil diese Nachricht oder Willenserklärung so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Umständen Kenntnis davon nehmen kann.*)
VolltextVPRRS 2021, 0113
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2021 - Verg 22/20
1. Ein öffentlicher Auftraggeber ist aufgrund eines einmal eingeleiteten Vergabeverfahrens nicht zur Zuschlagserteilung verpflichtet. Er kann jederzeit auf die Vergabe eines Auftrags verzichten, unabhängig davon, ob die gesetzlich normierten Aufhebungsgründe erfüllt sind.
2. Liegen Aufhebungsgründe nicht vor, bleibt der Bieter grundsätzlich auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen beschränkt.
3. Nur in Ausnahmefällen kann ein Anspruch auf Fortsetzung des Vergabeverfahrens angenommen werden, insbesondere wenn der Auftraggeber für die Aufhebung der Ausschreibung keinen sachlich gerechtfertigten Grund angegeben hat und sie deshalb willkürlich ist oder die Aufhebung bei fortbestehender Beschaffungsabsicht nur zu dem Zweck erfolgt, Bieter zu diskriminieren.
4. Der Auftraggeber ist zur Aufhebung berechtigt, wenn sich die Grundlage des Vergabeverfahrens durch die pandemische Verbreitung des neuartigen Corona-Virus wesentlich geändert hat.
VolltextVPRRS 2021, 0112
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.07.2020 - Verg 6/20
Wird das Angebot entgegen den Vergabeunterlagen nicht vom eigenen Benutzerkonto des Bieters oder des von ihm dazu Bevollmächtigten hochgeladen, verstößt das gegen vom Auftraggeber aufgestellte Sicherheitsvorgaben. Ein solcher Verstoß stellt aber keinen zwingenden Ausschlussgrund dar.
VolltextVPRRS 2021, 0034
VK Lüneburg, Beschluss vom 17.12.2020 - VgK-42/2020
1. Vergabestellen können Zuschlagskriterien ohne Bewertungsmaßstäbe in einem relativen Vergleich der vorliegenden Angebote bewerten.
2. Auch bei der maximal offenen relativen Bewertungsmethode kann Bietern unter Hinweis auf Geschäftsinteressen ihrer Mitbewerber Einsicht in die Angebotsunterlagen und Wertungsdokumente verwehrt werden.
VolltextVPRRS 2021, 0115
EuGH, Urteil vom 22.04.2021 - Rs. C-537/19
1. Zur Bestimmung der rechtlichen Qualifizierung und der anwendbaren Unionsvorschriften bei einem Vertrag, der zugleich Elemente eines öffentlichen Bauauftrags und Elemente eines Auftrags anderer Art aufweist, ist auf seinen Hauptgegenstand abzustellen. Die Qualifizierung des beabsichtigten Vertrags seitens der Parteien als "Mietvertrag" ist nicht ausschlaggebend.
2. Ein als Mietvertrag bezeichneter Vertrag über ein nicht vorhandenes, d. h. noch nicht errichtetes Gebäude ist ein öffentlicher Bauauftrag, wenn die Errichtung den vom öffentlichen Auftraggeber genannten Erfordernissen entspricht. Das ist der Fall, wenn der öffentliche Auftraggeber Maßnahmen ergriffen hat, um die Merkmale der Bauleistung festzulegen oder zumindest entscheidenden Einfluss auf die Planung der Bauleistung zu nehmen.
3. Ein entscheidender Einfluss auf die Gestaltung des geplanten Gebäudes lässt sich feststellen, wenn nachgewiesen werden kann, dass dieser Einfluss auf die architektonische Struktur dieses Gebäudes wie seine Größe, seine Außenwände und seine tragenden Wände ausgeübt wird.
4. Anforderungen, die die Gebäudeeinteilung betreffen, können nur dann als Beleg für einen entscheidenden Einfluss angesehen werden, wenn sie sich aufgrund ihrer Eigenart oder ihres Umfangs abheben.
5. Allein der Umstand, dass der öffentliche Auftraggeber eine eingeräumte Option ausgeübt hat, d. h. von bereits vorgesehenen baulichen Möglichkeiten Gebrauch gemacht hat, genügt nicht für den Nachweis, dass er einen entscheidenden Einfluss auf die Planung des betreffenden Bauwerks ausgeübt hat.
VolltextVPRRS 2021, 0114
BGH, Urteil vom 10.02.2021 - KZR 63/18
1. Eine Klausel, nach der der Auftragnehmer, wenn er "aus Anlass der Vergabe nachweislich eine Abrede getroffen hat, die eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung [...] darstellt", einen pauschalierten Schadensersatz in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Abrechnungssumme zu zahlen hat, erfasst Submissionsabsprachen und ähnliche (horizontale) wettbewerbsbeschränkende Absprachen wie Preis-, Quoten-, Kundenschutz- oder Gebietsabsprachen, die darauf gerichtet und dazu geeignet sind, den im Rahmen der wettbewerblichen Auftragsvergabe vorausgesetzten Preisbildungsmechanismus zu stören. Ihr Anwendungsbereich ist nicht auf Abreden beschränkt, die sich unmittelbar auf die konkrete Auftragsvergabe beziehen, sondern umfasst auch generelle Absprachen zwischen Wettbewerbern, die aus Anlass zukünftiger Auftragsvergaben getroffen werden und darauf gerichtet sind, für diese Auftragsvergaben den wettbewerblichen Preisbildungsmechanismus ganz oder teilweise außer Kraft zu setzen.*)
2. Eine solche Klausel stellt keine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners dar, sofern sie den zu erwartenden Schaden in einer Höhe pauschaliert, die nach dem typischerweise zu erwartenden hypothetischen Marktpreis, der sich ohne die Kartellabsprache eingestellt hätte, eine Unter- und eine Überkompensation des Schadens gleichermaßen wahrscheinlich erscheinen lässt, und dem Schädiger die Möglichkeit verbleibt, einen geringeren oder fehlenden Schaden nachzuweisen. Zur Bestimmung des typischen Schadens kann auf zum Zeitpunkt der Vereinbarung zur Verfügung stehende allgemeine Erkenntnisse der empirischen Ökonomie zu kartellbedingten Preisaufschlägen zurückgegriffen werden. Des Nachweises eines branchentypischen Durchschnittsschadens bedarf es jedenfalls dann nicht, wenn empirische Erkenntnisse hierzu fehlen.*)
3. An den dem Schädiger obliegenden Nachweis eines ihm günstigeren, weil zu einem geringeren oder keinem Schaden führenden hypothetischen Marktpreises dürfen bei Vereinbarung einer Schadenspauschalierungsklausel keine anderen oder höheren Anforderungen gestellt werden als solche, die umgekehrt für die Darlegung und den Beweis des hypothetischen Marktpreises durch den Geschädigten gelten, wenn keine Schadenspauschalierung vereinbart ist oder der Geschädigte einen die Pauschale überschreitenden Schaden behauptet; auch insofern ist eine Gesamtwürdigung sämtlicher, von beiden Parteien vorgebrachter Indizien am Maßstab des § 287 ZPO vorzunehmen. Gelingt dem Schädiger danach die Darlegung und der Nachweis eines geringeren oder eines fehlenden Schadens nicht, muss er sich an dem pauschalierten Betrag festhalten lassen.*)
VolltextVPRRS 2021, 0111
VK Bund, Beschluss vom 03.03.2021 - VK 1-10/21
1. Ein Angebot, das die geforderten Unterlagen nicht enthält, ist auszuschließen, wenn der Auftraggeber festgelegt hat, dass er keine Unterlagen nachfordern wird.
2. Sind die Vergabeunterlagen widersprüchlich, geht zu Lasten des öffentlichen Auftraggebers.
3. Eine Unterlage ist "unvollständig", wenn sie das Gewollte nicht vollständig wiedergibt, d. h. es fehlt ein Teil der vorgesehenen Informationen oder Erklärungen. Im Gegensatz dazu ist eine Unterlage "fehlerhaft", wenn sie vom tatsächlich Gemeinten oder eigentlich zu Bestätigenden abweicht.
VolltextVPRRS 2021, 0110
OVG Saarland, Beschluss vom 26.04.2021 - 2 B 77/21
1. Die im Beschwerdeverfahren entsprechend anwendbare "Prüfungssperre" des § 17a Abs. 5 GVG hinsichtlich des Rechtswegs greift nur dann, wenn die Entscheidung der ersten Instanz unter Beachtung des § 17a GVG erlassen worden ist.*)
2. Ist eine Vorabentscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs entgegen § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG in der ersten Instanz unterblieben, hat das Rechtsmittelgericht die Rechtswegfrage inhaltlich zu prüfen.*)
3. Der Anspruch auf Grundstücksübertragung ist grundsätzlich privatrechtlicher Natur. Dies gilt auch dann, wenn die öffentliche Hand der Veräußerer ist.*)
4. Ausnahmen sind möglich, wenn das Rechtsverhältnis öffentlich rechtlich überlagert ist (z. B. wenn die Vergabekriterien öffentlichen Zwecken dienen).*)
5. Hat der Antragsteller sich nicht im öffentlich-rechtlichen Vergabeverfahren beworben, sondern macht seinen Anspruch auf Grundstücksübertragung außerhalb dieses Verfahrens auf vertraglicher Grundlage geltend, ist der Zivilrechtsweg gegeben.*)
VolltextVPRRS 2021, 0109
BayObLG, Beschluss vom 09.04.2021 - Verg 3/21
1. Eine "schwere Verfehlung" muss die Integrität des Bieters in Frage stellen. Der Auftraggeber kann daher nicht pauschal von einer schweren Verfehlung auf die Unzuverlässigkeit des Bieters schließen.
2. Die Abwerbung von Mitarbeitern eines Konkurrenten ist regelmäßig keine schwere Verfehlung.
3. Der Auftraggeber kann entsprechende Belege für die Erfüllung von Zuschlagskriterien verlangen, er ist allerdings nicht dazu verpflichtet, die Angaben der Bieter zu verifizieren. Er darf das wertungsrelevante Leistungsversprechen eines Bieters ungeprüft akzeptieren, soweit nicht konkrete Tatsachen vorliegen, die den Rückschluss auf eine zukünftige Nichteinhaltung der mit Angebotsabgabe eingegangener Verpflichtungen zulassen.
4. Einem Bieter müssen die zur Leistungserbringung erforderlichen Mittel nicht bereits im Zeitpunkt der Angebotsabgabe oder bei Zuschlagserteilung zur Verfügung stehen. Sofern sich der öffentliche Auftraggeber keinen anderen Zeitpunkt vorbehält, muss der Bieter erst zum Zeitpunkt der Leistungserbringung über die eignungsrelevanten Mittel verfügen und das benötigte Personal einstellen.
5. Auf Verlangen des Auftraggebers muss ein Bieter darlegen, aus welchen Gründen ihm das zur Auftragserfüllung erforderliche Personal bei Vertragsbeginn tatsächlich zur Verfügung stehen wird.
VolltextVPRRS 2021, 0097
VK Lüneburg, Beschluss vom 30.11.2020 - VgK-44/2020
1. Einem Bieter, dessen Angebot in einzelnen Losen auf dem vierten bzw. letzten Platz der Bieterrangfolge liegt, fehlt für diese Lose die Antragsbefugnis.
2. Vermutet ein Bieter, dass ein Konkurrent keinen allgemeinverbindlichen Tariflohn zahlt, hat er den zu dieser Annahme erforderlichen Sachverhalt im Nachprüfungsverfahren vollständig vorzutragen. Andeutungen genügen nicht der Substantiierungspflicht.
VolltextVPRRS 2021, 0108
OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23.03.2021 - 1 L 47/19
1. Aus der VOB/A 2009 ergibt sich nicht, dass stets und noch dazu ausschließlich das Formblatt 124 als Eignungsnachweis zu erbringen ist.
2. Eigenerklärungen der Bieter für einzelne oder sämtliche Eignungskriterien stehen (alternativ zur Forderung von Einzelnachweisen) im Ermessen des öffentlichen Auftraggebers.
VolltextVPRRS 2021, 0107
OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.03.2021 - 11 Verg 18/20
1. Besonders hohe Eignungsanforderungen können zu ihrer Rechtfertigung dann die Darlegung gewichtiger Gründe seitens der Vergabestelle erfordern, wenn sie sich aufgrund eines kleinen Bieterkreises in besonderem Maße auf den Wettbewerb auswirken und das Vergabeverfahren so ausgestaltet ist, dass dem Teilnahmewettbewerb noch ein Leistungswettbewerb nachfolgt.*)
2. Macht die Vergabestelle die Bejahung der Eignung vom Erreichen einer deutlich überdurchschnittlichen Gesamtpunktzahl abhängig, können solche gewichtigen Gründe fehlen, wenn der Bieter eine unterdurchschnittliche Bewertung der einzelnen Eignungsanforderungen jeweils durch eine überdurchschnittliche Bewertung anderer Eignungsanforderungen ausgleichen kann. Durch eine solche Kompensationsmöglichkeit können ggf. die von der Vergabestelle vorgetragenen Gründe für die hohen Anforderungen an einzelne Eignungsanforderungen widerlegt sein.*)
VolltextVPRRS 2021, 0095
VK Bund, Beschluss vom 19.02.2021 - VK 1-120/20
1. Informiert der Auftraggeber einen Bieter darüber, dass er mit einem anderen Unternehmen einen Vertrag geschlossen hat, muss diese Information weder die Adresse des beauftragten Unternehmens noch das Datum des Vertragsschlusses enthalten. Auch eine Rechtsbehelfsbelehrung ist nicht erforderlich.
2. Dem Lauf der 30-Tages-Frist des § 135 Abs. 2 Satz 1 GWB steht der Grundsatz von Treu und Glauben und das Gebot eines fairen Verfahrens nicht entgegen.
VolltextVPRRS 2021, 0103
VK Saarland, Beschluss vom 22.03.2021 - 1 VK 6/20
1. Der auf 10 Kalendertage verkürzte Fristlauf durch elektronisches Versenden entsprechend den Anforderungen des § 134 Abs. 2 GWB wird im Kontext einer digitalen Abwicklung eines Vergabeverfahrens in Gang gesetzt, wenn die elektronische Information
- den Machtbereich des Sendenden derart verlassen hat, dass sie von diesem nicht mehr gelöscht, verändert oder zurückgerufen werden kann,
- in Textform, mithin speicherbar und für eine angemessene Dauer verfügbar ist, und
- in einem nur dem Empfänger zuzurechnenden sicheren Bereich vergleichbar einem Postfach (Benutzerkonto), über das die gesamte Verfahrenskommunikation abgewickelt wird, eingelegt wird.*)
2. Wird ein Vergabeverfahren vollständig über eine Vergabeplattform digital abgewickelt, kann Versenden auf elektronischem Weg i.S.d. § 134 Abs. 2 Satz 2 GWB nicht ausschließlich auf das Absenden einer herkömmlichen E-Mail oder ein Fax beschränkt werden. Vielmehr ist die Norm in ihrem Normkontext nach dem Wortlaut, dem Willen des Gesetzgebers sowie Sinn und Zweck technikoffen und nach Maßgabe der Bedeutung des Begriffs der Textform auszulegen.*)
3. Versenden in elektronischer Form ist nicht das physische Versenden, sondern bedeutet das elektronische "auf den Weg bringen" der Information in Textform, d. h. das Verlassen des Machtbereichs des Sendenden derart, dass die Information durch diesen nicht mehr einseitig verändert oder gelöscht werden kann. Dabei muss zu erwarten sein, dass bei regelgerechtem Verlauf die Information in den Machtbereich des Empfängers gelangt. In diesem Sinne muss es dem Empfänger möglich sein, jederzeit und ohne Zutun des Absendenden auf die im Postfach eingelegte Information zuzugreifen. Dies ist jedenfalls auch dann der Fall, wenn die maßgebliche Information in einem nur persönlich zugänglichen Raum des Empfängers ("Online-Konto") eingestellt wird.*)
4. Eine automatisch erzeugte bloße Benachrichtigung, dass eine Nachricht vorliegt, stellt als solche nicht bereits die Information nach § 134 GWB dar. Für den Beginn des Fristenlaufs maßgeblich ist nur die Information nach § 134 Abs. 1 GWB selbst.*)
VolltextVPRRS 2021, 0099
VK Lüneburg, Beschluss vom 15.12.2020 - VgK-46/2020
1. Stellt ein öffentlicher Auftraggeber vor Zuschlagserteilung einen erheblichen Fehler in den Vergabeunterlagen fest, ist er zu einer Fehlerkorrektur berechtigt. Eine bereits erfolgte Submission schließt eine Fehlerkorrektur nicht aus
2. Eine Zurückversetzung kann nicht voraussetzungslos ohne nachteilige Rechtsfolgen erfolgen. Zumindest orientieren sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Wirksamkeit und die Rechtmäßigkeit einer Zurückversetzung an den Vorgaben zur Aufhebung.
VolltextVPRRS 2021, 0102
VK Südbayern, Beschluss vom 22.03.2021 - 3194.Z3-3_01-20-61
1. Abweichungen von Vorgaben des Auftraggebers in einem Lösungsvorschlag i.S.d. § 77 Abs. 2 VgV, der in die Wertung des Angebots einfließt, führen nicht zwingend zu einem Ausschluss des Angebots nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV, da der Lösungsvorschlag nicht die nach Zuschlag vertraglich geschuldete Planungsleistung ist, die der Planer nach den Vorgaben des Auftraggebers erstellen muss.*)
2. Es darf nicht unklar bleiben, ob eine bestimmte Angabe in einem Angebot zum Ausschluss führt oder nur Einfluss auf die Wertung nichtpreislicher Zuschlagskriterien hat.*)
3. Hat der Auftraggeber in der Wettbewerbsbekanntmachung festgelegt, dass er Verhandlungen i.S.d. § 17 Abs. 10 VgV durchführen wird, kann er hiervon - wenn überhaupt - nur durch eindeutige und widerspruchsfreie Angaben in den Unterlagen zum Verhandlungsverfahren wieder abrücken.*)
4. Hat der Auftraggeber Zuschlagskriterien festgelegt, die ihm einen sehr weitgehenden Spielraum bei der Bewertung belassen und die Bewertungsmethode nicht bekannt gegeben, muss er regelmäßig auch die Bewertung eines Angebots mit voller Punktzahl begründen und dies dokumentieren, damit nachvollzogen werden kann, inwiefern sich dieses Angebot nach Auffassung des Auftraggebers positiv von den Angeboten der Mitbewerber abhebt.*)
VolltextVPRRS 2021, 0096
VK Bund, Beschluss vom 09.03.2021 - VK 1-4/21
1. Der öffentliche Auftraggeber ist berechtigt, von den Bietern eine Aufschlüsselung der Preisermittlung und nähere Ausführungen zu den Kosten zu verlangen.
2. Die Angabe eines Null-Euro-Preises ist dahingehend zu verstehen, dass insoweit keine Kosten anfallen.
3. Gibt ein Bieter einen Null-Euro-Preis an, obwohl nach der entsprechenden Position des Leistungsverzeichnisses unzweifelhaft Leistungen anfallen, fehlt es an einer Preisangabe.
4. Auch eine unzutreffende Preisangabe ist eine fehlende Preisangabe, auf die ein Angebotsausschluss gestützt werden kann.
5. Zur Frage, ob ein öffentlicher Auftraggeber von einem Bieter nicht nur verlangen darf, seine eigene Preiskalkulation näher aufzugliedern, sondern auch die Kalkulation der von ihm vorgesehenen und namentlich benannten Nachunternehmer.
6. Auch unterhalb der sog. Aufgreifschwelle (vgl. zuletzt OLG Naumburg, IBR 2021, 146) darf der öffentliche Auftraggeber die Angemessenheit des Angebotspreises überprüfen.
VolltextVPRRS 2021, 0098
VK Lüneburg, Beschluss vom 11.01.2021 - VgK-51/2020
1. Der öffentliche Auftraggeber muss die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden, vor Vertragsschluss in Textform über den beabsichtigten Zuschlagsempfänger, die Gründe der Nichtberücksichtigung ihres Angebots und den frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses informieren.
2. Ein Zuschlag darf erst nach Ablauf der Wartefrist, die einen Tag nach Absendung der Information beginnt, geschlossen werden.
3. Erteilt der Auftraggeber den Zuschlag bereits am Tag nach dem Versand der Vorabinformation, ist der Vertrag von Anfang an unwirksam.
VolltextVPRRS 2021, 0101
OLG München, Beschluss vom 24.03.2021 - Verg 12/20
1. Schreibt der Aufraggeber "Einkaufsdienstleistungen" aus, ist ein "Warenkorb" kein zulässiges Zuschlagskriterium, wenn die abgefragten Preise des Warenkorbs keine effektive Ermittlung des wirtschaftlichen Angebots ermöglichen.
2. An die Rüge ist ein eher großzügiger Maßstab anzulegen. Der Bieter hat - soweit es ihm möglich ist - tatsächliche Anhaltspunkte oder Indizien vorzutragen, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründen.
3. Es ist nicht erforderlich, dass das Schreiben ausdrücklich als Rüge bezeichnet wird, es genügt vielmehr, dass inhaltlich hervorgeht, dass Verstöße gegen vergaberechtliche Bestimmungen geltend gemacht und dass Abhilfe begehrt wird.
4. Es ist ausreichend, dass ein Bieter mit der Rüge die auf den Vergaberechtsverstoß hindeutenden Tatsachen substantiell und konkret benennt und deutlich macht, worin er den Verstoß sieht. Er muss nicht die damit verbundenen Rechtsfragen vollständig und in Gänze durchdringen.
VolltextVPRRS 2021, 0094
VK Bund, Beschluss vom 17.02.2021 - VK 1-22/21
1. Die Vergabenachprüfungsinstanzen sind nur für die Nachprüfung der Vergabe öffentlicher Aufträge und von Konzessionen zuständig, wobei das Vergabeverfahren bereits begonnen haben muss und noch nicht durch wirksame Zuschlagserteilung beendet worden sein darf.
2. Ein Vergabeverfahrens "beginnt" erst mit der Bekanntmachung der konkreten Beschaffung im Amtsblatt der EU.
3. Für Verfahren, in denen ein öffentlicher Auftraggeber zur Vorbereitung künftiger Vergabeverfahren die Güter, die er voraussichtlich beschaffen will, nach selbst gesetzten Vorgaben prüft und diese bzw. den betreffenden Hersteller ggf. zulässt sind die Vergabenachprüfungsinstanzen nicht zuständig.
VolltextVPRRS 2021, 0093
VK Bund, Beschluss vom 05.03.2021 - VK 1-124/20
1. Ein öffentlicher Auftraggeber ist aufgrund eines einmal eingeleiteten Vergabeverfahrens grundsätzlich nicht zur Zuschlagserteilung verpflichtet. Das gilt auch in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung.
2. Ein Vergabeverfahren kann rechtmäßig aufgehoben werden, wenn es kein wirtschaftliches Ergebnis hatte. Dafür, dass die tatsächlichen Voraussetzungen einer Aufhebung der Ausschreibung vorliegen, ist der öffentliche Auftraggeber darlegungs- und beweisbelastet.
3. Voraussetzung für die Aufhebung ist, dass auch das wirtschaftlichste Angebot erheblich über dem Preis liegt, der nach einer ordnungsgemäßen Schätzung des Auftragswerts ermittelt worden ist.
4. Die Überschreitung der Kostenschätzung um das Doppelte ist grundsätzlich geeignet eine erhebliche Überschreitung anzunehmen.
5. Weitere Voraussetzung für eine rechtmäßige Aufhebung wegen erheblicher Überschreitung der seitens des Auftraggebers geschätzten Kosten ist, dass die Kostenschätzung insgesamt ordnungsgemäß ist. Die Kostenschätzung muss methodisch vertretbar erfolgt sein und die zu erwartenden Kosten nachvollziehbar und umfassend wiederspiegeln (hier verneint).
VolltextVPRRS 2021, 0092
OLG Brandenburg, Urteil vom 22.02.2021 - 12 U 165/19
1. Es ist nicht zu beanstanden, wenn zur Schadensbeseitigung Maßnahmen veranlasst werden, die aus vorausschauender Sicht vernünftig erscheinen, auch wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass ein geringerer Aufwand ausgereicht hätte, soweit keine Maßnahmen veranlasst wurden, die ersichtlich außer Verhältnis zu dem Anlass und dem zu erwartenden notwendigen Schadensbeseitigungsaufwand standen.
2. Im Regelfall kann der sicherste Weg für eine vollständige Schadensbeseitigung gewählt werden.
3. Der öffentliche Auftraggeber kann bei der Vergabe von Bodenaustauscharbeiten auf Spezialunternehmen zurückgreifen.
4. Eigenleistungen des Geschädigten sind erstattungsfähig. Gleiches gilt für einen 25%igen Gemeinkostenzuschlag.
VolltextVPRRS 2021, 0086
OLG Celle, Beschluss vom 25.03.2021 - 13 Verg 1/21
1. Die Zuschlagskriterien müssen so festgelegt und bestimmt sein, dass die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleistet wird, der Zuschlag nicht willkürlich erteilt werden kann und eine wirksame Überprüfung möglich ist, ob und inwieweit die Angebote die Zuschlagskriterien erfüllen.
2. Die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen aufgeführt werden müssen. Das gilt sowohl für die Zuschlags(haupt)kriterien als auch für die Unterkriterien.
3. Unterkriterien sind solche Kriterien, die der Ausfüllung und näheren Bestimmung eines Hauptkriteriums dienen und präziser darstellen, worauf es dem Auftraggeber ankommt.
4. Sollen die Bieter ihre Konzepte für die Erfüllung von Qualitätskriterien schriftlich darstellen, hat der Wettbewerb partiell das Gepräge eines Vergabeverfahrens mit funktionaler Leistungsbeschreibung. Der Auftraggeber muss nicht im Voraus im Detail mitteilen, wie das beste Konzept genau ermittelt werden soll.
5. Eine relative Bewertungsmethode ist als solche nicht zu beanstanden.
VolltextVPRRS 2021, 0083
VK Berlin, Beschluss vom 06.01.2021 - VK B 2-53/20
1. Akteneinsicht ist zu versagen, soweit dies aus wichtigen Gründen geboten ist. Bei sämtlichen Einschränkungen bleibt es allerdings dabei, dass im Grundsatz vollständig Akteneinsicht zu gewähren und eine teilweise Versagung im Einzelfall zu begründen ist.
2. Die Vergabekammer kann von der Akteneinsicht ausgenommene Unterlagen bei der Entscheidungsfindung berücksichtigen. Im Nachprüfungsverfahren ist eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass sämtliche Verfahrensbeteiligte den entscheidungserheblichen Sachverhalt vollständig kennen, gerechtfertigt.
VolltextVPRRS 2021, 0087
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30.09.2020 - 2 VK LSA 42/20
1. Schließt ein Bieter in seinem Angebot einerseits den Einsatz von Nachunternehmern aus, plant er jedoch in der Kalkulation Fremdleistungen ein, ist das Angebot nicht zweifelsfrei und somit auch nicht zuschlagsfähig.
2. Lässt der Auftraggeber in der Bekanntmachung nur elektronische Angebote zu, können Erklärungen, die dieser Form nicht genügen, bei der Auslegung des Angebots nicht berücksichtigt werden.
VolltextVPRRS 2021, 0089
LG Bonn, Urteil vom 17.03.2021 - 1 O 244/20
1. Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung ist entbehrlich, wenn der Verkäufer die Leistung (hier: die mangelfreie Lieferung der vereinbarten Masken) nicht bis zu einem im Vertrag bestimmten Termin bewirkt hat, obwohl die termin- oder fristgerechte Leistung in einer für den Verkäufer erkennbaren Weise für den Käufer wesentlich ist.
2. Einem bestehenden Fixschuldcharakter kann es zwar abträglich sein, wenn die festgelegte Lieferfrist von den Vertragsparteien nachträglich einvernehmlich verlängert wird. Aus den Umständen des Einzelfalls kann sich aber ausnahmsweise auch ergeben, dass sich abgesehen von der Terminverschiebung am Fixcharakter des Geschäfts nichts ändern soll.
3. Die öffentliche Hand betreibt kein Handelsgewerbe, wenn sie - auch als Großabnehmer - nachfragt, so dass sie auch keine kaufmännischen Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten trifft.
VolltextVPRRS 2021, 0090
OLG Brandenburg, Beschluss vom 30.01.2020 - 7 W 51/17
1. Betriebe der öffentlichen Hand sind den kaufmännisch geführten Gewerbebetrieben zuzuordnen, wenn sich der öffentlich-rechtliche Rechtsträger wie ein Privatunternehmen am Geschäftsverkehr beteiligt.
2. Ein Zweckverband betreibt jedenfalls dann keinen Gewerbebetrieb, wenn er seine Leistungen nicht in privatrechtlichen Verträgen vereinbart, sondern sich ausschließlich hoheitlicher, öffentlich-rechtlich bestimmter Handlungsformen bedient.
VolltextVPRRS 2021, 0088
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.03.2021 - Verg 34/20
1. Mündliche Ausführungen der Bieter im Verhandlungs- oder Bietergespräch dürfen bei der Angebotswertung berücksichtigt werden.
2. Mündliche Angaben der Bieter sind zu dokumentieren.
3. Es muss in Bezug auf die Bewertung der mündlichen Ausführungen der Bieter nachvollziehbar sein, aus welchem Grund welche Note vergeben worden ist.
4. Die Qualität des Projektteams kann bei der Angebotswertung berücksichtigt werden.
5. Wenn die Vergabestelle mitteilt, sie werde die Qualität des Projektteams unter Berücksichtigung der Erfahrungen und der Qualifikation der Teammitglieder bewerten, kann sie sich nicht auf die Betrachtung nur eines Aspekts beschränken.
VPRRS 2021, 0084
KG, Beschluss vom 06.01.2020 - Verg 10/19
1. Den Verfahrensbeteiligten steht - im Ausgangspunkt - ein Recht auf uneingeschränkte Akteneinsicht zu, das nur dann eine Einschränkung erfährt, wenn "wichtige Gründe, insbesondere des Geheimschutzes oder zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen" die Einsichtversagung "gebieten".
2. Eine Einsichtversagung ist nicht schon deshalb "geboten", weil "kein Erfordernis" für die Einsichtsgewährung besteht. Voraussetzung der Einsichtversagung ist vielmehr, dass die Einsichtgewährung bestimmte Nachteile - für die Verfahrensbeteiligten oder das Verfahren selbst - bewirkt, deren Vermeidung die Einsichtversagung "gebieten".
3. Die Unzulässigkeit des Vergabenachprüfungsantrags steht dem Recht auf uneingeschränkte Akteneinsicht nicht entgegen.
VolltextVPRRS 2021, 0082
VK Bund, Beschluss vom 12.01.2021 - VK 1-112/20
1. Der Auftragsgegenstand ist so eindeutig und erschöpfend wie möglich zu beschreiben, so dass die Beschreibung für alle Unternehmen im gleichen Sinne verständlich ist und die Angebote miteinander verglichen werden können.
2. Die Leistungsbeschreibung muss es den Bietern ermöglichen, ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten zu kalkulieren.
3. Dass Bieter oder Bewerber Vergabeunterlagen auslegen müssen, um das vom öffentlichen Auftraggeber Verlangte zu erkennen, ist als solches vergaberechtskonform. Komplexe Anforderungen lassen sich mitunter nicht so formulieren, dass sie sofort auf den ersten Blick und ohne Nachdenken verständlich sind.
4. Beim Abschluss einer Rahmenvereinbarung sind die Anforderungen an die Bestimmtheit der Leistungsbeschreibung infolge der flexibleren Gestaltung, was Menge und Zeitpunkt des Abrufs der ausgeschriebenen Unterstützungsleistungen angeht, geringer anzusetzen als bei einer gewöhnlichen Ausschreibung.
5. Die Anforderung einer eindeutigen und erschöpfenden Beschreibung der Leistung hat mit der Frage, ob bestimmte Risiken auf den Auftragnehmer verlagert werden können, unmittelbar nichts zu tun. Die vom Auftragnehmer zu erbringende Leistung kann klar und erschöpfend beschrieben werden und gleichzeitig können ihm ungewöhnliche Risiken auferlegt werden, solange diese Risiken nur eindeutig benannt sind.
VolltextVPRRS 2021, 0081
VG Schwerin, Urteil vom 24.02.2021 - 1 A 2011/19
1. Im Rahmen des § 3 Abs. 3 Alt. 3 IFG-MV ist unerheblich, ob die Beteiligung an der juristischen Person des Privatrechts unmittelbar oder über eine weitere Person des Privatrechts nur mittelbar vorliegt.*)
2. Im Fall des § 3 Abs. 3 IFG-MV ist der Antrag an die Behörde zu richten. Dies gilt auch dann, wenn an der juristischen Person des Privatrechts juristische Personen des öffentlichen Rechts mit einer Mehrheit der Anteile oder Stimmen beteiligt sind.*)
3. Im Fall des § 3 Abs. 3 IFG-MV besteht ausnahmsweise eine Informationsbeschaffungspflicht der Behörde.*)
4. Ist ein erforderliches Drittbeteiligungsverfahren noch nicht durchgeführt worden, besteht regelmäßig nur ein Anspruch auf erneute Bescheidung.*)
VolltextVPRRS 2021, 0080
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.02.2021 - Verg 25/18
1. Die Kombination aus einer Softwareüberlassung und einer Softwarekooperation ist ein entgeltlicher Vertrag und damit grundsätzlich ausschreibungspflichtig.
2. Die Ausschreibungspflicht entfällt ausnahmsweise im Rahmen einer öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit gem. § 108 Abs. 6 GWB.
3. Nach richtlinienkonformer Auslegung enthält § 108 Abs. 6 GWB ein ungeschriebenes Verbot, ein privates Unternehmen besserzustellen als seine Wettbewerber.
4. Um dem ungeschriebenen Besserstellungsverbot zu genügen, müssen die an der Zusammenarbeit beteiligten öffentlichen Auftraggeber Wettbewerb auf dem nachgelagerten Markt der IT-Folgeleistungen ermöglichen und den Bietern dazu Einsicht in den Quellcode gewähren.
VolltextVPRRS 2021, 0079
VK Südbayern, Beschluss vom 25.02.2021 - 3194.Z3-3_01-20-47
1. Büroreferenzen über erbrachte Projektsteuerungsleistungen eines Vorgängerunternehmens können einem Bewerber nur zugerechnet werden, soweit eine weitgehende Identität zwischen den Personen, die für die Referenzaufträge zuständig waren und den Mitarbeitern in den neu gegründeten Unternehmen festgestellt werden kann.*)
2. Dabei reicht es für die Berücksichtigung von Büroreferenzen aus, wenn sich die Personen, die die Referenzen erarbeitet haben, noch im Unternehmen befinden, sie müssen nicht im Projektteam für den konkreten Auftrag benannt sein.*)
3. Nach dem Wortlaut des § 47 Abs. 1 Satz 3 VgV müssen bei der Eignungsleihe in Bezug auf Unternehmensreferenzen die eignungsverleihenden Unternehmen die jeweilige Leistung erbringen, für die diese Kapazitäten benötigt werden.*)
4. Bei Planungs- oder Projektsteuerungsleistungen reicht es nicht aus, dass die Mitarbeiter der eignungsverleihenden Unternehmen, die an den entsprechenden Referenzaufträgen beteiligt waren, dem vorgesehenen Projektteam in allen Projektstufen und Handlungsbereichen über die gesamte Projektlaufzeit irgendwie zur Verfügung stehen.*)
5. Es ist bislang ungeklärt, in welcher Form und in welchem Umfang die Einbindung konkret erfolgen muss.*)
VolltextVPRRS 2021, 0078
VK Bund, Beschluss vom 14.10.2020 - VK 1-78/20
1. Ein abgegebenes Angebot muss widerspruchsfrei und eindeutig sein. Anderenfalls ist es von der Wertung auszuschließen.
2. Angebotsänderungen und Nachbesserungen nach Ablauf der Angebotsfrist sind unzulässig.
3. Die Abgabe mehrerer Hauptangebote ist jedenfalls dann unzulässig, wenn der öffentliche Auftraggeber für sein konkretes Vergabeverfahren ausdrücklich etwas anderes regelt.
4. Gibt ein Bieter zwei preislich und technisch identische und somit nicht voneinander abgrenzbare Hauptangebote ab, sind diese nicht wertungsfähig.
5. Die selbständige Beteiligung mehrerer Zweigniederlassungen eines Unternehmens im selben (Vergabe-)Wettbewerb erscheint von vornherein nahezu ausgeschlossen.
VolltextVPRRS 2021, 0077
VK Bund, Beschluss vom 23.12.2020 - VK 1-104/20
1. Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. Dieses bestimmt sich nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis.
2. Der Auftraggeber legt fest, wie er das Preis-Leistungs-Verhältnis bewertet, wenn sich bei den Angebotspreisen einerseits und der Qualität des Angebots andererseits unterschiedliche Rangfolgen ergeben.
3. Eine vom Auftraggeber der Wertung zugrunde gelegte Methodik bestehend aus einer qualitativen Punktwertung und der Bewertung eines durchschnittlichen Preises basierend auf drei Auslastungsszenarien ist vergaberechtlich nicht zu beanstanden.
4. Ein durchschnittlicher fachkundiger Bieter kann die (mögliche) Intransparenz der Wertungssystematik im Allgemeinen und der Auswirkung von verschiedenen Punktszenarien qualitativer Art einschließlich einer Niedrigpreis-Strategie erkennen und muss diese daher rechtzeitig rügen.
VolltextVPRRS 2021, 0076
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.03.2021 - 1 B 1845/20
1. Ein Ruhestandsbeamter, der während seiner aktiven Dienstzeit bei einem öffentlichen Auftraggeber unter anderem mit Vergabeverfahren befasst war, kann eine Erwerbstätigkeit oder sonstige Beschäftigung für ein Bieterunternehmen untersagt werden, soweit zu besorgen ist, dass durch sie dienstliche Interessen beeinträchtigt werden.
2. Dienstliche Interessen sind bereits beeinträchtigt, wenn durch die Erwerbstätigkeit oder sonstige Beschäftigung der böse Schein fehlender Integrität der öffentlichen Verwaltung entsteht.
VolltextVPRRS 2021, 0075
EuGH, Urteil vom 24.03.2021 - Rs. C-771/19
Art. 1 Abs. 1 und 3, Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und b sowie Art. 2a Abs. 2 Richtlinie 92/13/EWG sind dahin auszulegen, dass ein Bieter, der in einer Phase vor der Vergabe eines öffentlichen Auftrags vom Vergabeverfahren ausgeschlossen wurde und dessen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Entscheidung, mit der er von diesem Verfahren ausgeschlossen wurde, zurückgewiesen wurde, in seinem zugleich gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Entscheidung, mit der das Angebot eines anderen Bieters zugelassen wurde, sämtliche Gründe geltend machen kann, mit denen ein Verstoß gegen das Unionsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die nationalen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, gerügt wird, also auch solche, die in keinem Zusammenhang mit den Mängeln stehen, aufgrund deren sein Angebot ausgeschlossen wurde. Diese Möglichkeit wird nicht dadurch berührt, dass der Antrag auf vorgerichtliche Nachprüfung bei einer unabhängigen nationalen Stelle, den der Bieter nach dem nationalen Recht gegen die Entscheidung über seinen Ausschluss zuvor stellen musste, abgelehnt wurde, sofern diese Entscheidung nicht rechtskräftig geworden ist.*)
VolltextVPRRS 2021, 0072
VG Karlsruhe, Urteil vom 13.08.2020 - 13 K 4994/19
1. Ein Tragwerksplaner hat einen Auskunftsanspruch über die in den letzten 20 Jahren vergebenen Aufträge.
2. Namen der Auftragnehmer und jeweilige Honorarhöhe sind mitzuteilen.
3. Dem stehen weder der Schutz personenbezogener Daten noch schutzwürdige Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse Dritter noch ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand entgegen.
VolltextVPRRS 2021, 0071
OLG München, Beschluss vom 29.01.2021 - Verg 11/20
1. Will der Auftraggeber einen Bieter wegen Schlechterfüllung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, hat er den betroffenen Bieter vor einer Ausschlussentscheidung anzuhören.
2. Vor einem Ausschluss hat der Auftraggeber zudem eine Prognoseentscheidung dahingehend zu treffen und zu dokumentieren, ob von dem fraglichen Bieter unter Berücksichtigung der festgestellten früheren Schlechtleistung im Hinblick auf die Zukunft zu erwarten ist, dass er den nunmehr zu vergebenden Auftrag nicht gesetzestreu, ordnungsgemäß und sorgfältig ausführen wird.
3. Der Ausschluss eines Bieters liegt im Ermessen des Auftraggebers. Die Ermessensentscheidung wird allerdings nur daraufhin überprüft, ob das Ermessen überhaupt ausgeübt wurde (Ermessensausfall), ob eine Maßnahme getroffen wurde, die sich nicht mehr in dem durch die Ermächtigungsnorm abgesteckten Rahmen hält (Ermessensüberschreitung) und ob ein Ermessensfehlgebrauch vorliegt.
4. Ein Ermessensfehlgebrauch liegt vor, wenn der öffentliche Auftraggeber relevante Aspekte nicht berücksichtigt, sich auf sachfremde Erwägungen stützt oder Aspekten ein Gewicht beimisst, das ihnen nicht zukommt.
VolltextVPRRS 2021, 0070
OLG München, Beschluss vom 18.01.2021 - Verg 5/20
Nimmt die Vergabestelle auf die Rüge eines Bieters hin im Nachprüfungsverfahren den objektiv falschen (und später aufgegebenen) Standpunkt ein, das Angebot des erstplatzierten Bieters sei vollständig und wertbar, trifft ihn auch das Kostenrisiko, wenn sich herausstellt, dass diesbezüglich Unterlagen oder Angaben nicht vorliegen.
VolltextVPRRS 2021, 0069
OLG München, Beschluss vom 28.09.2020 - Verg 3/20
1. Die Vorschrift des § 14 Abs. 4 Nr. 2 c VgV, wonach der Auftraggeber öffentliche Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb vergeben kann, wenn der Auftrag wegen des Schutzes von ausschließlichen Rechten nur von einem bestimmten Bieter erbracht werden kann, ist nicht bieterschützend.
2. Das Urheberrecht enthält kein Denk- oder Planungsverbot. Die Vornahme einer bloßen Planung ist weder eine Änderung noch eine Entstellung eines Bauwerks.
3. Sofern aus Sicht eines Bieters ein urheberrechtlich rechtswidriger Eingriff durch eine Änderung oder Beseitigung der Gesamtanlage stattfindet oder unmittelbar droht, steht es ihm offen, seine behaupteten urheberrechtlichen Abwehransprüche mittels einer Klage vor den Zivilgerichten im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen und durchzusetzen.
VolltextVPRRS 2021, 0068
OLG München, Beschluss vom 17.12.2019 - Verg 25/19
Die Vorlage einer Bescheinigung, deren Gültigkeitsdauer ausdrücklich abgelaufen ist, ist als Nichtvorlage anzusehen.
VolltextVPRRS 2021, 0066
BVerwG, Beschluss vom 15.12.2020 - 10 C 24.19
Das Informationsfreiheitsgesetz wird nach Abschluss des Vergabeverfahrens nicht durch Vorschriften der Vergabeverordnung verdrängt. § 5 Abs. 2 Satz 2 VgV ist eine Vertraulichkeitsregelung im Sinne von § 3 Nr. 4 IFG.*)
VolltextVPRRS 2021, 0064
OLG Rostock, Beschluss vom 03.02.2021 - 17 Verg 7/20
1. Für die Behandlung eines gegen Mitglieder der Vergabekammer gerichteten Ablehnungsgesuchs sind nicht § 54 VwGO i.V.m. §§ 41 ff. ZPO analog, sondern stattdessen (unmittelbar) § 20 Abs. 4, § 21 Abs. 1, 2, § 71 Abs. 1, 3 VwVfG-MV anzuwenden.*)
2. Dies gilt insbesondere auch für den Fall, dass die Vergabekammer aufgrund des Ablehnungsgesuchs beschlussunfähig wird und eine bestehende behördliche Vertretungskette erschöpft ist (Anschluss an OLG Naumburg, Beschluss vom 31.01.2011 - 2 Verg 1/11, IBRRS 2011, 0789 = VPRRS 2011, 0083).*)
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