Vergabepraxis & -recht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
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VPRRS 2020, 0209OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.09.2019 - Verg 10/19
1. Eine inhaltlich unzureichende Unterlage ist nicht mit einer fehlenden gleichzusetzen, die zum Ausschluss des Angebots von der Wertung führt.
2. Auch fehlerhafte unternehmensbezogene Unterlagen können korrigiert werden. Sind die geforderten Unterlagen vorhanden, aber inhaltlich unzureichend, ist dies kein Ausschlussgrund. Nur die rein formal fehlerhafte Urkunde steht einer fehlenden gleich.
3. Der öffentliche Auftraggeber ist verpflichtet, vom Bieter Aufklärung zu verlangen, wenn der Preis oder die Kosten eines Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheinen.
4. Der Preis oder die Kosten eines Angebots erscheinen im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung dann ungewöhnlich niedrig, wenn sie erheblich unterhalb der eingegangenen Konkurrenzangebote, einer qualifizierten Kostenschätzung oder Erfahrungswerten des Auftraggebers mit wettbewerblicher Preisbildung aus anderen Ausschreibungen liegen.
5. Der öffentliche Auftraggeber ist jedenfalls dann verpflichtet, in die Prüfung der Preisbildung einzutreten, wenn der Abstand zwischen dem Angebot des bestplatzierten und dem Angebot des zweitplatzierten Bieters mehr als 20 % beträgt.
6. Die Prüfung hat sich auf die bedeutsamen Einzelfallumstände zu erstrecken, die Aussagen über die Auskömmlichkeit des Gesamtpreises erlauben.
7. Ausgangspunkt einer Preisprüfung kann eine nachvollziehbare und vertretbare Kostenschätzung sein. Daneben sind die Angebotssummen anderer Bieter ebenso zu berücksichtigen wie Erfahrungswerte aus vergleichbaren Ausschreibungen in der Vergangenheit. Zu berücksichtigen sind schließlich die vom Bieter im Zuge der Aufklärung abgegebenen Erklärungen.
8. Die im Vergabevermerk enthaltenen Angaben und die in ihm mitgeteilten Gründe für getroffene Entscheidungen so detailliert sein, dass sie für einen mit der Sachlage des jeweiligen Vergabeverfahrens vertrauten Leser nachvollziehbar sind. Die Anforderungen an den Detaillierungsgrad sind aus Gründen der Nachvollziehbarkeit größer, wenn es um die Dokumentation von Entscheidungen geht, die die Ausübung von Ermessen oder die Ausfüllung eines Beurteilungsspielraums enthalten.
9. Ein Aufgreifen eines Vergaberechtsverstoßes von Amts wegen durch die Vergabenachprüfungsinstanzen kommt, wenn eine Rüge des Verstoßes nicht präkludiert ist, in Betracht, wenn der Zugang zur vergaberechtlichen Nachprüfung durch einen zulässigen Nachprüfungsantrag eröffnet ist und der Verstoß, der von Amts wegen aufgegriffen werden soll, aus Sicht der Vergabenachprüfungsinstanzen schwerwiegend und offenkundig ist (hier verneint).
VolltextVPRRS 2020, 0385
OLG Schleswig, Beschluss vom 03.06.2020 - 54 Verg 1/20
1. Der Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung wird abgelehnt, wenn unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zur Entscheidung über die Beschwerde die damit verbundenen Vorteile überwiegen.
2. Bei der Abwägung sind unter anderem die Erfolgsaussichten der Beschwerde, die Aussichten des Antragstellers auf Erhalt des Auftrags und das Interesse der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens zu berücksichtigen.
3. Bei der Auslegung ist das unionsrechtliche Gebot eines effektiven Rechtsschutzes zu berücksichtigen. Die Erfolgsaussichten der sofortigen Beschwerde haben daher entscheidendes Gewicht, sodass nur ausnahmsweise Gründe des Allgemeinwohls überwiegen können.
4. Hat die sofortige Beschwerde bei summarischer Prüfung hohe Erfolgsaussichten, wird dem Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung in der Regel stattzugeben sein, hat sie dagegen nur geringe Erfolgsaussichten, ist ein schutzwürdiges Interesse an der Verlängerung in der Regel nicht anzunehmen.
VolltextVPRRS 2020, 0210
OLG Celle, Beschluss vom 27.02.2020 - 13 Verg 5/19
1. Unter welchen Bedingungen Angebote nicht berücksichtigt werden können, ist bei Bauaufträgen in der VOB/A 2019 abschließend geregelt. Es ist dem öffentlichen Auftraggeber versagt, weitere Ausschlussgründe - etwa durch das Verbot negativer Einheitspreise - zu schaffen (Anschluss an OLG Düsseldorf, IBR 2011, 101).
2. Eine nicht rechtzeitige Rüge lässt das Nachprüfungsrecht für solche Verstöße gegen Vergabevorschriften entfallen, die aufgrund der Vergabeunterlagen erkennbar sind.
VolltextVPRRS 2020, 0208
VK Berlin, Beschluss vom 15.05.2020 - VK B 1-15/19
1. Ein Vergabenachprüfungsantrag ist unzulässig, wenn der Bieter einen erkannten Vergaberechtsverstoß nicht rechtzeitig rügt.
2. Soll der Zuschlag einem Mitbewerber erteilt werden, an dessen Zuverlässigkeit aufgrund negativer Presseberichterstattung aus Sicht des Bieters erhebliche Zweifel bestehen, hat er im Moment des Erhalts der Vorabinformation Kenntnis von einem Vergaberechtsverstoß.
3. Sofern das Vorabinformationsschreiben wenig ausführliche Informationen erhält, sind auch die Anforderungen an die Substantiierung einer Rüge abgesenkt, nicht aber das Rügeerfordernis als solches abgeschafft.
4. Das Akteneinsichtsrecht erstreckt sich nicht auf Umstände, die nicht oder nicht rechtzeitig gerügt wurden.
VolltextVPRRS 2020, 0202
VK Rheinland, Beschluss vom 29.04.2020 - VK 17/20
Die grundsätzliche Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers bezieht sich auf die Festlegung des Auftragsgegenstands, des Beschaffungsgegenstands und der Zuschlagskriterien. Dabei darf er auch über die Rechtsnatur des zu vergebenden Auftrags entscheiden.*)
VolltextVPRRS 2020, 0203
VK Rheinland, Beschluss vom 26.02.2020 - VK 46/19
1. Die Auslegung eines Nachprüfungsantrags richtet sich im Zweifel nach den wohlverstandenen Interessen des Antragstellers.*)
2. Für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen einer Aufhebung der Ausschreibung ist im Nachprüfungsverfahren der Auftraggeber darlegungs- und beweisbelastet. Begründet er die Aufhebung mit einer Unangemessenheit der Angebotspreise, gehen nicht ausgeräumte Zweifel an der Vertretbarkeit seiner Kostenschätzung zu seinen Lasten.*)
3. Bei der ersatzweise vorzunehmenden Schätzung angemessener Baukosten dürfen BKI-Kostenkennwerte zwar grundsätzlich herangezogen, jedoch nicht schematisch übernommen werden. Erforderlich ist vielmehr die nähere Betrachtung derjenigen Objekte, aus denen das BKI die Kostenkennwerte abgeleitet hat. Hat der Auftraggeber diese Betrachtung unterlassen und lehnt er eine Nachholung trotz entsprechender Aufforderung der Vergabekammer ab, muss die Kammer diese unzureichende Mitwirkung nicht durch eigene Sachaufklärung kompensieren.*)
VolltextVPRRS 2020, 0201
OLG Celle, Beschluss vom 31.03.2020 - 13 Verg 13/19
1. Zu den Anforderungen an den Vergabemerk bei einer produktscharfen Ausschreibung.*)
2. Zu der Möglichkeit, Dokumentationsmängel im Nachprüfungs- oder Beschwerdeverfahren zu heilen.*)
VolltextVPRRS 2020, 0205
VK Bund, Beschluss vom 06.05.2020 - VK 1-32/20
1. Die pandemische Verbreitung des neuartigen Coronavirus ab Januar 2020 ist ein weder dem Auftraggeber zurechenbares noch vorhersehbares Ereignis.
2. Durch die akute pandemische Ausbreitung des Corona-Virus und die damit einhergehenden wirtschaftlichen Folgen aufgrund von Betriebsschließungen können sich die Grundlagen eines Vergabeverfahrens grundlegend ändern, so dass der Auftraggeber berechtigt ist, das Vergabeverfahren ganz oder teilweise aufzuheben.
3. Der öffentliche Auftraggeber ist im Nachprüfungsverfahren nicht kategorisch mit allen Aspekten und Argumenten präkludiert, die nicht im Vergabevermerk zeitnah niedergelegt worden sind. Die Anordnung der Wiederholung der betroffenen Abschnitte des Vergabeverfahrens bleibt solchen Fällen vorbehalten, in denen die Berücksichtigung der nachgeschobenen Dokumentation nicht ausreichen könnte, um eine wettbewerbskonforme Auftragserteilung zu gewährleisten.
VolltextVPRRS 2020, 0200
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.03.2020 - Verg 17/16
1. Mit der Anhörungsrüge kann ein Verfahrensbeteiligter eine entscheidungserhebliche Verletzung seines verfassungsrechtlich verankerten Anspruchs auf rechtliches Gehörs durch eine ihn beschwerende gerichtliche Entscheidung geltend machen. Voraussetzung ist allerdings, dass es sich um eine unanfechtbare Endentscheidung handelt.
2. Ein Beschluss, mit dem das Verfahren bis zum Abschluss eines beim Bundesgerichtshof anhängigen Divergenzvorlageverfahren ausgesetzt wird, stellt eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung dar, gegen die die Anhörungsrüge nicht statthaft ist.
VolltextVPRRS 2020, 0195
VK Berlin, Beschluss vom 06.01.2020 - VK B 1-39/19
1. Zum Ausschluss führende Änderungen an den Vergabeunterlagen liegen (nur) vor, wenn der Bieter nicht das anbietet, was der öffentliche Auftraggeber ausgeschrieben hat, sondern von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abweicht, indem eine inhaltliche Änderung der ausgeschriebenen Leistung, der Vertragsbedingungen oder der Preise erfolgt.
2. Nicht jede noch so marginale formale Abweichung hat einen Angebotsausschluss zur Folge. Vielmehr sind Korrekturen in fehlerhaften unternehmensbezogenen Unterlagen grundsätzlich zulässig, wenn keine Manipulationsgefahr besteht und der Auftraggeber im Falle der Bezuschlagung des Angebots genau das erhält, was er beschaffen möchte.
3. Sind Rechen- oder Schreibfehler offenkundig, ist eine Korrektur durch den Auftraggeber auch ohne Aufklärung angezeigt.
VolltextVPRRS 2020, 0193
VK Berlin, Beschluss vom 31.03.2020 - VK B 1-08/20
1. Widersprüchliche Vergabeunterlagen verstoßen gegen das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung.
2. Enthält ein (Betreiber-)Vertrag Klauseln, die (möglicherweise) gegen das AGB-Recht verstoßen und deshalb unwirksam sind, muss sich der Bieter entscheiden, ob er sich solchen vertraglichen Regelungen unterwerfen möchte oder nicht. Der (vermeintliche) Verstoß gegen das AGB-Recht ist erst nach Vertragsschluss zivilrechtlich zu prüfen und zu bewerten.
3. Eine Verkürzung der Angebotsfrist ist ausreichend zu begründen und die Begründung nachvollziehbar zu dokumentieren.
4. Bieterfragen sind unter einer gegebenenfalls angemessenen Verlängerung der Angebotsfrist durch die Vergabestelle zu beantworten.
VolltextVPRRS 2020, 0197
VK Bund, Beschluss vom 24.06.2019 - VK 1-31/19
1. Der Bieter verspricht in einer produktneutralen Ausschreibung noch nicht die Lieferung eines konkreten Produkts, sondern nur, ein ausschreibungskonformes Produkt mittlerer Art und Güte zu liefern. Etwas anderes gilt jedoch, wenn sich er bereits vor der Zuschlagserteilung in seinem Angebot auf ein konkretes Produkt festlegt. In diesem Fall ist der Bieter an dieses Produkt gebunden.
2. Ein Produktdatenblatt, in dem mehrere technische Daten eines konkreten Produkts aufgezählt werden, ist so zu verstehen, dass der Bieter dieses Produkt mit sämtlichen darin genannten Daten anbietet.
VolltextVPRRS 2020, 0196
BVerfG, Beschluss vom 30.03.2020 - 1 BvR 843/18
1. Vor Einlegung einer Verfassungsbeschwerde sind grundsätzlich alle zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zu ergreifen, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern.
2. Anders liegt das, soweit es allein um die sich unmittelbar aus der Verfassung ergebenden Grenzen für die Auslegung der Normen geht. Wirft der Fall allein spezifisch verfassungsrechtliche Fragen auf, sind Verfassungsbeschwerden unmittelbar gegen ein Gesetz weithin auch ohne vorherige Anrufung der Fachgerichte zulässig.
3. Im Streit über die Erteilung einer Konzession ist der Bieter zunächst gehalten, sich in einem Auswahlverfahren um die Konzession zu bemühen und gegebenenfalls verwaltungsgerichtlichen oder vergaberechtlichen Rechtsschutz zu erlangen.
VolltextVPRRS 2020, 0194
EuGH, Urteil vom 18.06.2020 - Rs. C-328/19
1. Art. 1 Abs. 2 a Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.03.2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge ist dahin auszulegen, dass ein Vertrag, nach dem die Gemeinden, die Parteien dieses Vertrags sind, einer von ihnen die Zuständigkeit übertragen, für diese Gemeinden Dienstleistungen zu organisieren, nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie 2004/18/EG fällt, weil er eine Übertragung von Befugnissen i.S.v. Art. 4 Abs. 2 EUV in der Auslegung durch das Urteil vom 21.12.2016, Remondis (Rs. C-51/15, IBRRS 2016, 3448), darstellt.*)
2. Art. 1 Abs. 2 a Richtlinie 2004/18/EG ist dahin auszulegen, dass bei einem Kooperationsvertrag, nach dem die Gemeinden, die Parteien dieses Vertrags sind, einer von ihnen die Zuständigkeit übertragen, für diese Gemeinden Dienstleistungen zu organisieren, die fragliche Gemeinde bei Vergaben, die auf diese Übertragung folgen, als ein öffentlicher Auftraggeber angesehen werden kann, und befugt ist, eine In-House-Einrichtung ohne vorherige Durchführung eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens mit Dienstleistungen zu beauftragen, die nicht nur ihren eigenen Bedarf, sondern auch den der anderen Gemeinden, die Parteien des genannten Vertrags sind, decken, während diese Gemeinden ohne diese Kompetenzübertragung für ihren eigenen Bedarf selbst hätten sorgen müssen.*)
VolltextVPRRS 2020, 0189
EuGH, Urteil vom 28.05.2020 - Rs. C-796/18
1. Die Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG ist dahin auszulegen, dass eine Vereinbarung, die zum einen vorsieht, dass ein öffentlicher Auftraggeber einem anderen öffentlichen Auftraggeber eine Software kostenfrei überlässt, und die zum anderen mit einer Kooperationsvereinbarung verknüpft ist, nach der jede Partei dieser Vereinbarung verpflichtet ist, von ihr etwaig hergestellte zukünftige Weiterentwicklungen der Software der anderen Partei kostenfrei zur Verfügung zu stellen, einen "öffentlichen Auftrag" i.S.v. Art. 2 Abs. 1 Nr. 5 der Richtlinie darstellt, wenn sich sowohl aus dem Wortlaut dieser Vereinbarungen als auch aus der anwendbaren nationalen Regelung ergibt, dass es grundsätzlich zu Anpassungen der Software kommen wird.*)
2. Art. 12 Abs. 4 Richtlinie 2014/24/EU ist dahin auszulegen, dass eine Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Auftraggebern vom Anwendungsbereich der in dieser Richtlinie vorgesehenen Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge ausgenommen sein kann, wenn sich diese Zusammenarbeit auf Tätigkeiten bezieht, die zu den von jedem an der Zusammenarbeit Beteiligten - und sei es allein - zu erbringenden öffentlichen Dienstleistungen akzessorisch sind, sofern diese Tätigkeiten der wirksamen Erbringung der öffentlichen Dienstleistungen dienen.*)
3. Art. 12 Abs. 4 Richtlinie 2014/24/EU in Verbindung mit dem zweiten Absatz ihres 33. Erwägungsgrunds und ihrem Art. 18 Abs. 1 ist dahin auszulegen, dass eine Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Auftraggebern nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht dazu führen darf, dass ein privates Unternehmen bessergestellt wird als seine Wettbewerber.*)
VPRRS 2020, 0384
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.06.2020 - Verg 39/19
1. Im Vergabenachprüfungsverfahren jedes Unternehmen antragsbefugt, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht.
2. Regelmäßig dokumentiert ein Unternehmen sein Interesse am Auftrag durch die Abgabe eines Angebots oder Teilnahmeantrags. Wird kein Angebot oder Teilnahmeantrag abgegeben, bedarf das Interesse am Auftrag der weiteren Darlegung.
3. Die Nichtabgabe eines Angebots für das geforderte Interesse am Auftrag ist regelmäßig unschädlich, wenn das Unternehmen durch die vergaberechtsverletzende Gestaltung des Vergabeverfahrens oder der Vergabeunterlagen an der Abgabe eines chancenreichen Angebots gehindert oder erheblich beeinträchtigt war.
4. Wird kein Angebot abgegeben, muss das ein Interesse am Auftrag bekundende Unternehmen substantiiert darlegen, gerade durch den gerügten Vergaberechtsverstoß an der Abgabe eines Angebots oder Teilnahmeantrags gehindert gewesen zu sein.
VolltextVPRRS 2020, 0186
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.04.2020 - Verg 30/19
1. Auch eine dem Wortlaut nach eindeutig erscheinende Erklärung kann unter Berücksichtigung der Begleitumstände unklar sein.
2. Unklarheiten im Angebot hat der öffentliche Auftraggeber aufzuklären.
3. Ergibt die Aufklärung, dass geforderte Erklärungen oder Nachweise fehlen, hat der öffentliche Auftraggeber diese nachzufordern, wenn kein zwingender Ausschlussgrund vorliegt.
4. An Rügen ist ein großzügiger Maßstab anzulegen. Der Bieter darf im Vergabenachprüfungsverfahren behaupten, was er auf der Grundlage seines - oft nur beschränkten - Informationsstands redlicherweise für wahrscheinlich oder möglich halten darf, etwa wenn es um Vergaberechtsverstöße geht, die sich ausschließlich in der Sphäre der Vergabestelle abspielen oder das Angebot eines Mitbewerbers betreffen.
5. Der Bieter muss aber - wenn sich der Vergaberechtsverstoß nicht vollständig seiner Einsichtsmöglichkeit entzieht - zumindest tatsächliche Anhaltspunkte oder Indizien vortragen, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründen. Ein Mindestmaß an Substantiierung ist einzuhalten; reine Vermutungen zu eventuellen Vergaberechtsverstößen reichen nicht aus.
6. Dem öffentlichen Auftraggeber ist es nicht zuzumuten, auf gänzlich unsubstantiierte Rügen hin in eine - gegebenenfalls erneute - Tatsachenermittlung einzutreten. Daher ist der Bieter gehalten, schon bei Prüfung der Frage, ob ein Vergaberechtsverstoß zu rügen ist, Erkenntnisquellen auszuschöpfen, die ihm ohne großen Aufwand zur Verfügung stehen. Zudem muss er, um eine Überprüfung zu ermöglichen, angeben, woher seine Erkenntnisse stammen.
7. Erhält der Bieter erst im Verlauf des Nachprüfungsverfahrens durch Einsichtnahme in die Vergabeakte Kenntnis von einem Vergaberechtsverstoß, muss er keine gesonderte Rüge mehr erheben, weil sich ein Nachprüfungsverfahren dadurch nicht mehr vermeiden lässt.
VolltextVPRRS 2020, 0376
KG, Beschluss vom 20.03.2020 - Verg 7/19
1. Ein Schaden i.S.v. § 160 Abs. 2 Satz 2 GWB droht, wenn die Aussichten des Antragstellers auf die Erteilung des Auftrags zumindest verschlechtert worden sein können. Hierbei hat der Antragsteller die Verschlechterung seiner Zuschlagschancen darzulegen – die bloße Behauptung ohne schlüssigen Tatsachenvortrag genügt nicht –, und die gerügte Rechtsverletzung muss nach diesen Darlegungen für die Verschlechterung der Zuschlagschancen kausal sein. Die pauschale Behauptung, ohne den gerügten Vergabeverstoß die Preise anders kalkuliert zu haben, genügt diesen Anforderungen nicht. Hat sich der gerügte Vergabeverstoß gegebenenfalls die Angebotskalkulation sämtlicher Bieter beeinflusst, bestehen auch bei einer gegebenenfalls erforderlichen Zurückversetzung keine Anhaltspunkte und keine Vermutung dafür, dass sich die Zuschlagschancen des Antragstellers dann verbessern würden.*)
2. Die Rügeobliegenheit des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB setzt voraus, dass dem Bieter der Vergabeverstoß sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht erkennbar war. In rechtlicher Hinsicht ist dies der Fall, wenn ein durchschnittlich fachkundiger Bieter des angesprochenen Bieterkreises bei üblicher Sorgfalt und üblichen Kenntnissen den Verstoß erkannt hätte. Richtet sich die Ausschreibung an eine überschaubare Anzahl von Großunternehmen, die im wesentlichen Aufträge öffentlicher Auftraggeber der Mitgliedstaaten der Europäischen Union von ganz erheblichem Auftragsvolumen ausführen, kann von diesen Unternehmen erwartet werden, dass sie an Ausschreibungen mit einer ihrer Finanzkraft und der Größe des Auftrages entsprechenden Sorgfalt teilnehmen. Zu dem allgemeinen und grundlegenden Wissen eines solchen Bieterkreises gehört auch die zeitnahe Kenntnis der aktuellen vergaberechtlichen Rechtsprechung des EuGH.*)
3. Eine nach § 160 Abs. 3 GWB gebotene Rüge kann unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) allenfalls dann entbehrlich sein, wenn der öffentliche Auftraggeber eine noch nicht oder nicht formgerecht erhobene Rüge gleichsam präventiv zurückgewiesen hat und wenn für den öffentlichen Auftraggeber zudem klar sein muss, dass der Bieter an seiner Beanstandung festzuhalten gedenkt.*)
4. Ist eine vergaberechtliche Rüge unbegründet, stellt sich die Frage einer Verletzung der Rügeobliegenheit nach § 160 Abs. 3 GWB nicht. Deswegen begegnet es keinen Bedenken, möglicherweise präkludierte Rügen als jedenfalls unbegründet zurückzuweisen (entgegen OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.10.2015 - Verg 28/14 -, IBRRS 2015, 2918 = VPRRS 2015, 0355).*)
5. Weder nach deutschem Recht noch europarechtlich besteht für öffentliche Auftraggeber eine Pflicht, Rahmenverträge unter Benennung einer verbindlichen Höchstabnahmemenge zu vergeben. Lediglich die voraussichtliche Gesamtabnahmemenge ist so genau wie möglich zu ermitteln und bekanntzugeben (§ 19 Abs. 1 Satz 2 SektVO).*)
6. Dem öffentlichen Auftraggeber kommt bei der ihm nach § 122 Abs. 2 Satz 1 GWB obliegenden Festlegung der Eignungskriterien ein weiter Ermessensspielraum zu, der durch die Vorgaben in § 122 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 und Abs. 4 GWB näher ausgestaltet wird und dessen Einhaltung von den Nachprüfungsinstanzen lediglich daraufhin zu überprüfen ist, ob der Auftraggeber auf einer zutreffenden Tatsachengrundlage zu vertretbaren Ergebnissen gelangt ist.*)
7. Die dem öffentlichen Auftraggeber obliegende Eignungsprüfung bezieht sich in formeller Hinsicht auf das Vorliegen der geforderten Eignungsbelege und materiell auf die Frage, ob der Bieter für den Auftrag geeignet ist, ob er also den Eignungskriterien genügt. Hierbei ist der öffentliche Auftraggeber grundsätzlich verpflichtet, auch sämtliche Erkenntnisse, die er im Nachprüfungsverfahren zu vergaberelevanten Fragen erhält, zugunsten der Bieter, aber auch zu ihrem Nachteil zu berücksichtigen.*)
8. Der öffentliche Auftraggeber ist stets befugt und zur Berichtigung offensichtlicher Unrichtigkeiten wie Umrechnungsfehlern auch verpflichtet, Angebote aufzuklären. Die Abgrenzung zwischen Aufklärung (§ 15 Abs. 5 Satz 1 VgV) sowie zulässiger Nachforderung (§ 51 Abs. 2 Satz 1 SektVO) einerseits und unzulässiger Nachverhandlung (§ 15 Abs. 5 Satz 2 VgV, § 51 Abs. 3 Satz 1 SektVO) andererseits ist danach vorzunehmen, ob sich die Klärung im Rahmen des abgegebenen Angebotes bewegt oder ob sie auf eine unzulässige Änderung des Angebotes hinauslaufen würde.*)
9. Die Entscheidung über den Ausschluss eines Angebotes wegen verweigerter oder nicht fristgerechter Aufklärung ist von der Vergabestelle im Wege einer pflichtgemäßen Ermessensentscheidung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu treffen. Voraussetzung für einen rechtmäßigen Ausschluss ist jedenfalls ein Aufklärungsbedarf, die Eignung der geforderten Informationen zur Befriedigung des Informationsinteresses, die Unmöglichkeit, die benötigten Informationen auf einfachere Weise zu erlangen, und die Verweigerung der Aufklärung durch den Bieter oder das Verstreichen einer ihm gesetzten angemessenen Frist.*)
VolltextVPRRS 2020, 0185
VK Bund, Beschluss vom 09.03.2020 - VK 1-10/20
1. Ein Bewertungssystem, wonach "das Unternehmen mit dem niedrigsten Angebotspreis (...) die vorgesehene Höchstpunktzahl erhält. Alle höheren Preisangebote werden im Vergleich zum geringsten Preisangebot bewertet. Die Preispunkte werden anteilig je nach Überschreitung des niedrigsten Preisangebots vergeben (Prozentuales Verhältnis)", ist transparent und für die Bieter nachvollziehbar.
2. Eine (Ab-)Rundung dient allein der Vereinfachung der Bewertung, begründet aber keinen Anspruch auf die volle Punktzahl, wenn sich rechnerisch ein niedrigerer Wert ergibt und dies für die Vergabeentscheidung ausschlaggebend sein kann.
VolltextVPRRS 2020, 0182
VK Bund, Beschluss vom 19.05.2020 - VK 1-28/20
1. Es kann einem öffentlichen Auftraggeber nicht verwehrt werden, durch den Auftragnehmer fahrlässig oder grob fahrlässig verursachte Schäden nicht allein über die Haftung des Auftragnehmers abzudecken, sondern hierfür den Abschluss einer vorhabenbezogenen Versicherung zu fordern.
2. Die vom Auftraggeber im Rahmen eines Vergabeverfahrens aufgestellte Anforderung, über eine bestimmte Versicherung zu verfügen, kann ein Eignungskriterium sein.
VolltextVPRRS 2020, 0183
EuGH, Urteil vom 04.06.2020 - Rs. C-429/19
Art. 12 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG ist dahin auszulegen, dass nicht von einer Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Auftraggebern ausgegangen werden kann, wenn ein öffentlicher Auftraggeber, der in seinem Gebiet für eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe verantwortlich ist, diese Aufgabe, die nach dem nationalen Recht allein ihm obliegt und für deren Erledigung mehrere Arbeitsgänge notwendig sind, nicht vollständig selbst erledigt, sondern einen anderen, von ihm unabhängigen öffentlichen Auftraggeber, der in seinem Gebiet ebenfalls für diese im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe verantwortlich ist, damit beauftragt, gegen Entgelt einen der notwendigen Arbeitsgänge auszuführen.
VolltextVPRRS 2020, 0181
OLG Brandenburg, Beschluss vom 02.06.2020 - 19 Verg 1/20
1. Die Regelung des § 55 Abs. 1 SektVO, wonach der Auftraggeber eines Lieferauftrags Angebote zurückweisen kann, bei denen der Warenanteil zu mehr als 50 Prozent des Gesamtwerts aus Ländern stammt, die nicht Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind und mit denen auch keine sonstigen Vereinbarungen über gegenseitigen Marktzugang bestehen, ist unter europarechtlichen Gesichtspunkten wirksam und kann auch Unternehmen mit Sitz in Drittländern betreffen.
2. Von der Ausübung des Zurückweisungsrechts nach § 55 Abs. 1 SektVO kann mit Außenwirkung auch erstmals im Nachprüfungsverfahren Gebrauch gemacht haben, da das Vergabeverfahren mit der Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens nicht beendet ist.
VolltextVPRRS 2020, 0180
Generalanwalt beim EuGH, Schlussanträge vom 28.05.2020 - Rs. C-367/19
1. Der Begriff "entgeltlicher Vertrag" i.S.v. Art. 2 Abs. 1 Nr. 5 Richtlinie 2014/24/EU ist dahin auszulegen, dass er es nicht erlaubt, einen Vorgang, in dessen Rahmen der Bieter dem öffentlichen Auftraggeber die Erbringung einer Dienstleistung für null Euro anbietet, als "öffentlichen Dienstleistungsauftrag" einzustufen, da die Vertragsparteien keine vom öffentlichen Auftraggeber zu erbringende Gegenleistung von wirtschaftlichem Wert vereinbaren.*)
2. Ein Angebot zu einem Preis von null Euro muss anhand der Vorschriften über ungewöhnlich niedrige Angebote in Art. 69 2014/24/EU geprüft werden, gegebenenfalls nach Einholung zusätzlicher Informationen vom Bieter über die genaue Art der vom öffentlichen Auftraggeber zu erbringenden Gegenleistung von wirtschaftlichem Wert. Ein solches Angebot ist abzulehnen, wenn es im speziellen Rahmen einer Ausschreibung nicht zum Abschluss eines "entgeltlichen Vertrags" i.S.v. Art. 2 Abs. 1 Nr. 5 Richtlinie 2014/24/EU führen könnte.*)
VolltextVPRRS 2020, 0381
KG, Beschluss vom 08.01.2020 - Verg 7/19
1. Die Entscheidung über einen Vergabenachprüfungsantrag darf gem. § 175 Abs. 2 GWB in Verbindung mit § 71 Abs. 1 Satz 2 GWB nur auf Tatsachen und Beweismittel gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten, die ihnen also vorgelegen haben oder deren Inhalt zumindest vorgetragen worden ist (§ 175 Abs. 2 GWB i.V.m. § 72 Abs. 2 Satz 3 GWB).*)
2. Gewicht und Bedeutung des Grundrechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) sprechen dafür, dass Umstände und Unterlagen, wegen derer sich ein Beteiligter erfolgreich auf seinen Geheimschutz beruft, die also den anderen Beteiligten nicht offenbart werden dürfen, mit allen für ihn damit verbundenen Nachteilen bei der Entscheidung unberücksichtigt bleiben (entgegen BGH, Beschluss vom 31.01.2017 - X ZB 10/16 -, IBRRS 2017, 0805 = VPRRS 2017, 0080).*)
VolltextVPRRS 2020, 0179
VK Bund, Beschluss vom 10.06.2020 - VK 2-15/20
1. Zuschlagskriterien müssen so festgelegt und bestimmt sein, dass die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleistet wird, der Zuschlag nicht willkürlich erteilt werden kann und eine wirksame Überprüfung möglich ist, ob und inwieweit die Angebote die Zuschlagskriterien erfüllen.
2. Einschränkungen des Wertungsprogramms können vom Auftraggeber im Nachhinein nicht mehr eingeführt und geltend gemacht werden.
VolltextVPRRS 2020, 0386
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.04.2020 - Verg 33/19
1. Eine schwierige und anspruchsvolle Kalkulation, der sich Bieter hier zweifelsfrei stellen müssen, ist noch nicht mit einer unzumutbaren Kalkulation gleichzusetzen.
2. Die Merkmale des Auftragsgegenstands sind in der Leistungsbeschreibung in Form von Leistungs- oder Funktionsanforderungen oder einer Beschreibung der zu lösenden Aufgabe zu beschreiben, die so genau wie möglich zu fassen sind, so dass sie ein klares Bild des Auftragsgegenstands vermitteln und hinreichend vergleichbare Angebote erwarten lassen, die dem Auftraggeber die Erteilung des Zuschlags ermöglichen.
3. Eindeutig ist eine Leistungsbeschreibung, wenn sie Art und Umfang der geforderten Leistungen mit allen dafür maßgebenden Anforderungen und Bedingungen erkennen lässt, ohne hierbei unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten zuzulassen. Aus den Vergabeunterlagen muss für Bieter oder Bewerber eindeutig und unmissverständlich hervorgehen, was von ihnen verlangt wird.
4. Eine Leistungsbeschreibung ist erschöpfend, wenn sie keine Fragen offen lässt und keine Restbereiche verbleiben, die seitens des Auftraggebers nicht klar umrissen sind.
5. Eine eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung muss die für die Kalkulation notwendigen Informationen enthalten und es den Bietern ermöglichen, ihre Angebotspreise möglichst sicher zu kalkulieren. Solange umgekehrt die Leistungsbeschreibung noch eindeutig und erschöpfend ist und damit ausreichende Kalkulationsparameter enthält, kann nicht von einer Unzumutbarkeit der Kalkulation ausgegangen werden.
VolltextVPRRS 2020, 0178
OLG Hamburg, Beschluss vom 16.04.2020 - 1 Verg 2/20
1. Der Anwendung der Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB auf die Ausschreibung mit der Rechtsfolge unter anderem des Ausschlusses des Rechtswegs zu den Vergabenachprüfungsinstanzen steht die vermeintliche Europarechtswidrigkeit der Regelung des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB nicht entgegen.
2. Bei fehlender Statthaftigkeit des Verfahrens vor der Vergabekammer ist gem. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG die Verweisung von den Vergabesenaten in den Rechtsweg zu den öffentlich-rechtlichen Fachgerichtsbarkeiten möglich und geboten, sofern der Antragsteller sein Rechtsschutzziel im anderen Rechtsweg weiterverfolgen will und kann.
VolltextVPRRS 2020, 0171
OLG Rostock, Beschluss vom 07.11.2018 - 17 Verg 2/18
1. Jedenfalls einzelne Wochenend- und Feiertage hindern den Lauf der Wartefrist nach den §§ 134 Abs. 2 Satz 2, 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB nicht (Abgrenzung zu: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.10.2016 - Verg 24/16 = IBRRS 2016, 2764).*)
2. Leistungsverzeichnis und Angebot sind der Auslegung zugänglich. Ergibt sich danach eine Unvollständigkeit des Angebots, ist es zwingend von der Wertung auszuschließen. Hier: Sog. "0 Euro-Position".*)
3. Eine vergaberechtliche Pflicht zur Preisprüfung sieht § 60 VgV - wie Art. 69 RL 2014/24/EU - nur für ungewöhnlich niedrige Preise vor. Ungewöhnlich hohe Preise sind allenfalls haushaltsrechtlich einer Prüfung zu unterziehen. Haushaltsrechtliche Regelungen sind aber nicht bieterschützend.*)
VolltextVPRRS 2020, 0176
VK Hamburg, Beschluss vom 04.12.2019 - BR 60.29-319/2019.004
1. Die Prüfung, ob ein Preis unangemessen niedrig ist, muss auf einer vollständigen und zutreffenden Sachverhaltsermittlung beruhen.
2. Kommt der Aufraggeber zu dem Schluss, dass der Einkaufspreis als solcher plausibel erscheint, jedoch der Materialkostenansatz unter Berücksichtigung der Anzahl der Bohrlöcher und der Bohrtiefe für die konkrete Sondierfläche unterkalkuliert ist, darf er nicht von einer ordnungs- und vertragsgemäßen Auftragserledigung ausgehen.
VolltextVPRRS 2020, 0175
VK Hamburg, Beschluss vom 03.01.2020 - 60.29-319/2019.005
1. Der öffentliche Auftraggeber muss nur fachkundige, leistungsfähige sowie gesetzestreue und zuverlässige Bieter bei der Vergabe berücksichtigen und darf deshalb von den potenziellen Bietern die Abgabe einer Eigenerklärung über die Eignung verlangen und zum Auftragsgegenstand vergleichbare Referenzen fordern.
2. Reicht ein Bieter keine Referenzen ein und verweist stattdessen auf seine Präqualifikation, können nur die dort vorhandenen Referenzen geprüft werden.
3. Genügen diese nicht den Ausschreibungsunterlagen, darf der Auftraggeber keine anderen Referenzen nachfordern.
VolltextVPRRS 2020, 0174
Generalanwalt beim EuGH, Beschluss vom 23.04.2020 - Rs. C-521/18
1. Entschließt sich der Auftraggeber, anstelle eines gemischten Auftrags, der sich auf alle Tätigkeiten einschließlich der Postdienste erstreckt, getrennte Aufträge für jede einzelne Tätigkeit zu vergeben, kann dadurch die Anwendung der Sektorenrichtlinie umgangen werden.
2. Die Anwendung der Sektorenrichtlinie kann jedoch nicht dadurch umgangen werden, dass zunächst ein gemischter Auftrag ausgeschrieben und anschließend geltend gemacht wird, dass einige Teile des Auftrags dem Anwendungsbereichs der Richtlinie nicht unterfallen und deshalb die Sektorenrichtlinie für den gesamten Auftrag nicht anzuwenden sei.
VolltextVPRRS 2020, 0173
Generalanwalt beim EuGH, Beschluss vom 02.04.2020 - Rs. C-3/19
Das Unionsrecht und insbesondere Art. 11 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.03.2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge stehen einer nationalen Vorschrift, wonach - nach der Auslegung durch das vorlegende Gericht - kleine Gebietskörperschaften Bauleistungen, Waren und Dienstleistungen über zentrale Beschaffungsstellen erwerben müssen, die nach zwei konkreten Organisationsmodellen gegründet sein müssen, nämlich in der Form eines Gemeindeverbands oder eines Gemeindekonsortiums, deren Tätigkeitsbereich auf das Gebiet dieser Gemeinden in seiner Gesamtheit betrachtet beschränkt ist, nicht entgegen.*)
VolltextVPRRS 2020, 0271
VK Rheinland, Beschluss vom 01.12.2017 - VK D-11/2017
(ohne amtlichen Leitsatz)
VolltextVPRRS 2020, 0161
VK Brandenburg, Beschluss vom 11.05.2020 - VK 4/20
1. Bei der Preisprüfung gem. § 16d EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A 2019 hat die Vergabestelle einen Beurteilungsspielraum in Bezug auf Tiefe und Umfang, der nur eingeschränkt überprüfbar ist.
2. Eines förmlichen Aufklärungsverlangens bedarf es erst und nur, wenn die Prüfung eines unangemessen niedrig erscheinenden Preises nicht anhand der vorliegenden Unterlagen zur Preisermittlung überprüft werden kann.
3. Eine unzureichende Dokumentation der Prüfung kann im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens geheilt werden.
4. Das Recht auf Akteneinsicht erstreckt sich mangels Entscheidungserheblichkeit nicht auf konkrete Angebotsinhalte der Mitbewerber.
VolltextVPRRS 2020, 0170
VK Lüneburg, Beschluss vom 27.04.2020 - VgK-04/2020
1. Der Preis kann grundsätzlich alleiniges Zuschlagskriterium sein. Das gilt sogar dann, wenn der Auftraggeber Nebenangebote zugelassen hat.
2. Ob er einen reinen Preiswettbewerb vornimmt oder auch qualitative Zuschlagskriterien in die Ausschreibung hereinnimmt, hat der öffentliche Auftraggeber sorgfältig abzuwägen.
VolltextVPRRS 2020, 0169
OLG Rostock, Beschluss vom 17.07.2019 - 17 Verg 1/19
1. Ein Nachprüfungsantrag kann auch dann zulässig sein, wenn der Antragsteller nach Ausschluss seines Angebots nur geltend macht, der Zuschlag dürfe auch auf keines der anderen Angebote erteilt werden, um so eine neue Ausschreibung und damit eine "zweite Chance" zu erreichen.*)
2. Zur Auslegung von Leistungsverzeichnis und Angebot.*)
3. Der Auftraggeber hält sich im Rahmen seines Leistungsbestimmungsrechts, wenn die gestellten Anforderungen auftrags- und sachbezogen sind und nicht offen oder verdeckt ein bestimmtes Produkt bevorzugen und andere Anbieter diskriminieren. Ob die Anforderungen erforderlich und zweckmäßig sind, ist demgegenüber ohne Belang.*)
4. Für erst im laufenden Nachprüfungsverfahren erkannte Vergaberechtsverstöße gilt die Rügeobliegenheit nicht.*)
5. Unerfüllbare Anforderungen können im Verfahren diskriminierungsfrei aufgehoben werden.*)
VolltextVPRRS 2020, 0166
EuGH, Urteil vom 14.05.2020 - Rs. C-263/19
1. Die EU-Vergaberichtlinien sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung, die es im Rahmen eines von einer Überwachungsbehörde von Amts wegen veranlassten Nachprüfungsverfahrens gestattet, nicht nur dem öffentlichen Auftraggeber, sondern auch dem Auftragnehmer eines öffentlichen Auftrags eine Rechtsverletzung zuzurechnen und gegen beide eine Geldbuße zu verhängen, wenn bei Änderung dieses Auftrags während des Ausführungszeitraums die Bestimmungen über die Vergabe öffentlicher Aufträge rechtswidrig missachtet wurden, nicht entgegenstehen.
2. Ist eine solche Möglichkeit im nationalen Recht vorgesehen, muss das Nachprüfungsverfahren jedoch das Unionsrecht einschließlich seiner allgemeinen Rechtsgrundsätze beachten, da der betroffene öffentliche Auftrag, sei es von Anfang an oder infolge seiner rechtswidrigen Änderung, in den sachlichen Anwendungsbereich der Vergaberichtlinien fällt.
3. Die Höhe der Geldbuße zur Sanktionierung der rechtswidrigen Änderung eines Vertrags über einen öffentlichen Auftrag zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einem Auftragnehmer ist unter Berücksichtigung des jeweiligen Verhaltens jeder dieser Parteien festzusetzen.
VolltextVPRRS 2020, 0164
VK Hamburg, Beschluss vom 12.09.2019 - VgK FB 6/19
1. Ein Vergabeverstoß ist dem Bieter als bekannt anzusehen, wenn er diesen in seinem Nachprüfungsantrag aufführt. Soll ein solcher bekannter Vergabeverstoß vor Ablauf der Angebotsfrist in einem Nachprüfungsverfahren aufgeführt werden, muss der Bieter ihn vorher rügen.
2. An die Substantiierung einer Rüge sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Der Auftraggeber muss lediglich in die Lage versetzt werden, den beanstandeten Fehler zu erkennen und zu korrigieren. Er muss wissen, welcher Sachverhalt der Rüge konkret zugrunde gelegt und woraus im Einzelnen ein konkreter Vergaberechtsverstoß hergeleitet wird.
3. Das Berufen auf "Marktkenntnisse" enthält nur die Aussage, die anderen Bewerber seien nicht oder nicht besser geeignet und erlaubt dem Auftraggeber keine Prüfung dieser Behauptung über die ohnehin vorliegenden Bewerbungsunterlagen hinaus. Dies genügt für eine Rüge nicht.
VolltextVPRRS 2020, 0162
OLG Koblenz, Urteil vom 07.05.2020 - 1 U 772/19
1. Wird im Rahmen einer Ausschreibung (Umbau Kindertagesstätte) die anbietende Firma zur Einreichung (weiterer) Unterlagen bis zu einem datumsmäßig bestimmten Termin aufgefordert, so kann diese, auch wenn der Submissionstermin (Angebotseröffnung) bereits stattgefunden hat, innerhalb dieses Zeitraums nachgeforderte und auch bereits eingereichte Unterlagen zurückfordern bzw. neue einreichen.*)
2. Die mit dem Vergabeverfahren betraute Stelle muss die eingereichten Unterlagen nach Datum, ggfls. nach Reihenfolge der Einreichung kennzeichnen, damit jederzeit festgestellt werden kann, welche Unterlagen zu berücksichtigen sind.*)
3. Ist die Reihenfolge für die mit der Durchführung des Verfahren betraute Architektin feststehend, so ist eine Pflichtwidrigkeit, die unzutreffende Mitteilung, dass die aktuelle Unterlage nicht feststellbar sei, was dann zum Ausschluss des Bieters führt, der Vergabestelle über § 278 BGB zuzurechnen.*)
VolltextVPRRS 2020, 0159
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.06.2019 - Verg 8/19
1. Ein Bieter ist nur dann verpflichtet, seinem Angebot Unterlagen beizufügen, wenn der öffentliche Auftraggeber deren Vorlage wirksam gefordert hat. Das setzt voraus, dass der öffentliche Auftraggeber klar und eindeutig fordert, welche Unterlage zu welchem Zeitpunkt vorzulegen ist.
2. Der öffentliche Auftraggeber kann die Bieter dazu auffordern, fehlende unternehmensbezogene Unterlagen nachzureichen. Dies gilt jedoch nicht für fehlende leistungsbezogene Unterlagen, die die Wirtschaftlichkeit der Angebote anhand der Zuschlagskriterien betreffen.
3. Bei einem Preisblatt handelt es sich um eine leistungsbezogene Unterlage, die die Wirtschaftlichkeitsbewertung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien betrifft.
4. Der öffentliche Auftraggeber ist nicht dazu verpflichtet, vor Ausschluss eines unvollständigen Angebots die Ursache für einen missglückten Datei-Upload aufzuklären.
VolltextVPRRS 2020, 0160
VK Saarland, Beschluss vom 09.09.2019 - 2 VK 01/19
1. Die Abwicklung eines Vergabeverfahrens über entsprechende elektronische Plattformen entbindet den Auftraggeber nicht von einer Aktenführung, sei es elektronisch oder in Papierform, die den allgemeinen Anforderungen an Aktenklarheit und Aktenwahrheit genügen muss. Die Grundsätze der Richtigkeit und Vollständigkeit der Akten sind zu beachten.*)
2. Zur Vermutung eines Interessenkonflikts i.S.d. § 6 Abs. 3 Nr. 2 VgV genügt eine aktuelle Beratungstätigkeit für den Bieter. Nach dem Gesetzeswortlaut kommt es nicht auf eine konkrete mandatsbezogene Tätigkeit im konkreten Vergabeverfahren an. Auf eine subjektive Komponente im Sinne einer sich manifestierenden Befangenheit des Bevollmächtigten des Antragsgegners kommt es nach dem Gesetzeswortlaut nicht an.*)
3. Gelingt die Widerlegung der Vermutung nicht, greift das Mitwirkungsverbot schon nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 VgV ein, ohne dass es im Einzelfall auf die Ursächlichkeit der Mitwirkung für einen möglichen Schaden auf Bieterseite ankommt. Eine andere Wertung würde den Bieterschutz unterlaufen.*)
VolltextVPRRS 2020, 0158
KG, Beschluss vom 13.01.2020 - Verg 9/19
1. Zur Darlegung einer Rechtsverletzung nach § 160 Abs. 2 GWB genügt im Allgemeinen ein Vortrag solcher auf eine Rechtsverletzung hindeutenden Tatsachen, die der Antragsteller aus seiner Sicht der Dinge für wahrscheinlich oder möglich halten darf, weil dafür objektive Anhaltspunkte vorliegen. Wird der Bieter allerdings über die inhaltlichen Gründe der Bewertung seines Angebotes vollständig im Unklaren gelassen, so dass er auch objektive Anhaltspunkte nicht vortragen kann, die die Wertung als fraglich erscheinen lassen, genügt es, wenn er die Wertung pauschal in Zweifel zieht. Das Vergabenachprüfungsverfahren dient hier zunächst der Verwirklichung des aus dem Transparenzgrundsatz sowie dem Grundsatz effektiven Rechtsschutzes folgenden Anspruchs, hinreichend über die Grundlagen der Angebotswertung informiert zu werden.*)
2. Bieter haben nicht nur Anspruch, über die Bewertung ihrer Angebote informiert zu werden, sondern auch - gegebenenfalls unter Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse anderer Bieter oder des Auftraggebers - über die maßgeblichen Grundlagen der vergleichenden Bewertung der Angebote.*)
3. Beabsichtigt die Vergabekammer, ohne mündliche Verhandlung nach Lage der Akten zu entscheiden (§ 166 Abs. 1 Satz 3 GWB), wird sie wegen der erheblichen Bedeutung der mündlichen Verhandlung für die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes vor einem entsprechenden Vorgehen regelmäßig rechtliches Gehör zu gewähren haben, um den Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG zu genügen.*)
VolltextVPRRS 2020, 0157
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30.09.2019 - 1 VK LSA 13/19
1. Liegt kein nach der Wertung kein zuschlagsfähiges Angebot vor, weil sämtliche Angebote die Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers nicht erfüllen, kann die Ausschreibung sanktionsfrei aufgehoben werden.
2. Ein Bieter muss die Ausschreibungsunterlagen im Zusammenhang mit seiner Angebotserstellung in Gänze zur Kenntnis nehmen. Kritik am Inhalt der Vergabeunterlagen hat deshalb bis zur Angebotsabgabe gegenüber der Auftraggeberseite zu erfolgen.
3. Der Angebotsinhalt darf durch eine nachträgliche "Korrektur" nicht verändert werden (vgl. OLG Karlsruhe, IBR 2019, 693 = VPR 2019, 217).
VolltextVPRRS 2020, 0155
OLG Naumburg, Beschluss vom 18.10.2019 - 7 Verg 5/19
1. Die Zulassung von Nebenangeboten ist auch dann möglich, wenn der Preis das einzige Zuschlagskriterium ist. In diesem Fall wird durch die Festlegung von Mindestanforderungen eine Vergleichbarkeit der Angebote sichergestellt.
2. Lässt der öffentliche Auftraggeber Nebenangebote zu, muss er die Mindestanforderungen in den Vergabeunterlagen angeben. Es besteht keine Verpflichtung, dies bereits in der Auftragsbekanntmachung zu tun.
3. Bietet ein Unternehmen in seinem Hauptangebot Systemkomponenten an, die zwar den vorgegebenen technischen Mindestkriterien entsprechen, aber systembedingt abweichende Baulängen aufweisen, liegt eine Änderung der Vergabeunterlagen vor, die zum Ausschluss des Angebots führt.
VolltextVPRRS 2020, 0156
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20.09.2019 - 1 VK LSA 16/19
Es reicht eine mangelnde Erfolgsaussicht in der Sache nicht isoliert aus, um die vorzeitige Gestattung einer Zuschlagserteilung zu rechtfertigen. Hinzukommen muss ein besonderes Beschleunigungsinteresse. Für das besondere Beschleunigungsinteresse spricht hier u. a., dass bereits jegliche Baustellen auf Autobahnen für den Schnellverkehr und der inzwischen unverzichtbaren Mobilität des Schwerverkehrs mit einer entsprechenden Fahrstreifenreduzierung von 3 auf 2 ein außergewöhnliches Sicherheitsrisiko für Leib und Leben der Verkehrsteilnehmer darstellt. Es besteht die Gefahr, dass der in Rede stehende Autobahnabschnitt nicht bis zum Beginn der Wintermonate fertiggestellt werden kann. Transportable Fahrzeug-Rückhaltesysteme erfüllen nicht die gleichen Sicherheitsanforderungen, so dass diese die Schutzwirkung für einen dauerhaften Einsatz selbst bei reduzierter Geschwindigkeit nur eingeschränkt gewährleisten können. Die Interimsmarkierungen sind nicht für einen längeren Winterbetrieb tauglich.*)
VolltextVPRRS 2020, 0153
VK Hessen, Beschluss vom 30.01.2019 - 69d-VK-2-46/2018
1. Der öffentliche Auftraggebers bestimmt den Beschaffungsgegenstand allein nach seinen Bedürfnissen und Vorstellungen. Dies umfasst u. a. die Merkmale und Eigenschaften des zu beschaffenden Gegenstands sowie die Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit der Beschaffung überhaupt.
2. Ein Vergabeverfahren darf nicht mit der Absicht konzipiert werden, das GWB-Vergaberecht zu umgehen oder den Wettbewerb künstlich einzuengen.
3. Der Wettbewerb wird künstlich eingeengt, wenn das Vergabeverfahren so ausgerichtet wird, dass bestimmte Wirtschaftsteilnehmer auf unzulässige Weise bevorzugt oder benachteiligt werden (hier verneint).
4. Eine weitere Grenze der Beschaffungsautonomie des öffentlichen Auftraggebers kann auch das vergaberechtliche Willkürverbot bilden. Es verbietet aber nur besonders grobe Ungleichbehandlungen ohne sachlichen Grund.
VolltextVPRRS 2020, 0152
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.12.2019 - Verg 18/19
1. Das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb ist nur dann zulässig, wenn wegen der äußersten Dringlichkeit der Leistung aus zwingenden Gründen infolge von Ereignissen, die der öffentliche Auftraggeber nicht verursacht hat und nicht voraussehen konnte, die vorgeschriebenen Regelfristen nicht eingehalten werden können.
2. Die Darlegungs- und Feststellungslast für die Voraussetzungen der Ausnahme trägt der öffentliche Auftraggeber, wobei diese Ausnahmeregelungen sehr eng auszulegen sind und eine sorgfältige Abwägung, Begründung und umfassende Dokumentation erfordern.
3. Dringliche und zwingende Gründe kommen nur bei akuten Gefahrensituationen und höherer Gewalt in Betracht, die zur Vermeidung von Gefahren und Schäden für Leib und Leben ein sofortiges, die Einhaltung von Fristen ausschließendes Handeln erfordern. Äußerste Dringlichkeit kann regelmäßig nicht mit bloßen wirtschaftlichen Erwägungen begründet werden.
VolltextVPRRS 2020, 0150
VK Saarland, Beschluss vom 23.05.2019 - 1 VK 02/19
1. Die Rügeobliegenheit des § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB setzt voraus, dass der Bieter den möglichen Vergaberechtsverstoß erkannt hat. Fristbeginn ist dabei die positive Kenntnis. Positive Kenntnis bezieht sich aber nicht nur auf die objektiv erkennbaren Tatsachen, sondern auch auf die Bewertung als rechtsfehlerhaft.*)
2. Umstände, die vom Antragsteller erst im Nachprüfungsverfahren erkannt werden und aus denen er - zulässigerweise - Vergaberechtsverstöße ableiten will, unterliegen nicht der Obliegenheit zur Rüge nach § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB.*)
3. Im Rahmen der gesetzlichen Regelungen zur Bewertung der Leistungsfähigkeit eines Unternehmens hat der Auftraggeber ein weitreichendes Bestimmungsrecht, das durch objektive und auftragsbezogene Gründe begrenzt wird. Fehlende Bekanntheit und Publizität eines Unternehmens stellen keine Eignungsmängel dar.*)
4. Die Regelung des § 134 GWB dient dazu, dem unterlegenen Bieter die Möglichkeit einzuräumen, effektiven Rechtsschutz wahrnehmen zu können. Daraus kann der Bieter jedoch keinen umfassenden Informationsanspruch herleiten.*)
5. Die Dokumentation des Vergabeverfahrens muss vergaberechtskonform erfolgen. Der Auftraggeber muss das Verfahren umfassend dokumentieren und die Gründe für die Auswahlentscheidung niederlegen. Mängel der Dokumentation stellen grundsätzlich eine Verletzung des Transparenzgrundsatzes dar.*)
6. Die Vergabekammer kann die Ausübung des Beurteilungsspielraums durch den Auftraggeber im Rahmen ihrer Kompetenzen nur eingeschränkt überprüfen. Die Überprüfung beschränkt sich darauf, ob vom öffentlichen Auftraggeber das vorgeschriebene Verfahren eingehalten wurde, ob er von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, keine sachwidrigen Erwägungen in die Entscheidung eingeflossen sind und ob sich die Wertungsentscheidung im Rahmen der Gesetze und der allgemeinen gültigen Beurteilungsmaßstäbe hält, insbesondere die Wertung diskriminierungsfrei, nicht willkürlich und nachvollziehbar ist.*)
7. Das zur Wahrnehmung effektiven Rechtsschutzes bestehende Akteneinsichtsrecht ist auf das berechtigte Informationsbedürfnis des Antragstellers begrenzt und umfasst insoweit nur für das Nachprüfungsverfahren relevante, weil streitige und subjektive Rechte des Antragstellers betreffende Aktenteile. Im Anwendungsbereich der VSVgV ist zudem die besondere Schutzbedürftigkeit des sicherheitsrelevanten Bereichs zu berücksichtigen.*)
VolltextVPRRS 2020, 0149
OLG Frankfurt, Beschluss vom 18.02.2020 - 11 Verg 7/19
Wird ein Angebot über die in den Ausschreibungsbedingungen angegebene Vergabeplattform verschlüsselt und fristgerecht eingereicht, ist es nicht allein deshalb vom Verfahren auszuschließen, weil es zuvor formwidrig per E-Mail an die Vergabestelle übermittelt worden war.*)
VolltextVPRRS 2020, 0142
OLG München, Beschluss vom 26.03.2020 - Verg 22/19
1. Die Entscheidung, welcher Gegenstand mit welcher Beschaffenheit und welchen Eigenschaften beschafft werden soll, obliegt dem öffentlichen Auftraggeber, begrenzt wird das Bestimmungsrecht aber durch die Verpflichtung zur produktneutralen Ausschreibung, von der nur unter bestimmten Voraussetzungen abgewichen werden darf.
2. Auf ein bestimmtes Produkt darf nicht verwiesen werden, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden, es sei denn dieser Verweis ist durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt.
3. Gegen die Verpflichtung zur produktneutralen Ausschreibung wird nicht nur dann verstoßen, wenn ein Leitfabrikat offen in der Leistungsbeschreibung genannt wird, sondern auch dann, wenn durch die Vielzahl der Vorgaben verdeckt ein bestimmtes Produkt vorgegeben wird und nur mit diesem die Anforderungen der Leistungsbeschreibung erfüllt werden können.
4. Die Weitergabe des Submissionsergebnisses an Anbieter ist unzulässig.
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