Vergabepraxis & -recht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
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VPRRS 2020, 0083OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.10.2019 - Verg 6/19
1. Grundlage für den Zuschlag ist die Bewertung des öffentlichen Auftraggebers, ob und inwieweit das Angebot die vorgegebenen Zuschlagskriterien erfüllt. Bei der Wertung der Angebote genießt der öffentliche Auftraggeber einen Beurteilungsspielraum.
2. Auch wenn dem Auftraggeber bei der Bewertung und Benotung ein Beurteilungsspielraum zusteht, sind seine diesbezüglichen Bewertungsentscheidungen daraufhin überprüfbar, ob die jeweiligen Noten im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben wurden.
3. Die Gründe für die Auswahlentscheidung und den Zuschlag sind zu dokumentieren. Bedient sich der Auftraggeber ausschließlich eines aus qualitativen Aspekten zusammengesetzten Kriterienkatalogs, bei dem die Angebote hinsichtlich der Qualitätskriterien mittels eines Benotungssystems bewertet werden, muss er seine für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so eingehend dokumentieren, dass nachvollziehbar ist, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Benotung eingegangen sind.
4. Die Begründung muss alle Informationen enthalten, die notwendig sind, um die Entscheidungen des öffentlichen Auftraggebers nachvollziehen zu können. Bei Wertungsentscheidungen hat der öffentliche Auftraggeber darzulegen, nach welchen konkreten Gesichtspunkten die Bewertung erfolgt.
VolltextVPRRS 2020, 0077
VK Westfalen, Beschluss vom 15.11.2019 - VK 2-30/19
1. Sofern der öffentliche Auftraggeber auf die Bieterfragen zu Widersprüchen zwischen der Bekanntmachung und den Vergabeunterlagen sich auf eine Deutungsmöglichkeit festlegt, ist eine Auslegung der widersprüchlichen Erklärungen nicht mehr angezeigt.*)
2. Eine nicht per Änderungsbekanntmachung veröffentlichte, während des Vergabeverfahrens erfolgte Ausdehnung des Zeitraums aus dem die Referenzen für die zu erbringende Leistung stammen müssen, verstößt gegen das Transparenzgebot und verletzt die Bieter in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB.*)
3. Grundsätzliches zu den Anforderungen an die Antragsbefugnis aus § 160 Abs. 2 GWB und die Rügepräklusion aus § 160 Abs. 3 GWB.*)
VolltextVPRRS 2020, 0076
VK Nordbayern, Beschluss vom 31.01.2020 - RMF-SG21-3194-4-52
1. Hat ein Bieter widersprüchliche Preisangaben gemacht und damit nicht die geforderten Preise angegeben, ist sein Angebot gem. § 16a EU Abs. 2 Satz 2, § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2019 vom Vergabeverfahren auszuschließen.*)
2. Die Auslegung der von den Bietern abgegebenen Angebote kann immer nur nach dem objektiven Empfängerhorizont erfolgen, nicht aber einer Vergabestelle die Kompetenz einräumen, zu entscheiden, welche für sich gesehen eindeutigen Angaben eines Bieters sie als solche anerkennt und welche nicht.*)
3. Der Tatbestand des § 15 EU VOB/A 2019, der eine Angebotsaufklärung in engen Grenzen erlaubt, darf schon aus teleologischen Gründen bei widersprüchlichen Preisangaben nicht einschlägig sein, da dies nachträgliche Manipulationsmöglichkeiten eröffnen und so den Wettbewerbsgrundsatz verletzen könnte.*)
4. Hat die Antragstellerin erst nach Einsicht in die Vergabeakten von einem potenziellen Vergaberechtsverstoß erfahren, kann insofern das entsprechende Vorbringen der Antragstellerin (das sich hier darauf bezieht, dass widersprüchliche Angaben der Beigeladenen vorgelegen haben) nicht von der Präklusionswirkung des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB erfasst sein.*)
5. Eine Nichtabhilfemitteilung einer Vergabestelle gem. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB liegt dann vor, wenn diese inhaltlich mitteilt, den geltend gemachten Vergaberechtsverstößen nicht abhelfen zu wollen. Hat die Vergabestelle sich indes nicht zum Inhalt der Rüge positioniert, sondern erklärt, sie habe die Rüge zur Kenntnis genommen und werde die Eignungsprüfung erst noch durchführen, so ist dies nicht als Zurückweisung einer Rüge gem. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB zu bewerten.*)
VPRRS 2020, 0068
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 17.10.2019 - 3 VK LSA 38/19
1. Eine Ausschreibung kann sanktionsfrei aufgehoben werden, wenn kein Angebot eingegangen ist, das den Ausschreibungsunterlagen entspricht, die Vergabeunterlagen grundlegend geändert werden müssen oder andere schwerwiegende Gründe bestehen. Den Auftraggeber darf hinsichtlich der Aufhebungsgründe keine tatbestandliche Verantwortlichkeit treffen.
2. Voraussetzung für eine Aufhebung wegen unangemessen hoher Angebotspreise ist eine ordnungsgemäße Kostenschätzung. Sie muss objektiv den gegebenen Marktverhältnissen entsprechen und auf Methoden beruhen, die ein wirklichkeitsnahes Schätzungsergebnis erwarten lassen.
3. Ausgangspunkt für eine ordnungsgemäße Schätzung ist die Festlegung der vorgesehenen Leistungen mittels einer konkreten Beschreibung der erforderlichen Bauleistungen oder einem Leistungsverzeichnis.
VolltextVPRRS 2020, 0073
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.02.2020 - Verg 21/19
1. Es entspricht der Billigkeit, dass der Antragsteller die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt, wenn er sich nach Rücknahme seines Rechtsmittels in die Rolle des Unterlegenen begibt.
2. Beteiligt sich der Beigeladene nicht aktiv am Beschwerdeverfahren, hat er seine Kosten nach Rücknahme des Nachprüfungsantrags durch den Antragsteller selbst zu tragen.
VolltextVPRRS 2020, 0069
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 03.05.2019 - 2 VK LSA 27/18
1. Ein Bieter kann nicht verlangen, dass sich der Auftraggeber bei der Festlegung des Beschaffungsbedarfs an seinen Bedürfnissen orientiert.
2. Der Auftraggeber ist weder berechtigt noch verpflichtet, bestehende Wettbewerbsvorteile oder -nachteile potentieller Bieter durch die Gestaltung der Vergabeunterlagen "auszugleichen".
VolltextVPRRS 2020, 0070
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06.06.2019 - 15 Verg 8/19
1. Ein Bieter ist mit einem Nachprüfungsantrag ausgeschlossen, wenn er Verstöße gegen Vergabevorschriften, die in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt hat.
2. Erkennbar ist ein Vergaberechtsverstoß, wenn sich die zu Grunde liegenden Tatsachen aus den Vergabeunterlagen ergeben und von einem Bieter der Verstoß gegen Bestimmungen des Vergabeverfahrens erkannt werden kann. Erkannt werden können muss der Verstoß nicht lediglich in tatsächlicher, sondern auch in rechtlicher Hinsicht.
3. Ein Unternehmer, der an einem europaweiten Vergabeverfahren teilnimmt, muss zumindest den Text der einschlägigen Verfahrensordnungen zur Kenntnis nehmen; Ungereimtheiten oder Widersprüchlichkeiten der Vergabeunterlagen muss er nachgehen, auch wenn er die genaue Rechtslage nicht kennt.
4. Kann ein Bieter nach Lektüre der Vorgaben zu ausgeschriebenen Konzepten nicht wissen, welche Vorstellungen der Auftraggeber von einer Umsetzung hegt, welche Konzeptausarbeitungen er als gut oder weniger gut einschätzen wird und fehlen Informationen dazu, nach welchen Kriterien die mit den Angeboten vorgelegten Konzepte bewertet werden sollen, ist der Vergaberechtsverstoß erkennbar.
VolltextVPRRS 2020, 0057
VK Lüneburg, Beschluss vom 21.01.2020 - VgK-41/2019
1. Erkennt ein Bieter mögliche Fehler in den Vergabeunterlagen, ist er nicht dazu verpflichtet, eine Rüge auszusprechen. Es steht ihm frei, einen angenommenen Wettbewerbsvorteil nicht offenzulegen und auf die Rüge zu verzichten.
2. Rügt ein Bieter einen erkannten Vergaberechtsverstoß nicht und reicht er dessen ungeachtet ein Angebot ein, muss er es so gestalten, dass es den Vorgaben des Auftraggebers vollständig entspricht. Das gilt auch dann, wenn das vom Auftraggeber erstellte Leistungsverzeichnis nach Ansicht des Bieters mehr Positionen enthält, als tatsächlich anfallen werden.
3. Die Rüge muss vor dem Nachprüfungsantrag erhoben werden. Eine zeitgleiche Erhebung genügt nicht. In Ermangelung einer bestehenden Wartepflicht genügt eine unmittelbar vor Abgabe des Nachprüfungsantrags erhobene Rüge den gesetzlichen Anforderungen.
4. Lässt sich nicht aufklären, ob der Bieter zuerst den Umschlag mit der Rüge oder das Schreiben mit dem Nachprüfungsantrag über den Postschalter gereicht hat, ist zu seinen Gunsten davon auszugehen, dass er seiner Rügeobliegenheit ordnungsgemäß nachgekommen ist.
VPRRS 2020, 0064
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 02.09.2019 - 2 VK LSA 31/19
1. Betreffen unzureichende Unterlagen im Angebot des Bieters sämtliche Einzelpreise sowie den Gesamtpreis, ist es dem öffentlichen Auftraggeber nicht gestattet, das Angebot aufzuklären.
2. Der Auftraggeber ist auch nicht befugt, den Bieter zu einer Änderung seines Angebots zu veranlassen. Ein den Ausschluss rechtfertigender Mangel darf nicht im Wege von Aufklärungsmaßnahmen beseitigt werden.
3. Verlangt der Auftraggeber, dass ein elektronisches Angebot mit fortgeschrittener oder qualifizierter Signatur versehen wird, führt nicht nur eine gänzlich fehlende Signatur zum Ausschluss, sondern auch eine vorhandene Signatur, bei der nicht sichergestellt ist, dass die Signatur den gesamten Angebotsinhalt erfasst.
VolltextVPRRS 2020, 0062
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 31.01.2020 - 1 VK 69/19
1. Die Kostenberechnung eines Architektur- oder Ingenieurbüros stellt keine ordnungsgemäße Grundlage für die Auftragswertschätzung dar, wenn sie zum Zeitpunkt der Ausschreibung von der zwischenzeitlich erfolgten Konkretisierung des Ausschreibungsgegenstands überholt wird.
2. Das Vergabeverfahren kann sanktionsfrei aufgehoben werden, wenn hierfür ein sachlicher Grund vorliegt.
3. Ein sachlicher Grund für eine Aufhebung der Ausschreibung ist gegeben, wenn dem öffentlichen Auftraggeber keine ausreichenden Haushaltsmittel zur Verfügung stehen und er im Vorfeld eine ordnungsgemäße Kostenschätzung vorgenommen hat.
4. Von einem öffentlichen Auftraggeber kann erwartet werden, dass ihm die maßgeblichen Rechtsvorschriften bekannt sind, die mit einer Auftragsvergabe oberhalb der EU-Schwellenwerte verbunden sind. Dazu gehört auch, dass er in der Lage ist, einen vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens eingenommenen (Rechts-)Standpunkt zu verteidigen.
VolltextVPRRS 2020, 0055
VK Lüneburg, Beschluss vom 12.06.2019 - VgK-20/2019
1. Wird ein Vertrag ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung vergeben und ohne dass dies aufgrund Gesetzes gestattet ist, liegt eine echte de-facto-Vergabe vor.
2. Die Unwirksamkeit einer de-facto-Vergabe kann nur festgestellt werden, wenn sie innerhalb von 30 Kalendertagen nach einer entsprechenden Information durch den öffentlichen Auftraggeber, jedoch nicht später als sechs Monate nach Vertragsschluss geltend gemacht worden ist.
3. Der öffentliche Auftraggeber ist nicht verpflichtet und kann auch nicht dazu verpflichtet werden, einen vergaberechtswidrig zu Stande gekommenen Vertrag zu kündigen.
VolltextVPRRS 2020, 0063
VK Bund, Beschluss vom 18.01.2020 - VK 2-94/19
1. Eine Rügepräklusion kommt nur bei auf allgemeiner Überzeugung der Vergabepraxis beruhenden und ins Auge fallenden Rechtsverstößen in Betracht. Der Verstoß muss so offensichtlich sein, dass er einem verständigen Bieter bei der Vorbereitung seines Angebots bzw. seiner Bewerbung auffallen muss.
2. Einem verständigen Bieter muss auffallen, wenn die Zuschlagskriterien und die Leistungsbeschreibung derart unkonkret ausgestaltet sind, dass die Angebotserstellung stark erschwert bis unmöglich ist, weil unklar bleibt, welche Leistung der Auftraggeber begehrt. Das gilt erst recht, wenn der Bieter über vergaberechtliche Expertise verfügt.
VolltextVPRRS 2020, 0065
EuGH, Urteil vom 30.01.2020 - Rs. C-395/18
Art. 57 Abs. 4 a der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, wonach der öffentliche Auftraggeber befugt oder sogar verpflichtet ist, den Wirtschaftsteilnehmer, der das Angebot abgegeben hat, von der Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließen, wenn der in dieser Bestimmung vorgesehene Ausschlussgrund in Bezug auf einen der im Angebot dieses Wirtschaftsteilnehmers genannten Unterauftragnehmer festgestellt wird. Hingegen stehen diese Bestimmung in Verbindung mit Art. 57 Abs. 6 dieser Richtlinie sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einer nationalen Regelung entgegen, nach der ein solcher Ausschluss automatisch erfolgen muss.*)
VolltextVPRRS 2020, 0060
BGH, Beschluss vom 10.12.2019 - XIII ZB 119/19
Der Vergabesenat hat aus Gründen der Verfahrensökonomie und des effektiven Rechtsschutzes die Möglichkeit zur Verweisung des Verfahrens an das Gericht eines anderen Rechtswegs. Gründe der Verfahrensökonomie und des effektiven Rechtsschutzes erfordern aber nur dann eine Verweisung entsprechend § 17a GVG, wenn der Antragsteller sein im Vergabenachprüfungsverfahren verfolgtes Rechtsschutzziel im anderen Rechtsweg weiterverfolgen will und kann (Fortführung BGH, IBR 2012, 216 - Rettungsdienstleistungen III).*)
VolltextVPRRS 2020, 0059
OLG Köln, Urteil vom 29.01.2020 - 11 U 14/19
1. Der Anspruch auf Akteneinsicht ist für Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich gesetzlich nicht geregelt. § 165 GWB gilt nicht im Unterschwellenbereich.*)
2. Soweit sich ein Anspruch auf Akteneinsicht in Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich aus § 242 BGB ergeben kann, sind für den Umfang der Akteneinsicht bei Vergabeverfahren nach der VOB Teil A die Wertungen der §§ 14, 14a und 19 VOB/A 2012 zu berücksichtigen.*)
VolltextVPRRS 2020, 0056
VK Lüneburg, Beschluss vom 07.08.2019 - VgK-19/2019
1. Wesentliche Änderungen während der Vertragslaufzeit erfordern ein neues Vergabeverfahren. Dies umfasst jedoch keine Änderungen vor Vertragsabschluss.
2. Ein erteilter Zuschlag kann nichtig sein, wenn bestimmte Unternehmen gezielt durch massive Vergabeverstöße benachteiligt wurden oder der Auftraggeber kollusiv mit einem Zuschlagsbieter zusammenarbeitet.
3. Bei positiver Kenntnis eines Vergabeverstoßes führt eine nicht fristgerechte Rügen zur Präklusion. Erfährt ein Unternehmen jedoch durch ein Gerücht von einer angeblichen Bevorzugung der Konkurrenten, wird allein dadurch keine Rügepflicht ausgelöst.
VolltextVPRRS 2020, 0052
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21.11.2019 - 3 VK LSA 40/19
1. Die Auftragsbekanntmachung soll die für die Beurteilung der Eignung der Bieter verlangten Nachweise enthalten. Der Auftraggeber hat deshalb an zentraler Stelle in den Vergabeunterlagen abschließend alle notwendigen Unterlagen mit Ausnahme von Produktangaben anzugeben.
2. Die vom Bieter vorzulegenden Eignungsnachweise hat der Auftraggeber eindeutig und unmissverständlich in der Auftragsbekanntmachung zu bestimmen. In der Angebotsaufforderung können diese lediglich präzisiert, aber keinesfalls verschärft werden.
3. Interpretierbare Angaben im Zusammenhang mit der Vorlage von Eignungsnachweisen sind dem Auftraggeber anzulasten und können nicht zum Angebotsausschluss führen.
VolltextVPRRS 2020, 0054
VK Nordbayern, Beschluss vom 04.09.2019 - RMF-SG21-3194-4-41
1. Kalkulationsvorgaben durch den öffentlichen Auftraggeber sind vergaberechtlich zugelassen, auch wenn sie die Kalkulationsfreiheit der Bieter beschränken und in gewissem Umfang auch den Preiswettbewerb "kanalisieren".
2. Weicht ein Bieter von den Kalkulationsvorgaben nach den Vergabeunterlagen ab, wird sein Angebot von der Wertung ausgeschlossen.
3. Das Risiko der fehlerhaften Übermittlung einer elektronischen Erklärung trägt der Erklärende.
VolltextVPRRS 2020, 0053
OLG Celle, Beschluss vom 30.01.2020 - 13 Verg 14/19
1. Zum Ausschluss eines Angebots mit der Begründung, dass der Bieter die vom Auftraggeber erbetene Bestätigung der Verlängerung der Bindefrist nicht übersandt habe.*)
2. Der Auftraggeber ist grundsätzlich nicht daran gehindert und kann unter Geltung des öffentlichen Haushaltsrechts im Einzelfall sogar dazu gehalten sein, den Zuschlag auf ein Angebot nach Ablauf der Bindefrist zu erteilen.*)
VolltextVPRRS 2020, 0051
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 01.11.2019 - 3 VK LSA 37/19
1. Auf ein Angebot mit einem unangemessen hohen Preis darf der Zuschlag nicht erteilt werden. Die Feststellung eines unangemessen hohen Angebotspreises muss jedoch auf einer ordnungsgemäßen Schätzung des Auftragswerts beruhen.
2. Für die Schätzung des Auftragswerts muss der Auftraggeber oder der von ihm beauftragte Fachmann Methoden wählen, die ein wirklichkeitsnahes Schätzungsergebnis ernsthaft erwarten lassen.
3. Den Auftraggeber trifft für die Rechtmäßigkeit seiner Auftragswertschätzung die Darlegungs- und Beweislast. Der Auftraggeber kann die Angebotspreise nicht subjektiv als unangemessen hoch beurteilen.
4. Entscheidet sich der Auftraggeber für die Aufhebung, hat er alle entscheidungsrelevanten Gründe und Erwägungen sorgfältig und vollständig zu dokumentieren (hier verneint).
5. Trotz Rechtswidrigkeit der Aufhebung ist diese wirksam und von den Bietern hinzunehmen, wenn hierfür ein sachlicher Grund besteht und die Aufhebung nicht zur Diskriminierung einzelner Bieter, zum Schein oder aus Willkür erfolgt ist.
VolltextVPRRS 2020, 0045
VK Thüringen, Beschluss vom 19.08.2019 - 250-4004-13510/2019-E-013-EF
1. Enthält das den Vergabeunterlagen beigefügte Vertragsmuster eine Regelung, wonach sich das Honorar für die zu erbringenden Tragwerksplanerleistungen nach der Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieure (HOAI) richtet, muss ein Bieter dies - wenn er darin einen Vergaberechtsverstoß sieht - fristgerecht rügen.
2. Hat der Auftragnehmer nach den Vergabeunterlagen während der gesamten Vertragslaufzeit auf eigene Kosten eine Berufshaftpflichtversicherung zu unterhalten und nachzuweisen, ist sein Angebot auszuschließen, wenn er einen nur für einen bestimmten Zeitraum geltenden Nachweis vorlegt.
3. Die Forderung, bestimmte Unterlagen beizubringen, ist grundsätzlich unverhältnismäßig, wenn der öffentliche Auftraggeber ohne weiteres selbst auf die Unterlagen zugreifen kann, etwa weil er bereits im Besitz dieser Unterlagen ist. Das gilt unabhängig davon, ob der Bewerber oder Bieter zuvor eine Einheitliche Europäische Eigenerklärung (EEE) abgegeben hat oder nicht.
4. Der Bewerber/Bieter ist verpflichtet, den Auftraggeber darauf hinzuweisen, im Rahmen welcher Verfahren die Unterlagen bereits eingereicht worden sind und sich daher in seinem Besitz befinden.
VolltextVPRRS 2020, 0050
EuGH, Urteil vom 27.11.2019 - Rs. C-402/18
Die Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.03.2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge ist dahin auszulegen, dass:
- sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die den Teil des Auftrags, den der Bieter als Unterauftrag an Dritte vergeben darf, auf 30% beschränkt;
- sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die die Möglichkeit, für die an Unterauftragnehmer vergebenen Leistungen Preisabschläge vorzunehmen, auf höchstens 20% gegenüber den sich aus dem Zuschlag ergebenden Preisen beschränkt.*)
VolltextVPRRS 2020, 0049
EuGH, Urteil vom 28.01.2020 - Rs. C-122/18
Die EU-Mitgliedstaaten haben sicherzustellen, dass die den öffentlichen Stellen gewährte Zahlungsfrist 30 oder 60 Tage nicht überschreitet. Hierfür ist es nicht ausreichend, gesetzliche Regelungen zu erlassen, wonach der Zahlungsgläubiger bei Nichteinhaltung dieser Fristen Anspruch auf den gesetzlichen Zins hat.
VolltextVPRRS 2020, 0019
VK Lüneburg, Beschluss vom 19.09.2019 - VgK-33/2019
1. Die Eignungskriterien sind in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung aufzuführen. Eine bloße Verweisung in der Auftragsbekanntmachung auf die Vergabeunterlagen oder auf "Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen" ist unzulässig.
2. Fehlen die erforderlichen Angaben, sind die Eignungsanforderungen nicht wirksam aufgestellt und die Nachweise nicht wirksam gefordert. Das stellt einen schwer wiegenden Mangel dar, der die Rückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor Auftragsbekanntmachung erfordert.
3. Werden die Angebote nicht alleine nach ihrem Preis und/oder den Kosten bewertet, stehen dem Auftraggeber verschiedene Bewertungsmethoden für die Ermittlung des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses bzw. Kosten-Leistungs-Verhältnisses und damit wirtschaftlichsten Angebots zur Verfügung.
4. Es unterfällt dem Beurteilungsspielraum des öffentlichen Auftraggebers, wie er die Bewertung organisiert und strukturiert. Das gewählte System muss allerdings vor allem in sich widerspruchsfrei und rechnerisch richtig umgesetzt sein.
5. Der öffentliche Auftraggeber hat berechtigte (hier: kalkulationsrelevante) Bieterfragen - gegebenenfalls unter angemessener Verlängerung der Angebotsfrist - zu beantworten.
VolltextVPRRS 2020, 0071
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28.06.2019 - 2 VK LSA 26/18
1. Ein Bieter ist von einer weiteren Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließen, wenn er in seinem Angebot zumindest fahrlässig irreführende Informationen übermittelt, die die Vergabeentscheidung des Auftraggebers erheblich beeinflussen könnten. Bei der Entscheidung über den Ausschluss ist das Ermessen auf null reduziert.
2. Weist der Auftraggeber explizit darauf hin, dass er einen Vertrag über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen abschließen möchte, handelt ein Bieter jedenfalls fahrlässig, wenn er beabsichtigt, gebrauchte und überwiegend wirtschaftlich abgeschriebene Geräte zu liefern und es ist es ihm anzulasten, wenn sein Angebot den Anschein einer ausschreibungskonformen Leistungserbringung erweckt.
VolltextVPRRS 2020, 0048
VK Südbayern, Beschluss vom 12.08.2019 - Z3-3-3194-1-11-03/19
1. Legt ein Unternehmen auf eine Nachforderung nach § 56 Abs. 2 VgV eine veraltete und deshalb inhaltlich unzureichende Unterlage (Konformitätsnachweis) vor, ist das Angebot des Unternehmens auch dann nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV auszuschließen, wenn sich im Nachprüfungsverfahren herausstellt, dass das Unternehmen im Zeitpunkt der Angebotsabgabe über einen aktuellen und ausreichenden Konformitätsnachweis verfügt hätte, diesen aber nicht vorgelegt hat.*)
2. Bei der Auslegung unklarer Formulierungen der Leistungsbeschreibung ist neben der Verkehrsanschauung fachkundiger Unternehmen auch der Gleichbehandlungsgrundsatz zu berücksichtigen. Eine - grundsätzlich denkbare - Auslegung kann nicht ohne weiteres gewählt werden, wenn es dadurch zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von Bietern kommen würde.*)
VolltextVPRRS 2020, 0046
VK Thüringen, Beschluss vom 19.12.2019 - 250-4003-15326/2019-E-010-G
1. Der Auftraggeber kann in den Vergabeunterlagen vorgeben, dass bestimmte kritische Aufgaben direkt vom Bieter selbst ausgeführt werden müssen. "Kritisch" in diesem Sinne sind Leistungen, die entweder besonders fehleranfällig oder für den Leistungserfolg von besonderer Bedeutung sind.
2. Mit bestimmten kritischen Aufgaben können nur Teilleistungen eines Vertrags gemeint sein, nicht jedoch der gesamte Vertrag.
VolltextVPRRS 2020, 0021
VK Lüneburg, Beschluss vom 12.09.2019 - VgK-32/2019
1. Eine zum Angebotsausschluss führende Änderung der Vergabeunterlagen liegt vor, wenn der Bieter von den Vorgaben der Vergabeunterlagen inhaltlich abweicht. Abweichungen von nicht eindeutigen Vorgaben führen nicht zum Ausschluss.
2. Enthalten Vorschläge in der Leistungsbeschreibung die Zusätze "beispielhafte Darstellung" oder "nur zur Kalkulation", sind diese Vorgaben nicht abschließend verbindlich.
VolltextVPRRS 2020, 0018
VK Lüneburg, Beschluss vom 01.10.2019 - VgK-35/2019
1. Ein Nachprüfungsantrag ist unzulässig, wenn der Antragsteller ihn auf einen Sachverhalt stützt, der bereits Gegenstand eines bestandkräftigen Beschlusses der Vergabekammer war und keine neuen Tatsachen oder Sachverhaltsänderungen vorliegen, die eine erneute Überprüfung rechtfertigen würden.
2. Bei der Rücknahme einer sofortigen Beschwerde erwächst der vorangegangene Beschluss der Vergabekammer in (formelle) Bestandskraft. Wird die Hauptbeschwerde zurückgenommen, zurückgewiesen oder als unzulässig verworfen, verliert die unselbständige Anschlussbeschwerde ihre Wirkung.
3. Materiell umfasst die Bestandskraft von Beschlüssen jedenfalls den Entscheidungsgegenstand, also die Inhalte mit denen sich die Entscheidung der Vergabekammer befasst hat. Entscheidend ist, ob der Sachverhalt, über den entschieden wurde, bereits vollumfänglich bekannt war, und eben keine Sachverhaltsänderungen vorliegen, die Anlass zu einer erneuten Überprüfung geben würden.
VolltextVPRRS 2020, 0017
VK Lüneburg, Beschluss vom 29.10.2019 - VgK-38/2019
1. Bei der Ermittlung, ob Unterlagen nachgefordert werden dürfen, ist zwischen unternehmensbezogenen und leistungsbezogenen Unterlagen zu differenzieren. Eine Korrektur von fehlerhaften Unterlagen ist nur bezüglich unternehmensbezogener Unterlagen zulässig.
2. Unternehmensbezogen sind solche Unterlagen, die die Eignungsprüfung betreffen. Leistungsbezogen dagegen welche, die die Angebotswertung betreffen.
3. Kalkulationstabellen an den Mindestlohn sind leistungsbezogene Unterlagen. Sie haben keinen Einfluss auf die Eignung der Bieter, sondern ausschließlich auf ihre Angebote.
4. Bei der Beurteilung, ob eine fehlende Position lediglich eine unwesentliche Einzelposition ist, steht dem Auftraggeber ein gewisser Beurteilungsspielraum zu.
5. Die Unwesentlichkeit kann sich entweder aus der Relation des Preises für die betreffende Position zum Gesamtangebotspreis ergeben oder aber aus der Relation der (Un-)Wichtigkeit der angebotenen Position zur Gesamtbauleistung.
VPRRS 2020, 0044
VK Berlin, Beschluss vom 12.11.2019 - VK B 2-29/19
1. Der öffentliche Auftraggeber hat in einem Planungswettbewerb bei Vorliegen mehrerer Referenzen zu einer Kategorie eine einheitliche Bewertung der Bewerbungen sicherzustellen und dies entsprechend zu dokumentieren.
2. Die Auswahlkriterien zum Planungswettbewerb und die Eignungskriterien für ein sich daran gegebenenfalls anschließendes Vergabeverfahren sind voneinander abzugrenzen.
VolltextVPRRS 2020, 0043
VK Bund, Beschluss vom 30.10.2019 - VK 1-77/19
In der Leistungsbeschreibung kann auf technische Anforderungen Bezug genommen werden. Der Text eines in den einschlägigen Fachkreisen bekannten, für jedermann über das Internet innerhalb kürzester Recherche kostenlos zugänglichen Regelwerks muss den Vergabeunterlagen deshalb nicht beigefügt werden.
VolltextVPRRS 2020, 0042
BGH, Beschluss vom 12.11.2019 - XIII ZB 120/19
1. Die Eigenschaft als zuständige Behörde für die Auftragsvergabe i.S.v. Art. 2 b Verordnung (EG) 1370/2007 geht nicht dadurch verloren, dass eine Behörde bestimmte Aufgaben wie die Bestimmung der Tarife oder Beförderungsbedingungen durch einen kommunalen Zweckverband erfüllen lässt.*)
2. Der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Verordnung (EG) 1370/2007 angeordnete Vorrang des allgemeinen Vergaberechts erfasst auch Direktvergaben, die nicht durch den Abschluss eines Vertrags, sondern durch einen anderen rechtsverbindlichen Akt erfolgen, etwa durch Gesellschafterbeschluss oder durch gesellschaftsrechtliche Weisung.*)
VPRRS 2020, 0040
VK Thüringen, Beschluss vom 21.11.2019 - 250-4003-15123/2019-E-021-EF
1. Der Auftraggeber hat die Leistung so eindeutig und erschöpfend wie möglich zu beschreiben, dass die Beschreibung für alle Unternehmen im gleichen Sinne verständlich ist und die Angebote miteinander verglichen werden können.
2. Vergleichbare Angebote liegen bei der Ausschreibung eines Richt- und Leitfabrikats mit dem Zusatz "oder gleichwertig" nur vor, wenn der Auftraggeber bereits in der Leistungsbeschreibung klar und deutlich angibt, was er als gleichwertig einstuft. Das gilt auch im Fall einer sog. unechten Produktorientierung.
VolltextVPRRS 2020, 0038
OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10.12.2019 - 6 A 10517/19
Bei der Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte nach § 1 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG im Zuwendungsrecht liegt grundsätzlich kein Fall intendierten Ermessens vor (Anschluss an BVerwG, Urteil vom 16.06.2015 - 10 C 15.14, BVerwGE 152, 211, Rz. 29 = IBRRS 2015, 3374; a. A. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.08.2019 - 15 A 2792/18, IBRRS 2020, 0255 = VPRRS 2020, 0037.*)
VolltextVPRRS 2020, 0036
OLG Celle, Urteil vom 09.01.2020 - 13 W 56/19
Im Unterschwellenbereich besteht keine generelle Informations- und Wartepflicht entsprechend § 134 GWB.*)
VolltextVPRRS 2020, 0035
VK Bund, Beschluss vom 27.11.2019 - VK 2-84/19
1. Der öffentliche Auftraggeber darf den Angaben und Leistungsversprechen, die die Bieter in ihren Angeboten machen, grundsätzlich vertrauen. Er ist nicht dazu verpflichtet, die von den Bietern gemachten Angaben auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen.
2. Ergeben sich aber Anhaltspunkte dafür, dass ein Bieter die auftraggeberseitig gesetzten Vorgaben möglicherweise nicht einhalten kann, ist der Auftraggeber indes gehalten, hier eine Aufklärung herbeizuführen.
3. Fordert der Auftraggeber, dass die Leistungserbringung „in Anlehnung“ an die DIN 77200 Fassung 2017 und fügt der Bieter seinem Angebot das Zertifikat über die Prüfung nach der DIN 77200 Stand 2008 bei, besteht Anlass zu prüfen, ob die Beifügung eines Zertifikats nach „alter“ DIN Zweifel an einer Vertragserfüllung „in Anlehnung“ an die neue, aktuelle DIN begründen.
VolltextVPRRS 2020, 0037
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.08.2019 - 15 A 2792/18
1. Bei der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG handelt es sich nicht um eine Bearbeitungs-, sondern um eine Entscheidungsfrist. Daraus folgt, dass die Frist erst bei vollständiger behördlicher Kenntnis der für die Entscheidung maßgebenden Sach- und Rechtslage zu laufen beginnt.*)
2. Zur Herstellung der Entscheidungsreife, nach deren Eintritt die Entscheidungsfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG erst beginnen kann, gehört regelmäßig das Anhörungsverfahren, und zwar unabhängig von dessen Ergebnis.*)
3. Bei der Aufhebung öffentlicher Zuwendungsbescheide ist das Widerrufsermessen regelmäßig intendiert. Damit ist indes nicht gesagt, dass in diesen Fallkonstellationen jede weitere Sachaufklärung entbehrlich und die Entscheidungsreife eingetreten ist, sobald die Behörde die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Widerruf festgestellt hat. Denn auch bei einem intendierten Ermessens ist zu verlangen, dass die Behörde den ihr verbleibenden Ermessensspielraum erkennt und prüft, ob ausnahmsweise eine andere Entscheidung als der Widerruf des Zuwendungsbescheids in Betracht kommt. Diesem Erfordernis wird die Behörde grundsätzlich nur dann gerecht werden können, wenn dem beabsichtigten Widerruf eine ordnungsgemäße Anhörung vorangeht.*)
VolltextVPRRS 2020, 0033
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.01.2020 - Verg 10/18
Der Anspruch auf Akteneinsicht im Nachprüfungsverfahren hat eine rein dienende, zum zulässigen Verfahrensgegenstand akzessorische Funktion. Er setzt deshalb einen das Akteneinsichtsgesuch begründenden beachtlichen und entscheidungserheblichen Sachvortrag voraus.
VolltextVPRRS 2020, 0034
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.12.2019 - Verg 35/19
1. Lässt der öffentliche Auftraggeber Nebenangebote zu, hat er Mindestanforderungen festzulegen, denen die Nebenangebote genügen müssen.
2. Mindestanforderungen müssen nicht ausdrücklich als solche bezeichnet werden. Es genügt, wenn die Bieter erkennen kann, dass es sich um Mindestanforderungen handelt.
3. Der Auftraggeber kann mithilfe der Festlegung von Mindestanforderungen für Nebenangebote bestimmen, wann er ein Nebenangebot im Vergleich mit einem Hauptangebot als gleichwertig anerkennen will. Dabei können die Anforderungen an ein Nebenangebot strenger sein als die an das Hauptangebot.
4. Nebenangebote sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die festgelegten Mindestanforderungen erfüllen.
VolltextVPRRS 2020, 0030
VK Bund, Beschluss vom 19.11.2019 - VK 1-81/19
1. Schreibt der Auftraggeber eine "Rahmenvereinbarung Handwerkerpool bundesweit" aus, um die Aufträge für seine einzelnen Liegenschaften in einer einzigen Ausschreibung zu bündeln, richtet sich der maßgebliche Schwellenwert nach dem "voraussichtlichen Gesamtwert der Leistung". Die Werte aller Lose für die einzelnen Liegenschaften sind daher zu addieren.
2. Das Kriterium "Anzahl der Mitarbeiter" ist kein Zuschlags-, sondern ein Eignungskriterium.
3. Ein Eignungskriterium darf grundsätzlich nicht zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit eines Angebots herangezogen werden. Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn es nicht der Beurteilung der allgemeinen Ausstattung des Bieterunternehmens dient, sondern der Qualität des auf den konkreten Auftrag abgegebenen Angebots.
VolltextVPRRS 2020, 0028
OLG Naumburg, Beschluss vom 09.08.2019 - 7 Verg 1/19
1. Die Voraussetzungen für eine Entscheidung nach Lage der Akten nach § 166 Abs. 1 Satz 3 Alt. 3 GWB können auch vorliegen, wenn sich die Unbegründetheit eindeutig erst nach erfolgter Übermittlung des Nachprüfungsantrags an die Antragsgegnerin und aufgrund einer vertieften Prüfung der Sach- und Rechtslage anhand der übersandten Vergabeakten und unter Berücksichtigung der Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten ergibt.*)
2. Ergibt die Auslegung der Vergabeunterlagen eindeutig, dass der Auftraggeber die Lieferung neuer bzw. zumindest neuwertiger Einzelkomponenten sowie deren Montage und Zusammenfügung zu einem den Funktionsanforderungen entsprechenden Kommunikationssystem verlangt, und bietet der Wirtschaftsteilnehmer dem Auftraggeber ganz überwiegend gebrauchte, wirtschaftlich vollständig abgeschriebene Einzelkomponenten an, ohne dies im Angebot selbst offen zu legen, so erfüllt der Bieter die Tatbestandsvoraussetzungen des Ausschlussgrunds nach § 124 Abs. 1 Nr. 9 c GWB.*)
3. Gleiches gilt für einen Wirtschaftsteilnehmer, der sein Angebot trotz der eindeutigen zwingenden Vorgabe, dass das neue System bereits vor dem Auslaufen des bisherigen Konzessionsvertrages betriebsbereit sein soll, verdeckt auf der Grundlage der (Weiter-)Nutzung der im Rahmen des Konzessionsvertrags genutzten Komponenten erstellt und formal die Vertragsbedingungen, insbesondere die Vertragsfristen, im Angebot anerkennt.*)
4. Ein qualitatives, auf die (Rest-)Nutzungsdauer eines Wirtschaftsguts gerichtetes Zuschlagskriterium ist nur geboten, wenn der Auftraggeber davon ausgeht, dass es hinsichtlich dieses Aspekts nach dem Inhalt der Leistungsbeschreibung überhaupt einen Angebotsspielraum für die Bieter gibt, deswegen mit inhaltlichen Unterschieden der Angebote zu rechnen ist und der Auftraggeber es nach seinen Beschaffungszielen für erforderlich oder zweckmäßig erachtet, für diese Unterschiede - mangels einer Vergleichbarkeit auf rein formeller Ebene - eine qualitative Bewertung vorzunehmen.*)
VolltextVPRRS 2020, 0023
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29.08.2018 - 2 VK LSA 02/18
1. Die Vergabekammer kann dem öffentlichen Auftraggeber auf seinen Antrag gestatten, den Zuschlag unter Aufhebung des Verbots der Zuschlagserteilung zu erteilen, wenn unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen sowie des Interesses der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zum Abschluss der Nachprüfung die damit verbundenen Vorteile überwiegen.
2. Die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrags müssen nicht in jedem Fall Gegenstand der Abwägung sein. Sind diese jedoch bereits gut einzuschätzen, sind sie bei der Entscheidung von maßgeblichem Gewicht.
3. Ist der Nachprüfungsantrag voraussichtlich zwar zulässig, aber unbegründet, muss das Interesse des Bieters an der Aufrechterhaltung seines Primärrechtsschutzes im Regelfall hinter den Interessen der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens zurücktreten.
VolltextVPRRS 2020, 0029
VK Bund, Beschluss vom 17.12.2019 - VK 2-88/19
1. Das Vergaberecht findet auf die Ausschreibung von öffentlichen Aufträgen für die Miete von Gebäuden keine Anwendung. Das gilt auch dann, wenn der Mietvertrag ein erst noch zu errichtendes Gebäude betrifft.
2. Ein öffentlicher Bauauftrag liegt allerdings vor, wenn der Bieter bzw. Auftragnehmer eine Bauleistung gemäß den vom öffentlichen Auftraggeber genannten Erfordernissen erbringt, die Bauleistung dem Auftraggeber unmittelbar wirtschaftlich zugutekommt und dieser einen entscheidenden Einfluss auf Art und Planung der Bauleistung hat (sog. Bestellbau).
3. Betreffen die dem öffentlichen Auftraggeber zustehenden Gestaltungsmöglichkeiten vornehmlich die reine Ausstattung des Gebäudes, nicht jedoch das Gebäude und dessen Konzeption als solche, fehlt es an dem für einen "Bestellbau" entscheidenden Einfluss.
VolltextVPRRS 2019, 0377
VK Bund, Beschluss vom 22.11.2019 - VK 1-83/19
1. Die Bewertung einer mündlichen Präsentation im Vergabeverfahren ist zulässig.
2. Eine zusätzliche Darlegung von Unterkriterien zu im Präsentationstermin aufgabenspezifisch gestellten Fragen über die Bekanntgabe der Aufgabenbereiche hinaus ist nicht notwendig.
VolltextVPRRS 2020, 0026
OLG Koblenz, Urteil vom 21.11.2019 - 1 U 298/19
1. Überzahlungen bei öffentlichen Aufträgen mit vereinbartem höchstbegrenztem Selbstkostenerstattungspreis sind auf Grundlage von AGB-Regelungen nicht zu verzinsen, wenn diese den Grundsätzen des Ausgleichs ungerechtfertigter Bereicherungen (§§ 812 ff. BGB) widersprechen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Verzinsung ohne Rücksicht auf tatsächlich (nicht) gezogene Nutzungen und auch bei gutgläubigem Bereicherungsschuldner angeordnet wird.*)
2. Bei Überzahlungen aufgrund erheblicher Vorauszahlungen auf den Lohn kann ein Darlehenscharakter dieser Zahlungen möglicherweise eine Verzinsung des Überzahlbetrags rechtfertigen.*)
VolltextVPRRS 2020, 0025
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.06.2019 - Verg 52/18
1. Die Eignung des Bieters, insbesondere der Umstand, dass er zu den ausgeschriebenen Leistungen in der Lage ist, muss im Zeitpunkt der Vergabeentscheidung geklärt sein und in diesem Zeitpunkt bejaht werden können.
2. Es ist nicht erforderlich, dass dem Bieter die zur Leistungserbringung erforderlichen Mittel bereits im Zeitpunkt der Angebotsabgabe oder bei Zuschlagserteilung zur Verfügung stehen.
3. Der Auftragnehmer muss, sofern sich der öffentliche Auftraggeber nicht einen anderen Zeitpunkt vorbehält, in der Regel erst zum Zeitpunkt der Leistungserbringung über die eignungsrelevanten Mittel verfügen und das benötigte Personal einstellen.
VolltextVPRRS 2020, 0024
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29.08.2018 - 2 VK LSA 21/18
1. Die Befähigung zur Projektsteuerung in Anlehnung an § 2 AHO ist nicht von einem Hochschulabschluss in einer bestimmten Ingenieurdisziplin abhängig.
2. Wird in den Vergabeunterlagen der Nachweis eines abgeschlossenes Hoch- oder Fachschulstudium für diesen Leistungsbereich gefordert, kann dies nur so verstanden werden, dass der Absolvent einer entsprechenden Hoch- oder Fachhochschule oder einer zertifizierten Zusatzausbildung befähigt sein muss, Leistungen als Projektsteuerer zu erbringen, da es keinen Hochschulabschluss als Projektsteuerer gibt.
3. Wünscht der Auftraggeber für die Projektsteuerung einen Bauingenieur, muss er dies in der Vergabebekanntmachung unmissverständlich zum Ausdruck bringen. Für die Auslegung der Forderung aus der Sicht eines verständigen Bieters ist es von Bedeutung, dass lediglich Leistungen der Projektsteuerung und noch nicht der Bauplanung ausgeschrieben sind.
VolltextVPRRS 2020, 0022
VK Rheinland, Beschluss vom 30.09.2019 - VK 31/19
1. Ein Vorteilsausgleich nach § 7 VgV setzt voraus, dass ein Unternehmen inhaltlich mit dem ausgeschriebenen Beschaffungsgegenstand befasst war.*)
2. Die Eignungskategorien des § 122 Abs. 2 Satz 2 GWB sind abschließend. Eignungskriterien, die das rechtliche Innenverhältnis eines Bieters betreffen sind unzulässig.*)
3. Die Nachprüfungsinstanzen können die Angebotswertung nur darauf überprüfen, ob der öffentliche Auftraggeber von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, sich bei seiner Entscheidung nicht von sachfremden Erwägung hat leiten lassen und nicht gegen allgemeingültige Bewertungsgrundsätze verstoßen hat.*)
VolltextVPRRS 2020, 0015
VK Südbayern, Beschluss vom 11.11.2019 - Z3-3-3194-1-27-07/19
1. Hebt der Auftraggeber ein Vergabeverfahren auf, weil er ein fehlerhaftes Formular für die elektronische Angebotsabgabe bereitgestellt hat, ist eine solche Aufhebung nicht von § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VgV gedeckt, da diese Problematik im Verantwortungsbereich des Auftraggebers liegt.*)
2. Hat der Auftraggeber ein fehlerhaftes Formular für die elektronische Angebotsabgabe bereitgestellt und zudem auf die rechtzeitige diesbezügliche Rüge eines Bieters nicht vor dem Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe reagiert, stellt dies auch dann einen sachlichen Grund für die Aufhebung des Vergabeverfahrens dar, wenn das fehlerhafte Formular die elektronische Angebotsabgabe voraussichtlich nicht unmöglich gemacht hätte.*)
3. Gibt ein Bieter, der sich durch ein fehlerhaftes Formular an der elektronischen Angebotsabgabe gehindert sah, sein Angebot Tage nach Ablauf der Angebotsfrist in Schriftform ab, ist für eine Anwendung von § 57 Abs. 1 Nr. 1 2. Hs. VgV kein Raum, da er jedenfalls die verspätete Abgabe zu vertreten hat.*)
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